Mein Weg zu Dir von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 42: Mimi ---------------- Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, jetzt zu Kari zu gehen. Wo ich doch gestern bei ihr zu Hause auf ihren Bruder getroffen bin und das Unheil seinen Lauf nahm … Nein, es ist ganz sicher keine gute Idee, ausgerechnet jetzt zu ihr zu gehen. Aber sie scheint mich zu brauchen, zumindest hat sie mir das vor einer halben Stunde geschrieben. Und ich bin zu sehr Freundin, als dass ich ihr diese Bitte abschlagen würde. Kari ist wie eine kleine Schwester für mich und sie scheint Probleme zu haben. Ich möchte einfach für sie da sein. Vielleicht lenkt es mich ja wenigstens von meinen eigenen Sorgen ab. Die Sache mit Tai gestern Abend war für mich ein weiterer Rückschlag. Ich hatte nicht erwartet, dass es mir so schwer fallen würde, ihn erneut gehen zu lassen. Dabei war mir das von Anfang an klar und ihm vermutlich auch, aber wir wollten nicht daran denken. Am liebsten würde ich diese gemeinsame Nacht so schnell wie möglich wieder vergessen, um nicht noch mehr leiden zu müssen. Aber ich habe so das Gefühl, dass das nichts wird. Tai sitzt zu tief - in meinem Kopf, in meinem Herz, einfach überall. Ich dachte, ich tue ihm und mir mit der Trennung auf lange Sicht einen Gefallen. Dass es das Beste für uns beide ist. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass die gestrige Nacht meine Entscheidung nicht ins Wanken gebracht hätte. Außerdem bereitet es mir Sorgen, was das mit Tai macht. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass er durch diesen Kompromiss - wenn man es überhaupt so nennen kann - zu viel von sich selbst aufgibt. Ich weiß einfach nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Als ich bei Kari's Haus ankomme, höre ich, wie sie hinter der Tür lautstark gegen etwas protestiert. Sie scheint sich mit irgendjemanden zu streiten. Oh Gott, hoffentlich sind ihre Eltern nicht schon nach Hause gekommen. Mein Finger schwebt über der Türklingel, unsicher, ob ich jetzt wirklich stören soll. Doch dann fasse ich mir ein Herz. Es dauert keine fünf Sekunden, bis Kari die Tür öffnet und mich ohne eine Begrüßung ins Haus zieht. »Komm mit!«, ordert sie und zerrt mich am Ärmel meiner Jacke hinter sich her ins Wohnzimmer. »Dir auch einen schönen Guten Morgen«, sage ich, nur, um kurz darauf wieder zu verstummen, als Kari abrupt stehen bleibt und ich beinahe gegen ihren Rücken knalle. Tai steht im Wohnzimmer. Deutlich aufgebracht. Mit wütendem Blick sieht er erst Kari und dann mich an. »Was?«, zischt er fassungslos und deutet auf mich, als wäre ich nicht anwesend, während sein wütender Blick auf Kari trifft. »Du rufst SIE an?« »Halt den Mund, Taichi«, faucht Kari zurück. Erschrocken schnellt mein Kopf in ihre Richtung, noch bevor ich über Tais Kommentar sauer werden kann. Auch Tai sieht seine Schwester entsetzt an. Herr Gott. So hat sie noch nie mit ihm gesprochen. Was, zum Teufel, ist hier los? »Mimi ist wenigstens für mich da, ganz im Gegensatz zu dir. Du bist ja nur noch bei Sora oder in der Uni. Und wenn du mal nach Hause kommst, nörgelst du nur an mir herum. Ich hab's echt satt.« Wow. So habe ich Kari noch nie erlebt. In ihrer Stimme schwingt so viel Wut mit, so viel Enttäuschung. Aber vor allem Verzweiflung. »Deshalb werde ich eine Weile zu Mimi ziehen.« »WAS?«, kommt es Tai und mir wie aus einem Mund. »Du hast mich verstanden.« Kari strafft die Schultern, verschränkt die Arme vor der Brust und sieht ihren großen Bruder herausfordernd an. Dieser ballt die Hände zu Fäusten. Sein Blick richtet sich auf mich. »Das habt ihr hinter meinem Rücken abgesprochen?« »Äh, ich … davon weiß ich nichts«, gestehe ich und bin sichtlich verwirrt. Kari dreht sich zu mir und greift nach meinen Händen, ehe sie mich flehend ansieht. »Bitte, Mimi. Ich kann auf keinen Fall mit Sora und ihm unter einem Dach leben. Das halte ich nicht aus.« Was? Wieso mit Sora und ihm? Irritiert sehe ich zu Tai, der sich gerade gestresst durchs Haar fährt. »Gott, Kari. Du und deine Schnapsideen.« Karis Kopf schnellt in seine Richtung. »Du willst doch, dass ich, solange Mama und Papa weg sind, nicht mehr alleine wohne. Du willst, dass ich unter Aufsicht bin.« Tai stößt ein genervtes Stöhnen aus. »Ja, unter meiner Aufsicht! Nicht unter Mimi's. Sie ist nicht für dich verantwortlich.« »Das bist du auch nicht«, kontert Kari. »Ich bin für mich selbst verantwortlich, auch wenn dir das noch neu ist. Deshalb kann ich auch entscheiden, wo ich wohne.« Okay, sie wirkt ziemlich entschlossen. Leider bin ich das gar nicht. Wie kommt sie auf den Gedanken …? »Was denkst du dir, Kari? Dass du plötzlich erwachsen bist?« Tai schreit die Worte förmlich heraus, als ich dazwischen gehe. »Zumindest bin ich nicht das kleine Kind, für das du mich hältst. Ich habe keine Lust mehr, mich von dir wie eins behandeln zu lassen.« »Okay, ich denke, wir sollten uns zunächst erst mal beruhigen. Lasst uns in Ruhe darüber reden«, sage ich beschwichtigend, doch als ich in die Gesichter der Beiden blicke, wird mir klar, dass das vergeudete Hoffnung ist. Kari wird keinen Zentimeter zurückweichen und auch Tai ist entschlossen, seinen Vorschlag durchzusetzen. Die Situation scheint festgefahren. »Ach, vergiss es einfach«, platzt es aus Kari raus. »Ich gehe meine Sachen packen und dann gehe ich mit zu Mimi.« »Oh nein! Das wirst du ganz sicher nicht«, entgegnet Tai drohend und will Kari hinterher jagen, die gerade wutentbrannt die Treppe hinauf stürmt, doch ich halte ihn am Arm fest. Sofort entzieht er sich meinem Griff. »Lass mich!« Ich weiche vor ihm zurück, als sein Blick mich hart trifft. »Warum bist du überhaupt hier?«, schleudert er mir entgegen, was mir eindeutig einen Stich versetzt. Ich schlucke diesen Kommentar herunter und versuche, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Seine Wut richtet sich nicht gegen mich. »Kannst du Kari nicht ein bisschen verstehen?« Tai zischt und weicht meinem Blick aus. »Anscheinend nicht, sonst hätte sie dich ja wohl kaum herbestellt. Sie scheint sich in deiner Gegenwart wohler zu fühlen als in meiner.« Er verschränkt die Arme vor der Brust und beginnt durch den Raum zu tigern. So, wie er aussieht, würde er wahrscheinlich am liebsten irgendetwas kaputt schlagen. So habe ich ihn selten erlebt. »Du kannst nicht von ihr verlangen, dass sie sich mit bei Sora und dir einnistet. Wie kommst du überhaupt auf so eine Idee? Das ist doch absurd.« »Warum mischst du dich da ein?«, entgegnet Tai jedoch nur, anstatt auf meine Frage zu antworten. »Du hast doch gesehen, dass sie momentan nicht auf sich selbst aufpassen kann.« »Ja, aber sie rund um die Uhr zu beaufsichtigen, ist auch nicht die Lösung.« Abrupt bleibt Tai stehen und schenkt mir einen herausfordernden Blick. »Okay, Mimi. Bitte. Erleuchte mich. Hast du einen besseren Vorschlag, da du und meine Schwester euch ja so gut verstehen?« Seine Worte klingen verbittert, aber es liegt auch die selbe Verzweiflung darin, wie in Karis Stimme. Daher versuche ich nachsichtig mit ihm zu sein, auch wenn er gerade wieder eine Seite von sich zeigt, die mir gar nicht gefällt. »Ich …« Ich zögere und werfe einen Blick nach oben, wo Kari eben verschwunden ist. »Vielleicht ist es wirklich das Beste, wenn sie eine Weile bei mir wohnt.« Fassungslos lässt Tai die Arme sinken, während ich selbst kaum glauben kann, was ich eben gesagt habe. »Bitte? Habt ihr nun beide den Verstand verloren?« »Wieso nicht?«, erwidere ich schulterzuckend, als wäre es keine große Sache. Dabei wird mir bei der Idee selbst ein bisschen mulmig zumute. Allerdings möchte ich Kari gerne helfen und ich weiß nicht, wie ich das sonst anstellen soll. Ich kann sehr gut verstehen, dass sie nicht mit zu Tai und Sora möchte. Aber allein bleiben, während ihre Eltern noch einige Wochen weg sind, ist auch nicht ideal - wie man gesehen hat. »Kari braucht lediglich jemanden, der ein Auge auf sie hat, damit sie keine Dummheiten anstellt und sich nicht wieder hemmungslos betrinkt.« »Ha, ja … und da bist du genau die Richtige für.« Tais Sarkasmus ist kaum zu überhören, aber wieder ignoriere ich seine Gemeinheiten mir gegenüber, auch wenn es mich alle Anstrengung kostet, die ich aufbringen kann. »Ich kann auf sie aufpassen, Tai«, sage ich mit Nachdruck, aber Tai entfährt nur ein Zischen. »Kannst du mir nicht einfach vertrauen, dass ich … ?« »Warum tust du das?«, unterbricht er mich schulterzuckend und sieht mich unwissend an. »Warum fällst du mir in den Rücken, Mimi? Bist du irgendwie sauer wegen gestern Abend?« Mir klappt der Mund auf. Entsetzt starre ich ihn an, weil ich nicht fassen kann, dass diese Worte gerade wirklich aus seinem Mund gekommen sind. Dann presse ich die Lippen aufeinander, während Mein Herz wie verrückt gegen meine Brust hämmert. Wie kann er nur? »Ich verstehe, dass du aufgebracht bist«, sage ich mit betont ruhiger Stimme, auch wenn es mich alle Kraft kostet. »Aber wie kommst du darauf, dass ich dir in den Rücken fallen will? Ich versuche lediglich euch zu helfen - euch beiden.« Ich wende mich ab und will nach oben zu Kari gehen, um ihr beim Packen zu helfen, doch schon als ich den Fuß auf die erste Stufe setze, spüre ich, wie Tais Finger sich um mein Handgelenk schließen. »Warte«, sagt er und ich sehe ihn an. »Das war nicht so gemeint. Ich wollte dich nicht verletzen.« Seine Worte klingen ruhig und aufrichtig, aber das macht es nicht wieder gut. Mein Blick wandert zu seiner Hand, die mein Handgelenk umschließt. Diese kleine Berührung fühlt sich wie tausend Nadelstiche auf meiner Haut an und trotzdem entziehe ich sie ihm nicht. Nein, ich ertrage den Schmerz einfach. So wie ich es immer tue. »Wird das von jetzt an immer so laufen, Tai?«, frage ich ihn. »Du knallst mir die schlimmsten Sachen an den Kopf, nur, um dich kurz darauf bei mir zu entschuldigen?« Tai weicht meinem Blick aus. Er wirkt beschämt. »Tut mir leid, was gestern Abend passiert ist. Das war so nicht geplant«, sagt er leise und ich verdrehe die Augen. »Warum sagst du das jetzt, Tai? Was war nicht geplant?« »Na, dass wir miteinander schlafen«, erwidert Tai im Flüsterton. »Ich weiß selbst, dass wir das nicht hätten tun sollen. Es war ein schwacher Moment und der wird sich nicht wiederholen, das verspreche ich dir, Mimi.« Ich zucke vor seinen Worten zurück. Aber warum …? Kopfschüttelnd senke ich den Blick. Meine freie Hand wandert zu meiner Stirn, während der Puls unter meiner Haut rast und ich am liebsten aufschreien würde. Nun bin ich Diejenige, die verzweifelt ist. »Du denkst, dass das ein Fehler war?«, frage ich leise, denn ich weiß, dass er das gestern Abend noch anders gesehen hat. Irritiert sieht er zu mir auf. »Du etwa nicht?« Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich dachte, ich wäre diejenige, die ihn nun auf Abstand halten müsste, damit er sich nicht wieder allzu große Hoffnungen macht. Hat er nicht gestern Abend noch gesagt, dass er mich liebt? Wieso wirkt es dann plötzlich so, als würde er es zutiefst bereuen, mit mir geschlafen zu haben? Als dürfte er mir keine weiteren Hoffnungen machen? Was ist in den letzten Stunden passiert, dass er plötzlich ganz anders denkt? »Ich … ich will dich einfach nicht noch mehr verletzen«, sagt Tai, als ich nichts auf seine Frage antworte. Ein tiefes Seufzen dringt aus meiner Kehle. Ich verstehe gerade gar nichts mehr. Gestern sagte er, er würde es nicht bereuen und nun …? »Du denkst, du könntest mir mein Herz noch mal brechen? Du kannst nichts zerstören, was längst kaputt ist, Tai. Also mach dir um mich keine Sorgen. Ich brauche wirklich kein Mitleid von dir«, sage ich ein wenig zu kühl und endlich sehe ich eine Reaktion in seinem Blick. Auch wenn sie noch so winzig ist, sie ist da. Ein Zucken geht durch seine Augen. Eine winzig kleine Regung, die niemand wahrgenommen hätte, der Tai nicht gut kennt. Aber ich kenne ihn, sehr gut sogar. Und ich weiß, dass ihn diese Worte getroffen haben. Auch wenn er nichts dazu sagt. Stattdessen lässt er wortlos mein Handgelenk los, als Kari die Treppe nach unten kommt. »So, ich bin soweit«, verkündet sie, als wäre alles bereits beschlossene Sache. Tai wendet den Blick nicht von mir ab. Er hält ihn fest, wie meine Hand eben, als würde er ihn nicht loslassen wollen. Als hätte er noch was zu sagen. Aber er tut es nicht. »Hallo?«, meint Kari und sieht uns fragend an. Ich räuspere mich. »Schon gut. Dein Bruder und ich … ich meine, Tai und ich haben darüber gesprochen und wir denken, es ist keine gute Idee, wenn du …« » … Wenn du mit zu mir und Sora gehst«, beendet Tai meinen Satz. Überrascht sehe ich ihn an. Was tut er da? Eben wollte ich Kari sagen, dass sie nicht mit zu mir gehen kann. Ich möchte Tai nicht in den Rücken fallen, er hat seine Meinung sehr deutlich gemacht. Daher erstaunt es mich umso mehr, dass er nun doch zurück rudert. »Du hast recht, Kari. Ich sollte dir mehr vertrauen und bei Mimi bist du erst mal gut aufgehoben, bis Mama und Papa wieder kommen.« Kari wirkt wie vor den Kopf gestoßen. »Äh … echt?« Sie sieht ihren Bruder an, als hätte er den Verstand verloren, dabei war es doch ihre Idee. Schnell stoße ich sie mit dem Ellenbogen in die Seite. Wenn sie sich nicht beeilt, überlegt er es sich noch anders. »Ähm, okay. Danke, Tai«, wirft Kari schnell ein, aber Tai winkt nur ab. »Schon gut. Es wäre trotzdem schön, wenn du dich jeden Tag kurz bei mir melden würdest, damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.« »G-gut, mache ich«, stammelt Kari, während Tai sich von uns abwendet und geht. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss. Kari und ich stehen da wie festgewachsen und trauen uns nicht mal zu atmen, so angespannt sind wir beide. Schließlich stößt Kari die Luft aus. »Puh. Was, zum Teufel, war das?« Schulterzuckend blicke ich ins Leere. »Keine Ahnung.« »In letzter Zeit wirkt er echt unheimlich auf mich«, stellt Kari nüchtern fest, ehe wir das Haus ebenfalls verlassen. »Tja, wem sagst du das …?« Eine halbe Stunde später kommen wir bei mir zu Hause an und das erste Mal mache ich mir wirklich Gedanken darüber, wie das funktionieren soll? »Ähm, ich kann dir leider nur das Sofa anbieten. Oder eine Luftmatratze.« Verlegen kratze ich mich am Hinterkopf, während Kari ihre Reisetasche bereits aufs Sofa wirft. »Das hier ist völlig okay für mich. Danke, dass ich bei dir unterkommen darf.« Na ja, du hast mir ja nicht wirklich eine Wahl gelassen - denke ich, spreche es jedoch nicht aus. Stattdessen gehe ich in die Küche und setze heißes Wasser auf, um uns einen Tee zu machen. »Ich meine, stell dir mal vor, ich müsste mit Tai und Sora unter einem Dach wohnen. Das würde ich keine 24 Stunden aushalten«, redet Kari unterdessen weiter. Fragend runzle ich die Stirn, während ich den Tee abfülle. »Warum wolltest du nicht mit zu Tai und Sora gehen? Ich meine, ich weiß, warum ich nicht dort hingehen würde. Aber du hast doch kein Problem mit ihr.« Kari wirft sich aufs Sofa und testet einige Kissen auf ihre Bequemlichkeit, indem sie sie mit ihren Händen durchknetet. »Aus den gleichen Gründen wie du.« Ich komme mit zwei Tassen Tee ins Wohnzimmer zurück und gebe ihr eine davon. »Das verstehe ich nicht«, sage ich ganz offen und setze mich neben sie. Kari schnaubt belustigt. »Mimi!« »Was?«, schaue ich sie immer noch verwirrt an, doch Kari sieht mich nur mit einem Blick an, als wäre ich schwer von Begriff. »Sie hat dir meinen Bruder ausgespannt. Und das auf eine ziemlich miese Tour. Falls dir das noch nicht klar sein sollte, ich bin im Team Mimi.« Kari sagt das so bestimmt, als würde es hier um eine todernste Sache gehen, was mich grinsen lässt. »Nun, danke für deine Loyalität. Aber Sora ist schließlich schwanger von Tai. Das ist nun mal so.« »Da bin ich mir nicht so sicher«, wirft Kari schulterzuckend ein und nippt an ihrem Tee. Meine Stirn legt sich in Falten. »Was meinst du damit?« »Ich denke nicht, dass Tai wirklich der Vater ist«, offenbart sie mir ganz trocken, aber ich reiße entgeistert die Augen auf. »Vielleicht ist Tai so naiv und gutgläubig und glaubt ihr, dass sie nichts mit einem anderen hatte. Aber ich glaube das einfach nicht.« Ohje. »Oder du willst es einfach nicht glauben«, meine ich seufzend. »So ging es mir am Anfang auch. Ich habe auch gezweifelt, daher verstehe ich das.« »Nein, du verstehst nicht«, entgegnet Kari todernst, stellt ihre Teetasse auf den Tisch vor uns und dreht sich dann zu mir um. »T.K. hat sie gesehen.« Okaaay. »T.K. hat wen gesehen?« Kari stöhnt. »Sora, Herr Gott. Wen denn sonst, Mimi?« Ich zucke mit den Schultern. »Ja, und?« »Er hat sie gesehen, als Tai und sie getrennt waren. Kurz nachdem er mit ihr Schluss gemacht hat.« Ich erinnere mich. Zu der Zeit hatten Tai und ich uns nicht gesehen, weil er sich über seine Gefühle klar werden wollte. »T.K. hat Sora in einer Bar gesehen. Mit einem anderen Typen.« »Was macht T.K. in einer Bar? Sag mal, läuft das immer so bei euch, dass ihr euch in dem Alter in irgendwelchen Bars rum treibt?« Irritiert ziehe ich eine Augenbraue hoch, doch Kari winkt nur hektisch ab. »Ist doch völlig egal, aber er hat sie dort gesehen. Mit einem anderen Typen. Und sie wirkten ziemlich vertraut.« »Okay, Kari«, sage ich beschwichtigend. Es klingt, als würde sich Kari da gewaltig in irgendwas verrennen. »Aber das hat noch lange nichts zu bedeuten. Das ist nichts Besonderes. Das kann alles Mögliche bedeuten. Ich war neulich auch mit Matt in einer Bar was trinken.« Und habe danach mit ihm geschlafen … Okay. Zugegeben, vielleicht ist an der Geschichte doch was dran. Aber … selbst wenn. Sora wäre niemals so dreist und würde Tai derart betrügen und hinters Licht führen. So ist sie nicht. Oder? Kari runzelt die Stirn. »Du gehst mit Matt aus?« Nun bin ich es, die eilig abwinkt. »Nein, wir gehen nicht miteinander aus. Wir sind nur Freunde.« Was ja nicht gelogen ist. »Ich denke, du interpretierst da was rein, weil du Tai schützen willst.« »Aber T.K. hat gesagt, …« »Kari, bitte«, unterbreche ich sie. Ich weiß, sie meint es nur gut, aber ich kann es nicht ertragen. Allein der Gedanke, es könnte alles anders sein, zerreißt mich innerlich. Ich habe schon lange jegliche Hoffnung aus meinem Herzen verbannt, dass es für Tai und mich noch irgendeine Zukunft geben könnte. Spätestens nach gestern Abend ist mir das mehr als bewusst. Sich an scheinheiligen Tatsachen zu klammern, bringt keinem etwas. Es tut nur weh. »Bitte, lass es gut sein«, flehe ich sie an und versuche, die aufkommenden Gefühle, die tief in mir toben, wieder wegzusperren, in die Tiefen meiner verletzten Seele - da, wo sie hingehören. »Ich hätte es auch lieber, wenn Tai nicht der Vater wäre. Aber in so einen Gedanken kann man sich schnell verrennen und Tai scheint ihr zu glauben oder meinst du, er wäre noch bei ihr, wenn er auch nur den geringsten Zweifel daran hätte, dass das Kind nicht von ihm ist?« Kari blinzelt verwirrt und sieht dann beschämt zu Boden, als ihr klar wird, dass sie etwas zu weit gegangen ist. »Du hast wahrscheinlich recht. Es tut mir Leid. Es ist nur so schwer, mit anzusehen, wie ihr euch verändert habt. Früher wart ihr unzertrennlich und jetzt schafft ihr es kaum, euch in die Augen zu sehen.« Ja, das ist wohl wahr. Jeder Blick von Tai schmerzt so sehr, als würde man mir ein Messer direkt in die Brust rammen. Aber das muss ich wohl ertragen. »Ich bin froh, dass du mir erlaubst, eine Weile bei dir zu bleiben«, wechselt Kari das Thema und schenkt mir ein dankbares Lächeln. »Ehrensache«, sage ich und klopfe ihr auf den Oberschenkel. »Aber denk nicht, dass du dich hier ausruhen kannst. Die Hausarbeit teilen wir uns und wenn ich Spätschicht habe, übernimmst du das Essen kochen.« Ich zwinkere ihr zu, aber Kari grinst nur. »Geht klar.« Ich nicke und stehe auf. Kari sieht verwundert zu mir auf. »Musst du zur Arbeit?« »Ähm, ja leider«, antworte ich, während ich mir meine Jacke überziehe. »Fühl dich wie zu Hause. Und falls du danach suchst - ich habe keinen Alkohol zu Hause.« Die letzte Flasche Wein habe ich ja gestern Abend geleert, zum Glück. Kari lacht und schnappt sich die Fernbedienung, um es sich auf dem Sofa bequem zu machen. »Du stellst mich hin, als wäre ich alkoholabhängig.« »Nein, ich habe nur keine Lust, dass dein Bruder mir für diese Idee doch noch den Kopf abreißt.« Ich winke Kari zu und verlasse die Wohnung. Als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, atme ich tief durch. Meine Hand wandert an die Stelle, wo mein Herz in meiner Brust schlägt. Viel zu schnell. Das Gespräch über Tai und Sora hat mich mehr mitgenommen als ich es mir eingestehen möchte. Ihn heute zu sehen und all das, was er zu mir gesagt hat … es fühlt sich an, als würde jedes einzelne Wort mir die Kehle zu schnüren. Er nimmt mir die Luft zum Atmen. Mal wieder. Und ich muss atmen, um überleben zu können. Um irgendwie mit all dem Klar zu kommen. Ich hoffe, ich finde ein wenig Ablenkung in den nächsten Stunden, ansonsten drehe ich wahrscheinlich durch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)