Mein Weg zu Dir von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 27: Tai --------------- Ich kann nicht fassen, dass sie meine Anrufe ignoriert. Schon gestern auf der Autofahrt nach Hause hat sie kein Wort mehr mit mir geredet. Ich habe sie zu Hause abgesetzt, sie hat die Tür hinter sich zugeknallt und mich stehen lassen - mal wieder. Herrgott, ich bin so ein dummer Idiot! Ich würde mich so gerne bei ihr entschuldigen, für das, was ich gesagt habe. Ich weiß, das kam irgendwie falsch rüber. Ich wollte ihr lediglich klarmachen, dass sie sich keine Sorgen um uns machen muss. Dass ich ganz sicher beides kann - Verantwortung für mein Kind übernehmen und mit ihr zusammen sein. Aber Mimi ist immer noch eifersüchtig auf Sora, was ich ihr nicht verdenken kann. Unsere Situation ist ungewöhnlich. Und schwierig. Ich hätte nicht so hart zu ihr sein dürfen. Manchmal rede ich einfach, ohne vorher nachzudenken. Ich war aufgebracht, genau wie sie. Aber ich hätte mir die Zeit nehmen sollen, in Ruhe mit ihr darüber zu sprechen. Stattdessen fahre ich sie an, sie soll sich zurück nehmen. Bin ich eigentlich komplett bescheuert? Ich seufze und schicke ihr noch eine Nachricht. »Mimi, es tut mir leid. Können wir bitte noch mal zurückspulen und in Ruhe über alles sprechen? Bitte ruf mich an!« Ich überlege, beiße mir kurz auf die Unterlippe und schicke noch ein »Bitte! Ich liebe dich!« hinterher. Merkt man eigentlich, dass ich verzweifelt bin? »Tai, hallo? Jemand zu Hause?« Soras Stimme rüttelt mich unsanft wach. Ich hebe den Kopf und richte meinen Blick endlich auf sie, anstatt auf mein schweigendes Telefon. »Hm?«, mache ich nur und sie seufzt. »Der Arzt hat gesagt, wir können jetzt rein kommen«, verkündet sie mir. Der Arzt war hier und hat mit uns gesprochen? Das habe ich völlig ausgeblendet. »Du bist die ganze Zeit nur an deinem Handy. Hast du überhaupt Lust hier zu sein?«, fragt sie mich und ich höre sofort, wie sauer sie ist, weil ich sie bisher kaum beachtet und mir ihr geredet habe. Ich sehe kurz auf die Uhr. Man, wir sitzen seit einer Stunde hier im Wartezimmer? Selbst die Zeit geht gerade spurlos an mir vorbei. »Tut mir leid«, gestehe ich und stecke das Handy weg. »Ich war abgelenkt.« »Das habe ich gemerkt.« Immer noch angefressen steht sie auf und geht vor, ins Behandlungszimmer. Wortlos folge ich ihr und setze mich auf den freien Stuhl für Gäste, während Sora auf einer Liege Platz nimmt. Der Arzt erklärt ihr noch einige Dinge und die beiden reden miteinander, aber ich höre nicht wirklich hin. Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um Mimi. Selbst, als die Untersuchung beginnt, bin ich nicht wirklich bei der Sache. Ich kann mich kaum konzentrieren und während Sora immer wieder erstaunte Laute von sich gibt und total begeistert zu sein scheint, sitze ich schweigend wie ein Trottel daneben. Ich weiß, das Ganze müsste mich mehr interessieren, aber tut es gerade nicht. Ich bin mit meinen Gedanken und meinem Herzen einfach gerade ganz woanders. Bis Sora plötzlich meine Hand ergreift. »Tai, hör doch!« Überrascht sehe ich auf, weil mir in dem Moment klar wird, was sie mir zeigen will. Wir hören das Herz des Babys schlagen. Ein Schauer durchfährt mich. Ich bin wie gebannt von diesem Geräusch und hätte nicht gedacht, dass es mich so umhauen würde. Auch wenn ich es mir nicht anmerken lasse. Es ist einmalig und definitiv ein Wunder, was hier gerade passiert. Aber es ist auch beängstigend. Denn nun ist es sicher: es gibt kein Zurück mehr. Ich kann nicht mehr als nicken und Sora ein zaghaftes Lächeln schenken. Selbst, wenn ich nicht gerade ständig an Mimi denken würde, wäre das alles etwas zu viel für mich. Mimi … Ob sie schon geantwortet oder versucht hat, mich anzurufen? Unauffällig ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und werfe einen Blick darauf. Kein Anruf. Keine Nachricht. Verdammt. Und als ich dann auch noch Soras prüfenden Blick auf mir spüre, stecke ich es schnell wieder weg. Sie entzieht mir ihre Hand und sieht mich vorwurfsvoll an. Dann wendet sie sich wieder dem Doktor zu und sie reden. Wieder höre ich nicht hin. Scheiße! Ich habe ehrlich keine Ahnung, was ich machen soll, wenn Mimi mir nicht vergibt. Wenn sie inzwischen beschlossen hat, sich diese Situation nicht weiter anzutun. So langsam beschleicht mich die Angst, dass sie mit mir Schluss machen könnte. Gott, das wäre das Schlimmste für mich. Das würde ich nicht ertragen. »Entschuldigung?« Ertappt sehe ich auf. Sora und der Arzt sehen mich beide erwartungsvoll an. »Äh, ja?« »Ich wollte nur wissen, ob Sie noch irgendwelche Fragen haben?« Ähm … Schnell schüttle ich den Kopf. »Nein, keine weiteren Fragen.« »Gut, dann wären wir hier fertig«, sagt der Arzt und wirkt nun ebenfalls etwas irritiert von meinem Verhalten. Ich nicke schnell und verbeuge mich, um nicht komplett unhöflich rüber zu kommen. »Danke, für Ihre Zeit.« Sora und ich verlassen das Behandlungszimmer und während Sora sich an der Anmeldung ihren nächsten Termin holen geht, warte ich vor der Tür und schaue erneut auf mein Handy. Wieder nichts. Ich werde noch wahnsinnig! Diese Ungewissheit bringt mich um. »Hey, bist du fertig?«, höre ich Sora sagen, die plötzlich neben mir steht. Ich nicke und begleite sie zu ihrem Wagen. Sie öffnet ihn und will schon einsteigen, als ich doch noch mal sage: »Äh danke, dass ich mitkommen durfte. Es war ziemlich aufregend.« Sofort kommt ein Zischen von ihr und sie dreht sich zu mir um. »Ist das dein Ernst?« Ich zucke mit den Schultern. »Ja, natürlich.« »Tai, ich bitte dich«, meint sie und zeigt vorwurfsvoll auf meine Hosentasche. »Du warst doch gar nicht richtig da. Du hast alle zwei Minuten wie ein Wahnsinniger auf dein Handy geschaut und mich dabei völlig ignoriert.« Ich beiße mir auf die Unterlippe und das schlechte Gewissen überkommt mich, weil sie definitiv recht hat. Ich hätte wirklich etwas mehr Interesse zeigen können. »Tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich sein«, erwidere ich, doch Sora verschränkt die Arme vor der Brust. »Warst du aber. Ich verstehe nicht, warum du überhaupt mitgekommen bist. Du wärst ganz offensichtlich gerade viel lieber woanders gewesen.« Auch das kann ich nicht leugnen und tue ich auch nicht. Um sie anzulügen oder ihr was vorzuspielen fehlt mir definitiv die Motivation. Sora seufzt, als ich nichts darauf antworte. »Geht es um Mimi?« Keine Ahnung, was ich darauf sagen soll, denn es geht sie eigentlich nichts an und ich will auf keinen Fall über meine Beziehungsprobleme mit ihr reden. »Tai, mal ehrlich: wie stellst du dir das vor?« Irritiert sehe ich sie an. »Wie stelle ich mir was vor?« »Wie willst du das hinkriegen? Du willst doch für mich und das Kind da sein, oder habe ich da was falsch verstanden?« Wie kommt sie denn jetzt darauf? »Ja, das habe ich dir doch von Anfang an gesagt. Ich bin kein Typ, der einfach abhaut und dich sitzen lässt. Ich stehe zu meinen Fehlern.« Als ich das Wort »Fehler« in den Mund nehme, zuckt Sora kurz zusammen und auch ich merke, dass das blöd formuliert war. Aber sie überspielt es gekonnt und lässt sich nichts weiter anmerken. »Aber du willst auch mit Mimi zusammen sein«, stellt sie nüchtern fest. Was soll diese Frage? »Das will ich und das weißt du«, sage ich mit Nachdruck. Ich habe wirklich keine Lust darauf, dass sie sich wieder Hoffnungen macht, dass das mit uns noch mal was werden könnte. Das war ein Abenteuer, das längst vorbei war, bevor es richtig begonnen hatte. Mein Herz gehört Mimi. Sora seufzt frustriert auf. »Das geht nicht.« »Was geht nicht?«, hake ich nach. Warum redet sie nicht Klartext? »Du kannst nicht beides haben.« Schockiert sehe ich sie an. »Wie kommst du darauf? Was soll diese Aussage?« »Bist du wirklich so naiv, Tai?«, meint Sora fast schon belustigt und ich werde sauer. Wie kommt sie dazu, mir so etwas zu sagen? »Du kannst nicht mit Mimi zusammen sein und gleichzeitig den Daddy spielen, für das Kind, das du mit deiner Ex-Freundin hast«, stellt Sora nüchtern fest, als wäre es eine Tatsache. »Ich nehme an, ihr habt euch deswegen gestritten. Ich kann verstehen, wenn Mimi jetzt eifersüchtig ist. Wäre ich an ihrer Stelle auch.« Ich presse meine Kiefer aufeinander, weil sie hier definitiv zu weit geht. »Du bist aber nicht an ihrer Stelle.« »Richtig«, nickt Sora, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt und sieht mich aus kühlen Augen heraus an. »Aber ich stehe auf der anderen Seite, Tai. Und ich sage dir hiermit klipp und klar, dass ich das nicht will. Ich kann und will so eine Situation nicht.« Allmählich reißt mir der Geduldsfaden. »Was meinst du damit, Sora? Drück dich bitte etwas klarer aus.« Sie macht einen Schritt auf mich zu. »Ich meine damit, dass ich keine Lust habe, die dritte Person in eurer Beziehung zu spielen, die nur am Rand steht und für die du gelegentlich mal Zeit hast, wenn du es einrichten kannst. Und für dein Kind will ich das auch nicht. Ich will einen Vater, der zu 100% für uns da ist und sich um uns kümmert. Ich kann es mir nicht leisten, mich mit halben Sachen zufrieden zu geben.« Ihre Worte sind ziemlich hart und treffen genau meinen Nerv. So hat sie sich das vorgestellt? Ist das ihr Ernst? »Und was willst du jetzt von mir?«, frage ich und balle die Hände zu Fäusten, weil ich die Antwort bereits kenne. Unnachgiebig sieht sie zu mir auf. »Ich will, dass du das mit Mimi beendest und stattdessen für uns da bist.« »Vergiss es!«, kommt es mir, ohne darüber nachzudenken, doch Sora lässt nicht locker. »Alles andere wird nicht funktionieren, Tai. Nicht auf Dauer und nicht für mich. Ich werde definitiv nicht nur die zweite Geige spielen und dein Kind auch nicht. Entweder du entscheidest dich für uns oder gegen uns.« Fassungslos und wütend sehe ich sie an. »Du denkst ernsthaft, du könntest das von mir verlangen?« Sora zieht eine Augenbraue in die Höhe und zuckt mit den Schultern, als wäre es gar keine große Sache. »Nein, kann ich nicht. Aber ich muss tun, was das Beste für mich und mein Kind ist.« Ein schiefes Lachen entfährt mir und ich fahre mir durch die Haare. »Das ist verrückt, Sora.« Total verrückt! Ich glaube, die neuen Schwangerschaftshormone haben ihr den Verstand vernebelt. Wenn sie denkt, ich würde Mimi für sie verlassen, dann täuscht sie sich gewaltig in mir. Und dann zeigt das auch, dass sie mich bisher kein Stück gekannt hat. So etwas würde ich Mimi niemals antun. »Ich werde Mimi nicht verlassen, auf keinen Fall«, sage ich mit fester Stimme. »Das ist mein Ernst. Du kannst mich nicht vor die Wahl stellen. Ich habe gesagt, ich wähle euch beide und ich kann für beides Verantwortung übernehmen. Mimi ist meine Zukunft und unser Kind ist es auch. Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich mich für eins von beiden entscheide.« Entschlossen sehe ich sie an. Meine Entscheidung steht. Mimi oder das Kind? Nein, nie im Leben. Das mache ich nicht mit. Soras Blick ist so eisern wie meiner und ich kenne sie zu gut, um zu wissen, dass sie nicht nachgeben wird. Aber dieses Risiko muss ich eingehen. »Na schön«, erwidert sie schließlich, jedoch deutlich unzufrieden. Dann wendet sie sich ab und öffnet die Tür ihres Wagens. »Was soll das heißen, na schön?« Wie ein Idiot stehe ich da, während sie denkt, mich nach dieser Ansage einfach stehen lassen zu können. Sie lehnt sich mit den Unterarmen auf die Innenseite ihrer Fahrertür und sieht mich an. »Ich denke, ich hab mich deutlich ausgedrückt. Was du nun tust, ist deine Entscheidung, Taichi.« Mit diesen Worten steigt sie ein und startet den Motor, nur um in der nächsten Sekunde an mir vorbei zu fahren. Auch ich mache mich auf den Weg zu meinem Auto - unfassbar sauer! Was denkt sie sich nur dabei? Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nur eine Kurzschlussreaktion war, weil sie genauso eifersüchtig ist wie Mimi. Ich weiß sehr wohl, dass sie noch Gefühle für mich hat. Aber deshalb hat sie noch lange nicht das Recht, mir so ein Ultimatum zu stellen. Allerdings … wenn ich daran denke, dass das ab jetzt immer so sein wird, wird mir ganz schlecht. Zwei eifersüchtige Frauen, die beide im Mittelpunkt meines Lebens stehen wollen? Großartig! Aber ich weiß, mit der Zeit würde ich auch das irgendwie hinbekommen. Man wächst schließlich mit seinen Aufgaben. Ich will mein Kind nicht im Stich lassen, auf keinen Fall. Ich will es aufwachsen sehen, wie jeder andere Vater sein Kind aufwachsen sieht. Aber ich will trotzdem die Frau an meiner Seite haben, die ich auserwählt habe und für die mein Herz schlägt. Wie, um alles in der Welt, sollte ich mich für eins von beiden entscheiden, ohne dabei ein großes Stück von mir selbst aufzugeben? Trotzdem stehe ich zu meinen Worten. Ich lasse mich nicht erpressen. Mimi zu verlassen kommt nicht in Frage! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)