Balance Defenders Kurzgeschichten von Regina_Regenbogen ================================================================================ Ein Osterhase für Grauen-Eminenz -------------------------------- Wie er diese Besprechungen hasste. Am liebsten wäre er dieser Versammlung an Vollpfosten ferngeblieben, aber leider war die Teilnahme verpflichtend und er hätte mit Konsequenzen rechnen müssen, wenn er sich verweigert hätte. Und wer wusste, welche genau das gewesen wären. Für ihn war es ein Leichtes, irgendwelche entfleuchten Schatthen einzufangen – etwas, vor dem sich die meisten anderen Schatthenmeister fürchteten – aber selbst die Pappenheimer vom Pandämonium hatten mittlerweile begriffen, dass sie ihn damit nicht in die Schranken weisen konnten. Zumindest war es nur eine Online-Veranstaltung und er konnte hier in seinem Schatthenreich sitzen, statt sich mit den anderen Schatthenmeistern rumzuärgern, die sich doch tatsächlich was darauf einbildeten, aus ihren negativen Gefühlen stinkende Schatthen zu erschaffen. Außerdem hatten die offensichtlich Probleme mit seiner grauen Hautfarbe. Pff, die waren doch nur neidisch, weil sie ihr Aussehen nicht verändern konnten. Lustlos lauschte er den Ausführungen des Vorsitzenden, als er plötzlich etwas ungewohnt Buntes in seinen Augenwinkeln bemerkte. Was?! Hier konnte nichts eindringen, ohne dass er es bemerkte! Das Etwas huschte weiter vor, sodass er es nun erkennen konnte. Okay, es war wieder soweit… Ein großes Hoppelhäschen mit braunem Fell und weißem Puschelschwanz stand auf seinen Hinterläufen neben seinem Tisch. Und natürlich war es kein ganz gewöhnlicher Hase. Oh nein. Er hatte einen Flechtkorb auf dem Rücken, in dem sich quietschbunt bemalte Eier befanden. Na toll, der Osterhase. Was sonst! Zumindest war es nicht Bugs Bunny, der ihn mit „Is was Doc?“, begrüßte. Grauen-Eminenz seufzte innerlich. Solche abstrusen Dinge passierten in seinem Schatthenreich manchmal, wenn er viel zu wenig geschlafen hatte oder sein Bewusstsein sonstwie getrübt war. Ein Grund, warum er jeglichen Drogen abgeschworen hatte – neben dem Umstand, dass die Schatthen versuchten ihn zu töten, sobald sie bemerkten, dass er nicht hundertprozentig bei Sinnen war. Hier konnte er zwar alles nach seinen Wünschen gestalten, aber dafür spielte ihm sein Reich manchmal üble Streiche. Seine Augen folgten dem Hasen, ohne dass er den Kopf zu sehr bewegte. Nicht dass noch bemerkt wurde, dass seine Aufmerksamkeit gerade nicht bei dem langweiligen Vortrag war. Der Hase hoppelte auf seinen Hinterläufen vorwärts, mit ungeahnter Beweglichkeit holte er aus seinem umgeschnallten Korb ein buntes Ei und legte es in einer Ecke ab. In dem sonst dunkelgrauen Raum stach die knallige Farbe umso mehr hervor. Weiter hüpfte der Hase und wiederholte die Prozedur. Mehr und mehr bunte Eier durchbrachen die sonst düstere Stimmung. Mittlerweile waren es sechs an der Zahl, jedes in einer anderen Farbe des Regenbogens erstrahlend. Was wollte ihm sein Unterbewusstsein damit wohl sagen? Ach egal. Hauptsache, es kam nicht als nächstes noch der Weihnachtsmann, um ihm zu erklären, warum er kein braver Junge gewesen war und daher kein Geschenk verdient hatte. Als würde ihn das interessieren. Ein Seufzen entfuhr ihm. Nicht mal der Weihnachtsmann hätte ihm den einen Wunsch erfüllen können, aus dem er sich auf diesen ganzen Schwachsinn eingelassen hatte. Das wusste er. „Haben Sie etwas Wichtiges beizutragen, Herr Grau?“ Gerne hätte Grauen-Eminenz auf seinen richtigen Namen hingewiesen, stattdessen schluckte er seinen bissigen Kommentar hinunter. „Nichts, das Sie nicht sehr viel wortgewaltiger und mit mehr Fremdwörtern ausdrücken könnten.“ Verstimmung trat in den Blick des Vorsitzenden. „Oh bitte, beehren Sie uns mit ihren Eindrücken und Gedanken zu diesem Thema.“ „Ich möchte Ihnen ungern die Show stehlen, wo Ihnen doch sonst niemand zuhört.“ Rasende Wut, die er zu unterdrücken suchte, wurde in dem Gesicht des Mannes sichtbar. „Nur weil Sie sich närrische Freiheiten herausnehmen, heißt das nicht, dass Sie sich hier alles erlauben können. Ihr Auftreten als desaturierter Meister Proper zeugt von dem drängenden Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, ebenso wie Ihre pubertäre Art zu provozieren und sich zu artikulieren. Bemitleidenswert.“ Grauen-Eminenz konnte die genervte Bewegung seiner Augen nicht unterdrücken, zumal er keine Ahnung hatte, was ‚desaturiert‘ bedeuten sollte. „Wenn Sie das sagen, wird es wohl stimmen.“, gab er schlicht von sich. „Wiederholen Sie bitte meine letzten Ausführungen.“, forderte der Vorsitzende mit hocherhobener Nase. Grauen-Eminenz schwieg. „Dies ist keine Veranstaltung, die man einfach nur absitzt! Es hat fatale Konsequenzen, wenn Sie sich nicht an die vorgestellten Regeln halten.“ Grauen-Eminenz‘ Augen verengten sich. „Erstens wäre es Ihnen doch recht, wenn ich fatale Konsequenzen zu spüren bekäme. Zweitens sind die von Ihnen vorgestellten Regeln zum sicheren Umgang mit Schatthen nur für Leute interessant, die es sonst nicht auf die Reihe kriegen, sich nicht von ihren Lichtlosen killen zu lassen. Eine Kategorie, der ich nicht angehöre. Denn im Gegensatz zu Ihnen bin ich kein Schatthenverweser, sondern ein Schatthenmeister. Jemand, der nicht nur auf seinem Bürostuhl sitzt und sich schlaue Regeln ausdenkt, sondern der schon mehr Schatthen von verschiedenen Meistern gegenüberstand als in den Vordruck meiner Akte passt. Und wissen Sie warum?“ Er legte eine bedeutsame Pause ein. „Weil ich die Eier dazu habe.“ Der Mann schnaubte. Es war ihm anzusehen, dass er die Zähne zusammenbiss. „Ich habe keine Zeit für Ihre proletarische Armuts-Rhetorik und gedenke nicht, Sie auch noch mit meiner Aufmerksamkeit für dieses Schauspiel zu belohnen.“ Dann ging er schlicht dazu über, mit seinem Stoff fortzufahren. Grauen-Eminenz bemerkte, dass das Osterhäschen zu ihm gehoppelt kam. Er senkte den Arm und streckte ihm die Hand hin. Ein triumphierendes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, als der Hase mit seiner Pfote bei ihm einschlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)