Vertrauen von Kerstin-san ================================================================================ Kapitel 1: Vertrauen -------------------- Es sollte nicht allzu schwer sein, einen kleinen Stift alleine mittels deiner Gedanken zu bewegen. Du bist zwar erst sein ein paar Tagen auf der Welt, aber du hast deine Kräfte praktisch von Anfang an benutzt. Du weißt nur nicht genau wie. Es ist einfach passiert, aber du hast sie genutzt, um dich zu schützen. Und du hast andere Menschen verletzt. Unbeabsichtigt zwar, aber... Du hast Sam verletzt. Einen der wenigen Menschen, die du bisher kennen gelernt hast und die Person, die sich um dich kümmert und dir hilft, dich auf der Erde zurecht zu finden. Vor ein paar Tagen dachtest du noch, dass er eine Gefahr sei, aber jetzt weiß du, dass du dich geirrt hast. Du musst noch so viel lernen und Sam will dir dabei helfen, deine Kräfte zu kontrollieren. Er hat Castiel gekannt und wenn dein Vater ihm vertraut hast, kannst du das auch. Außerdem scheint er nicht wütend auf dich zu sein, obwohl du ihn angegriffen und gegen eine Wand geschleudert hast. Sam ist nie wütend auf dich. Am Anfang hatte er Angst vor dir, aber das hat sich geändert, nachdem ihr in der Zelle miteinander gesprochen habt. Vermutlich hättest du auch Angst vor Leuten, die dich mit unsichtbaren Kräften gegen eine Wand schleudern könnten. Sam ist freundlich und geduldig. Nicht so wie Dean. Der Mann, der zwar ein gutes Stück kleiner als sein jüngerer Bruder ist, aber vor dem du trotzdem viel mehr Angst hast. Sein eindringlicher Blick scheint dich entweder zu durchbohren oder einfach über dich hinwegzugleiten, so als wärst du gar nicht da. Er ist der Mann, der dich töten wird. Das macht dir Angst. Du magst es nicht, wenn er in deiner Nähe ist, aber Sam mag ihn und vertraut ihm. Er hat auch gesagt, dass Dean nur frustriert und wütend ist und sich davor fürchtet, dass du jemanden verletzt. Weil Dean ein Beschützer ist. Wenn du deine Kräfte also kontrollieren kannst, mag Dean dich vielleicht auch. Außerdem kannst du Sam so beweisen, dass du keine Gefahr bist. Du kannst gut sein. Deine Mutter hat das auch geglaubt. Es liegt alleine an dir. Du entscheidest, wer du bist und und was du willst, ist gut sein. Du willst niemanden mehr verletzen. Du willst, dass deine Mutter, Castiel und Sam stolz auf dich sind. Also konzentrierst du dich mit angestrengt zusammengekniffenen Augen auf den Bleistift vor dir. Es sollte nicht allzu schwer sein.   Es funktioniert einfach nicht. Du findest keinen Zugang. Du weißt nicht, was du falsch machst. Es ist nur ein Stift. Ein einfacher Bleistift, der nicht einmal viel wiegt. Selbst wenn etwas schief gehen sollte, kannst du mit dem Stift niemanden verletzen. Oder doch? Unsicher musterst du den Bleistift, der so unschuldig vor dir auf dem Tisch liegt. Was, wenn doch? Was, wenn du Sam verletzt? Was, wenn Dean zurück kommt und sieht, dass du Sam schon wieder weh getan hast? Wird er dich dann auf der Stelle töten? Dein Herz fängt wild an zu klopfen und nervös leckst du über deine trockenen Lippen. Mit einem Mal willst du den Stift gar nicht mehr bewegen. Er ist gefährlich. So wie du. Es ist besser, wenn du nicht versuchst, deine Kräfte zu benutzen. Unauffällig wischst du deine schweißnassen Finger an deiner Hose ab. Sam versucht dich zu beruhigen. Er lässt dich erklären, wie es sich anfühlt, deine Kräfte zu benutzen, aber so ganz scheint er es doch nicht zu verstehen. Er fordert dich auf, es erneut zu versuchen, aber du willst nicht. Du willst es doch gar nicht! Du fühlst dich unter Druck gesetzt. Du hast Angst, aber als du das letzte Mal Angst hattest, hast du jemanden verletzt. Du darfst keine Angst haben. Dann passieren schlimme Dinge. Nach einer kurzen Diskussion gibt Sam tatsächlich nach. Du bist überrascht und gleichzeitig so erleichtert. Deine Furcht ebbt ab und du entspannst dich etwas. Sam ist nicht enttäuscht, er versteht dich. Er wird dich nicht weiter drängen. Du wirst die Kontrolle nicht verlieren. Aber du hast dich erneut geirrt. Sam will, dass du es wieder versuchst. Er gönnt dir zwar eine kleine Verschnaufpause, aber er ist beharrlich. Genau wie Asmodeus. Ein eiskalter Schauer überläuft dich. Sam versteht es nicht. Er versteht dich nicht. Du beobachtest, wie er dir den Rücken zudreht und dich alleine am Tisch zurücklässt, aber du weißt, dass er bald zurückkommen wird. Das ungute Gefühl kommt auch zurück und dein Magen krampft sich zusammen. Du willst das hier nicht. Du kannst das hier nicht. Du wirst Sam enttäuschen. Du dachtest, du könntest gut sein, aber du bist es nicht. Deine Kräfte haben Menschen verletzt und du bist Schuld daran, dass deine Mutter tot ist. Du hast dich beinahe von Asmodeus austricksen lassen. Du bist böse.   Du verkriechst dich einer dunklen Ecke des Raums. Im Zwielicht fühlst du dich sicherer. Der Bleistift, den du immer noch umklammerst, fühlt sich mittlerweile ganz warm in deiner Hand an und es beruhigt dich, wenn du ihn fest drückst. Es ist fast so, als könntest du deine Anspannung einfach aus deinem Körper hinaus und in den Stift hineindrücken. Du hast außerdem das Gefühl, besser atmen zu können, wenn du Druck auf den Stift ausübst. Zumindest so lange, bis Sam panisch angerannt kommt. Jetzt bist du wieder angespannt. Du weißt nicht, wie er reagieren wird. Du magst Sam und du willst ihn zufrieden stellen. Aber du hast das Gefühl, eine einzige Enttäuschung zu sein. Er verlangt nicht viel von dir, aber du kannst seine Erwartungen nicht erfüllen. Du bist böse, so wie Luzifer. Wieder überrascht dich Sam. Er sieht nicht wütend aus, sondern verwirrt. Er wird nicht laut oder baut sich drohend vor dir auf, so wie Dean es tun würde, sondern bleibt sanft und beherrscht. Sam stellt Fragen und lässt dich reden. Er hört dir zu. Du sagst ihm, dass du böse bist. Du bittest ihn zu gehen und dich allein zu lassen, aber er widerspricht dir. Jetzt bricht alles aus dir heraus: Deans drohende Worte an dich, deine Ängste, deine Zweifel, deine Schuldgefühle, deine Schlussfolgerung, dass du so böse, wie dein biologischer Vater bist. Sam hört dir geduldig zu, aber er stimmt dir nicht zu. Er glaubt nicht, dass es deine Schuld war. Er entschuldigt sich sogar bei dir. Dafür, dass er dich unter Druck gesetzt hat. Sam meint es wirklich ernst und seine Sicherheit und die Ruhe, die er ausstrahlt, färben langsam, aber sicher auf dich ab. Sam hat Vertrauen in dich. Diese Erkenntnis lässt dich ungläubig und staunend zugleich zurück. Seine Zuversicht in dich sorgt außerdem dafür, dass plötzlich ein warmes Gefühl in dir aufsteigt. Er ist nicht enttäuscht von dir. Und er will dir weiterhin helfen. Sam streckt dir seine Hand entgegen und du ergreifst sie. Voller Vertrauen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)