Queen of the Clouds von PanicAndSoul ================================================================================ Kapitel 14: Selbstvertrauen --------------------------- Als Hikari vor dem Spiegel in ihrem Zimmer stand und sich betrachtete, kam es ihr so vor, als habe sie sich irgendwie verändert. Nicht so sehr ihr Äußeres, noch immer war ihr braunes Haar schulterlang. Sie hatte Wellen hineingedreht und es an der linken Seite mit einem Haarkam zurückgesteckt. Natürlich trug sie auch andere Kleidung als sonst, immerhin war heute ein ganz besonderer Abend. Sie drehte sich nach links und nach rechts und prüfte, ob das dunkelblaue, bodenlange Kleid auch richtig saß. Auch dieses hier war eines von Soras Kreationen, doch es war viel eleganter als das Kleid für die Hochzeit von Miyako und ließ Hikari deutlich erwachsener wirken. Aber auch das war es nicht, was ihr heute anders an ihr vorkam. Nein, es war vielmehr ihre Ausstrahlung, ihre Haltung, ihr ganzes Auftreten. Sonst war sie immer darauf bedacht, möglichst unauffällig zu sein und sich perfekt in das Bild zu fügen. Doch grade jetzt, da schien sie vor Selbstbewusstsein nur so zu strahlen und wirkte alles andere als unscheinbar. Und das war auch wirklich wichtig, für das, was sie vorhatte. Immerhin musste sie heute der Frau gegenübertreten und sich ihr gegenüber behaupten, die sie im gleichen Maße bewunderte wie sie sich vor ihr fürchtete: ihrer eigenen Mutter. Aber zu wissen, dass Takeru und Taichi an ihrer Seite waren, gab ihr Kraft. Als Hikari einen Blick auf die Uhr warf, stellte sie fest, dass in weniger als einer Stunde die ersten Gäste kommen würden. Sie beschloss, schon einmal hinunter zu gehen um zu schauen, ob sie noch bei den Vorbereitungen helfen konnte. Auch, wenn ihre Mutter sie von den meisten ihrer Aufgaben entbunden hatte, damit sie sich ausruhen und erholen konnte, wollte sie sich dennoch nützlich machen. Und es war eine gute Gelegenheit, sich schon vor der Feier einmal umzusehen, ob sie einen Hinweis darauf finden konnte, was Yuuko beabsichtigte. Hikari und Taichi hatten bereits mehrfach versucht, unauffällig mit ihren Eltern zu sprechen, doch leider konnten sie nichts rausfinden. Gestern Abend wäre der jungen Frau sogar fast die direkte Frage rausgerutscht, ob sie eine Verlobungsfeier geplant hatten, doch ihr Bruder hatte sie noch rechtzeitig unterbrochen und mit sich nach draußen gezerrt. „Was glaubst du, würde es bringen, wenn du sie jetzt direkt darauf ansprichst?“, fragte Taichi. Hikari sah ihn an und versuchte, ihre aufsteigende Wut wieder in den Griff zu bekommen. „Vielleicht, dass sie mir endlich mal die Wahrheit sagt?“, erwiderte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ihr Bruder musterte sie kurz, dann schüttelte er den Kopf und sagte: „Du weißt genauso gut wie ich, dass sie das nicht tun würde. Sie würde nur wieder eine Ausrede erfinden und sich dann rausreden. Und im schlimmsten Fall würde sie ihre Pläne einfach verschieben, damit wir nicht misstrauisch werden, womit unser ganzer Plan hinfällig wäre.“ Hikari drehte ihren Kopf zur Seite und sah an Taichi vorbei in Richtung des Wohnzimmers, wo noch immer ihre Eltern waren. Sie dachte über seine Worte nach. „Du hast Recht. Entschuldige, ich bin nur so angespannt.“, sagte sie. Taichi bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick. Als Hikari ihn wieder ansah, schlich sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen und sie fragte: „Seit wann bist du eigentlich der Ruhige und Besonnene von uns?“ Daraufhin lachte auch er und erwiderte: „Ich habe so meine Momente.“ Hätte ihr Bruder sie gestern nicht zur Vernunft gebracht und beruhigt, wäre sie in offene Konfrontation mit ihrer Mutter gegangen. Und das hätte wahrscheinlich alles zu Nichte gemacht. Doch sie hielt es einfach nicht mehr aus, der Gedanke, nicht selber über Zukunft entscheiden zu dürfen, machte sie langsam einfach nur noch wütend. Hoffentlich war nach dem heutigen Abend alles vorbei. Als sie die Treppe hinunterging, hörte sie bereits die Stimme ihrer Mutter. Sie sprach grade mit einem Mann, der ein Klemmbrett hielt und sich Notizen machte. Hikari erkannte ihn wieder, es war der Chef der Cateringfirma. Sie wartete, bis Yuuko das Gespräch beendet hatte und ging dann auf sie zu. „Mama, kann dir noch irgendwie helfen?“, fragte sie. Ihre Mutter drehte sich zu ihr um und musterte sie von oben bis unten. „Oh Hikari, du siehst hinreißend aus! Wirklich wunderschön. Ich habe grade mit dem Caterer die letzten Details besprochen, der Florist war auch noch einmal da und hat ein paar Änderungen umgesetzt und der Rest dürfte auch erledigt sein. Nein, eigentlich können wir uns jetzt ganz auf die Feier vorbereiten.“, sagte sie, während sie innerlich noch einmal ihre To-Do Liste durchging. „Oh, okay.“, erwiderte Hikari, sie fühlte sich, als habe sie nicht wirklich viel tun können. Als ihre Mutter merkte, dass sie etwas niedergeschlagen wirkte, trat sie einen Schritt auf ihre Tochter zu und legte eine Hand auf ihren Arm. „Du hast mir im Vorfeld mit den Kalkulationen wirklich schon mehr als genug geholfen. Ohne dich wäre ich wirklich nicht durch die ganzen Zahlen durchgestiegen und hätte bestimmt viel zu viel Geld für alles bezahlt.“, sagte sie und hoffte, Hikari damit aufmuntern zu können. Diese sah ihre Mutter an und schenkte ihr ein Lächeln. „Danke. Ich freue mich, wenn ich dir helfen konnte.“, sagte sie. Einen Moment blieben sie noch so stehen und sahen sich an, dann löste sich Yuuko von ihrer Tochter und sagte: „Ich werde jetzt nach deinem Vater sehen, wahrscheinlich braucht er Hilfe mit seiner Krawatte. Würdest du hier bleiben, falls die ersten Gäste schon früher eintreffen, um sie zu begrüßen?“ Hikari nickte. Als ihre Mutter sich umdrehte und die Treppe hinaufging, sah sie ihr noch nach. Auch sie sah heute umwerfend schön aus, in ihrem langen, smaragdfarbenen Kleid. Manchmal fragte Hikari sich, was wohl gewesen wäre, wenn ihre Mutter niemals Yagami-Corporation gegründet hätte. Sicher, sie waren auch davor schon wohlhabend gewesen, immerhin war ihr Vater ein angesehener Politiker. Aber seit Yuuko die Firma aufgebaut und groß gemacht hatte, gehörte ihre Familie mit Abstand zu den Einflussreichsten des Landes. Hikari war stolz, dass ihre Mutter all das aus eigener Kraft geschafft hatte, doch an manchen Tagen wünschte sie sich, ein einfaches Leben führen zu können. Einfach nur normal zu sein und ihre liebevolle Mama wieder zu haben, so, wie früher. Doch so sah ihr Leben nun einmal nicht aus. Und was ihr nun blieb, war die Chance, heute endlich allen mitzuteilen, dass sie von nun an selbstständig über ihre Zukunft entscheiden wollte. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass jemand auf sie zuhielt und als sie den Kopf in die Richtung drehte, entdeckte Hikari ihren Bruder. „Wow Taichi, du könntest James Bond heute wirklich Konkurrenz machen.“, sagte sie und betrachte ihn in seinem eleganten, schwarzen Anzug. Auf ihre Worte hin erschien ein Grinsen in seinem Gesicht und er richtete sich die schwarze Fliege. „Das Motto war doch, pure Eleganz, oder?“, fragte er und blieb ihr gegenüber stehen. Hikari begann zu kichern. „Naja, eigentlich war es Maskenball, aber ich meine mich erinnern zu können, dass wir auch das Wort elegant erwähnt haben.“, erwiderte sie. „Da fällt mir ein, ich habe noch etwas für dich.“, sagte Taichi und hielt Hikari etwas hin. Erst jetzt bemerkte sie, dass er die ganze Zeit über etwas in der Hand gehalten hatte und nun warf sie einen Blick darauf. Es handelte sich um zwei Masken, solche, wie man sie aus Filmen oder von Fotos, über venezianische Bälle kannte. Taichi teilte sie nun auf beide Hände auf, sodass Hikari sie besser betrachten konnte. Die erste war sehr schlicht und komplett schwarz, sie hatte eine klassische Form, die nur die Augen bedeckte und beim genauem Hinsehen erkannte sie ein paar geschwungen Linien und Symbole, in mitternachtsblau darauf. Die zweite Maske war viel aufwendiger gearbeitete und erinnerte von ihrer Form an einen Schmetterling. Auch sie bedeckte nur die Augen, doch an der einen Seite sah es aus, als befände sich dort eine Art Flügel. Sie war im gleichen Blau gehalten, wie Hikaris Kleid und auf ihr befanden sich ähnliche Linien und Symbole, wie auf der anderen Maske, nur, dass diese schwarz waren. Sie brauchte gar nicht zu fragen, welche für sie war, denn Taichi trat bereits auf sie zu und bedeutete ihr, sich umzudrehen. Vorsichtig legte er ihr die Maske an und band dann den Knoten an ihrem Hinterkopf zusammen. „Und wie sehe ich aus?“, fragte sie, als sie sich wieder zu ihm umdrehte. Als er sie musterte, erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht und er antwortete: „Wie eine Königin.“ Hikari errötete bei seinen Worten ein wenig und trat vor den großen Spiegel, der sich neben der Tür befand, um sich zu betrachten. Im ersten Moment erkannte sie sich gar nicht wieder. Die Maske verbarg nur die obere Hälfte ihres Gesichts, doch sie ließ sie tatsächlich wie einen anderen Menschen wirken. Und auch wenn sie Taichis Worte wirklich verlegen gemacht hatten, so kam sie nicht umhin zu bemerken, dass er irgendwie Recht hatte. Das Kleid, die Maske, ihr Auftreten. All das ließ sie, wie eine mächtige Person wirken. Und zum ersten Mal wusste sie, dass sie es schaffen konnte. Sie spürte, dass sie alles schaffen konnte, was sie sich vorgenommen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)