Toxische Heilung von Charly89 (Where the Streets have no name ...) ================================================================================ Kapitel 1: Der goldene Schuss ----------------------------- „Mia …“, raunt er dunkel, aus Protest und gleichzeitig aus Dankbarkeit. Sein Körper ist überhitzt und Schweiß bedeckt seine Haut. Die wohligen Wellen der Lust rollen durch seine Nerven und seinen Verstand. Warm, weich und vertraut umschließt ihr Mund seine Männlichkeit. Ihre Zunge massiert die Unterseite seiner strammstehenden Härte während seine Eichel bei jeder Bewegung ihren Gaumen streicht. Seine Bauchmuskeln spannen sich zunehmend an vor Erregung. Sie treibt ihn in den Wahnsinn, und er ist ihr dankbar dafür. Wie immer. Ihre Zusammenkünfte sind nicht gesund, für keinen von ihnen beiden. Trotzdem geben sie immer wieder nach, sich einander hin, ohne Wenn und Aber. Sie verlassen die Außenwelt und ziehen sich zurück in das schwüle Dunkel der körperlichen Lust. Sie rauben sich gegenseitig den Verstand und bringen alle Gedanken zum Schweigen. Genau deswegen tun sie das. Wieder und wieder. Und wegen der Nähe, die mit dem Sex einhergeht. Mias Körper an seinem, die damit verbundene Wärme und ihr Geruch lösen ein tiefsitzendes Gefühl der Geborgenheit in ihm aus. Zumindest für den Augenblick. Rau stöhnt er auf und geht ins Hohlkreuz. Sein Höhepunkt ist nah, er spürt wie seine Härte zu zucken beginnt und das Kribbeln fast unerträglich wird. „Mia“, wimmert er, obwohl er es eigentlich nicht muss. So oft wie sie beide sich diesem wollüstigen Ablenkungsmanöver bereits hingegeben haben, weiß er, dass sie sich bewusst ist, dass sein Orgasmus kurz bevorsteht. Und das er nicht in ihrem Mund kommen möchte. Eine Eigenart seinerseits, die sie nie hinterfragt hat, sondern mit einem Schulterzucken und Nicken hingenommen hat. Wärme und Feuchtigkeit lösen sich von seiner Männlichkeit. Er schaudert, und genießt es. Der abgebrochene Orgasmus und die plötzliche Kälte, die sich um seine Härte legt, durchzucken seine Lenden und kriechen seine Wirbelsäule hinauf. Zart und vorsichtig schlängelt sich Mias Zunge seinen Bauch hinauf, umkreist seinen Bauchnabel und lässt ihn erzittern. Sie neckt seine Haut, spielt mit seinen erregten Nerven; ein großartiges Gefühl. Sanft fährt er mit den Fingern durch ihr dunkelblondes Haar, wickelt sich eine Strähne um Zeige- und Mittelfinger. Er liebt ihre Zuwendung, ihre Aufmerksamkeit und auch Mia selbst in gewisser Weise. Es ist keine romantische Liebe, eher eine tiefe Vertrautheit. Von Anfang an war da etwas zwischen ihnen, was sie nicht erklären konnten. Sie mochten sich, kaum, dass sie sich kennengelernt hatten. Ein Umstand der ihn genauso verwirrte wie faszinierte. Er verflucht den Tag als sie nebenan eingezogen ist heute noch genauso oft, wie er dankbar dafür ist. So wirklich erinnert er sich nicht mehr daran, wie es dazu gekommen ist, dass sie das erste Mal miteinander geschlafen haben; aber an das Gefühl selbst erinnert er sich sehr genau. Der Rausch, die stummgestellten Gedanken und Erinnerungen und diese unfassbare Wärme. Er wusste sofort, dass es sein Verderben werden würden, als ihre Hände über seinen Brustkorb glitten, während er tief in sie stieß. Und Mia wusste es auch; er konnte es in ihren Augen sehen. Er hat nie nachgefragt und sie auch nicht. Sie reden nie darüber warum sie das hier tun, sie tun es einfach. Sie benutzen sich gegenseitig für ihre jeweiligen eigenen Zwecke und jeder aus seinen Gründen heraus. Sie tun sich keinen Gefallen damit, dass Wissen sie beide; und trotzdem kommen sie nicht dagegen an. Wie Junkies die wissen, dass sie das Zeug umbringen wird, aber trotzdem den Schuss brauchen. Brauchen, nicht wollen. Über das Wollen sind Mia und er schon länger hinaus. Es ist ein Brauchen, ein brennendes Müssen, wenn die Verzweiflung, Wut oder Hilflosigkeit wieder übermächtig wird und einen von ihnen zu verschlingen droht. Ein erregtes Knurren rollt durch seinen Brustkorb, als sich ihr Körper an seinen schmiegt. Warm und weich streift ihre Haut über seine. Mia ist über ihm, sieht in an und ergründet was los ist. Sie taucht tief in seine Seele ein und hinab bis in die dunkelsten Abgründe; so fühlt es sich für ihn zumindest an. Das sie nie über Gründe reden liegt daran, dass sie es nicht müssen. Sie sehen den Schmerz des anderen und lindern ihn einfach, ohne zu fragen woher er kommt oder warum er da ist. Oder lassen sich benutzen, um Frust und Wut des anderen ein Ventil zu bieten. Ein ungesundes Verhalten, keine Frage, aber gleichzeitig eine unfassbar berauschende Art all das Negative für ein paar Minuten oder Stunden zu übertünchen. Sie lenken sich gegenseitig ab, spenden sich in den finsteren Momenten ein wenig Trost und Gesellschaft, mehr nicht. Sie lösen die Probleme des anderen nicht. Sie helfen dem anderen nicht mit seinen Sorgen. Sie schlafen miteinander, intensiv und vereinnahmend. Sie fliehen damit vor der Realität anstatt sich mit ihr auseinander zu setzen. Das schummrige Licht der Außenwelt fällt durch die Jalousie und erhellt Mias Gesicht. Ihre blauen Augen mustern ihn; und wecken unschöne Erinnerungen. Ihre blauen Augen kommen sofort wieder hoch, und der Ausdruck in ihnen, als sie in seinen Armen starb. Schlagartig donnert Wut und Verzweiflung durch seinen Kopf. Er knurrt und packt Mia grob an den Seiten, ruppig dreht er sie beide um. Schwer atmend thront er über ihr. Einen Augenblick sieht er Verwunderung und die Frage was los ist in ihrem Gesicht, doch er weiß, dass sie nicht nachhaken wird. Und er ist dankbar dafür. Und für das, was folgen wird. Dafür, dass sie sich seinem Bedürfnis anpassen wird und ihm geben wird, was er gerade braucht. Dafür, dass sie ihn gewähren lassen wird, egal was er ihr abverlangt. Und das dürfte einiges heute werden … Grob beißt er ihr in den Hals, leckt mit der Zunge über die eingeklemmte Haut. Mia unterdrückt das Schmerzwimmern, aber er spürt wie ihr Körper sich anspannt. Und dennoch öffnet sie ihre Schenkel für ihn, spreizt sie weit um ihm den Platz freizuräumen den er braucht. Ohne von ihrem Hals abzulassen fährt er mit den Fingern ihre Seite hinab, von der Schulter bis zu ihrer Hüfte. Er lässt seine Fingernägel rote Spuren auf ihrer hellen Haut hinterlassen. Die Wut brennt in ihm und will raus. Er greift nach dem bereit liegenden Päckchen, öffnet es und zieht sich das Kondom über. Danach drängt sich seine Hand unter ihre Becke, dass sie für ihn anhebt. Ihre Nieren ruhen auf seinem Arm und er packt ihre Hüfte auf der anderen Seite. Fest. Sehr fest. Auch hier wird er Spuren hinterlassen; nicht zum ersten, und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal. Knurrend hebt er ihr Becken an. Während sich ihre Beine um seinen unteren Rücken legen, dringt er in sie ein. Völlig unvorbereitet und ohne jegliche Rücksicht. Mia verkrampft, legt den Kopf in den Nacken und schreit kurz auf. Eine Schmerzträne bildet sich in ihren Augenwinkel und läuft ihre Schläfe hinunter. Er löst sich von ihrem Hals, küsst verstörend sanft die gerötete Stelle und setzt sein Becken in Bewegung. Hart. Erbarmungslos. Ohne Zurückhaltung. Schwungvoll stößt er seine Härte in sie. Deutlich spürt er, dass Mia immer noch gegen den Schmerz ankämpft, dass ihre Körper bei jedem Stoß bebt und krampft. Aber er braucht das jetzt. Er braucht ihren Schmerz um gegen seinen eigenen anzukommen. Mal wieder. Es ist nicht das erste Mal, nein. Er hat schon mehrfach seine Spuren auf ihr hinterlassen; genau wie umgekehrt. Auch er hat ihre Wut schon geduldig ertragen, ausgehalten und die sichtbaren Hinterlassenschaften versteckt in den Tagen danach. Ungesund; eine andere Bezeichnung für das was zwischen Mia und ihm passiert gibt es nicht. Toxisch vielleicht noch, denn das ist was sie beide tun. Sie vergiften ihre eh schon kranken Seelen noch mehr in dem sie miteinander tun was sie tun. Sie heilen sich aber auch vorübergehend und schaffen es dadurch weiter zu machen und durchzuhalten. Weiter zu hoffen, dass es besser wird, dass es irgendwann vorbei ist, dass sie irgendwann … Ja, was? Gesund werden? Erneut kann Mia einen kurzen Aufschrei nicht verhindern, als er mit aller Kraft seine Männlichkeit bis zum Anschlag in ihr versenkt. Er haucht ihr einen Kuss auf das Schlüsselbein und nimmt sich ein kleinwenig zurück. Er will ihr nicht ernsthaft schaden. Das würde er sich niemals verzeihen. Deutlich merkt er, wie sich ihre orale Vorarbeit bemerkbar macht. Sein Schwanz glüht und spannt sich auf das Äußerste an. Das betörende Kribbeln des herannahenden Höhepunkts setzt ein und lässt ihn rau stöhnen. Gleichzeitig spürt er, wie sich Mias Körper entspannt und beginnt seinen Bewegungen zu folgen, ihre Beine ihn enger an sie ziehen und ein erregtes Wimmern ihre Lippen verlässt. Er spannt seinen Arm an, drückt sie enger an seinen Unterbauch und küsst ihren Hals. Die geschundene Stelle ist inzwischen dunkelrot verfärbt und äußerst sensibel. Kaum das seine Lippen sich daraufgelegt haben, bekommt sie Gänsehaut und keucht. Seine Stöße werden kürzer, verlieren aber kaum an Fahrt oder Kraft. Mia krallt sich in seine Oberarme, vergräbt ihre Nägel in seiner Haut. Im nächsten Moment bäumt sie sich auf und stöhnt zittrig. Mit einem finalen Stoß ergießt er sich in die Hitze ihrer Mitte. Er stöhnt, knurrt und hat das Gefühl, dass seine Männlichkeit sich gar nicht beruhigen will. Das Kribbeln hört nicht auf und seine Hoden ziehen sich schmerzhaft zusammen, als wollen sie auch den letzten Tropfen herauspressen. Was durchaus möglich ist. Sie haben schon einige Monate nicht mehr … Der Gedanke führt ihn zurück zu dem Warum und zu der unfassbaren Ohnmacht. Sie war der Grund dafür, dass er sich von Mia ferngehalten hat; und nun ist sie der Grund dafür, dass er wieder bei ihr ist. Ihre blauen Augen und die Leere die sich darin gebildet hat überkommen ihn wieder. Und der unsagbare Schmerz und die eisige Kälte. Wortlos löst er sich von Mia und rollt sich auf die Seite. Er zieht das Kondom ab und pfeffert es irgendwo in den Raum. Sein Atem ist zackig, aber nicht wegen der Anstrengung. Verzweiflung übermannt ihn Stück für Stück. Ohne das er Einfluss darauf hat kommen ihm Tränen. Still, aber unaufhaltsam. Er hat geahnt, dass es diesmal nicht helfen wird. Seit sie in sein Leben getreten war, war alles anders geworden. Und er spürt genau, dass es niemals wieder wie vorher wird. Sein Leben gliedert sich in ein davor und ein danach. Der Rest seines Lebens wird im danach stattfinden und der Gedanke ist unerträglich. Weich und warm legen sich Mias Lippen auf seine Schläfe für einen Kuss. Er zuckt kurz zusammen, weil er nicht damit gerechnet hat. Bevor überhaupt im Stande ist zu reagieren schiebt sie ihre Hand unter seinen Kopf und zieht ihn zu sich heran. Sanft und liebevoll nimmt sie ihn in den Arm, schmiegt sich an ihn und streicht ihm über den Rücken. Dankbar nimmt er ihre Fürsorge an, wie schon so oft. Still vergräbt er seine Tränen an ihrer Halsbeuge. Er ist froh, dass sie da ist, wünscht sich aber gleichzeitig, dass sie nicht hier wäre. Das er selbst nicht mehr hier wäre. Er hätte springen sollen, wie er es geplant hatte. Doch sein Chef hat ihn davon abgehalten, hat ihn im letzten Moment zurück gepfiffen wie einen Hund. Die Bilder drängen sich hoch, laufen wie ein Film vor seinen geschlossenen Augen ab … „Das reicht jetzt“, tadelt eine Stimme streng. Seine dunklen Augen sehen in die Ferne, beobachten den Tanz der Polizeisirenen. „Es ist vorbei …“ Der Mann an der Tür zum Treppenaufgang seufzt schwer. „Ja, aber wir haben noch anderes zu tun, also hör mit dem Unsinn hier auf.“ Er geht zwei Schritte und mustert seinen Leibwächter intensiv. „Ich habe dir extra den Freiraum gelassen, aber nun ist es Zeit wieder zurückzukehren“, erklärt er erstaunlich ruhig und routiniert, als würde er über den sintflutartigen Regen sprechen und nicht über den Tod eines Dutzend Menschen. „Die Polizei ist gleich hier …“, versucht er zu argumentieren, wissend, dass es sinnlos ist. „Die wird nichts finden. Wie immer.“ „Wie immer“, bestätigt er gedankenverloren. Wie konnte er auch denken, dass sein Chef zulassen würde, dass irgendjemand etwas findet. „Geh nach Hause. Geh dich trösten und dann will ich dich in zwei Tagen wieder auf deinem Posten sehen.“ Der Befehl ist deutlich herauszuhören. Und auch, dass kein Widerspruch geduldet wird. Natürlich ist ihm sofort Mia eingefallen. Aber er hat sich dagegen gewehrt. Die letzten Monate ging es auch ohne sie, hat er sich eingeredet und sich den ersten Tag in seiner Wohnung verkrochen. Heute hat er es nicht mehr ausgehalten. Allein in einer Bar konnte er nicht mehr widerstehen und hat ihr eine Nachricht geschickt. Seit drei Monaten die erste und trotzdem war sie innerhalb kurzer Zeit da. Sie sind gegangen, haben die Bar verlassen und nun sind sie hier. Hier im Dunkel seines Schlafzimmers und vergiften sich wieder gegenseitig … Mias Wärme und Ruhe übertrage sich auf ihn und er spürt wie sich etwas in ihm verändert. Irgendetwas frisst sich durch seine Eingeweide und lässt seinen Magen verkrampfen. Seine Tränen hören auf und er löst sich von ihrer Halsbeuge. Seine Augen sehen in ihre. Mias Blau ist heller wie ihres und auch das was sich darin spiegelt ist anders, und doch ähnlich. Er weiß, dass er nicht nachgeben sollte, aber er hat keine Kraft mehr zum Kämpfen. Bedächtig überbrückt er die wenigen Zentimeter und legt seine Lippen auf die von Mia. Das erste Mal überhaupt seit jener schicksalhaften Nacht damals, als sie sich zum ersten Mal einander hingegeben haben. Er küsst sie, vorsichtig und beinahe schüchtern und sie erwidert sein Tun genauso unsicher. Sie haben sich geliebt, sanft und weich, hatten rohen Sex, grob und brutal oder haben sich im Rausch die ganze Nacht einander hingegeben bis sie nicht mehr konnten; aber nie, nie haben sie sich geküsst. Sie haben darüber nicht wirklich geredet, aber aus Gründen haben sie es einfach nicht gemacht. Es war, als hätte es eine stillschweigende Vereinbarung zwischen ihnen gegeben, die eine derartige Intimität einfach ausschloss. Seine Zunge gleitet über ihre Lippen und schließlich zwischen ihnen hindurch. Er intensiviert den Kuss, drückt Mia nach hinten und schiebt sich wieder über sie. Sie schmeckt süß. Lieblich und sanft irgendwie. Er hätte sich nie träumen lassen, dass der goldene Schuss so gut schmecken würde … Kapitel 2: Hoffnungslose Hoffnung --------------------------------- Träge öffnet Mia die Augen. Der Raum ist dunkel und stickig, und riecht recht deutlich nach den Aktivitäten die ihrem tiefen Schlaf voraus gegangen sind. Wohlige Wärme und Schutz umfangen sie; und ein dumpfes Schmerzpochen zwischen ihren Beinen. Mehrfach blinzelt sie, allerdings nicht um ihre Sicht zu schärfen, sondern um ihre Gedanken zu sortieren. Hinter ihr brummt es und der Arm, der um ihren Brustkorb liegt, verstärkt seinen Druck. Danach herrscht wieder Stille. Er liegt an ihrem Rücken, eng an sie geschmiegt und den Arm wie ein Bollwerk um sie geschlungen, als hätte er Angst das sie einfach verschwindet. So wie sie es halt sonst immer tut. Oder er. Sie sind kein Paar, keine Affäre und eigentlich nicht mal richtige Freunde. Sie hat keine Ahnung was sie beide für einander sind. Oder besser, waren. Ganz eindeutig ist heute Nacht etwas passiert, etwas, was nicht hätte passieren sollen. Nachdenklich legt sich Mia über die Lippen. Sie schmeckt ihn immer noch viel zu deutlich. Und es ruft immer noch viel zu deutlich eine Reaktion tief unten in ihrem Bauch hervor; von dem Schmerzpochen mal abgesehen. Es kribbelt in ihrem Magen; und das sollte es nicht. Er sollte nicht dieses Gefühl in ihr hervorrufen. Er nicht. Sie beide tun sich nicht gut. Sie wissen es. Sie sind Gift für einander, egal wie gut es sich immer für den Moment anfühlt. Mia erinnert sich an ihre erste Nacht und all die Gefühle die sie hatte. Sein mächtiger gestählter Körper über ihr, seine Arme rechts und links neben ihr und seine ganze Aufmerksamkeit auf und auch in ihr. Es war großartig, berauschend, einfach nur gut. Sie hatte den Eindruck, als würde er sie gegen den Rest der Welt abschirmen, sie in gewisser Weise einhüllen und beschützen. Nur für den Augenblick, nur innerhalb dieser vier Wände; aber es reichte, dass sie ihm regelrecht verfiel, unter ihm dahinschmolz. Ihm und dem was er in ihr auslöste. Es half zu betäubend was gerade wieder schief lief, was gerade wieder gegen die Wand fuhr oder anderweitig einfach nur beschissen war. Und sie sah ihm immer an, dass es ihm nicht viel anders ging in diesen Momenten. Vorsichtig dreht sich Mia, und bereut es. Ein stechender Schmerz zieht blitzschnell von ihrem Intimbereich hoch bis zu ihrem Bauchnabel. Sie beißt die Zähne zusammen und verhindert in der letzten Sekunde einen Schrei. Nein, er war wirklich nicht zimperlich heute; zumindest nicht beim ersten Mal. Irgendetwas ganz schreckliches musste passiert sein, dessen ist sie sich sicher. Drei Monate hat sie nichts vom ihm gehört und wenn er ihr im Flur begegnete, nickte er nur stumm zum Gruß und verschwand schnell. Es war nicht so, dass ihr das wehtat. Da sie aber keinerlei Erklärung für sein absonderliches Verhalten hatte, löste es eine Mischung aus Kränkung, Neugier und Sorge in ihr aus. Es fühlte sich einfach nicht schön an. Und dann heute hatte sie plötzlich die Nachricht von ihm auf dem Smartphone. Schlicht, ohne Schnörkel oder sonstiges. So waren seine Nachrichten immer, eben genauso wie er selbst. Es fand immer mehr zwischen den Zeilen statt bei ihm. Und nachdem Desaster mit Mister John Geheimagenten-Werwolf Cooper hat sie Gesellschaft gebraucht. Und Trost. Und Nähe. Und Schutz. Sie ist sich sicher, dass John es nicht böse gemeint hat. Aber das er so steif und verschämt neben ihr war, als sein Chef aufgetaucht ist, hat in ihr einfach unschöne Erinnerungen hochgeholt. Ablehnung ist eines der ersten Dinge an die sie sich erinnern kann. Das Gefühl, nicht gewollt und erwünscht zu sein, hat ihre ganze Kindheit bestimmt. Und tiefe Spuren hinterlassen. Mia seufzt schwer. Sie hat es inzwischen geschafft sich komplett zu drehen. Ihr Bauch liegt an seinem, ihr Busen drückt bei jedem Atemzug gegen seinen kräftigen Oberkörper und ihr Kopf ruht auf seinem Oberarm. Sie sieht ihn an, mustert ihn regelrecht. Sein Gesicht ist ruhig und entspannt, seine Atemzüge tief und gleichmäßig. Nichts deutet mehr auf das Biest von vorhin hin. Ja, sie waren schon einige Male eher grob zu einander gewesen, aber das heute sprengt den Rahmen erheblich. Was ist ihm passiert, dass er ihren Schmerz brauchte? Ein unruhiges Grummeln erschüttert ihren Bauch. Sie sollte nicht darüber nachdenken. Bisher hat sie auch noch nie darüber nachgedacht, was ihn bewegt oder warum er Dinge tut. Bisher haben sie sich auch noch nie geküsst … Das Grummeln weicht wieder dem seichten Kribbeln. Mia spürt wie sie unruhig wird dadurch. Sie will nicht, dass er das in ihr auslöst. Sie tun sich nicht gut und wenn jetzt zu ihrem eh schon abnormen Verhältnis auch noch Gefühle kommen, wird es das nicht besser machen. Ihr fällt wieder ein, was einmal einer der Jugendrichter zu ihr sagte: „Manchmal begegnen sich die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt; bei Ihnen scheint es aber eher so zu sein, dass sie den falschen Menschen zu den ungünstigsten Momenten in die Arme laufen …“ Dieser hässliche alte Knilch damals scheint auf gruselige Weise Recht zu behalten. Ihre erste Begegnung vor etwas über einem Jahr war ein solcher Moment. Er und sie, sie hätten sich ignorieren sollen. Aber sie konnten es nicht; irgendetwas hat sie zueinander hingeführt. Mia ist sich sicher, dass es der Schmerz war, den sie beide aneinander deutlich wahrnehmen konnten. „Habe ich etwas im Gesicht?“, fragt er amüsiert und schaut mit halbgeöffneten Augen aufmerksam zu ihr. Eine Mischung aus Zuneigung und Schuldbewusstsein ist in seiner Mimik zu erkennen. „Hmmm.“ Mia sieht ihn grübelnd an. „Haare“, witzelt sie dann und entlockt ihm damit ein leises, raues Lachen. Ihre Finger fahren über seinen Bart, der einige Zentimeter länger ist wie normalerweise. „Eine Nase“, fügt sie an und fährt diese entlang. „Und …“ Mia stockt und hält inne. Ihre Fingerkuppe schwebt über seinen Lippen und ihr Blick verharrt ebenfalls auf ihnen. Ihr kommt sofort wieder in den Sinn, wie es sich angefühlt hat, als sie auf ihren lagen. Weich, lustvoll, innig. Sie verflucht sich innerlich dafür, dass ihr das so sehr gefallen hat. Ihre Augen wandern hoch zu seinen in der Hoffnung irgendeine Antwort auf die vielen Fragen zu finden. Dunkel und liebevoll sieht er sie an, so ganz anders wie sonst. Da sind keine Antworten, nur noch mehr Fragen. Mia hat den Eindruck als würde sie in seine dunklen Augen eintauchen, hinab stürzen in eine Welt, aus der es kein Entkommen mehr geben wird. Eine Traum- oder Alptraum-Welt? Eigentlich weiß sie die Antwort, aber wenn es eine Sache gibt, die sie schon immer hat, und die ihr wieder und wieder das Genick gebrochen hat, dann ist es Hoffnung. Wahnwitzige, irrsinnige, hoffnungslose Hoffnung … Wie heute Abend, als sie auf dem Weihnachtsmarkt war. Als sie mit John durch die Massen geschlendert ist und sich für den Moment vorstellen konnte, wie es sein könnte wenn … Seine Lippen holen sie zurück, zurück in diese ausweglose Situation in der sie sich befindet. Gefangen in seinem Schutz, seiner Nähe und Aufmerksamkeit gibt sie nach. Mia erwidert den Kuss; sinnlich, sanft. „Sei lieb zu mir“, flüstert sie gegen seinen Mund und schämt sich ein wenig. Eigentlich absurd, dass weiß sie. Er kennt jeden Zentimeter ihres Körpers und mehr als einmal haben sie sich einigen nicht ganz alltäglichen Praktiken unterworfen. Und jetzt schämt sie sich, weil sie einen Wunsch äußert. Oder ist es eher die Scham, dass sie sich mit dieser Bitte eingesteht, dass es nun anders zwischen ihnen ist? Das da plötzlich Platz für mehr ist, wie simple körperliche Freuden? Seine Hand streicht zärtlich ihren Rücken hinunter, während der Kuss fiebriger wird. Mia spürt wie sich seine Männlichkeit beginnt gegen ihren Unterbauch zu drücken, und sie spürt dieses neue Kribbeln unter ihrem Nabel. Er rollt sich auf sie, stützt sich auf den Ellenbogen ab um sie nicht unter sich zu begraben. Während sie ihre Beine um seine Hüfte legt, beginnt er sich über ihren Busen herzumachen. Er saugt, leckt und knetet; bedacht und zärtlich. Mia stöhnt durch seine Liebkosungen und bäumt sich ihm entgegen. Sie hält sich an seinen Oberarmen fest, als wären sie ihre Rettungsboje. Kurz beißt sie die Zähne zusammen, als er in sie eindringt. Sie weiß, dass sie die nächsten Tage noch deutlich spüren wird was er da angerichtet hat und das jede weitere Runde noch mehr dazu beitragen wird; aber es ist ihr egal. Sie will ihn spüren. An sich, auf sich, in sich, einfach überall. Nach einigen überaus sanften Bewegung seinerseits ist der Schmerz auch schon vergessen. Das hitzige Kribbeln der körperlichen Erregung mischt sich mit dem sanften Kitzeln in ihrem Bauch. Das Gefühl, dass diese Mischung auslöst lässt Mia zittrig keuchen. Ihr ganzer Körper bebt und ein unfassbarer Rausch ergreift von ihrem Geist Besitz. Alles in ihr scheint Amok zu laufen und nimmt ihr förmlich die Luft. Zum allerersten Mal in ihrem Leben fühlt sie sich akzeptiert, verstanden und … geliebt. Ganz sanft und liebevoll bewegt er seine Hüfte. Seine pulsierende Härte massiert ihr Inneres auf eine köstliche und intensive Art. Er legt seine Lippen wieder auf ihre, küsst sie fiebrig. Ihre Zungen finden sich, beginnen ihren eigenen sinnlichen Tanz. Eng umschlungen bewegen sie sich im Einklang, stöhnen und zittern gemeinsam. Mia hat den Eindruck völlig den Halt zu verlieren. Nicht wegen der überaus sinnlichen und sanften Art mit der er sie nimmt, sondern wegen dem, was sie in seinen Augen sieht. Es lässt sie Schaudern, aber nicht auf die gute Art. Sie wusste es bereits beim ersten Mal heute. Sie weiß, dass es keine Traumwelt sein wird. Sie ist auf dem Weg in eine weitere Hölle. Als würde die, in der sie sich bereits befindet, nicht genügen. Mia schließt die Augen, verdrängt was sie gesehen hat und ergibt sich einfach. Seinen köstlichen Stößen. Ihrem gemeinsamen Stöhnen. Dem Rausch aus Lust und Gefühlen. Der idiotischen Hoffnung, dass sie sich nur verhört, als er den Namen einer anderen keucht, während er sie in den Himmel schickt und sich ungehindert in ihr ergießt. Die Wärme, die sich in ihrem Bauch ausbreitet, ist nicht das wohlige Gefühl von Hause, eher sengender Wahnsinn der sie noch mehr zerstören wird. Und trotzdem genießt sie es, lässt die Wellen ihres Höhepunkts ungefiltert über sich hinweg rollen. Vielleicht, weil sie eh nichts anderes kennt. Vielleicht, weil sie einfach nicht von der Hoffnung lassen will. Vielleicht, weil sie das Gefühl hat, zumindest ihm damit einen Gefallen zu tun, wenn schon nicht sich selbst. Er küsst sich, zart und schüchtern. Mia öffnet die Augen, auch wenn sie fürchtet, was sie sehen könnte. Doch es ist etwas anderes, was sie zu Gesicht bekommt. Sie hat damit gerechnet wieder zu sehen, wie er eine andere in ihr sieht, doch er sieht sie an; entschuldigend und gleichzeitig sehnsuchtsvoll. Er haucht ihr einen weiteren Kuss auf die Lippen. „Tut mir leid“, murmelt er. Ehe Mia sich versieht, stellt sie die Frage, die sie eigentlich nicht stellen möchte: „Was tut dir leid?“ Dass er ihr körperlich weh getan hat? Dass er an eine andere gedacht hat? Dass er sie geküsst hat? „Alles“, raunt er und küsst sie wieder. Und wieder. Und wieder. Sie spürt wie Unruhe und Angst in ihr hochkommen. Was meint er mit alles? Bevor sie weiter darüber nachdenken kann überrumpelt er sie, in dem er sie beide dreht und sich aufsetzt. Plötzlich hockt sie auf seinem Schoß und weiß gar nicht wirklich was los ist. Erneut küsst er sie und sieht ihr anschließend tief in die Augen. „Es wird nicht wieder vorkommen“, erklärt er leise. „Sie ist nicht mehr da und ich werde sie vergessen.“ Eine Mischung aus Zweifel und Angst überkommt sie. Will sie wissen, wer sie ist? War? Warum sich scheinbar alles durch sie verändert hat? „Sicher? Sie scheint wichtig für dich …“ Weiter kommt Mia nicht. Wieder küsst er sie und flüstert dann gegen ihre Lippen: „Sie ist tot, aber du bist hier.“ Er knabbert ihren Hals hinunter und vergräbt sein Gesicht an ihrer Schulter. „Hier bei mir“, fügt er noch an und verstärkt seine Umarmung. Da ist sie wieder, die wahnwitzige, irrsinnige, hoffnungslose Hoffnung. Vielleicht gibt es eine Chance, dass doch irgendwann alles gut wird … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)