Zwischen den Zeilen von Khaleesi26 (Mimato Woche) ================================================================================ Kapitel 6: Märchengeschichte ---------------------------- Es ist totenstill am anderen Ende, dann plötzlich … »Mimi?«, höre ich Yamato ungläubig sagen. »Du bist es?« Ich grinse unsicher, während mir das Herz bis zum Hals schlägt. Zum Glück kann er gerade nicht sehen, wie nervös ich bin. »Ja, ich bin es. Ich wollte mich für deinen Brief und für die Blumen bedanken. Sie sind wirklich wunderschön.« »Freut mich, dass sie dir gefallen. Moment«, kommt es jedoch eilig von ihm und wieder wird es für eine Weile still. »Äh … Hallo? Yamato?«, frage ich, weil ich nicht sicher bin, ob er noch dran ist. Ein Rascheln am anderen Ende. »Bin wieder da. Musste nur schnell deine Nummer einspeichern, bevor wieder irgendwas schief geht.« Ein Lachen dringt aus meiner Kehle und schon entspanne ich mich ein wenig. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass du mich anrufst«, sagt Yamato, nachdem ich mich wieder beruhigt habe. »Ich auch nicht«, gestehe ich schulterzuckend. »Aber ich dachte, ich bin dir eine Antwort schuldig und das ist der schnellste Weg. Außerdem … tut es gut, deine Stimme zu hören.« Ich kann förmlich hören, wie er am anderen Ende leise lächelt. »Geht mir genauso.« Räuspernd setze ich mich in den Schneidersitz, das Tagebuch immer noch auf meinem Schoß liegend. »Ich würde gerne mit dir über etwas sprechen. Du solltest es dir bequem machen«, schlage ich Yamato vor. »Das hier könnte etwas länger dauern.« »Kein Problem, ich habe Zeit und ich sitze bereits«, antwortet er lachend. »Was hast du denn vor?« »Ich möchte dir etwas vorlesen.« Oh, Gott. Habe ich das gerade wirklich gesagt? Nun gibt es kein Zurück mehr. »Du willst mir was vorlesen?«, entgegnet Yamato zweifelnd. »Etwa so was, wie eine Märchengeschichte?« »Nun«, sage ich und fahre mir durchs Haar. »So könnte man es auch nennen. Vielleicht fällt es mir leichter, wenn ich so tue, als wäre es eine und als würden du und ich nicht die Hauptrollen darin spielen.« »Jetzt machst du mir Angst.« Zurecht - denke ich, denn auch mein Herz springt mir fast aus der Brust, vor lauter Aufregung. Ich werde ihm gleich einen Einblick in mein früheres Ich geben. Das habe ich noch nie getan, nicht mal bei Kouji. Niemand kennt diese Zeilen, außer ich. Ob er mich danach noch genauso sieht, wie er mich jetzt sieht? Oder werde ich danach eine Andere für ihn sein? Aber dieses Risiko muss ich eingehen. »Keine Geheimnisse mehr zwischen uns, okay?«, zitiere ich aus seinem Brief und schlage das Buch auf. »Keine Geheimnisse«, wiederholt er mit fester Stimme. Ich suche die Seite, die ich im Kopf habe und finde sie ziemlich schnell. »Das … das sind verschiedene Einträge aus meinem alten Tagebuch«, erkläre ich ihm mit zittriger Stimme. »Mimi, das … Gott, das ist …« »Nein«, unterbreche ich ihn sofort. »Bitte sag nichts und hör es dir einfach an.« Bitte. Ich muss das jetzt loswerden. »Okay. Ich höre dir zu«, antwortet er mit ruhiger Stimme. Ich räuspere mich, unsicher, was ich hier eigentlich tue. Aber ich versuche, Mut zu fassen, während ich die ersten Zeilen laut vorlese … »13.09.2007 Liebes Tagebuch, Heute habe ich gesehen, wie Sora und Tai sich hinter der Turnhalle geküsst haben. Es ist schon ein bisschen verrückt, weil sie selbst ja immer abstreitet, dass sie ihn toll findet. Ja, schon klar. Die denkt doch auch, ich wäre bescheuert. Na, wie auch immer … jedenfalls habe ich sie später gefragt, wo sie in der Mittagspause gesteckt hat und sie hat mich eiskalt angelogen. Das ist echt voll daneben. Wobei ich sie auch ein bisschen verstehen kann. Auch ich habe ein Auge auf jemanden geworfen, wovon ich ihr bisher noch nichts erzählt habe. Ich finde Yamato Ishida unglaublich toll. Er ist so wortgewandt und talentiert und schlau und schön. Er ist einfach nur unglaublich. Ich hoffe, ich schaffe es irgendwann, ihm das zu sagen …« Kurz halte ich mitten im Text inne und warte auf eine Reaktion von Yamato, die allerdings aus bleibt. Also blättere ich ein paar Seiten um und lese weiter. »01.10.2007 Liebes Tagebuch, Ich kann es nicht fassen, aber ich war bei Yamato zu Hause - in seinem Zimmer - ALLEIN!!! Bisher war sonst immer jemand dabei, Tai oder Kari oder T.K. Heute war alles anders. Die Lehrerin hat ihn dazu verdonnert, mir bei meinem Referat zu helfen. Was für ein Glück ich doch habe. Sollten wir später mal heiraten, wird sie einen Platz in der ersten Reihe erhalten. Aber dazu später noch mehr. Ich war super aufgeregt, weil wir beide nach der Schule allein waren und ich glaube, er hat es gemerkt. Ich habe echt gar nichts hinbekommen, dann haben wir uns eine Musikkassette von ihm angehört und es war … magisch, einfach MAGISCH. Oh Gott, ich bin total verknallt in ihn. Noch nie habe ich jemanden so unfassbar toll gefunden. Er war heute so nett zu mir. Ganz anders, als in der Schule. Dort wirkt er oft distanziert und kühl. Dabei hat er so ein reines Herz. Hach … ich glaube, ich liebe ihn wirklich … 25.10.2007 Liebes Tagebuch, Ich weiß nicht, was ich tun soll. Sora beginnt, Interesse an Yamato zu haben. Sie meinte heute beim Sportunterricht, er wäre richtig heiß und diese kühle, zurückweisende Art von ihm, würde sie total sexy finden. Was soll das? Sie hat doch gerade erst angefangen, mit Tai rum zu knutschen … ist das schon wieder Geschichte? Jedenfalls weiß sie nicht, dass ich in Yamato verliebt bin. Soll ich es ihr sagen? Ich habe keine Ahnung … Eigentlich wollte ich es ihr sagen. Aber jetzt zweifle ich. 17.11.2007 Liebes Tagebuch, Ich bin so dumm! Wie konnte ich nicht mitkriegen, was sich die ganze Zeit vor meinen Augen abgespielt hat? Das mit Sora und Tai war anscheinend nichts Ernstes, stattdessen wird mir immer klarer, dass sie es auf jemand anderen abgesehen hat. Heute wollte ich ihr sagen, dass ich Hals über Kopf in Yamato verliebt bin, aber sie ist mir zuvor gekommen. Bevor ich überhaupt irgendetwas sagen konnte, fiel sie mit der Tür ins Haus: er wäre der Mann ihrer Träume und sie habe noch nie derartige Gefühle für jemanden gehabt. Es ist ihr wirklich Ernst mit ihm … scheiße … was mache ich denn jetzt? Ich möchte unsere Freundschaft nicht gefährden. Sie sagt, sie möchte es ihm nicht sagen. Sie traut sich nicht, weil sie nicht sicher ist, ob er genauso fühlt. Oh Gott … das ist doch ein Albtraum! 23.12.2007 Liebes Tagebuch, Heute ist der Schlimmste Tag in meinem Leben. Ich habe etwas getan, was ich vermutlich bis an mein Lebensende bereuen werde. Ich habe Sora dazu ermutigt, Yamato ihre Gefühle zu gestehen und habe ihr sogar noch beschissene Plätzchen gebacken, die sie ihm als Geschenk überreichen kann. Heute Abend hat sie sie ihm gegeben und ihm ihre Gefühle gestanden. Ich weiß, dass sie sich für Sonntag verabredet haben und ins Kino gehen wollen - das ist ein richtiges Date. Fuck! Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt. Aber ich konnte ihr einfach nicht die Wahrheit sagen. Sie ist so unglaublich verknallt in ihn, dass sie es mir sicher nie verziehen hätte, wenn ich ihm stattdessen meine Gefühle gestanden hätte. Wenn die beiden wirklich ein Paar werden, springe ich aus dem Fenster, weil ich so UNFASSBAR DÄMLICH (!!!) bin. Aber was sollte ich tun? Sie ist nun mal meine beste Freundin und wichtiger, als irgendein Typ. Oder? 28.01.2008 Liebes Tagebuch, Kouji Kimura hat mich heute gefragt, ob ich mal mit ihm ausgehen würde. Er ist echt süß, alle Mädchen stehen auf ihn. Aber das hilft alles nichts. Es tut immer noch weh, Sora und Yamato zusammen zu sehen. Sie sind jetzt seit zwei Wochen offiziell zusammen und wirken sehr glücklich. Ich dachte, ich könnte mich langsam mal daran gewöhnen, aber ich kann es nicht. Ich bin immer noch in Yamato verliebt. Und werde es ihm niemals … niemals sagen können. Warum war ich nur so dumm, und habe so lange gewartet? Ich wünschte, ich könnte ihnen ihr Glück gönnen. Stattdessen fühle ich, wie Sora und ich uns immer weiter voneinander distanzieren. Sie scheint es nicht ein mal zu merken. Ich bin unendlich traurig. Es fühlt sich so an, als hätte ich nicht nur die Liebe meines Lebens, sondern auch meine beste Freundin verloren. Ich weiß, ich bin gerade etwas dramatisch. Aber dieser Liebeskummer bringt mich noch um!!! Was, wenn ich einfach nicht aufhören kann, ihn zu lieben?« »Ende«, sage ich und schlage das Buch zu. Danach kommen keine Einträge mehr, die Yamato betreffen, weil sich unsere Freundschaft immer mehr und mehr im Sand verlaufen hat. Ich bin ehrlich traurig über diese Zeilen. Es ist, als würde ich noch ganz genau spüren, wie es sich damals angefühlt hat. Dieser Liebeskummer hat mich förmlich aufgefressen. Eine Zeit, an die ich nicht all zu gerne zurück denke, auch wenn sie schon etliche Jahre her ist. »Es tut mir leid«, füge ich hinzu. Am anderen Ende der Leitung war es die ganze Zeit totenstill. Ich frage mich kurz, ob er überhaupt noch dran ist, doch dann räuspert er sich. »Was denn?«, fragt er mit rauer Stimme. »Dass ich dir das alles nie gesagt habe.« Ein Seufzen. »Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest.« »Aber ich war … gemein und eifersüchtig. Ich habe euch eure Beziehung nie wirklich gegönnt und war verbittert darüber, dass ich nicht den ersten Schritt gewagt habe. Ha! Aber mal ehrlich: ich hatte so sehr Angst davor, dass du mich zurückweist, wenn ich dir meine Gefühle gestehe und ich glaube, du hättest es auch getan. Du hättest sicher irgendwas fieses zu mir gesagt. So was wie: scher dich zum Teufel, du Göre.« Jetzt steigen mir doch ernsthaft die Tränen in die Augen und ich schniefe ins Telefon, während Yamato am anderen Ende zu lachen beginnt. »Hey, das ist nicht komisch!«, beschwere ich mich. »Scher dich zum Teufel?«, lacht er. »So was hätte ich niemals gesagt.« »Dann eben irgendwas anderes Gemeines«, wimmere ich unter Tränen, weil mir doch ernsthaft bei diesen alten Tagebucheinträgen ein zweites Mal das Herz entzwei bricht. »Auf jeden Fall wärst du nie mit mir zusammen gekommen.« »Oh, ich denke, du siehst das falsch«, entgegnet Yamato. »Ich wäre nur nie mit Sora zusammen gekommen, wenn du es mir eher gesagt hättest.« Ich hole mir ein Taschentuch und putze mir die Nase. Was ich dabei für eklige Geräusche mache, ist mir gerade total egal. »Was soll das heißen?«, frage ich verwirrt nach, aber Yamato kommt nicht dazu zu antworten, denn just in diesem Augenblick klingelt es an der Tür. Ach ja, die Pizza. Ich seufze. »Moment, es hat an der Tür geklingelt. Ich bin gleich wieder da.« Was für ein schlechter Zeitpunkt. Der Appetit ist mir sowieso vergangen. Ich öffne die Tür und diesmal schlägt mir tatsächlich der Pizzaduft entgegen, der allerdings Übelkeit in mir aufsteigen lässt. »Hallo«, sage ich, ohne den Blick richtig zu heben. »Ich hole schnell mein Geld, kleinen Augenblick bitte.« »Ist nicht nötig«, sagt der Pizzabote und ich fahre erschrocken herum. »Die Rechnung wurde bereits unten an der Tür beglichen.« Mit großen, ungläubigen Augen sehe ich ihn an. »Yamato?« »Hey, meine Schöne«, grinst er, während er wahrhaftig vor mir steht, mit diesem Pizzakarton in der Hand … als wäre es das Normalste von der Welt. »Was … was machst du denn hier?«, stammle ich und schaue abwechselnd auf mein Handy und dann zu ihm. Er hält sein Handy in die Höhe, als Beweis, dass er die ganze Zeit dran war. »Ich war bereits auf dem Weg zu dir, als du anriefst. Bevor ich abgehoben habe, habe ich noch den Pizzaboten abgefangen und mich unten ins Treppenhaus gesetzt, während du mir vorgelesen hast.« Fassungslos beende ich den Anruf und stecke das Handy in die Hosentasche. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Er war quasi die ganze Zeit vor meiner Tür? »Müsstest du nicht in Matsushima sein?« Er grinst dieses verdammt süße Grinsen, was mich schlagartig dahinschmelzen lässt. Ich glaube, meine Knie werden gerade weich. »Ich hatte dir ja kurz vor Weihnachten gesagt, dass ich in ein paar Monaten Urlaub habe.« Oh, ach so. Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. »Und ich musste dich einfach sehen«, fügt er noch hinzu. Irritiert sehe ich zu ihm auf. »Warum?« »Um das hier zu tun …« Plötzlich kommt er einen Schritt auf mich zu, drängt mich zurück in die Wohnung. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss, ehe er den Pizzakarton auf der Kommode abstellt. Keine Sekunde später drückt er mich gegen die Wand im Flur und seine Finger landen an meiner Taille. Eine Hand gleitet hoch, bis zu meinem Gesicht und ich ziehe scharf die Luft ein, als er sie an meine Wange legt und mir so nahe kommt, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren kann. »Ich habe dich so vermisst«, haucht er mir entgegen, kurz bevor er mich küsst. In mir zieht sich alles zusammen. Selbst, wenn ich es gewollt hätte, hätte ich dieser Anziehungskraft nicht entkommen können. Gerade sind wir einfach nur wie zwei Magnete, die sich anziehen und nicht mehr loslassen können. Auch ich habe ihn schrecklich vermisst, das wird mir gerade bewusst. Er zieht mich noch weiter an sich, während ich die Hitze seines Körpers spüre, der sich eng gegen meinen presst. Dann löse ich mich von ihm und schnappe nach Luft. Seine Augen suchen meine und ein trauriger Blick legt sich auf sein Gesicht. »Du solltest nicht weinen«, sagt er mit sanfter Stimme und wischt mir die letzten Tränen aus den Augenwinkeln. »Tut mir leid«, entschuldige ich mich schon wieder. »Diese Tagebucheinträge haben mich ein wenig mitgenommen.« »Hmm, kann ich verstehen«, entgegnet er und streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Aber ich mochte deine kleine Märchengeschichte sehr gerne.« »Ach ja«, lache ich fast schon auf. »Wieso? Ich war nicht wirklich eine Prinzessin und es gab auch kein Happy End.« »Jedenfalls nicht für uns, da hast du recht«, stimmt er mir zu und legt den Kopf schief. Seine Mundwinkel zucken. »Allerdings weiß ich jetzt, dass du schon damals in mich verliebt warst. Und ein kleiner Teil in mir hofft wohl, dass da immer noch etwas ist. Zumindest weiß ich, dass ich dich nicht mehr gehen lassen kann. Ich habe große Angst davor, wieder verletzt zu werden, Mimi. Aber ich denke, du bist das Risiko wert.« Bei diesen Worten vergesse ich alles, was vorher geschehen ist. Die alten Tagebucheinträge verblassen und alles, was bisher geschehen ist, rückt in den Hintergrund. Kouji, Sora, mein Vorhaben, ihm aus den Weg zu gehen, um mich nicht in ihn zu verlieben. Das alles ist mit einem Mal völlig egal. Es zählt nur noch das hier und jetzt. Ich schenke ihm ein liebevolles Lächeln und das heimliche Versprechen, dass diese Zeilen der Vergangenheit angehören. Jetzt ist es an der Zeit, unsere Geschichte neu zu schreiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)