Die Vertretung und die Folgen von Iwa-chaaan (Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden) ================================================================================ Kapitel 61: Überlegungen ------------------------ Freitag, 21.10. Die Arbeit war Seto in diesen Tagen deutlich schwerer gefallen. Er hatte sich sogar dabei erwischt, wie er allein im Büro saß und Joey gebeten hatte, ihm Dokumente zu geben, obwohl er gar nicht da gewesen war. Es war alles so … einsam ohne ihn. Aber er selbst hatte dem Blondschopf klar gemacht, dass er nichts fühlte und er konnte Joey jetzt nicht wieder etwas anderes erzählen und den Kleinen in noch größeres Chaos stürzen. Er hatte am Dienstag die verletzten Augen gesehen und ihm war schlecht geworden, als er daran gedacht hatte, dass er die Schuld dafür trug. Nun aber starrte er auf seinen Monitor – er musste sich von seinen Gedanken ablenken – und traute seinen Augen nicht. „Yukiko?“, fragte er, nachdem er eine Taste auf seinem Telefon gedrückt hatte und sie antwortete augenblicklich. „Ja, Mr. Kaiba?“ „Holen Sie Mrs. Tanaka her. Ich will sie in fünf Minuten in meinem Büro sehen.“ „Natürlich.“ Um sicherzugehen, dass er das richtig gesehen hatte, überprüfte er die Email noch einmal, doch es gab keinen Zweifel. Er hatte sich nicht getäuscht. Pünktlich fünf Minuten später betrat Mrs. Tanaka, eine junge, blonde Frau in einem Kostüm das Büro. Sie erinnerte Seto immer an Mai, wenn er sie sah, auch wenn sie nicht so mit ihren Reizen spielte wie die Duellantin. Aber ansonsten waren beide selbstbewusst, beide hatten ein Faible für kurze Röcke und hatten lange, blonde Haare. „Was gibt es, Mr. Kaiba?“, fragte sie, nachdem sie auf einem Stuhl Platz genommen und die Beine überschlagen hatte. Sie lehnte sich entspannt zurück und legte die Hände auf ihren Schoß. Normalerweise waren Angestellte nervöser, wenn sie in sein Büro zitiert wurden, und es schmeckte ihm nicht, wie leicht sie diesen Besuch anscheinend nahm. „Was haben Sie hierzu zu sagen?“, verlangte er zu wissen und drehte seinen Monitor, sodass sie seinen Bildschirm sehen konnte. „Das ist die E-Mail mit den fertigen Konzeptgrafiken, die ich Ihnen weitergeleitet habe. Es sind jetzt alle komplett.“ „Das sehe ich auch. Aber Wheeler arbeitet nicht mehr für dieses Unternehmen, also warum haben Sie ihm die Entwürfe zukommen lassen?“ Seine Stimme war kalt wie Eis. Das war Verrat von Geschäftsgeheimnissen und er konnte sie auf der Stelle feuern. Warum war sie nicht nervös deswegen? Sie sah vollkommen ruhig aus, als ob sie nichts Falsches getan hätte. Hatte er in den letzten Wochen so viel Autorität eingebüßt? Das musste er dringend wieder ändern! Niemand – absolut niemand – tanzte ihm auf der Nase herum. Angestellte erst recht nicht. „Nun, ich wollte, dass alle Grafiken des Spiels denselben Stil haben. Und darum habe ich Joey die Konzepte zukommen lassen und freundlicherweise war er – trotz der Umstände – bereit, sie sich anzusehen und seine Kommentare zu hinterlassen. Meiner Meinung nach wäre es aufgefallen, wenn ein Viertel der Grafiken nicht von derselben Person kontrolliert worden wäre und das hätte die Qualität des Endproduktes beeinträchtigt. Von daher habe ich mich zu diesem Schritt entschieden. Stellt das ein Problem dar?“ „Das ist Verrat von Geschäftsgeheimnissen. Das ist Ihnen jawohl klar.“ Sie nickte und schwieg. Kaiba knurrte. Diese Frau trieb ihn in den Wahnsinn, denn sie hatte recht. Natürlich wäre es Spielern aufgefallen, wenn einige Bilder anders waren und es war der richtige Weg gewesen, um das Spiel zu perfektionieren, aber dennoch hatte sie eine Grenze überschritten. Plötzlich tauchte Joeys Bild vor ihm auf und was Yuna über ihn gesagt hatte. Was sollte das? Wollte ihm sein Unterbewusstsein etwas mitteilen? Seufzend rieb er sich kurz über das Gesicht, dann verkündete er: „Das nächste Mal will ich über so einen außergewöhnlichen Schritt informiert werden. Sonst können Sie sich einen neuen Job suchen. Verstanden?“ „Jawohl, Mr. Kaiba. Ich danke Ihnen“, erwiderte sie und stand auf, da er ihr mit einem Wink zu verstehen gab, dass das Gespräch beendet war. Ohne sie weiter zu beachten, widmete er sich seinem Monitor. Warum hat Joey das getan? Er hatte jedes Recht, Hilfe zu verweigern, nachdem ich ihn abserviert habe. Also warum hat er es nicht gemacht? Ich verstehe ihn nicht … Verwirrt machte er eine kurze Pause, ordnete seine Gedanken und verdrängte sie in die hinterste Ecke seines Kopfes. Dann bereitete er das nächste Meeting vor, denn davon hatte er noch drei Stück heute. Der Tag würde also noch lang werden. Ihm war nicht klar, was ihn dazu veranlasste, dass er heute bereits gegen 18 Uhr Feierabend machte, doch die Woche war lang und anstrengend genug gewesen, weshalb er beschloss, in die Villa zurückzufahren. „Schönes Wochenende, Yukiko. Du kannst auch Feierabend machen. Bis Montag“, verabschiedete er sich und sie nickte ihm überrascht zu. „Ihnen auch, Mr. Kaiba.“ Die Überraschung in ihrer Stimme war deutlich zu hören und er konnte das verstehen. Die Male, an denen er so früh das Büro verließ, um Feierabend zu machen, konnte er an einer Hand abzählen. Kaiba betrat einen Fahrstuhl und erst, als er plötzlich anhielt und Angestellte zu ihm stiegen, wurde ihm bewusst, dass er nicht in seinen eingestiegen war. Was war heute nur los? Sie nickten ihm überrascht zu und er erwiderte die Geste, schwieg aber, während sich die beiden Männer mit dem Rücken vor ihn stellten und sich wieder ihrem Gespräch widmeten. Anscheinend hatten sie ihn bereits wieder vergessen. Seine Autorität war wahrlich im Eimer. „Dank der letzten Konzeptgrafiken können wir morgen direkt weitermachen. Damit liegen wir bestens in der Zeit, um alles ordentlich in die Wege leiten zu können.“ „Ja, das stimmt. Und die haben sich dieses Mal echt selbst übertroffen bei den Zeichnungen. Hast du dir die schon angesehen?“ „Ja, alles einzigartig, aber der Stil ist dennoch in jedem Bild wiederzuerkennen. Tetsurou hat mir erzählt, dass in der Abteilung wohl ein neuer Wind weht. Anscheinend sind wir nicht die einzigen, die die letzten Wochen genossen haben.“ Der Kollege nickte grinsend und fügte hinzu: „Das Schöne ist, dass ich glaube, dass das auch dauerhaft so gut bleiben wird. In den letzten Tagen gehe ich mit einer ganz anderen Motivation hierher.“ „Ja stimmt, ich auch. Und ich hab mich noch mehr gefreut, als ich gestern zwei Kinder mit einer Dueldisk spielen gesehen habe.“ Der Aufzug hielt an und die Türen öffneten sich. Die beiden Männer verließen die Kabine und Seto schnaubte leise, was die Zwei wohl gehört hatten, so geschockt, wie sie sich zu ihm umdrehten. „Mr. Kaiba, verzeihen Sie! Wir –“, fing der eine an, doch der Brünette wischte die Antwort weg. „Machen Sie sich darüber keien Gedanken. Schönes Wochenende.“ „I-Ihnen auch!“ Die Zwei verbeugten sich, als sich die Türen schlossen und er ohne weitere Unterbrechung weiter nach unten in die Tiefgarage fuhr. Wieder einmal war ihm klar geworden, welch großen Einfluss Joey auf diese Firma hatte und wie positiv der vor allem war. Es war ihm ansatzweise schon beim Jubiläum aufgefallen, als sich die Mitarbeiter so freundlich mit dem Blondschopf unterhalten und auch über persönliche Dinge gesprochen hatten. Durch die Flure wehte ein anderer Wind, wie der Mitarbeiter eben schon gesagt hatte und es herrschte eine gewisse Aufbruchstimmung. Ein bisschen beschlich ihn das Gefühl, dass er davon angesteckt wurde. Und die Woche ohne das Hündchen hatte ihn an seine Grenzen gebracht. Das musste er zugeben, so ungern er das auch tat. Doch der Zug war abgefahren. Wie sollte – nach allem, was passiert war – das noch geradezubiegen sein? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass das noch möglich war, und der Gedanke frustrierte ihn. Genervt von sich selbst, dass er schon wieder über Joey nachdachte, fuhr er in Richtung der Villa. „Seto? Was machst du denn hier?“, fragte Mokuba irritiert, als er durch das Foyer schritt und sah ihn mit seinen Kulleraugen an. „Hallo Moki. Ich dachte mir, ich halte mich an deine Anweisung, mich noch etwas zu schonen“, erwiderte er schmunzelnd, weil er bemerkte, dass dem Kurzen der Mund aufklappte. Es war schon süß, wie er ihn aus dem Konzept bringen konnte. „Das ähm … Ich … Super! Ich bin stolz auf dich, Seto!“ Glücklich umarmte Mokuba ihn und schlang seine Arme um seinen Bauch. Lächelnd strich er ihm durch die Haare, freute sich innerlich darüber, dass wenigstens das Verhältnis zu seinem kleinen Bruder wieder besser zu werden schien. Noch ein Grund, der seine Woche so unendlich zäh gestaltet hatte. Zum Glück hatte er heute anscheinend eine gute Entscheidung getroffen und so das Verhältnis etwas kitten können. Er hoffte inständig, dass es nie wieder so schlimm werden würde. Es war schon schlimm genug, mit der Situationmit dem Köterchen zurechtzukommen, aber dass seine Stütze Mokuba ebenfalls weggebrochen war, hatte ihn mehr getroffen, als sich irgendjemand vorstellen konnte. Dafür war ihr Verhältnis zu innig, als dass ihn das kalt lassen würde. „Ich bringe kurz meine Tasche nach oben und dann können wir Abendessen, ja?“ „Ja, ist gut, bis gleich!“ Lächelnd sah er seinem Bruder hinterher, der in die Küche lief und schritt die Treppe hoch. Er legte den Aktenkoffer auf seinen Schreibtisch und drehte sich gerade um, als sein Firmenhandy klingelte. Es hatte ihn schon öfters genervt, doch gerade wollte er es am liebsten gegen die Wand schmeißen. Seufzend zog er es aus seiner Innentasche und schaute auf das Display. Es war Hiro, doch zum ersten Mal beschloss er, es einfach klingeln zu lassen. Um ihn konnte er sich auch noch am Montag kümmern. Aus einem Impuls heraus legte er das klingelnde Smartphone neben den Aktenkoffer und verließ den Raum wieder. In Ruhe hatten die Brüder gegessen und sich über Arbeit und Schule unterhalten, doch danach verzog sich der Kurze in sein Zimmer. Schweigend setzte sich Seto ins Wohnzimmer und ließ den Fernseher laufen, während er darauf wartete, dass Mokuba zu ihm zurückkehrte. Allerdings dauerte das eine ganze Weile und Kaiba war kurz davor gewesen, zu seinem Zimmer zu gehen, um nachzusehen, dass alles in Ordnung war. Doch nun hörte er die schnellen Schritte, die sich näherten und mit einem Lächeln drehte er den Kopf, dass er zur Tür schauen konnte, wo Moki aber stehen blieb und mit einem Grinsen verkündete: „Ich bin nochmal weg!“ „Hey, nicht so schnell, junger Mann. Wo willst du hin?“ Mokuba, der schon wieder loslaufen wollte, hielt überrascht an und drehte sich zu ihm um. „Ich will zu Joey … Die anderen machen eine Überraschungseinweihungsfeier, weil er doch in eine neue Wohnung gezogen ist! Ich bin dann morgen Mittag wieder da!“ Noch bevor er irgendwas sagen konnte, war der kleine Wirbelwind schon nach draußen verschwunden und Seto seufzte. Der kleine Blondschopf verfolgte ihn wirklich … Ob er ihm eine zweite Chance geben würde, wenn er als Partycrasher dort auftauchen würde? Nein, er konnte sich das nicht vorstellen … Also schaute er noch weiter fern, doch das Programm ließ so zu wünschen übrig, dass er nach einer Stunde den Fernseher ausschaltete. Das konnte sich doch kein normaler Mensch anschauen. Eigentlich hatte er sich extra ins Wohnzimmer gesetzt, um noch mit Mokuba zu zocken oder einen Film zu schauen, da er nicht gewusst hatte, dass der Kurze schon anderweitige Pläne gehabt hatte. Er verschloss sich ihm gegenüber noch immer und das wurmte Seto genauso wie die Tatsache, dass er den Blonden an seiner Seite wissen wollte. Und er wusste auch, dass Mokuba sich dann wieder beruhigen würde, aber wie sollte er das anstellen? Er hatte keinen Schimmer und schwer seufzend stand der Brünette auf, um sich doch noch in sein Arbeitszimmer zurückzuziehen. Was sollte er sonst mit diesem Abend noch anfangen? Mokuba war weg und er hatte keine Muße, sich jetzt mit irgendetwas anderem zu beschäftigen. Eine Überraschungsparty … Es wäre auf jeden Fall eine Überraschung, wenn er da auftauchen würde, aber der Blondschopf würde ihn doch sofort hochkant wieder herauswerfen. Die Schmach konnte er sich auch ersparen. Aber … aber was, wenn nicht? Wenn Joey ihm doch zuhören würde. Ob er ihm auch verzeihen konnte? Verdammt, was machte er sich diese Gedanken überhaupt? Das Thema war beendet und so sollte er es auch endlich behandeln, statt sich ewig mit diesen ablenkenden Gedanken zu beschäftigen! Das war doch nicht er. Was er natürlich tun könnte, wäre Mokuba morgen Mittag einfach abzuholen. Vielleicht war dann auch schon der Rest des Kindergartens weg und sie könnten in Ruhe miteinander reden. Ja, das klang doch schon eher nach einem Plan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)