Die Vertretung und die Folgen von Iwa-chaaan (Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden) ================================================================================ Kapitel 53: Streit mit Mokuba ----------------------------- Freitag, 14.10./ Samstag, 15.10. Seto glaubte ihm. Obwohl der Blonde wütend und verletzt war, glaubte er ihm jedes Wort, das er zum Abschied gesagt hatte. Joey war in den letzten Wochen unglaublich erwachsen geworden. Das hatte er mit diesen Worten noch einmal eindrucksvoll bewiesen. Schweigend sah er ihm nach, bis die Tür hinter ihm wieder ins Schloss gefallen war und drehte sich dann abrupt um. „Wir sehen uns dann Montag wieder.“ Im Augenwinkel sah er verhaltenes Nicken und er kehrte noch einmal in sein Büro zurück. Ihm war nicht ganz klar, warum er jetzt ausgerechnet dorthin wollte, doch der Drang war so stark, dass er ihm nicht widerstehen konnte. Einen Moment blieb er in der Tür stehen. Dieses Mal war es totenstill. Bedächtig schloss er die Tür hinter sich und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Er sah auf die Stelle, wo Joey wie ein Häufchen Elend gesessen hatte, und strich gedankenverloren über die Schreibtischplatte, wo er noch glaubte, Joeys Tränen zu spüren. Das war Unsinn, denn nach über drei Stunden waren sie garantiert getrocknet. Kaiba ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken und ließ den Blick durch den Raum schweifen, der ihm plötzlich so klein und kalt vorkam. Er hatte nie wert auf persönliche Gegenstände gelegt, denn im Notfall konnte alles gegen einen verwendet werden und das hatte er krampfhaft vermeiden wollen. Doch seit Joey sich wegen Mokuba so abrupt in sein Leben gedrängelt hatte, kam er nicht umhin, dass ein paar Bilder hier vielleicht doch nicht so schlecht wären. Seufzend schaltete er seine kleine Tischlampe an und entdeckte auf dem kleinen Dokumentenberg an der Seite eine Mappe. Wie in Zeitlupe griff er danach und erkannte sofort die leicht gekritzelte Handschrift des Hündchens auf dem Post-It: Hier die Personalführung a la Joey. Der Erfolg wird mit recht geben, vertrau mir! ;D Die gute Laune sprang förmlich aus dem Zettel und mit einer zittrigen Hand riss er ihn ab. Er konnte das jetzt nicht. Du bist so schwach geworden, Seto. Verdammt, diese Stimme sollte ihn in Ruhe lassen! Warum nervte ihn der alte Sack jetzt so? Das war doch wohl nicht wahr! Schwer seufzend massierte er sich einen Moment lang die Nasenwurzel und beruhigte sich. Ausflippen würde ihn auch nicht weiterbringen. Um sich abzulenken, aber auch aus Neugier blätterte er durch das Konzept, welches Joey mithilfe von ein paar Abteilungsleitern erstellt hatte. Eigens dafür hatte er ein paar Meetings organisiert, um sich weitere Meinungen einzuholen und das hier war das Ergebnis. Während er sich das grob durchlas, musste er an das Gespräch im Restaurant denken. „Überzeuge mich und es wird genauso umgesetzt, wie du es dir vorstellst“, hatte er gesagt und dazu würde er stehen. Doch jetzt hatte er nicht den Kopf, um das Konzept eingehend zu prüfen, daher schloss er die Mappe wieder, ließ sie aber direkt vor sich liegen. Die Arbeit mit ihm war so unkompliziert gewesen, dass er sich sogar daran gewöhnt hatte, dass er nicht allein im Büro gesessen hatte. Doch die entspannten Zeiten waren jetzt vorbei. Von nun an war die Firma wieder allein seine Sache. Er drehte sich in seinem Stuhl zur Fensterfront um und schaute nach draußen. Er musste daran denken, als Joey in der Nacht zu ihm ins Krankenhaus gekommen war, weil Moki darauf bestanden hatte, und er sich an das Fenster gestellt hatte, um ihn nicht ansehen zu müssen. Seto hatte gesehen, wie er lächelnd rausgeschaut hatte, weil er den Anblick bei Nacht zu genießen schien. Er selbst konnte das nur bestätigen, denn auch er liebte den Anblick von Domino bei Nacht. Wenn er einen harten Tag auf Arbeit hatte, hatte er sich oft noch einmal hierher zurückgezogen und einfach nur rausgeschaut, um sich wieder zu beruhigen und den Tag sacken zu lassen. Aber was spielte das jetzt für eine Rolle? Er musste nach Hause und sich schlafen legen. Der Tag war anstrengend genug gewesen und sein Körper schrie förmlich nach seinem Bett, also stand Kaiba wieder auf, blieb doch kurz am Fenster stehen und versank in Gedanken. Warum fühlte er sich wie betäubt, seit Joey gegangen war? Es war besser so. Für alle. Ab Montag konnte er sich wieder voll auf seine Arbeit konzentrieren und in ein paar Tagen wäre wieder alles beim Alten. Abgesehen davon, dass er unbedingt mehr Platz für Mokuba einplanen musste. Das war er seinem kleinen Bruder schuldig. Die nächsten Wochen mit dem Weihnachtsgeschäft würden sowieso schon sehr anstrengend werden, da konnte er sich jetzt nicht auch noch Gedanken um Zank mit seinem kleinen Bruder machen, also würde er dem vorbeugen, indem er sich die Sonntage freihielt. Mit einem Ruck löste sich Seto endgültig von dem Anblick. Es war Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er fuhr mit dem Fahrstuhl runter in die Tiefgarage, wo Kei auf ihn wartete und ließ sich nach Hause fahren, während er versuchte, sich auf seine Termine am Montag zu konzentrieren und was er dafür alles am Wochenende noch vorbereiten musste, doch immer wieder wanderten seine Gedanken zu Joey und seinem Gefühlsausbruch. Zwar hatte er seit dem Strandausflug dieses Gefühl gehabt, aber dass das der Realität entsprach, hatte er dennoch nicht erwartet. Hatte sich der Straßenköter, mit dem er sich jahrelang nur gestritten hatte, wirklich so sehr in ihn verliebt? Nur weil er nach außen hin so tat, als wären sie ein Paar und somit nett zu ihm? Er hatte im Gespräch mit Yugi doch selbst gesagt, dass sie viel zu unterschiedlich waren … Oder war es wegen des Sex? Bedeutete das für den Blonden auch direkt Gefühle und eine Beziehung? Warum hatte er das nicht schon viel früher geklärt? Seufzend knetete Seto mit einer Hand seinen verspannten Nacken. Er hatte keine Zeit für diese Gefühlsduselei. Die neue DuelDisk und das neue Brettspiel standen in den Startlöchern. Immerhin sollte beides im November herausgebracht werden, um das Weihnachtsgeschäft auf der Zielgeraden nochmal kräftig anzukurbeln. Für irgendwelche Gefühle war da keine Zeit und da Wheeler jetzt weg war, konnte er sich dem wieder voll und ganz widmen, ohne abgelenkt zu werden. Also verbot er sich jeden weiteren Gedanken an den Köter und würde morgen früh wieder frisch ans Werk gehen. Die Arbeit würde ihn schon genug ablenken, dessen war er sich sicher. Kei fuhr direkt in die Tiefgarage und parkte den Wagen in der Nähe der Tür. Kurz wünschte der Brünette dem Fahrer eine gute Nacht und marschierte dann zielstrebig in sein Schlafzimmer, da Mokuba bestimmt bereits schlief. Außerdem hatte er, ehrlich gesagt, gerade nicht den Kopf, noch mit ihm zu sprechen. In Ruhe duschte er sich noch, in der Hoffnung, die Gedanken an Wheeler wegspülen zu können, jedoch musste er einsehen, dass das nicht so einfach klappte. Schnell zog er sich nach der Dusche eine frische Boxershort an, dann legte er sich auf das Bett und bekam sofort eine Gänsehaut. In den Bettsachen war noch Joeys Geruch von letzter Nacht und noch ehe er sich darüber großartig Gedanken machen konnte, war er bereits eingeschlafen. Der nächste Morgen verlief bis zum Frühstück ruhig. Seto war aufgestanden, hatte sich fertig gemacht, in Joeys Arbeitszimmer – die Unterlagen und der Laptop waren noch dort – die Emails gecheckt und war dann nach unten gegangen, um sein Frühstück – also eine Tasse Kaffee – zu sich zu nehmen, als Mokuba in die Küche gelaufen kam. „Morgen Seto! Schläft Joey noch?“, fragte er gut gelaunt und bedankte sich bei Hina für das Frühstück, welches sie ihm hinstellte. „Nein, er ist nicht mehr hier“, erwiderte Seto sachlich und trank einen weiteren Schluck seines Kaffees. Sein kleiner Bruder schaute ihn mit großen Kulleraugen an und er seufzte innerlich. Warum mochte Mokuba den Kindergarten und Joey insbesondere nur so gern? „Wie? Nicht mehr hier?“, echote Moki verwirrt und der CEO schaute den Knirps aufmerksam an. „Wir haben uns gestern Abend gestritten und er ist in seiner neuen Wohnung, nehme ich an. Nächste Woche wird er die Trennung verkünden und endlich geht wieder alles seinen geregelten Gang.“ „Was?“ Mokuba wurde ganz blass und sah ihn geschockt an. Hina konnte gerade noch verhindern, dass die Tasse, mit dem heißen Kakao darin, den Boden küsste und er nickte ihr dankbar zu. „Master Kaiba?“, fragte Roland, nachdem er auf einmal im Türrahmen aufgetaucht war. „Ja? Was gibt es, Roland?“ „Ich packe dann die Sachen von Joey zusammen und bringe Sie zu ihm. Er bat mich gestern Abend noch darum.“ Seto nickte schweigend und sein Assistent ging zielstrebig zu Joeys Zimmer, als Mokuba fassungslos zwischen der Tür und ihm hin und her schaute und schließlich hinter Roland herrannte. Kaiba schlug die Zeitung auf und studierte die Nachrichten, als er im Klatschteil ein Foto von Joey und sich küssend von gestern Abend sah. Obwohl Joey da schon wusste, dass er nichts für ihn empfand, wirkte er dennoch glücklich auf dem Foto. Aber warum? Weil sie sich trotzdem so nah waren? Weil er ihn geküsst hatte? Er verstand es einfach nicht, aber er musste zugeben, dass er ihn gern geküsst und mit ihm geschlafen hatte. Doch das war jetzt vorbei und wahrscheinlich war es auch besser so. Jetzt konnte er sich endlich wieder vollkommen auf die Arbeit konzentrieren. Da er heute Morgen keinen Hunger und seinen Kaffee bereits ausgetrunken hatte, marschierte er in Richtung des Arbeitsraums. Er wollte damit beginnen, die Unterlagen wieder in sein Büro zu bringen, damit er ab spätestens morgen wieder in seinem üblichen Raum arbeiten konnte, als er ein Schluchzen aus Joeys ehemaligem Zimmer hörte. Seufzend trat er ein und fand Mokuba weinend auf dem Boden vor, während Roland versuchte, ihn etwas unbeholfen zu trösten. Auch sein Assistent sah komisch bedrückt aus. Was hatten die denn alle? Wheeler war doch nicht tot. Sie konnten sich, wann immer sie Zeit hatten, mit ihm treffen, wenn er das denn wollte. Er schritt zu seinem Bruder und kniete sich neben ihn, um ihn in den Arm zu nehmen, doch zum ersten Mal in seinem Leben blockte Mokuba ihn ab. „Du hast alles kaputt gemacht!“, rief er wütend und stand auf. Sein Gesicht war vom Weinen ganz aufgequollen und Seto überlegte, wann der Kurze das letzte Mal so geweint hatte. Das musste noch bei Gozaburo gewesen sein … Roland zog sich in Richtung Tür zurück, doch Moki verlangte, dass er blieb. Seto blieb aus einem Impuls heraus kniend sitzen – normalerweise würde er vor seinem Assistenten so nicht sitzen bleiben – und musterte seinen kleinen Bruder. „Hätte ich ihn anlügen sollen, Mokuba? Ihm weiter Gefühle vorspielen, wo nunmal keine sind?“ Seine Stimme war schneidend, denn er hatte dem Schwarzhaarigen immer beigebracht, nicht zu lügen und er selbst lebte nach diesem Credo, sowohl was sein Privatleben als auch sein Geschäftsleben anging. „Aber es war doch gut so, wie es war! Seit Joey da war, hast du nicht mehr so viel gearbeitet und du hast viel entspannter gewirkt! Ich dachte, dass wir … dass wir … eine Familie werden würden … Wie auf dem Foto hier!“ Mokuba hielt ihm mit beiden Händen ein ausgeschnittenes Zeitungsfoto hin, auf dem sie alle Drei zu sehen waren. Es war ebenfalls von gestern Abend und der Kurze stand vor Joey und ihm. Sie hatten beide eine Hand auf Mokubas Schulter gelegt und einen Arm um den anderen. Es wirkte wirklich wie ein glückliches Familienfoto und Seto schnürte es die Kehle zu. „Deswegen wolltest du unbedingt Joey als meinen Stellvertreter …“ „Ja! Ihr habt euch immer so viel gestritten und irgendwann wirkte es mehr danach, dass ihr euch nur die Aufmerksamkeit des anderen sichern wolltet. Daher habe ich mir das mit der Verfügung überlegt und dass ihr ein Paar seid, damit ihr gezwungen wart, euch besser kennenzulernen. Ich war mir so sicher, dass Joey es schaffen würde … Dass er dich glücklich machen könnte! Und du mehr Freizeit hast und wir Sachen zu dritt unternehmen könnten! So wie der Ausflug zum Meer! Dass er dich wieder zum Lachen bringen könnte. Und dich in der Firma unterstützt, damit du nicht mehr die alleinige Belastung hast!“ Mokuba hielt inne, zitterte, und Seto wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Der erste Impuls war, ihn zu maßregeln, weil er gelogen hatte und zwar mit der Geschichte, dass sie ein Paar waren, einfach alle angelogen hatte. Doch er verkniff sich jeglichen Kommentar dazu und versuchte, die richtigen Worte zu finden. „Mokuba … Hör mir bitte zu … Ich verstehe, dass du dir das wünschst. Aber wenn Joeys Gefühle für mich so stark sind, meine aber nicht, muss ich ihm das sagen. Es wäre doch viel schrecklicher für ihn, wenn ich noch weiter etwas vorspielen würde, was gar nicht da ist.“ „Aber Seto … Fühlst du denn wirklich gar nichts für ihn?“, fragte Mokuba fast schon verzweifelt und Seto seufzte. „Ich weiß es nicht, kleiner Bruder … Die letzten Wochen ist so viel passiert, dass ich das alles erst einordnen muss. Und jetzt bringt ihm seine Sachen, okay?“ Mokuba nickte nur und Seto stand wieder auf. Er hätte ihn gern kurz umarmt, doch der Schwarzhaarige wollte das offenbar nicht, also verließ er das Zimmer wieder und atmete tief durch. Wie hatte sich sein Leben in den paar Wochen so sehr verändern können? Er marschierte weiter den Gang entlang, missmutig und schlecht gelaunt, als er durch das bodentiefe Fenster sah und den Pool entdeckte. Es fühlte sich an wie gestern, als Joey mit seinen Freunden da unten geplanscht hatte und der Blondschopf absolut glücklich ausgesehen hatte. Seto erinnerte sich daran, wie er sich gefragt hatte, ob er auch jemals so bei ihm lachen konnte. Und ja, das hatte er gekonnt. Verdammt, warum erinnerte ihn jetzt alles in seiner eigenen Villa an diesen Straßenköter? Und warum verschwendete er noch weitere Gedanken an ihn? Es gab weitaus Wichtigeres zu tun. Fokussiert begann er damit, die Akten von Joeys Büro in seins zu tragen. Natürlich hätte er das auch dem Personal überlassen können, doch es fühlte sich gut an, das selber zu erledigen, sich anzustrengen und den Kopf etwas abschalten zu können, während er alles hin und her trug und an seinen Platz verstaute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)