Die Vertretung und die Folgen von Iwa-chaaan (Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden) ================================================================================ Kapitel 51: Geständnis ---------------------- Freitag, 14.10. Seto hatte das Gefühl, dass Joey sich am heutigen Abend anders benahm. Er gab sich zwar große Mühe, das zu verbergen und die anderen schienen das auch nicht richtig wahrzunehmen, aber er war nicht blöd. Und es gefiel ihm nicht, dass er nicht sagte, was mit ihm los war. Sobald sie zu Hause waren, würde er ihn darauf ansprechen. Die Leichtigkeit fehlte ihm, die er sonst immer hatte. Er wirkte verkrampft, schien am liebsten nur weg zu wollen und die Begrüßungsrede hatte er auch anders interpretiert als die anderen. Das war nicht nur eine Dankesrede, wie Roland es ausgedrückt hatte, sondern eine Abschiedsrede. Den Wink hatte er durchaus verstanden. Und das wurmte ihn. Zwar war es an sich ja auch richtig. Er selbst war fast wieder komplett gesund und hatte mit Joey abgesprochen, ab Montag wieder alle Geschäfte zu übernehmen, doch noch hatten sie ihre Trennung nicht verkündet und Seto sah dafür auch gar keine Veranlassung. Also wo war sein Problem? Sie hatten sich gerade am Buffet bedient – nachdem sie sich von Herrn Nakamura, was war da passiert? Und einigen anderen Mitarbeitern – unter anderem Herrn Yamamura – verabschiedet hatten –, als Mr. Kido auf sie zu kam und freudig begrüßte. Er umarmte Joey, der ihn freundlich anlächelte und die Umarmung erwiderte, während Seto ihm lediglich die Hand schüttelte. Er kannte dessen Angewohnheit, alle zu umarmen, doch er war kein Fan davon. Das hatte er bei ihrem ersten Treffen bereits klargestellt und Gott sei Dank hatte dieser auch kein Problem damit. „Es ist so schön zu sehen, dass Sie wieder wohlauf sind“, wandte sich Mr. Kido glücklich an ihn und Seto bedankte sich höflich, als er zwei Arme um seine Taille spürte und Joey lächelnd sagte: „Ja, ich bin auch so froh. Endlich ist dieser Abschnitt überstanden.“ Seto strich ihm über den Rücken und gab ihm ein kurzes Küsschen auf die Schläfe, während der Blondschopf sich weiter an ihn kuschelte. Hatte er sich doch geirrt? Ging es ihm doch gut? „Hach, wenn ich Sie so sehe, muss ich an Yumiko – meine erste große Liebe – denken. Wir waren auch so verliebt damals“, schwärmte Mr. Kido und Joeys Lächeln trübte sich für einen kurzen Moment ein, doch dann war es schon wieder normal. Wurde er jetzt verrückt? Das hatte er sich doch nicht eingebildet, oder? „Ja, die erste Liebe ist immer etwas Besonderes. Davon bin ich überzeugt“, riss Joey ihn mit so einer seltsamen Stimmlage aus seinen Gedanken und ihr Gegenüber nickte eifrig. „Ja, junger Freund, so sehe ich das auch. Sie musste damals mit ihren Eltern umziehen, weil ihr Vater ein Jobangebot im Ausland erhalten hatte. Gott, ich war am Boden zerstört und für Monate nicht mehr zu gebrauchen. Ich hatte das Gefühl, mein Herz wäre in 1.000 Scherben zersprungen und es würde nie wieder zusammenwachsen. Fast hätte ich meinen Schulabschluss deswegen in den Sand gesetzt. Es war wirklich schrecklich. Aber es ging irgendwie weiter und ich fand während meiner Uni Zeit meine wundervolle Ehefrau.“ „Das freut mich sehr für Sie. Eine traurige, aber dennoch wundervolle Geschichte. Entschuldigen Sie mich bitte kurz? Ich fürchte, ich habe bereits etwas viel getrunken“, sagte Joey mit einem Lächeln und rosanen Wangen in Richtung Mr. Kido und gab ihm selbst noch einen kurzen Kuss, ehe er in Richtung der Toiletten verschwand. Seto sah ihm kurz nach – der Kleine hatte doch erst ein Glas Wasser getrunken eben –, bis Mr. Kido sich wieder an ihn wandte. „Sie sollten gut auf ihn achten. Wie Sie bereits auf der Bühne gesagt haben, werden Sie so jemanden nicht noch ein zweites Mal finden.“ Der Brünette nickte leicht. „Ja, da haben Sie recht“, murmelte er und Mr. Kido klopfte ihm kurz auf die Schulter und schlenderte weg, um sich mit jemand anderem zu unterhalten, als sich auch schon jemand anderes an ihn wandte. „Hallo Seto. Na, wieder fit?“ „Hiro. Schön, dass du hier bist“, begrüßte er ihn höflich und schüttelte ihm kurz die Hand. „Wo ist denn deine bessere Hälfte?“ „Sich erleichtern“, entgegnete er ehrlich und nahm selbst noch einen Schluck Champagner. „Wirklich ein süßer Freund, den du dir da ausgesucht hast. Wenn er etwas älter wäre, würde ich glatt schwach werden.“ „Tja, dann habe ich wohl Glück, dass er so jung ist“, kommentierte Seto trocken und Hiro grinste. „Ja, hast du. Und? Wird er dich auch in Zukunft unterstützen?“ „Wie meinst du das?“ „Naja, da er ja jetzt in die Firma eingearbeitet ist, dachte ich, ihr würdet jetzt eine Doppelspitze machen. Immerhin hättet ihr beide dann mehr Freizeit. Ich kann mich noch lebhaft an Mokubas Gemecker erinnern, als er beim letzten Treffen dabei war. Und jetzt bietet sich das doch an.“ Seto schwieg. So weit hatte er bisher nicht gedacht, aber die Idee war gar keine schlechte. Es würde ja trotzdem seine Firma bleiben, aber eine Unterstützung konnte sicherlich nicht schaden. Und mehr Freizeit auch nicht, denn Mokuba hatte definitiv recht, dass er viel zu wenig Zeit zu Hause verbrachte. Und auch wenn der Kurze immer mit im Büro saß, war das für ihn doch meist langweilig und außerdem gab es einige Dinge, die Mokuba mit ihm unternehmen wollte. Und Joey war definitiv eingearbeitet und hatte bereits bewiesen, dass er eine Entlastung für ihn war. Warum war er noch nicht auf den Gedanken gekommen? Doch darüber konnte er sich auch noch später den Kopf zerbrechen, denn Joey war auffallend lange weg und das hieß nichts Gutes. Das hatte er im Gefühl. „Darüber haben wir bisher noch nicht gesprochen. Wir werden sehen, was die nächsten Wochen bringen … Jetzt entschuldige mich bitte. Wir reden später, ja?“ Seto marschierte durch den Saal, entdeckte Roland und Yuuto und winkte sie zu sich. Gemeinsam verließen sie den Saal und er informierte die Zwei im Gehen, dass Joey bereits seit über zehn Minuten weg war. Ein kurzer Blick auf die Toilette bestätigte ihm, dass er nicht dort war und etwas unschlüssig stand Seto im Gang. Der Kleine konnte überall sein. Hoffentlich war ihm nichts passiert … „Na dann kann es ja nur noch einen Ort geben, wo er ist“, murmelte Yuuto und drückte den Knopf für den Aufzug. „Ach ja?“, hakte Seto misstrauisch nach. Hier gab es mehrere hundert Räume, also woher wollte er wissen, wo sich Joey aufhielt? „Ja“, erwiderte Yuuto schlicht und stieg mit Roland in den Aufzug. „Glaubst du, es ist etwas passiert?“, wollte der Assistent wissen, während auch Seto einstieg und Yuuto nickte. „Ja, ich bin mir sogar absolut sicher, was passiert ist.“ „Und was bitte? Rede Klartext“, befahl Seto genervt und bemerkte, dass der Fahrstuhl weiter nach oben zu seinem Büro fuhr. „Joey wird unser Gespräch im Salon gehört haben. Und im Gegensatz zu dir empfindet er mehr für dich.“ Seto hatte das Gefühl, als hätte ihm Yuuto gerade in den Magen geboxt und die Luft entwich aus seinen Lungen. Er hatte auch das Gefühl? Ihm war es immer mal wieder so vorgekommen, aber das hatte er erfolgreich verdrängt und es jetzt von jemand anderem zu hören, machte die Sache viel zu real. Dennoch sollte Joey genauso gut wie er wissen, dass das alles geschauspielert war – nein, das war falsch ausgedrückt. Er hatte sehr viel mehr Respekt für Joey, seitdem sie sich so viel besser kennengelernt hatten und was er alles gesagt hatte, war ernst gemeint gewesen, nur … hatte er keine Gefühle entwickelt. Dementsprechend konnte er auch keine Beziehung mit ihm eingehen. Das würde den Blonden nur noch mehr verletzen. Selbstbewusst öffnete Seto die Tür zu seinem Büro, welches stockdunkel vor ihm lag. Nur die blinkenden Lichter der Stadt leuchteten durch die Fensterfront. Langsam betrat er das Büro, während sich seine Augen allmählich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnten. Er wollte gerade etwas sagen, als er ein leises Schluchzen von seinem Schreibtisch hörte. Langsam ging Seto um ihn herum und entdeckte Joey auf dem Boden sitzend, die Beine angewinkelt, den Kopf nach unten geneigt und den Rücken gegen die Schubladen seines Schreibtisches gelehnt. Seto schluckte. Dann hatte Yuuto also recht? Scheiße, er verabscheute diese gefühlsduseligen Situationen … „Hey … Joey …“, sagte er leise und räusperte sich leicht, da ihm die Stimme zu versagen drohte. Auch wenn er ihn nicht liebte, wollte er ihn nicht so sehen. Nicht nach allem, was er schon hatte mitmachen müssen. Das war mehr als genug für ein Leben, aber er konnte ihn doch auch nicht anlügen. Das hatte er schon viel zu lange getan. Wieso hatte er nicht mit ihm darüber gesprochen? Er stellte sich doch sonst jedem Gespräch. „Ich … Geht gleich wieder …“, murmelte der Blondschopf und wischte sich die Tränen mit einem Taschentuch weg. Er atmete ein paar Mal tief durch und beruhigte sich etwas, als er ungelenk versuchte, aufzustehen. Seto griff seinen Arm, um ihm zu helfen, doch Joey schlug ihn heftig weg. „Fass mich nicht an“, sagte er mit überraschend kalter Stimme und Seto ging automatisch einen Schritt zurück. „Was soll das?“, fragte er genervt, weil er nur nett gewesen sein wollte und kaum, dass Joey sich aufgerichtet hatte, zeigte er mit dem Finger auf ihn und begann alles herauszulassen: „Was das soll? Das fragst du wirklich? Hast du blöder Eisschrank es immer noch nicht begriffen? Im Gegensatz zu dir bin ich niemand, der mit jemandem vögelt, ohne dass da mehr ist! Hätte ich geahnt, dass du einfach nur ein verdammt guter Schauspieler bist und Druck abbauen willst, hätte ich mich nie auf diese Nächte eingelassen! Du bist so ein gefühlskaltes Arschloch! Ich ertrage das nicht mehr! Ich kann nicht mehr vor anderen stehen und deinen glücklichen Freund geben, während ich genau weiß, dass da nichts ist. Das ist so …!“ Der Blondschopf hielt keuchend inne, suchte nach dem richtigen Wort, doch anscheinend fiel ihm keins an. Frustriert strich er sich durch die Haare und redete weiter: „Weißt du, ich habe mir wirklich Mühe gegeben. Erst für Mokuba, weil ich weiß, wie sehr ihr euch gegenseitig braucht und dann auch für dich, weil ich weiß, wie wichtig dir neben Mokuba diese Firma ist! Ich wollte, dass du aus dem Krankenhaus kommen kannst und dich in Ruhe regenerieren, weil du weißt, dass die Firma läuft und es Mokuba gut geht! Ich habe mir viele Nächte um die Ohren geschlagen, um alles zu lernen. Um zu begreifen, wie deine Firma funktioniert, zu schauen, wie ich das am effektivsten händeln kann! Ich habe mich komplett auf diese Rolle eingelassen! Um dir keine Schande zu bereiten! Noch nie zuvor habe ich meine Freunde so weit zurückgestellt, um das hier nicht zu vermasseln! Und du … Du!“ Joey brach ab und hielt sich am Schreibtisch fest. Er biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen, doch die Tränen kamen automatisch und anscheinend merkte er gar nicht, dass auch seine Unterlippe begann zu bluten. „I-ich kann das nicht mehr … Das bringt mich um. Noch heute Nacht werde ich ausziehen und nächste Woche die … die Trennung bekannt geben“, stammelte Joey und wischte sich ein weiteres Mal mit einem Tuch über das Gesicht. Er sah einen kleinen Blutfleck auf dem Taschentuch und tastete an seine Lippe, bis er kurz zusammenzuckte, weil er die blutige Stelle gefunden hatte. „So ein Mist“, fluchte er leise und Seto löste sich aus seiner Starre. Sollte der Köter doch machen, was er wollte! Er hatte keine Zeit für diese Gefühlsduselei. Wenn es hier so enden sollte, dann war das eben so. Wieso nur fühlte er sich so seltsam? Warum war ihm so kalt, obwohl es doch hier drin normal temperiert war? „Dann geh.“ Mehr brachte er nicht heraus und marschierte an Roland und Yuuto vorbei zur Tür. Er musste raus. Er hielt es in seinem eigenen Büro nicht aus und es machte ihn wahnsinnig, dass er nicht verstand, warum es ihm so komisch ging. „Wie willst du die Trennung begründen?“, fragte er noch kalt und hörte ein kurzes, bitteres Auflachen von Joey. „Keine Sorge. Ich werde dich da nicht in Mitleidenschaft ziehen, auch wenn du es verdient hättest.“ Seto nickte nur knapp und ging dann raus in den Gang. Auch wenn der Kleine gerade fertig war, wusste er, dass er gleich für die anderen strahlend noch ein letztes Mal an seiner Seite stehen würde, denn Joey war niemand, der einen Rückzieher machte. Sonst hätte er sich bereits vor der Veranstaltung verkrochen und wäre gar nicht erst hierhergekommen. Seto wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Seine Gefühle fuhren Achterbahn und er verabscheute dieses Gefühl zutiefst, keine Kontrolle über sich zu haben. Einerseits war er froh, dass die Scharade dann ein Ende hatte, aber andererseits … hatte er sich an ihn gewöhnt und in der Villa war es lebendiger geworden. Mokuba ging es seitdem auch besser, doch damit war es dann wohl vorbei. Er spürte diese Wut in sich, wollte am liebsten etwas zerstören, doch er hatte hier keine Möglichkeit. Unruhig tigerte Kaiba im Gang zwischen seinem Büro und dem Fahrstuhl hin und her und versuchte sich irgendwie zu ordnen. Warum hatte er das nicht schon vorher geklärt? Dann hätten sie sich das hier alles ersparen können. Er war so wütend auf sich selbst. Du bist schwach geworden, Seto. Die Stimme in seinem Kopf dröhnte und augenblicklich hielt er in der Bewegung inne. Nein, der Alte hatte keine Ahnung. Er war nicht schwach. Dafür hatte Gozaburo selbst gesorgt. Unwirsch löste er die Krawatte ein wenig und atmete hektisch. Der Typ sollt eihn in Ruhe lassen. Er war tot. Nicht mal mehr digital irgendwo zu finden. Er hatte keine Macht mehr über ihn. Shit, ihm entglitt die Kontrolle. Das durfte doch nicht wahr sein. Schnell stieß er die Tür zum bad auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Fest umkrallte er das kalte Porzellan des Waschbeckens und betrachtete sich einen Moment im Spiegel. „Ich bin nicht schwach.“ Es war wie ein Mantra, dass er in Gedanken wiederholte und allmählich beruhigte sich der CEO. Es war kein Zeichen der Schwäche, dass sich sein Bild des Köterchens geändert hatte. Das eine hatte mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Schnell trocknete der Brünette sein Gesicht und schritt mit geradem Rücken in den Gang und wartete vor dem Aufzug auf die anderen. Zum Glück hatte niemand mitbekommen, dass ihm kurz die Kontrolle entglitten war. Nicht auszudenken, was sie von ihm gedacht hätten. Hoffentlich würden sie nicht so lange brauchen, denn die Gäste fingen bestimmt an, sich zu wundern, wo sie waren. Dabei sollte es doch der perfekte Abend werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)