Die Vertretung und die Folgen von Iwa-chaaan (Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden) ================================================================================ Kapitel 9: Ein ungewöhnlicher Morgen ------------------------------------ Montag, 15.08./Dienstag, 16.08. Seto saß mit Mokuba noch im Wohnzimmer und schaute etwas mit ihm fern, als ihn das Hausmädchen darüber informierte, dass Wheeler noch Hausaufgaben machen wollte. Überrascht nahm er das zur Kenntnis, dann bedankte er sich bei ihr und sie verließ den Raum nach einer knappen Verbeugung wieder. Die Hausaufgaben würde er auch noch erledigen, wenn sein kleiner Bruder später im Bett war. Doch das der Köter so einen Sinneswandel durchgemacht hatte, dass er sich freiwillig mit Schulaufgaben beschäftigte – zumal er verletzt war –, irritierte ihn ziemlich. Aber sei es drum. Das war nicht sein Problem. Eher, dass der Köter Mokuba – und somit auch ihm – noch mehr Scherereien machen konnte. Schließlich wusste er noch immer nicht, wer die Promenadenmischung entführt hatte und warum. „Du Seto?“ „Hm? Ja, was ist denn, Mokuba?“ Der CEO schaute zu ihm und der Kurze sah ihn mit diesen unschuldigen Kulleraugen an. Hoffentlich wollte er nichts, sonst fiel es ihm schwer, das abzulehnen. Das war schon immer so gewesen. Aufgrund ihrer Vergangenheit war Mokuba ihm das wichtigste und sein Glück und sein Wohlergehen hatte oberste Priorität. Und auch wenn es Regeln gab, an die er sich halten musste, war es innerlich für Seto immer wieder eine Herausforderung, ihm nicht jeden Wunsch zu erfüllen. Immerhin sollte der Kleine auch merken, dass man für Dinge etwas tun musste. „Warum hast du Joey eigentlich hierhergebracht?“ Irritiert von der Frage zog Seto die Augenbrauen zusammen. Da sein Bruder zu verstehen schien, dass er nicht wusste, worauf er hinauswollte, fuhr der Schwarzhaarige etwas unsicher fort: „Naja, du hättest ihn auch in ein Krankenhaus bringen lassen können. Stattdessen ist er jetzt hier. Das … irritiert mich einfach.“ „Es war die schnellste Möglichkeit, um ihm ärztliche Versorgung zuteilwerden zu lassen. So ein Unmensch bin ich nun auch nicht, dass ich den Köter in dem Zustand einfach so seinem Schicksal überlasse“, antwortete Seto sachlich und Mokuba musterte ihn einen Augenblick lang, ehe er die Sache auf sich beruhen ließ. Ihm gefiel nicht, worauf sein kleiner Bruder mit der Frage anspielte. Und ob man ihm das nun glaubte oder nicht, auch er war nicht so herzlos, einen verletzten Bekannten einfach liegen zu lassen. Und da sie einen hervorragenden Arzt hatten, der rund um die Uhr Rufbereitschaft hatte, war das die schnellste und einfachste Möglichkeit gewesen. Das war alles. Wieso rechtfertigte er sich das sich selbst gegenüber? Er sollte schnell die Hausaufgaben erledigen und dann ins Bett gehen, damit er morgen fit war. Bevor er noch weitere komische Gedanken bekam, die ihn nicht weiterbrachten. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bereits nach 21 Uhr war und so war es für Mokuba sowieso Zeit, dass er sich schlafen legte. Also machte er den Fernseher aus und brachte seinen kleinen Bruder in Ruhe ins Bett. Auch wenn der Kurze bereits 12 Jahre alt war, war es Tradition, dass Seto ihn abends in sein Zimmer brachte, wenn er da war. Sobald er sich umgezogen und mit geputzten Zähnen ins Bett gelegt hatte, deckte der Brünette ihn zu, gab ihm ein Küsschen auf die Stirn und wünschte ihm mit gedämpfter Stimme eine Gute Nacht. Dann wuschelte er ihm noch durch die Haare und Mokuba wünschte ihm ebenfalls einen erholsamen Schlaf. Seit sie in das Heim gebracht worden waren, hatten sie dieses Ritual, doch Seto dachte immer wieder daran, es langsam mal zu beenden, doch der Kleine schien da noch immer kein Problem mit zu haben und so folgten sie weiter der Tradition. Leise schritt er zur Tür, löschte das Licht und schloss die Tür hinter sich. Der CEO marschierte in sein Arbeitszimmer, wo er noch schnell seine Emails checkte, zum Glück aber nichts Wichtiges bekommen hatte und dann die Hausaufgaben erledigte. Es war der erste Abend seit Monaten, wo er vor Mitternacht ins Bett kam. Ob er jetzt überhaupt schon einschlafen konnte? Auf dem Weg zu seinem Schlafzimmer blieb er kurz vor Tür des Gästezimmers stehen. Ein Blick auf unteren Türschlitz verriet ihm, dass das Licht bereits aus war, also schlief der Köter wahrscheinlich schon. Leise seufzend – durch seine Gedanken geisterte das Gespräch mit Mokuba – setzte er sich wieder in Bewegung, betrat sein alleiniges Reich und zog sich in Ruhe aus. Auch er putzte sich die Zähne im angrenzenden Badezimmer und legte sich dann auf das große Doppelbett. Die eine Seite sah aus, als hätte dort noch nie jemand geschlafen, was nicht ganz stimmte, doch er selbst brauchte nur eine Hälfte, da er sich im Schlaf kaum bewegte. Eine viertel Stunde später schlief Seto tief und fest, obwohl es noch immer nicht Mitternacht war. Es war 5:30 Uhr, als der Wecker klingelte und Kaiba deaktivierte mit einem gezielten Schlag den Alarm. Er gähnte kurz und streckte sich, dann stand er auf und trat in das Bad. Er hatte überraschend gut geschlafen und das bedeutete, dass er heute noch einiges an Arbeit schaffen konnte. Vielleicht war es ihm sogar möglich, die verlorene Zeit von gestern aufzuholen. Das würde ihm die Arbeit am Sonntag ersparen und einen schlecht gelaunten Mokuba, der darauf bestand, dass er sich wenigstens an einem Tag in der Woche nicht um die Arbeit kümmerte. So oft wie es ging, versuchte er, sich daran zu halten, doch es gelang ihm nicht immer und dann wechselte Mokuba zwei Tage kein Wort mit ihm und ging ihm konsequent aus dem Weg. Nicht einmal ihr abendliches Ritual ließ er dann zu, sondern schloss die Zimmertür ab, bevor er an der Tür angekommen war. Er hasste diese Tage, weil er wusste, dass es seinem kleinen Bruder dann schlecht ging, aber ein Firmenimperium scherte sich nicht um Wochentage und immer, wenn Neuheiten auf den Markt gebracht wurden, waren die Wochen davor und ein paar danach äußerst anstrengend. Gerade bei großen Neuheiten war es purer Stress, doch wenn er Kinder auf der Straße mit seinen Spielzeugen herumlaufen sah, wusste er, dass das alle Mühen wert war. Deswegen arbeitete er jeden Tag so hart. Natürlich ging es um Macht und um Mokubas Absicherung, dass er ein sorgloses Leben führen konnte, doch ohne dass es jemand wusste, war es ihm eine Freude, andere Kinder zum Lachen zu bringen. Sonst hätte er die Firma auch in eine andere Branche umorganisieren können oder hätte im Rüstungsbereich bleiben können. Aufgrund seiner Erziehung war es ihm einfach nur nicht möglich, das alles so zu zeigen, wie er es hin und wieder gern würde. Aber er hatte sich damit arrangiert, dass er diesen Panzer aufgebaut hatte, den nur Mokuba durchbrechen konnte. Und solange der Kurze das konnte, war es ihm vollkommen egal, was die anderen über ihn dachten. Entspannt stellte er sich unter die kalte Dusche und genoss mit geschlossenen Augen das Wasser auf seiner Haut, dass auch den letzten Rest Schlaf von ihm wusch und seinen Kopf von seinen Gedanken befreite. Einfach entspannen. Die fünf Minuten brauchte er täglich. Er shampoonierte seine Haare, seifte sich ein und nachdem das Wasser alles von seinem Körper gespült hatte, drehte er den Hahn ab und nahm sich zwei Handtücher. Mit dem ersten trocknete er sich soweit ab und band es um seine Hüfte. Danach trocknete er seine Haare ab und legte das Handtuch um seinen Nacken. Der Brünette stellte sich vor das Waschbecken und schaute sich kurz im Spiegel an. Überprüfend strich er sich über das Kinn und befand, dass es wieder Zeit war. Dann putzte er sich die Zähne, wusch sich das Gesicht und rasierte sich. Es war seine übliche Morgenroutine, die er brauchte, um sich auf den bevorstehenden Tag vorzubereiten. Um sechs Uhr war er fertig angezogen und marschierte kurz in sein Arbeitszimmer, um alle Vorbereitungen zu treffen. Er studierte den Plan für heute, welche Meetings anstanden, welche Unterlagen er mitnehmen musste und packte auch noch seine Schulsachen zusammen. Die Tasche brachte er selbst ins Foyer, das war ein Tick von ihm. Jeden Morgen stellte er sie neben die Haustür, damit er sie nicht vergaß und niemand außer Mokuba durfte sie anfassen. Immerhin waren sein Laptop und geheime Geschäftsunterlagen darin. Zu seiner Überraschung entdeckte er Wheeler bereits in der Küche am Esstisch und sich mit Hina, der Köchin, unterhaltend. Eigentlich hatte er erwartet, dass man ihn aus dem Bett holen musste, so wie er jahrelang zu spät zur Schule gekommen war. „Guten Morgen Master Kaiba“, begrüßte ihn die Köchin leicht lächelnd und er erwiderte den Gruß höflich. Er setzte sich gegenüber von Wheeler hin, überschlug die Beine und nahm einen Schluck Kaffee und grüßte auch ihn knapp, ehe er sich der Zeitung zuwandte. Mit einem Ohr nahm er wahr, dass der Blonde ihm ebenfalls einen guten Morgen wünschte, doch er war bereits dabei, die Schlagzeilen zu studieren. In Zeiten von Laptops, Tablets und Smartphones war er doch so altmodisch, sich jeden Morgen durch die Zeitung zu blättern. Noch so ein Tick von ihm, den anscheinend auch sein Gegenüber wahrnahm, denn der Köter ließ es sich nicht nehmen, das zu kommentieren. „Du liest Zeitung? Wow, ich hätte dich für moderner gehalten“, meinte er mit einem Grinsen und biss in sein frisches Brötchen. Seto Kaiba spülte jeglichen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, mit einem Schluck Kaffee herunter, da er nicht um die Uhrzeit schon Lust auf einen Streit hatte. Andererseits würde sich das bei der Flohschleuder wohl kaum vermeiden lassen. Dennoch entschied sich Seto für ein anderes Thema zum Streit. „Und du? Sicher, dass du es in die Schule schaffst und auf dem Weg nicht einfach zusammenklappst?“ „Natürlich. So ein paar Prellungen halten mich nicht davon ab. Danke nochmal für die Hilfe. Achja und dass ihr auch mein Handy gefunden habt“, erwiderte Joey aufrichtig und schaute zu ihm rüber. Dass er von dem Köterchen mal ein Danke bekommen würde, hatte definitiv Seltenheitswert. Er nickte ihm zu und nahm noch einen Schluck seines Kaffees, ehe er sagte: „Schon gut. Wie ich sehe, hat das Hausmädchen gute Arbeit geleistet, was deine Klamotten angeht.“ „Ja, alles perfekt sauber. Ich war auch ganz erstaunt“, stimmte der Blondschopf grinsend zu und drehte den Kopf zur Seite, als Mokuba hereinkam. „Guten Morgen zusammen!“, rief er fröhlich, gab Seto ein Küsschen auf die Wange, grüßte Hina und setzte sich neben Joey, auf seinen Standardplatz. Die Köchin stellte ihm sein Frühstück hin und verließ den Raum, sodass die Drei allein waren. Mokuba und Joey unterhielten sich miteinander über ein neues Videospiel, dass sie offensichtlich beide zockten, und Seto konzentrierte sich wieder auf die Zeitung, in der aber nichts Spannendes zu finden war. Eine viertel Stunde später herrschte Aufbruchsstimmung, denn Mokuba musste immer etwas früher los als er selbst. Also verabschiedete sich der Kurze grinsend von Joey, mit der Hoffnung, dass er ihn öfters besuchen kommen sollte – was er mit Sicherheit zu verhindern wusste, immerhin war das ein haustierfreier Haushalt – und Seto schritt mit seinem kleinen Bruder ins Foyer, wo er ihm einen schönen Tag wünschte und auf den Köter wartete, der hoch in das Gästezimmer gegangen war, um seine Sachen zu holen. Es dauerte nicht lang, dann kam er die Treppe heruntergelaufen und blieb grinsend neben ihm stehen. „Ich bin dann soweit“, stellte er fest, keuchte etwas und Seto rollte nur kurz mit den Augen. Ohne etwas dazu zu sagen – wenn er sich weiter so benahm, würde er spätestens in der Schule wegen der Verletzungen erneut zusammenbrechen, davon war Kaiba überzeugt –, nahm er seinen Koffer und öffnete die Tür. Draußen stand bereits der Wagen bereit und der Chauffeur wartete darauf, dass sie einstiegen. Roland stand an der Autotür bereit und öffnete sie, als Kaiba die Treppe herunter trat und darauf zusteuerte. Joey folgte ihm brav – wie es sich für ein Hündchen gehörte – und setzte sich neben ihn. Die Taschen hatten sie zwischen sich auf den Sitz gestellt. „Du kannst losfahren, Kei“, sagte Kaiba und die Tür wurde geschlossen. Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung und mit dem Drücken einer Taste fuhr das kleine Fenster, das als Verbindung zur Fahrerkabine diente, nach oben. Wheeler neben ihm schien sich sichtlich unwohl zu fühlen, sagte aber nichts, sondern schaute lieber aus dem Fenster. Seto nutzte die Ruhe und ging noch ein paar Dokumente durch, die er nachher noch brauchte. Ein Wunder, dass es dem Kleinen die Sprache verschlagen hatte. Das war – soweit er sich erinnerte – das erste Mal, dass das der Fall war. Nur 20 Minuten später waren sie an der Schule angekommen und noch bevor der Chauffeur die Tür öffnen konnte, war Joey bereits dabei, auszusteigen. Kaiba schüttelte den Kopf, folgte ihm aber und schloss die Tür hinter sich, sodass der Fahrer sitzen bleiben konnte. Ihm entgingen die verwirrten Blicke der anderen Schüler keineswegs, schließlich war es das erste Mal überhaupt, dass noch jemand außer ihm – oder Mokuba – aus der Limousine ausgestiegen war. Die Gerüchteküche konnte er sich lebhaft vorstellen, doch das tangierte ihn nicht. Sollten sie sich doch alle das Maul zerreißen, obwohl sie keine Ahnung hatten. „Willst du weiter dumm rumstehen oder deine guten Vorsätze weiter einhalten?“, fragte er genervt, während er auf die Tür zuging und Joey löste sich aus seiner Starre, folgte ihm allerdings nicht, sondern marschierte zielsicher – ohne eine Erwiderung – zum Kindergarten, den er in der Menge ausgemacht hatte. Kaiba hingegen verschwand im Gebäude, um sich bereits zu seinem Platz zu begeben. Sollte der Köter doch machen, was er wollte, solange er Mokuba keine Angst machte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)