Wegweiser von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 2: Ein Teil deines Lebens --------------------------------- „Ah, du kommst endlich wieder zu dir. Wie fühlst du dich?“ Sasuke blinzelte ein paar Mal verschlafen, bis er Sakura deutlich erkennen konnte. Sie kniete neben dem Futon, auf dem er lag und legte ihm gerade ein nasses Tuch auf die Stirn. „Wo sind wir?“ „Tja“, die Kunoichi lächelte gequält, „zunächst einmal vielen Dank, dass du erst am Fuß des Bergs ohnmächtig geworden bist. So musste ich dich wenigstens nur die paar Kilometer bis in das Dorf, aus dem wir gestartet waren, zurückschleifen.“ Langsam und sehr verschwommen erinnerte sich Sasuke an den mühseligen Abstieg vom Berg. Irgendwann hatten ihn seine Beine kaum noch getragen und er hatte sich immer mehr auf Sakura abgestützt, die selbst von den Strapazen der letzten Tage gekennzeichnet gewesen war. „Wir sind wieder in dem Gasthaus, in dem wir zuvor gewesen sind“, stellte er nüchtern fest. „Gern geschehen“, erwiderte Sakura sarkastisch in Anbetracht von Sasukes anscheinender Undankbarkeit und machte Anstalten, aufzustehen. „Warte.“ Unwillig zuzugeben, dass sein Hirn noch nicht wieder ganz so flink arbeitete und dass das Eingestehen von Schwächen nicht zu seinen Stärken gehörte, machte er eine lange Pause, in der er versuchte, sich seine Worte zurecht zu legen. „Das war dumm von dir, mit mir zu kommen. Dieser Berg gilt so schon als gefährlich, aber im Winter ist er unberechenbar. Du hättest dort oben sterben können.“ Irritiert rutschte die Kunoichi wieder an seine Seite zurück. „Ich hatte gedacht, du würdest dich vielleicht doch bedanken wollen und stattdessen machst du mir Vorhaltungen?“ „Ich bin noch nicht fertig.“ „Aha. Was willst du mir denn noch sagen?“ Sakura kreuzte von neuem missmutig die Arme vor der Brust. „Dass du mich sowieso nicht dabei haben willst? Dass ich endlich nach Hause gehen soll? Schieß los, ich kann es kaum erwarten.“ Sasuke atmete einmal tief ein und wieder aus, als würde ihn das Folgende Überwindung und Mühe kosten. „Ohne dich wäre ich dort oben sicher gestorben. Und außerdem warst du es, die eine neue Information gefunden hat. Ich danke dir, Sakura.“ „Äh ...“ Verdattert blinzelte die junge Frau ihn nun an. Damit hatte sie tatsächlich nicht gerechnet. „Hah!“ Sie versuchte, ihre selbstbewusste Fassade aufrecht zu erhalten, damit er nicht merkte, wie viel ihr seine Worte bedeuteten. „Siehst du's jetzt ein? Du brauchst mich!“ Sakura löste ihre ablehnende Körperhaltung und drehte das Tuch auf seiner Stirn. Mit einem Mal jedoch sah sie traurig aus und Sasuke fand keine Erklärung, wieso sie dies so plötzlich sein sollte. „Warum wolltest du mich wegschicken?“, fragte sie in die aufgekommene Stille hinein. „Das hier ist meine Mission. Mein Weg“, antwortete er in einem für seine Verhältnisse beinahe schon sanftem Tonfall. „Das hat mir dir nichts zu tun.“ „Dir ist vermutlich nicht bewusst, wie verletzend das klingt“, entgegnete Sakura enttäuscht. „Zu sagen, dein Leben hätte mit mir nichts zu tun.“ „So meine ich das nicht.“ Hoffnungsvoll blickte sie zu ihrem Kameraden, der allerdings seinen Blick abwandte. In intimen Momenten Augenkontakt zu halten, gehörte auch nicht zu seinen Stärken und in diesem Moment gerade fand er es selbst recht beschämend, seine Schwäche nicht überwinden zu können. „Ich bin unterwegs, um Buße zu tun und um Antworten auf die offenen Fragen zu allem, was Kaguya betrifft, zu finden“, erklärte er weiter. „Das ist beschwerlich und genau das soll es sein. Aber du hast dir nie etwas zu Schulde kommen lassen, Sakura. Du hast ein besseres Leben verdient. Du solltest in Konoha sein. Mit den Menschen, die du liebst und die dich lieben. Und du solltest dort die großartigen Dinge tun, die du tust. Du solltest auf gar keinen Fall irgendetwas davon meinetwegen aufgeben. Du darfst nicht dein Leben aufgeben, nur um bei mir zu sein.“ Eine erneute Stille trat zwischen sie, doch dieses Mal war sie nicht bedrückender Natur. Mit steigender Faszination hatte Sakura Sasukes Worten gelauscht. Es war lange her, dass der Uchiha so viel und so ehrlich mit ihr gesprochen hatte. Und dass er sich so viele Gedanken um sie machte, kam ebenso völlig unerwartet. „Ich gebe nichts davon auf“, sagte sie schließlich. „Im Gegenteil. Ich bin hier, weil ein Mensch, den ich liebe, nicht in Konoha ist und ich ihn nicht aufgeben will. Du bist ein Teil meines Lebens, Sasuke. Und ich bin hier, um herauszufinden, ob ich auch ein Teil deines Lebens bin. Ich gebe nichts auf. Wenn überhaupt gewinne ich etwas dazu. Und wenn es nur Klarheit ist.“ Tapfer kämpfte sie während ihrer Rede damit, ihre Tränen zurückzuhalten. Sasuke sollte bloß nicht denken, dass sie immer noch die ständig heulende Zwölfjährige war. Ausgerechnet jetzt wandte er ihr seinen Blick wieder zu. Er sah erstaunt aus, vielleicht sogar ein bisschen beeindruckt. In der Tat war er verblüfft von ihren Worten. Wieder einmal hatte er sie vollkommen falsch eingeschätzt. Sie lief ihm nicht seinetwegen nach. Sie lief ihretwegen mit ihm mit. „Ich verstehe“, war alles, was er antwortete. „Davon abgesehen“, ergänzte Sakura schelmisch, „hast du am Schrein gesagt, dass wir als nächstes nach Komidori gehen müssen. Ich schließe daraus, dass du also nichts dagegen hast, wenn ich dich noch etwas begleite?“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf Sasukes Gesicht. „Hn. Als ich das sagte, war ich im Delirium.“ „Von wegen. Aus der Sache kommst du so einfach nicht heraus.“ Sie musste lachen. „Jetzt ruh dich weiter aus. Ich mache dir eine Medizin aus Kräutern, die ich von Zuhause mitgebracht habe.“ „Solltest du dich nicht auch ausruhen?“ „Ha, hab ich schon.“ Die Kunoichi stand auf. „Du hast zwei Tage durchgeschlafen.“ So langsam kam sich Sasuke albern vor, weil er sich so viele Sorgen um ihre Unversehrtheit gemacht hatte. Nein, Angst müsste er um sie wohl nicht mehr so sehr haben. Sie war viel stärker als er erahnt hatte, sowohl körperlich als auch geistig. Und er? Er unterschätzte sie nicht nur ständig, er hatte sie auch nicht gerade so behandelt, wie sie es verdient hatte. „Sakura?“ „Ja?“ Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Tut mir leid. Ich meine, was ich vor dem Aufstieg gesagt habe.“ Von seiner plötzlichen Entschuldigung überrascht, sah Sakura ihn erst einmal wortlos an, ehe sie mit den Schultern zuckte. „Du kannst manchmal echt ein Idiot sein.“ „Ich weiß. Hast du dagegen keine Medizin?“ Sasuke genoss es, Sakuras Lachen zu hören. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)