Do it ... or not! von phean ================================================================================ Prolog: -------- Mathematik war nicht direkt eins ihrer Lieblingsfächer, aber sie mochte es. Sie verstand die Rechnungen und wusste, wie sie an die Sache herangehen musste. Anders als andere eben. An sich war es ungewöhnlich für eine heranwachsende Frau – zumindest wenn es der Norm entsprach. Es hieß ja überall, dass Mädchen in Mathematik und sämtlichen naturwissenschaftlichen Fächern schlecht seien. Sie sollen sich doch lieber mit der Kunst, Musik und dem Kochen beschäftigen. Das wäre sowieso irgendwann ihre Aufgabe. So wie das die Aufgabe von sämtlichen Frauen auf dieser Welt war. Manche Lehrer waren im vergangenen Jahrhundert hängen geblieben. Ihr Vater hingegen war wohl der Schuldige an ihrem Verständnis der naturwissenschaftlichen Fächer. Dieser hatte auf gute Noten in diesen Fächern bestanden, sonst sei es eine Schande. Natürlich ... er war Mathematik-Professor. Da konnte man schon mit der Begabung seiner Tochter angeben. Wäre blöd für ihn, müsste er erklären, dass das eigene Kind in den Fächern schlecht war, die er unterrichtete. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Er hängte sich immer daran auf, wenn sie nicht die volle Punktzahl in einer Prüfung hatte. Aber sie lernte auch fleißig und gab ihr Bestes. Das und dass sie dem typischen Mauerblümchen entsprach und schüchtern war, waren der Grund, weshalb sie Zeit dafür hatte und keine Freunde fand. Ein Teufelskreis. Aber damit konnte sie leben, schließlich war sie Maya Lucinda Reeds. Sie wollte in ihrem Leben etwas erreichen und sich doch irgendwie einen Namen machen. Auch wenn sie noch nicht wusste auf welche Weise. Ihre trübsinnigen Gedanken versuchte sie möglichst klein zu halten. Aber selbst Maya fühlte sich einsam. Kein Wunder. Sie war es. Vor allem wenn sie die anderen Mädchen sah, wie sie gemeinsam zu mittagaßen. Sich unterhielten und lachten. Wie die Jungs miteinander umgingen. Oder gar die, die sich mit Mädchen unterhielten. Sie küssten. Und mehr mit ihnen taten. Maya lebte aktuell jedoch für die guten Leistungen. Andere Familien wollten genau das auch für ihre Kinder. Doch wären alle Kinder so, dann wäre jeder ziemlich einsam. Nicht nur sie. Daher gab es auch Augenblicke, in denen sie sich wieder jemanden wünschte, der für sie da war. Unauffällig sah sie auf ihr Handy. Die junge Frau stand an ihrem Spind und musterte ihr Hintergrundbild. Dieses war bereits wieder zwei Jahre her. Sie waren zu Weihnachten nach Paris geflogen, um mit der befreundeten Familie Brown zu feiern. Das Bild zeigte sie mit ihrem besten Freund Simon. Sie lachten beide. Trugen denselben Pullover und hatten Spaß. Es war ein Geschenk ihrer Eltern gewesen. Etwas, das nur ihnen beiden gehört. Es war ein schöner Abend gewesen. Nur bei ihm konnte sie so offen sein. Lachen. Herumalbern. Einfach anders als hier. Nicht dieses Mauerblümchen. Seufzend packte sie es zurück und nahm sich ihr Geschichtsbuch heraus. Der Unterricht rief und damit schloss sie ihr Fach. Das allerdings zu schwungvoll, sodass es ihr nicht auffiel, wie ihr Skizzenbuch herausfiel und auf dem Boden liegen blieb. Ein Skizzenbuch, in dem einige Menschen dieser Schule zu sehen waren. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Hier war sie ganz Frau – sie tobte sich künstlerisch aus. Zeichnete das, was sie sah. Übungen an Gesichtern, Mimiken und Proportionen. Nicht nur während des Mittagessens. Ein Vorteil als Mauerblümchen war der, dass sie meist unbemerkt blieb. So gab es einige Zeichnungen von Schülern in prekären Situationen. Sei es nun in der Bibliothek gewesen, als sie eigentlich gelernt hatte oder auf der Toilette, die sie zum Frischmachen aufgesucht hatte. Weshalb sie nicht einfach gegangen war, konnte sich Maya nicht erklären. Als Außenseiterin hatte sie das bislang noch nicht erlebt und fand es faszinierend. Sie sah darin nicht den Akt der Vereinigung an sich, sie sah zwei Körper, die miteinander verschmolzen. Das wollte sie festhalten. Das Zusammenspiel zweier Menschen. Egal ob Mann oder Frau. Sie wollte es möglichst echt und natürlich wiedergeben. Es war aber auch nicht verwunderlich, dass sie dabei rote Wangen bekam. Und es war auch peinlich. Schlimmer wäre es gewesen, hätte man sie dabei gesehen. Schließlich war sie dadurch ein Voyeur. Bislang ging es aber gut und sie bereute es nicht. Was die Zeichnungen anbelangte, hütete sie wie einen Schatz – blöd nur, dass sie es nicht bemerkte. An sich sollte es niemand sehen. Denn das wohl wichtigste Bild war das einer Schülerin und ihrem Chemielehrer. Maya hatte noch etwas im Vorbereitungsraum aufgeräumt, diesen konnte sie aber nur durch den Unterrichtssaal verlassen. Ihr Lehrer schien Vergessen oder nicht bemerkt zu haben, dass sie noch dort war. Aber die Tür war leicht geöffnet gewesen und das Stöhnen von ihr, hatte sie innehalten lassen. Wie ihr Körper auf dem Pult lag, hatte Maya dazu gebracht, ihr Skizzenbuch herauszuziehen. Und seine Berührungen hatten sie den Stift über das Papier ziehen lassen. Diese Zeichnung würde sie wohl als Freak brandmarken und den Lehrer in eine heikle Lage bringen. Letzteres würde sie wohl noch eher verkraften. Selbst die Tierbilder darin würden das nicht abschwächen können. Aber jetzt war sie schon auf dem Weg zur nächsten Unterrichtsstunde ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)