Vom Zauber einer orientlischen Nacht von Encheduanna ================================================================================ Kapitel 6: Von jetzt auf gleich ------------------------------- Um Himmelswillen, ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass ich mich genau eine Woche nach Erhalt des Telefonats tatsächlich im Zug nach Heidelberg befand. Ich hatte einen Fensterplatz, sah hinaus und bemerkte, wie die Landschaft an mir vorbeizog, gerade so wie auf einer Platte, die sich mit rasender Geschwindigkeit um sich selbst drehte. Und auf ihr Städte, Flüsse, Felder und Wälder … und verdammt noch mal!, wie sollte ich mich Ulrich Hensel gegenüber nur verhalten? Was erwidern, wenn er tatsächlich diese Zettelattacke erwähnte. Ich wäre ohnehin schon schüchtern genug, da brauchte es nicht auch noch das. Ja, da waren sie wieder, die tollen Gedanken, die ich mir so machte, während ich mich unaufhaltsam Heidelberg näherte. Ich spürte dazu wieder meinen Herzschlag, begann auch zu schwitzen. Nur gut, dass ich den Termin bei ihm erst morgen hatte und nicht heute … Aber richtig beruhigte mich das nicht. Vor allem, als ich es tatsächlich gewagt hatte, mir auf der Institutshomepage sein Bild anzusehen, da war es wieder einmal um mich geschehen gewesen. Es ist ein Kreuz mit den Hormonen! Aber ich wollte nicht jammern. Ich hatte meinen Eltern von meinen Vorstellungsgespräch erzählt. Recht glücklich hatte meine Mutter nicht gewirkt. „Ach, wenn das klappt, dann wohnst du ja nicht mehr in unserer Nähe.“ Und Vater daraufhin: „Na und? Weiß sie denn überhaupt noch, dass wir ihre Eltern sind?“ „Nun hör aber auf!“, rief meine Mutter.   „Na ist doch wahr! So wenig, wie sie uns besuchen kommt.“   Das hatte er ganz ernst hervorgebracht, doch dann hellte sich seine Miene auf und er begann die Melodie des Liedes Du hast dein Herz in Heidelberg verloren zu pfeifen. „Na was denn?“, wollte er dann wissen, als Mutter betreten zur Seite sah und ich auch nichts zu erwidern wusste. „Es wird ja doch langsam mal Zeit, oder nicht?“ „Hmmm“, machte ich. „Und wer sagt, dass du da unten nur arbeitest. Heidelberg ist eine wunderschöne Stadt und …“ „Papa, dazu muss ich den Job ja erst einmal bekommen.“ In dem Moment sah meine Mutter wieder hoch und es schien mir, als wäre sie wirklich nicht ganz so unzufrieden, wenn es mit dieser Arbeit nicht klappte. Ganz zu schweigen davon, dass ich mir selbst kaum eine Chance ausrechnete, denn mittlerweile hatte ich die Ausschreibung gefunden. Sie suchten jemanden mit Grabungserfahrung. Hatte ich die? Gut, Ulrich Hensel hatte meinen Bewerbungsunterlagen entnehmen können, dass ich bisher nur Helfer gewesen war und hatte mich trotzdem eingeladen. Aber da gab es sicher unzählig viele andere, die besser waren als ich … Um meine Mutter also zu beruhigen, sagte ich ihr das und dann kam von ihr: „Ach Kind, was soll nur aus dir werden? Du musst doch langsam mal was Gescheites machen.“ Hatte ich also bisher nichts Gescheites getan? Wollte sie mir das damit sagen? Oder sollte ich endlich jemanden finden, den ich heiraten und mit dem ich Kinderbekommen konnte? Aber wenn da niemand war? Meine letzten beiden Freunde waren seltsame Gestalten gewesen, wie sie mein Vater netterweise genannt hatte. Der eine ein Nerd, der nur für seine Forschungen lebte, der andere ein etwas spinnerter Sportler, der mir, als er seinen Sport auf das Bett ausweiten wollte und ich ablehnte, einfach „Adé“ gesagt hatte. Und es war nicht so, dass ich verklemmt war oder so, aber es hatte eben einfach nicht gepasst. Er war ein Sprinter – und das auch im Bett. Da, wo der Nerd noch suchen musste, war der Sprinter schon längst übers Ziel hinausgeschossen. Ja, beide waren seltsame Gestalten und die anderen, tja, die hatte ich eben nur in meinem Kopf. Dass ich zu einem dieser Chimären mal würde fahren müssen, weil es um meine Zukunft ging, das … das hatte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen können. Und nun das? Ich kam mir so vor, als würde ich zu einem Star fahren und schon fuhr mein Magen Achterbahn und bescherte mir ein so komisches Gefühl, dass ich während der gesamten Reise nicht einmal ans Essen denken konnte. Und ehrlich, ich suchte die Toilette häufiger auf, als der ältere Herr neben mir, der wohl die Altmänner-Krankheit hatte. Es war … ich war … Alles war vollkommen irre und verrückt und wenn ich mir nicht immer wieder gesagt hätte, dass ich gegen die Konkurrenz eh keine Chance hatte, dass es da Leute gab, die 1000mal besser auf die Stelle passten, dann wäre ich mit dem Kopf durchs Dach gestoßen. Ja, genau so, als säße man unangeschnallt in einem Flugzeug, das in ein Luftloch gerät und sich mal eben so 2000m im freien Fall befindet. Das Ende vom Lied ist eine Kopfverletzung. Und Schuld daran hat die Schwerelosigkeit. Ja, und um mir solch eine imaginäre Kopfverletzung nicht zu holen, sagte ich mir immer wieder, dass ich ja eh keine Chance hatte. Aber dann trat er wieder vor mein inneres Augen. Er – wie sollte ich mich denn ihm gegenüber verhalten? Und vor allem, wie mich richtig präsentieren? Mein Vater hatte mir geraten, ruhig zu bleiben. Hätte noch gefehlt, dass er sagte: „Immer locker bleiben!“ Ja, wie denn, wenn vor einem der Mann sitzt, den man vor Wochen auf einer Konferenz zum ersten Mal gesehen hatte und in den man sich halsüberkopf verliebt hatte. Es hatte einfach Peng gemacht oder … ach, mir fiel jetzt keine andere Umschreibung für meinen Gemütszustand ein. Aber um es kurz zu machen: das Bewerbungsgespräch war das eine, dieses Gefühl für Ulrich Hensel das andere. Zwar wusste ich, dass ich es tunlichst vermeiden sollte, dieses Gefühl auch nur ansatzweise Anklingen zu lassen, doch konnte ich dafür meine Hand nicht ins Feuer legen. Mich hatte es vollkommen erwischt – und das war mir nach Betrachtung seines Bildes im Internet neuerlich klar geworden. Aber um das Ganze nicht noch weiter anzuheizen, verbat ich mir jegliche Träumereien oder Phantasien, die mich zu sehr ergriffen hätten. Ich durfte, wenn ich vor ihm saß, nicht an das denken, was wir zusammen in diesem Hotelzimmer in meiner Phantasie getrieben hatten und auch nicht daran, was ich mir noch vor wenigen Tagen des Nachts erträumt hatte. Oh, mein Gott, ich spürte ihn noch immer. Aber all das gehörte hier nicht her. Ich versuchte mir einen Kochtopf vorzustellen, einen, in dem es kochte und brodelte. Und damit nichts überschwappte, tat ich den Deckel drauf, der da natürlich nicht blieb. Ständig hob er sich, weil der Druck im Topf so hoch war. Also begann ich ihn mit aller Kraft auf den Topf zu pressen … Von Heidelberg bekam ich nicht viel mit. Ich wohnte in einer kleinen Pension in der Nähe des Bahnhofes. Ich wollte nur diese eine Nacht bleiben und am nächsten Tag, gleich nach dem Gespräch, wieder nach Hause fahren. Als ich meiner Chefin davon erzählte, meinte sie: „Oh, hat es geklappt? Grüßen Sie Herrn Professor Hensel von mir.“ „Ok“, hatte ich erwidert und mich gewundert. Hatte sie mir vor zwei Wochen, als sie mir die falsche Ausschreibung anbrachte, nicht gesagt, ich solle sie auf keinen Fall erwähnen? Ja was denn nun? Langsam begann ich wirklich an ihrem Verstand zu zweifeln. Und ich sollte recht behalten … Vorerst schob ich den Gedanken an sie aber ganz weit weg, denn ich musste mich auf das Bewerbungsgespräch vorbereiten. Und das war ein nicht ganz leichtes Unterfangen, denn obwohl ich meinen ohnehin schon schwachen Verstand anflehte, er möge sich die Oberhand erkämpfen, spürte ich immer wieder die vielen Schmetterlinge im Bauch, die da so ungeniert aufflatterten, als hätte ich sie eigenes dazu eingeladen. Und irgendwann in der Nacht, als ich meine Selbstvorstellung zum XtenMal durchgegangen war, ahnte ich, dass das unmöglich etwas werden würde. Ich würde immer und immer wieder … Kurzum ich war viel zu aufgeregt, viel zu nervös, viel zu verliebt und viel zu schüchtern. Am anderen Morgen dann stand ich gequält, da übernächtigt aus meinem Bett auf, schlapfte zur Dusche und schon waren sie wieder da: die Schmetterling. Es war gerade so, als wäre ich in einen ganzen Schwarm hineingeraten, aus dem ich mich allein nicht mehr retten konnte. Ich ging hier schier zugrunde … und meine Verzweiflung wuchs, denn gleich, in nicht einmal 2 Stunden, würde ich ihn wiedersehen. Schon der Gedanke allein bereitete mir ein rasendes Herz und neuerliche Schweißausbrüche. Es war doch alles für den A … Aber just in dem Moment, als ich dachte, dass ich schier wahnsinnig werden würde, kam eine Mail von meinem Vater herein. „Ist das dein neuer Chef in spe?“, schrieb er. „Sieht ja aus wie ein Nerd.“ Im Anhang befand sich ein Bild. „Schaut der immer noch so deppisch in die Welt? Achte mal drauf!“ Ich sah mir das Bild genau an und wusste im ersten Moment nicht, was ich tun sollte. Nur meine Hände zitterten. Ja, das war Ulrich Hensel, kein Zweifel, nur mindestens 15 Jahre jünger. Ein richtiges Kindergesicht sah mir da entgegen. Und auf seiner Nase befand sich eine leicht schiefsitzende Brille, die das rechte Auge etwas verdeckte. Und darunter ein leicht verzogener Kermit-der-Frosch-Mund, so als wüsste er nicht ganz, was er mit der auf sich gerichteten Kamera beginnen sollte: ihr zulächeln oder sich einfach wegdrehen. Mein Vater hatte recht: er schaute aus wie ein Nerd. „Ja, das ist er. Danke, Paps!“, schrieb ich zurück und sah mir das Bild noch einmal an. War es gemein, wenn ich es im Geiste in Ulrich Hensels Büro mitnahm? Nackt durfte ich ihn mir ja nicht vorstellen … Aber dieses Photo von diesem kleinen Jungen, der bereits damals schon in Heidelberg gelehrt hatte, das … das musste helfen. „Verlieb dich bloß nicht in den!“, kam’s postwendend zurück. „Papa!“ „Ach, ich kenne dich doch. Und ich will nicht noch so einen aus dem Raritätenkabinett begrüßen müssen. Zwei reichen!“ Ich biss mir auf die Lippen. „Was du nur denkst! Er ist Professor!“ „Na und? Professoren sind auch nur Menschen. Und oft einsamer, als du denkst.“ Mein Vater war richtig frech, aber manchmal wünschte ich mir, ein wenig mehr Chuzpe von ihm geerbt zu haben. Stattdessen verhielt ich mich wie ein saurer Drops. Tja, andere würden zwischen ihrer Verliebtheit und der Arbeit differenzieren können. Nur ich wieder nicht! Ich brauchte dieses unheimlich bescheuerte Bild, um mich wenigstens etwas abkühlen zu können. Schiefsitzende Brille, leichter Überbiss und obendrein wirkten seine Haare so, als hätte er sie sich gerade nass gemacht oder – noch erotischer – mit Pomade eingeschmiert. … Aber schon damals hatte er diesen unheimlich durchdringenden Blick, der mich nun doch wieder so sehr aufwühlte, dass ich um meine Beherrschung zu fürchten begann, als ich an seine Bürotür klopfte. „Guten Morgen, Frau Lorach.“ Er lächelte mich an und reichte mir die Hand. „Bitte kommen Sie herein.“ Ich folgte ihm und beschwor wieder das Kinderbild von ihm herauf. Ich hätte es sonst nicht ausgehalten. Sein Blick, seine Geste, als er mir einen Platz an einem kleinen Tisch in seinem Raum anbot. „Möchten Sie etwas trinken?“ „Ich … ähm …“ „Kaffee, Tee oder …“ Am liebsten hätte ich „Beruhigungstee“ gesagt, stammelte dann aber „Kamillentee“ und ich sah, wie es augenblicklich um seinen Mund zuckte. Er hatte noch immer diese kleinen Hamsterbacken wie auf diesem Bild. Nur jetzt waren sie viel, viel kleiner, aber eben noch immer da. „Eine gute Wahl“, bemerkte er. „Sehr zu empfehlen bei Magenschmerzen.“ Und dann, als ich nichts erwiderte, weil ich einfach nicht wusste, was, da schlug er die Hände ganz leicht zusammen und meinte: „Schön, dass Sie den weiten Weg hierher auf sich genommen haben.“ „Ja, es … es freut mich auch. Ich hab ja gar nicht da … damit gerechnet“, würgte ich hervor und nahm den Tee entgegen, erleichtert, endlich etwas zu tun zu haben und nicht immer auf ihn starren zu müssen. Er trug, anders als auf der Konferenz, eine Anzugjacke, darunter ein weißes Hemd. Ich biss mir auf die Unterlippe, nahm dann einen Schluck Tee. Und seine Jeans saß wie damals angegossen. „Und Sie haben auch gut hierher gefunden?“, fragte er dann und legte den Kopf schief. „Ja, ja, ja“, erwiderte ich und sah auf meinen Tee. Ich ahnte, würde nicht gleich etwas geschehen, könnte ich das Ganze hier vergessen, denn ich hockte in diesem Moment gedanklich eingeklemmt zwischen seiner schief sitzenden Brille und seiner Gürtelschnalle. Verdammt, was nützte mir dieses bescheuerte Bild, wenn ich selbst diesen kleinen Nerd-Jungen von Ende 30 am liebsten auf seine Überbiss-Lippen geküsst hätte? „Sagen Sie, kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind?“, hörte ich ihn dann fragen. Wie vom Donner gerührt ließ ich die Tasse sinken, wohl zu schnell, denn es schwappte etwas Tee auf die Tischplatte. Für mich hätte es nicht noch schlimmer kommen können. „Sorry“, stieß ich hervor. „Na na“, erwiderte er. Und wie er dabei lächelte, mit leicht schräg gelegtem Kopf, gerade so als ginge die Sonne auf. „Wenn Sie Archäologin werden möchten, müssen Sie ihre Motorik zu kontrollieren lernen, sonst sieht es für die Befunde alt aus.“ Bei diesen Worten durchlief es mich heiß und als er mir dann auch noch ein kleines Handtuch reichte, da tobte mein Herz so sehr, dass ich fast glaubte, es wolle aus meinem Körper herausspringen – und ihm direkt in die Hände … So ein Schmarrn! „Danke“, würgte ich neuerlich hervor, vermied es aber, ihn anzusehen, obwohl ich wusste, dass er darauf wartete. Er wollte das Bewerbungsgespräch beginnen, schließlich saßen wir nicht zum Vergnügen hier. Aber wie sollte ich seinem Wunsch nachgeben, wo ich mich doch am liebsten sofort wieder von hier entfernt hätte? „Also, vielleicht können Sie mir einfach etwas über sich erzählen. Wer Sie sind, woher Sie genau kommen – in ihrer Bewerbung schrieben Sie ja nur, dass Sie Archäologie studiert haben. Wo haben Sie bisher gearbeitet?“ Er erhob sich leicht und beugte sich zu seinem Schreibtisch hinüber. „Bitte entschuldigen Sie“, wandte er sich nochmals an mich. „Es ist nicht gegen Sie gerichtet, dass ich Ihre Bewerbungsunterlagen nicht parat hatte. Ich habe nur im Moment so viel zu tun, wissen Sie?“ „Kein Problem.“ „Also, Sie schreiben doch, dass Sie bereits gearbeitet haben …Könnten Sie etwas zu Ihrer damaligen Tätigkeit erzählen?“ Er sah mich fragend an und ich, ich musste, ob ich wollte oder nicht, loslegen. „Ich … ich bin …“ Und während ich meine Sätze zusammenstoppelte, schlich sich dieser kleine Junge von Ende 30 hinterrücks an, schlang seine Arme um mich. Ich neigte den Kopf und er hauchte mir einen Kuss auf den Hals. Dann berührten seine Lippen mein Ohrläppchen. O ja, auch dieser kleine Junge verstand es, mich fertig zu machen. Auch er. Während ich mir vor dem hier sitzenden Ulrich Hensel einen abbrach, kam er mir immer näher. Ich wandte mich um. Wir blickten uns einige Momente tief in die Augen, ehe er mir über die Wange strich, sich hinab beugte und mich küsste. Ich schlang meine Arme um seinen Hals, schloss die Augen, spürte seine weichen Lippen und die leicht kratzigen Bartstoppel – ein so wohliger Kontrast, der mir ein leises Seufzen entlockte. Und wieder näherten wir uns einander und ich sah einige kleinere Pickel auf seinen Wangen. Aber die waren mir vollkommen egal, angesichts dessen, was ich sogleich spürte. „Möchten Sie noch einen Tee?“ Abrupt sah ich auf und direkt in das lächelnde Gesicht meines Gegenübers. „Nein, nein …“, stammelte ich. „Ich … ich würde hier gerne arbeiten, weil …“ „Weil?“ „Weil … weil …“ Verdammt, der Kleine hatte mich voll im Griff. Ich spürte förmlich, wie er mich berührte. Ich war schon drauf und dran, mich umzudrehen, obwohl mir doch klar war, dass da niemand war. Und doch spürte ich wieder seine Berührungen, dann kam er mir wieder näher – seine Lippen an meinem Ohr – ... und ich zuckte etwas. „Ist Ihnen nicht wohl, Frau Lorach?“ „Doch, doch, ich … ich bin nur so …“ „Aufgeregt?“ Ich holte tief Luft, zog die Schultern hoch, faltete die Hände im Schoß und nickte. „Ja, das …“ Ulrich Hensel schmunzelte, dann schüttelte er leicht den Kopf. „Aber das müssen Sie nicht sein. Bleiben Sie ganz ruhig. Hier wird Ihnen nicht der Kopf abgerissen.“ „Ok, ok …“ „Also, Sie haben bereits gearbeitet?“, fuhr er fort. Wieder nickte ich. „Bei Frau Professor Weiß.“ „Mathilda Weiß?“ „Ja.“ Er spitzte die Lippen und nickte neuerlich, ohne etwas zu erwidern. Es entstand eine Pause, in der ich nur auf meine verschwitzten Hände starrte. „Und können Sie mir sagen, in welche Arbeiten Sie Frau Weiß eingebunden hat.“ „Ich habe Literaturlisten erstellt und war für das Sekretariat zuständig.“ „Hat Ihnen die Arbeit bei Frau Weiß Spaß gemacht?“ „Diese Frage ist doch irrelevant“, stieß ich hervor und erntete dafür ein amüsiertes Schmunzeln. „Und doch interessiert mich Ihre Antwort. Aber ich stelle es Ihnen frei, zu antworten.“ „Ich wurde dafür bezahlt“, erwiderte ich und senkte wieder den Kopf. „Hier würden Sie für andere Dinge bezahlt werden, für Dinge, die tatsächlich mit Archäologie zu tun haben, wie etwa dem Katalogisieren und Zeichnen von Tonscherben. Könnten Sie sich das vorstellen?“ Ich zögerte einen Moment lang, dann nickte ich zaghaft. „Gut. Wie Sie vielleicht wissen, leite ich selbst eine Ausgrabung. Mein Team kommt mit der Aufnahme der Funde nicht mehr hinterher, um es einmal so platt zu sagen. Wir benötigen dringend Hilfe. Außerdem ist eine Konferenz geplant …“ Bei dem Wort Konferenz zuckte ich unwillkürlich zusammen. „Frau Lorach, sind Sie sicher, dass es Ihnen wirklich gut geht?“ „Ja, ja … es ist … es klingt nur so toll, was Sie da sagen.“ Er räusperte sich. „Mein Gott, von irgendwoher kenne ich Sie doch. Waren Sie mal in Basel?“ „Nein, nein …“ „Hmm, nicht? Ich hätte es schwören können. Na, ist ja auch egal. Vielleicht fällt es mir wieder ein, denn im Allgemeinen vergesse ich nie etwas.“ Es entstand eine Pause. „Und schließlich, um wieder zur Arbeit zurückzukehren, ist da noch die Ausgrabung im Sommer selber“, fuhr er schließlich fort. „Auf der benötige ich auch einen Scherbenspezialisten.“ Er unterbrach sich. „Das wären im Groben vorerst Ihre Aufgaben. Und nun die Gewissensfrage: Würden Sie sich all das zutrauen?“ Ich sah auf und wieder trafen sich unsere Blicke. „Um was für eine Konf … Konferenz handelt es sich?“ Augenblicklich zuckte es um seinen Mund. „Ich würde es Ihnen überlassen, mir ein entsprechendes Thema zu nennen. Die Planung und Organisation würde ich vollkommen in Ihre Hände geben. Könnten Sie sich das vorstellen? Ach, und dann entfiele auf Sie auch eine Lehrveranstaltung …“ „Lehrveranstaltung?“, wiederholte ich. „Thema?“ „Wie wär’s mit Wahrsagekunst im Alten Orient?“, grinste Ulrich Hensel und klatschte in die Hände. „Sie können sich jedoch auch ein anderes Thema wählen, je nachdem, was Ihnen vorschwebt und was Ihren persönlichen Interessen entspricht. Sie hätten da völlig freie Hand. Um eines möchte ich Sie jedoch bitten: Sofern Sie tatsächlich Interesse an der Stelle haben und meinen, neben all dem auch noch für ihre eigene Dissertation arbeiten zu können, dann schicken Sie mir doch bitte Vorschläge für die Lehrveranstaltung und Seminarplanentwürfe in den nächsten zwei Wochen per Mail zu.“ „Ja“, erwiderte ich matt. Mir war ein wenig schummrig von all dem, was er mir da erzählt hatte. „Also, ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören, Frau Lorach.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)