Vom Zauber einer orientlischen Nacht von Encheduanna ================================================================================ Kapitel 3: Au, au weia! ----------------------- Daheim angekommen, hockte ich mich sofort hinter meinen PC und gab den Namen „Ulrich Hensel“ in die Suchmaschine ein. Was die mir wenige Momente später ausspuckte, ließ mein Herz rasen. „Man!“, stieß ich hervor und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Was sollte dieser Mist? Wollte mich dieser alte Kerl an der Nase herumführen oder war er schon so senil, dass er gar nichts mehr mitbekam? Oder war das gar nicht Hensels Nummer? Ich biss mir auf die Unterlippe, als mir klar wurde, dass ich niemals eine Chance bei ihm hätte. Mit meinem Zettel hätte ich mich wohlmöglich auch noch lächerlich gemacht …   Er war Professor in Heidelberg, war natürlich verheiratet und hatte zwei Kinder … die ganz sich auch noch in meinem Alter? Ich packte den Zettel, auf den der Kerl die Nummer geschrieben hatte, zerriss ihn und warf ihn weg. Es war besser so … besser… aber verdammt! Was machte ich falsch? Warum wollte es bei mir nicht klappen? Warum verliebte ich mich immer in die Unerreichbaren oder ging alten, vertrottelten Heinis auf den Leim? Vielleicht war dieser Depp, der mir die Nummer gegeben hatte, noch nicht einmal Professor, sondern ein dahergelaufener Penner, der sich in die Konferenz eingeschlichen hatte. So dachte ich und wusste mir keinen Rat mehr, als mich gedanklich, ja und natürlich auch gefühlsmäßig von Ulrich Hensel zu trennen. In den nächsten Tagen blieb mir auch wirklich wenig Zeit, an ihn zu denken, denn meine Chefin wollte von mir die Protokolle zu den Vorträgen haben, die ich ihr natürlich nicht liefern konnte. Es reichte nicht, dass ich furchtbar schüchtern war, nein ich hatte mir auch nicht klar gemacht, welche Konsequenzen es hatte, wenn ich mich, statt meinen Arbeitsauftrag zu erledigen, meinen Sexphantasien ergab und mich dann auch so sehr verknallte, dass ich ganz weiche Knie bekam. Meine Chefin war natürlich ... sauer wäre eine Untertreibung gewesen. „Der Lehrstuhl hat Ihnen diese Reisen bezahlt und Sie … Sie hätten doch wenigstens …“, hörte ich sie schimpfen und dabei Gift und Galle speien sehen. Ihre kleinen Augen blitzen böse hinter ihrer Brille. „Was haben Sie denn überhaupt die ganze Zeit gemacht? Waren Sie denn überhaupt da?“ Ich nickte, schwieg aber, weil ich es für sinnlos hielt, mich in Entschuldigungen und Rechtfertigungen zu ergehen. In welchen denn überhaupt? Dass ich Migräne gehabt hatte? Lächerlich! Bauchschmerzen? Noch lächerlicher! Also stand ich vor ihr mit gesenktem Kopf, wieder wie ein kleines dummes Mädchen, dem sie die Leviten las. „So sagen Sie doch etwas!“, forderte sie mich auf. „Ich … ich bringe das in Ordnung“, stammelte ich schließlich. „Und wie, wenn ich fragen darf?“ Ich holte tief Luft, dann zwang ich mich den Kopf zu heben. „Na ja, vielleicht kann ich die Vortragenden anschreiben und sie bitten, mir ein Exposée zu schicken?“ „Unterstehen Sie sich!“, rief sie. „Sie sind ja nicht ganz bei Trost, so etwas tun zu wollen! Machen Sie sich denn gar nicht klar, wie das auf die anderen wirkt, wenn Sie sie – wohlmöglich noch unter meinem Namen – anschreiben?“ Mit meiner Chefin war nicht leicht umzugehen. Umso mehr hätte ich ihrem Auftrag folgen müssen, statt Ulrich Hensel anzuschmachten … Verdammt! „Ich weiß nicht, ob Sie wissen, worum es hier geht? Sie blamieren mich ja bis auf die Knochen, wenn Sie schrieben, dass sie Informationen zu den Vorträgen sammeln wollen. Was meinen Sie, wie schnell wir ins Gerede kommen, wir als der Lehrstuhl, der von den Forschungen anderer lebt.“ Ich wollte schon fragen: Haben wir denn eigene, von denen wir leben könnten?, ließ es aber und senkte wieder den Kopf. Hier ging es nicht um meine Chefin, sondern um mich. Und es stand fest: ich war ein Loser. Was ich auch anpackte, entglitt mir oder ging zu Bruch. „Und außerdem werden Ihnen die Leute sowie nicht schreiben … Niemand wird seine unveröffentlichten Arbeiten hergeben. Niemand! Denn das wäre Schwachsinn.“ Dass die Arbeiten in dem Moment, da man über sie sprach, schon veröffentlicht waren, wollte ich ihr nicht sagen. Und dann dachte ich noch: Vielleicht hätte ich Ulrich Hensel wegen dieser Misere ansprechen und ihn bitten sollen, mir zu helfen, statt hinter ihm her zu sein wie eine Irre? Daheim ließ ich mich in die Kissen meines Bettes fallen und konnte nur weinen. So, wie es jetzt lief, lief es echt scheiße. Aber im Grunde lief es immer so: zu schüchtern, zu blöd, zu … Mein Problem, das hatte mir einmal ein Dozent nach einer nicht bestandenen Prüfung gesagt, wäre es, dass ich mir nichts zutrauen und es deswegen ablehnen würde, Verantwortung zu übernehmen und dadurch auch nicht weiterkäme. Zwar stünde ich, wie alle anderen auch, auf einem 3m-Turm, doch ließe ich, sobald ich springen müsse, immer anderen den Vortritt. Damals hatte mich das sehr verletzt und verunsichert, denn ich fragte mich daraufhin immer wieder, ob ich das Studium überhaupt schaffen würde oder es nicht besser sei, es abzubrechen und eine Ausbildung zu beginnen. Es war eine schlimme Zeit gewesen, doch ich hatte aus ihr nicht gelernt. Zwar entschied ich mich letztlich, auch nach Rücksprache mit meinen Eltern und Christa, einer alten Dame, die ich seit meiner Kindheit kannte und als Oma betrachtete, dafür, das Studium durchzuziehen, aber total gehemmt und von Zweifeln zerfressen.   Heute nun dachte ich über die Worte dieses Dozenten anders: er hatte recht, ich traute mir nichts zu und schob die Verantwortung, wann immer ich konnte, anderen zu. Im zwischenmenschlichen Bereich sah es so aus: gefiel mir einer, duckte ich mich und hoffte, dass er mich ansprach. Im Berufsleben redete ich mir ein, es nicht zu können, bis ich es dann auch tatsächlich nicht konnte und versagt. Aber was nützte mir diese Erkenntnis jetzt, angesichts der Tatsache, dass meine Chefin hatte durchblicken lassen, mein Verhalten nicht weiter zu dulden. Es war das Letzte, was sie mir an diesem Tag gesagt hatte. Es war deutlich, überdeutlich. Was damit gemeint war, konnte ich mir leicht zusammenreimen: die Kündigung. Fest stand, dass wir seit Beginn nicht gut hatten zusammenarbeiten können. Sie war mir keine richtige Chefin und ich ihr wohl keine gute Mitarbeiterin. Ihr Problem war, dass sie oft keine klaren Anweisungen gab, meines, mir keine Gedanken zu machen, was diese oder jene Bemerkung nun zu bedeuten hatte. Oft widersprach sie sich auch und ließ mich im Unklaren darüber, wie sie es nun genau meinte. Fakt war jedoch, dass es mir schnell leid war, mich um sie zu bemühen. Kurz: die Chemie zwischen uns stimmte einfach nicht. Aber das war keine Ausrede für meinen Fehler, der das Fass nun zum Überlaufen gebracht hatte! Bald arbeitslos zu sein – ein unerträglicher Gedanke! Aber obwohl ich wusste, dass man sich die neue Arbeit aus der alten heraus suchte, schaffte ich es nicht, mich an diesem Abend noch einmal hinzusetzen und nach entsprechenden Angeboten zu suchen. Und so blieb ich im Bett liegen, schloss die Augen und wünschte mir alsbald einen traumlosen Schlaf herbei. Am anderen Tag lag die Kündigung zum nächsten Monatsende tatsächlich vor mir auf dem Schreibtisch und ich nahm sie kopfnickend hin. Dass sie sie augenscheinlich so schnell geschrieben hatte, tröstete mich ein wenig, denn mir war klar, dass sie es sowieso geplant hatte, mich loszuwerden. „Sie haben immer gegen mich gearbeitet“, sagte sie und ich betrachte sie. Lang und dürr, mit schütterem blondiertem Haar – sie wirkte wie eine überalterte finstere Elfe oder eine Bohne, der bereits Pelz wuchs oder eben wie eine Stabheuschrecke. Olle, blöde …! Alles kindische Gedanken, aber um mich selbst zu schützen, stellte ich mir meine Chefin obendrein nackt vor: schrumpelige Haut, Hängebrüste, Falten am Hintern … „Und Sie haben mir immer, aber auch wirklich immer Misstrauen entgegen gebracht. Ich habe mich Ihnen am Anfang angeboten, immer und immer wieder, aber Sie meinten nur, ich solle mich nicht aufspielen …“, erwiderte ich leise. „Sie spielen sich ja auch auf und wollen immer im Mittelpunkt stehen.“ Ich konnte über diese Anschuldigung nur grinsen, denn wenn ich etwas am allerwenigsten tat, dann das. Klar hatte ich Ideen für Lehrveranstaltungen entwickelt, aber doch nur, um Studenten, die einmal zu ihr in den Kurs gekommen, beim nächsten Mal wegblieben, mit neuen Angeboten zu locken. Und natürlich machte es mir Spaß, mich in neue Themengebiete einzulesen, aber dass sie mir Geltungsdrang unterstellte – und das, wo gerade sie es war, die jedes Semester neu vor die Studenten trat und im Grunde nur das machen wollte, was sie gar nicht konnte: unterrichten. Ich war ihre Wissenschaftliche Mitarbeiterin und war laut Vertrag dazu verpflichtet, Lehrveranstaltungen abzuhalten. Sie aber meinte, ich solle mich mit administrativen Aufgaben befassen. Und mit der Erstellung von Literaturlisten, von denen ich mehrere noch gar nicht fertig hatte … Vielleicht war es mein Fehler, dass es so weit gekommen war, aber jetzt war ich wirklich davon überzeugt, dass wir beide nie eine Chance gehabt hatten. Wir passten nicht zusammen. Es war besser, dass ich ging. „Sie dürfen sich nicht immer nur die Rosinen aus dem Kuchen picken, denn dafür werden Sie nicht bezahlt“, schalt sie mich. „Ja, Sie haben recht“, erwiderte ich. „Ich habe Ihnen jetzt eine letzte Chance gegeben, die Sie nicht genutzt haben … Was soll ich sagen?“, fragte sie. Was ich nicht sagen wollte, war, dass ich auch etwas über sie und die Art und Weise, wie sie an den Lehrstuhl gekommen war, wusste. Über ihren Doktortitel, die Professur und all das Geld, was dabei geflossen war ... Ihr das aber jetzt unter die Nase zu reiben, wäre billig gewesen, also schwieg ich. Zumal sie ja selbst darum wusste, dass wir im Grunde auf einer akkademischen Ebene standen, sie hatte ihren MA und ich auch ... Daheim nahm ich mir meine Kündigung vor. Ein Monat blieb mir noch, um mich aus meiner alten Arbeit auf eine neue Stelle zu bewerben. Nur wo, da ich doch wusste, dass alle Stellen in meinem Bereich besetzt beziehungsweise Mangelware waren. Ich zog mir das Kissen über den Kopf und wollte nur schlafen und vergessen. Ich kam also in dieser und in den nächsten Wochen nicht dazu, ausführlicher an Ulrich Hensel zu denken. Auch oder gerade dann nicht, als ich mir zur Ablenkung einen hochwissenschaftlichen Beitrag im TV über den Geschlechtsakt ansah, in dem es hieß, dass der Beckenboden beim Samenerguss lockerbleiben müsse, damit das Sperma besser herausspritzen könne … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)