On the Cusp von _Scatach_ (Teil Zwei der BtB-Serie) ================================================================================ Kapitel 16: Some things belong in the shadows... ------------------------------------------------ Es kann nicht real sein.    Doch alles in ihm wusste, dass es das war.    Shikamaru saß auf dem Schlafzimmerboden und hatte die Ellbogen auf den abgestellten Knien abgelegt, während er mit dem Rücken an der Wand lehnte. Die Ärmel seines Yukata hingen in tiefen dunklen Triangeln an seinen Armbeugen, während seine olivfarbene Haut in der Kühle kribbelte, die in den Raum schlich.    ‚Ich habe es heute Nacht begonnen‘   Jede Nacht…vielleicht ist das hier auch nur ein weiterer Traum…   Zu schade, dass seine Intelligenz dazu neigte, seine Vorstellungskraft zu sabotieren. Würde sie das nicht tun, dann wäre er vielleicht dazu in der Lage gewesen, sich davon zu überzeugen, dass alles, was gerade geschehen war, wirklich einfach nur ein weiterer Traum war, der sich in seinem Kopf abspielte.    Dass es alles nur eine Phantasie war.    Dass Neji nicht real war…nichts weiter als eine Einbildung, die so flüchtig war wie Rauch.    Shikamaru inhalierte ihn auf passive Weise; machte noch keine Anstalten, einen wirklichen Zug zu nehmen. Er hatte die Zigarette wegen des Dunstes, der Obskurität und des Komforts eines vertrauten Geruches angezündet. Es beruhigte seine Nerven anstelle von Asumas Anwesenheit.    Gemessen an seinem Geisteszustand hätte er die erdende Gesellschaft seines Senseis im Moment sehr gut brauchen können.    Glücklicherweise half es, einfach nur zu wissen, dass Asuma in der Nähe war. Immer direkt hinter der nächsten Ecke, in die sich Shikamaru verkroch, wenn er sich zurück zog. Das machte es ihm möglich, wegzurennen ohne sich jemals Sorgen machen zu müssen, den Weg zu verlieren.    Hiervor kann ich nicht wegrennen…   Shikamaru schluckte und beobachtete, wie sich die Asche die Zigarette entlang fraß. Sie hing zwischen den Knöcheln seiner langen, schlaffen Finger und strömte ihr Leben in Rauchfäden aus, die wie weiße Tinte in schwarzem Wasser drifteten, als warteten sie darauf, gedeutet zu werden. Doch es gab nichts zu prophezeien; keine nebulösen Antworten oder einen weisen Rat – oder wenn etwas in dieser Art doch da war, dann konnte Shikamaru es nicht sehen.    Es war auch nicht so, dass er an Wahrsagerei, Schicksal oder Träume glaubte.   Es ist nicht rational. Es ist nicht real.    Draußen brüllte der Donner wie Kanonenfeuer.    In einem plötzlichen Blitz flammte das dünne Papier der Zigarette blauweiß auf.    Shikamaru blinzelte nicht und sein leerer Blick war starr auf den Rauch fixiert, der sich spiralförmig vom Ende nach oben kräuselte und in der Brise wirbelte, die unter der Tür in das Zimmer herein zog. Doch die Kühle war nichts im Vergleich zu der Empfindung, die sich durch das Innere des Schattenninjas fraß; ebenso hungrig wie das Brennen, das die Zigarette beständig in Asche verwandelte.   Das ist es, was du mit mir tust…   Diesmal hatte dieses Bedürfnis Fangzähne und biss sich tiefer als es jemals in seinen Träumen der Fall war. Er konnte es nicht bekämpfen. Und er konnte auch nicht das leise Raunen von Asumas Stimme ausblenden, das durch seinen Verstand hallte.    ‚Dann tust du das Einzige, das bei einem solchen Bedürfnis möglich ist.‘   Shikamarus Augen begannen zu stechen, aber es lag nicht am Rauch.    Langsam rollte er die Zigarette von seinen Knöcheln bis in die sichere Umklammerung zwischen seinen Fingern und Daumen. Er presste sie sich gegen trockene Lippen, während seine dunklen glasigen Augen geradeaus gerichtet waren. Ein langer Zug zerrte den Tabak tief in seine Lungen und der Hustenreiz verstärkte noch mehr den Druck, der sich in einem feuchten Brennen hinter seinen Augen aufbaute.   Öl auf Feuer, Benzin auf Flammen – so fühlte es sich unter seiner Haut an.    ‚Du lebst damit.‘   Der Rauch verließ seine Nase in einem heftigen Rausch und während er die Zigarette ausdrückte, wandte er seine Aufmerksamkeit der Tür zu. Der Schleier löste sich von seinen Augen und ließ sie schimmernd, aber scharf zurück. Shikamaru ignorierte die Asche, die den Teppich einstaubte und stemmte sich auf die Beine.    Damit leben…?   Er würde damit leben, bis nichts mehr übrig sein würde, das noch zu Asche verbrennen könnte.   ~※~   Die Ryokan Suite nahm in der Dunkelheit eine höhlenartige Gestalt an. Türrahmen gähnten wie offene Mäuler und atmeten einen kühlen Luftzug durch das Hauptzimmer. Schatten hingen an den Wänden und tauchten in den Alkoven ein; die bernsteinfarbenen Lampen waren am Fuße der Fusama Paneele verloschen. Regen wurde über allem reflektiert und ließ die Böden, die Säulen, das Glas und die Shoji Leinwände erscheinen, als würden sie wässrige Häute abwerfen.    Shikamaru strich durch die Dunkelheit; machte sich keine Mühe, den Lichtschalter zu betätigen.    Er hatte den Grundriss der Suite bereits in dem Moment abgespeichert, als er sie früher am Abend betreten hatte.    Langsam passierte er den niedrigen lackierten Tisch und ging geradewegs auf die Glastüren zu, während er vollkommen unterbewusst die sicherste und strategischste Position auswählte, aus der er alles beobachten konnte. Es gestatte ihm, alles hinter sich wahrzunehmen, als würde er in einen Bildschirm blicken. Es war wie eine seltsame, einseitig verspiegelte Darstellung, die die Distanzierung leichter erscheinen ließ.    Er würde diese Sicherheit brauchen, selbst wenn sie eine Lüge war.    Denn er brauchte keinen bewussten Hinweis darauf, dass er nicht alleine war.    „Du bist immer noch hier…“, wisperte er mit rauer Stimme.    Für einen sehr langen Moment war das einzige Geräusch, das Shikamaru ausmachen konnte, das Prasseln des Regens auf der Veranda und das Pochen seines eigenen Herzschlages, der in seinen Ohren rauschte und seinen Kopf mit Druck füllte.    Und dann erklang eine Bewegung von der anderen Seite des Zimmers.    Ein Rascheln von Stoff, das in einem sanften Wispern über die Wand strich und die ungesehene Präsenz verriet. Shikamaru verstand die nonverbale Erwiderung sofort: Ich bin immer noch hier.    Nerven verknoteten sich an der Wurzel von Shikamarus Schädel und er schluckte schwer. „Du gehst niemals…“   Regen rann die Scheiben hinab und formte sich zu wässrigen Fragezeichen, die sich gegenseitig in Verwirrung hinterher jagten. Shikamaru berührte mit den Fingerspitzen das kühle Glas und sah zu, wie es um die Ränder seiner Haut herum benebelte.    „Ich sehe dich jede Nacht…“ Langsam presste er seine Hand flach gegen die Scheibe und verschmierte dabei die Kondensation seines Atems, bevor er zusah, wie sie entschwand. „Also ist das vielleicht auch nur ein weiterer Traum.“   Mehr Schweigen.    Der Regen fiel nieder, füllte und überflutete die Veranda.   Und dann ergoss sich Nejis tiefe, melodiöse Stimme in die Stille wie schwerer Wein über Seide. „Vielleicht ist das alles, was es jemals sein kann, Shikamaru. Alles, was es jemals war.“   Shikamaru biss hart die Zähne aufeinander, als diese Stimme über ihn strich. Der Puls in seiner Kehle schlug heftiger.    Ein Traum…   Falls das wirklich alles sein sollte, was es jemals war, dann hatte er niemals wieder die Augen geöffnet, nachdem Neji sie vor zwei Wochen geschlossen hatte. An dem Tag, an dem der Hyūga davon gelaufen war, war auch ein Teil von Shikamaru gegangen. Er war fort gewandert, hatte sich nieder gelegt und war nie wieder aufgestanden. Jetzt war er an einem Ort verloren, den er nicht erreichen konnte. Und stattdessen war etwas anderes erwacht.    Die Vergangenheit…   Er atmete langsam und benebelte erneut das Glas. „Warum bist du immer noch hier?“   „Ich beuge mich deinem Sinn für Ironie, Shikamaru.“   „Dann solltest du wegrennen. Das würde ich nämlich tun.“   „Nur hast du das nie wirklich getan, nicht wahr?“   Shikamarus Kehle zog sich zusammen. „Und was? Du denkst, das würde dafür sorgen, dass das hier richtig ist? Dass wir dann gleichauf sind?“   „Ich wusste nicht, dass wir jemals einen Wettbewerb geführt haben.“   Das haben wir auch nicht…   Vielleicht hatten sie das am Anfang getan, als es um Stolz und Prioritäten gegangen war und darum, auf Ausreden zu drängen. Ausreden dafür, zu rechtfertigem, warum sie überhaupt damit begonnen hatten, dieses gefährliche Spiel zu spielen.    Spiel…   Shikamarus Kopf hob sich und sein unfokussierter Blick glitt über das Glas und folgte der Vergangenheit, als würde sie in seinem Verstand ablaufen.    Das ist nicht der Grund, aus dem ich es getan habe…   Nein, denn vollkommen unabhängig von den anfänglichen Lügen hatte er die Wahrheit lange vor dem Ende gewusst: es war niemals ein Spiel gewesen. Und selbst wenn es das gewesen wäre, dann waren sie niemals die Spieler; nur die Teile, die Spielsteine. Denn auf keinen Fall hätte er jemals zugelassen, dass es sich auf diese Weise abspielte. Rationales Denken hätte es verboten.    Rationales Denken: wie unglaublich nützlich ihm das in der letzten Zeit doch gewesen war.    Shikamaru seufzte und das Beben seines Atems ging bis in seine Knochen. Es zitterte hinaus in die Luft und zog Neji aus den Schatten. Shikamaru bemerkte im Glas eine Bewegung, folgte ihr aber nicht.    Er konnte es nicht.    Wenn er es täte, dann wäre er kein Außenstehender mehr, der nach innen blickte. Er würde in den Moment gestoßen werden; ins Hier und Jetzt. Und wenn er sich im Hier und Jetzt befand, dann würde es kein Wegrennen davor geben. Keine Möglichkeit, so zu tun, als wäre Neji nichts weiter als ein Trugbild. Ein Traum. Eine Illusion. Er würde nicht länger zersplittern oder entschwinden, sollte sich Shikamaru umdrehen um zu nehmen, zu berühren, zu schmecken und ihn greifbar zu machen.    Ihn real zu machen.   Eine einzige Berührung würde ausreichen.    Vielleicht sogar ein einziger Atem.    Er hörte, wie Neji die Richtung änderte; ein Streichen nackter Füße über den quadratischen Tatamimatten. In Shikamarus Geist beschwor es das Bild eines Shogistücks herauf, das diagonal über das Brett geschoben wurde. Und wenn man so darüber nachdachte, dann sah der Boden tatsächlich wie ein Schachbrett aus; das Design war simpel, quadratisch, definiert und klar umrissen.    Etwas, dem er folgen konnte, das er klassifizieren und verstehen konnte.    Mit einiger Anstrengung fand er seine Stimme wieder. „Willst du wissen, was sonst noch ironisch ist?“   „Sag es mir.“, drängte Neji ihn zaghaft.    Der Tonfall des Jōnin brachte Shikamaru aus dem Konzept – und zwar hart. Er zögerte und warf beinahe einen Blick auf den Geist, der im Glas stand. Doch stattdessen konzentrierte er sich darauf, seine Kehle zu bewegen und heisere Worte zu formen.    „Ich kann ein höllisches Spiel mit der Wahrheit spielen. Ich kann lügen und sie überzeugend genug gestalten, sodass andere sie glauben. Aber mich selbst kann ich nie überzeugen. Ich kann mich nicht selbst täuschen.“ Kopfschüttelnd sah er zu, wie sich Muster in den Regentropfen bildeten. „Nicht einmal als Kind.“   „Warum?“   „Habe nie den Sinn darin verstanden, so zu tun, als würden Dinge, die nicht real sind, wirklich existieren…“   „Und dennoch tust du es die ganze Zeit, wenn du Strategien entwirfst.“   Shikamaru schmunzelte bitter und bemerkte in einem abgetrennten Winkel seines Verstandes, dass sich das hier zu einer Unterhaltung entwickelte. In seinen Träumen führten sie niemals Unterhaltung. Nicht die sprechende Art zumindest.    Gott, er hatte ihre Unterhaltungen vermisst…   Seine Augen fokussierten sich wieder auf das Glas, während er sich dazu zwang, sich erneut an die Worte zu klammern.    „Das ist es nicht, was ich tue. Ich berücksichtige Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. Das ist Kalkulation, keine Kreativität. Das sind keine Scheinszenarien, sondern mögliche Resultate.“ Er legte den Kopf schief und sah zu, wie der Regen herab tröpfelte, während er nicht ihre Muster bewunderte, sondern all ihre Möglichkeiten. „Realistische, logische und durchführbare Resultate.“   „Und wie ist irgendetwas daran ironisch?“   „Die Ironie ist, dass ich es schon immer anders herum bewerkstelligen konnte.“   „Was meinst du damit?“   „Es anders herum bewerkstelligen.“, wiederholte Shikamaru und klopfte mit einer Faust gegen die Scheibe, bevor er mit einem Schwung seiner Knöchel den Regentropfen entgegen ihrer Laufrichtung folgte. „Ich kann das Imaginäre nicht real machen, aber ich kann das Reale imaginär machen. Ich kann etwas, das passiert ist in etwas verwandeln, dass jetzt nicht passiert und einfach weiter machen. Ich kann es zu einem bedeutungslosen Traum machen, aus dem ich aufgewacht bin.“   „Beinhaltet das auch die Albträume, Shikamaru?“   Die Frage sank direkt bis hinunter in die Eingeweide des Nara.    Seine Faust an der Scheibe erstarrte.    Er blinzelte hart und krächzte: „Was?“   „Ich habe mich das schon immer gefragt…“, begann Neji mit einer Stimme, die eine resonante Qualität annahm, sodass es unmöglich einzuschätzen war, aus welcher Richtung sie kam – sie schien einfach von den Wänden abzurollen. „Ich habe mich gefragt, wie es sein kann, dass du ganz genau wusstest, was zu tun war, wenn ich um vier Uhr nachts aufgewacht bin. Wie du jedes einzelne Mal – egal ob bewusst realisiert oder nicht – exakt wusstest, wie du meiner Panik begegnen musst.“   Shikamarus Zunge presste sich gegen seinen Daumen, während seine Kehle schlagartig staubtrocken und heiß wurde.    Draußen flammten Blitze auf und tauchten sein Profil in Silber. Die Explosion aus Licht wusch sein Hirn mit einem Aufflackern von Erinnerungen weiß – flüchtig und plötzlich wie ein Kamerablitz.    „Übung macht den Meister.“, sagte er leise und blinzelte hektisch. „Weißt du, was Schadenskontrolle schlägt, Hyūga? Grenzkontrolle.“ Er hob eine Hand und tippte sich mit den Fingern gegen die Schläfe. „Halte das hier klar und aufrecht und der Rest wird an seinen Platz fallen. Scheitere darin und alles wird auseinander fallen. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich alles verhunze, wenn ich aufhöre zu denken.“   Er hatte es auf die harte Tour gelernt. Hatte früh gelernt, dass Gedanken – und Erinnerung – Emotionen auslösten. Eine Tatsache des abgefuckten menschlichen Gehirns: es bestand alles aus neuronalen Verkabelungen. Und Shikamaru hatte sein Hirn neu verkabelt, als er fünfzehn Jahre alt gewesen war, sodass er sich mit dieser Scheiße nicht mehr herumschlagen musste. Er hatte Tage tauben und posttraumatischen Schocks in eine Zeit autistischen, aber auch enorm beschleunigten Lernens verwandelt. Er hatte in vollkommenem Autopiloten gearbeitet, um die mentalen Techniken zu meistern, die nötig waren, um sich in seinem Inneren flicken zu können, bevor die Apathie nachließ.   Er hatte niemals zugelassen, dass der Schmerz Wurzeln schlug.     Und in seinem Verstand war das keine Verleugnung – es war Loslösung.    Shikamarus Allheilmittel war simpel: loslösen, trennen, diagnostizieren und löschen.    Einfache Vermeidung, rasche Ergebnisse; nur Preis, kein Fleiß.    Er war nicht wie Neji.    Er konnte Emotionen nicht einfach hinunter in tiefe hässliche Wunden drücken, die niemals verheilt waren. Inzwischen hatte er genug Leute dabei beobachtet, um zu wissen, wie das endete. Ihr Schmerz erlöste sie entweder aus ihrer Finsternis, oder aber er zerstörte sie. Und er wollte es nicht wissen, sollte er zu letzterer Kategorie gehören. Er hatte ohnehin schon genug in den Schatten zu tun.    ‚Was deine Dunkelheit wahrscheinlich nur noch gefährlicher macht als die von irgendjemandem sonst, solltest du zulassen, dass du fällst.‘   Energisch schüttelte er Temaris Warnung ab: eine dämliche, anmaßende, unnötige Warnung.    Die Vergangenheit war vorbei. Nichts weiter als eine verblasste Narbe in seinem Verstand.    Also warum sucht sie mich dann heim?   Und falls sie verblasst war, wie zur Hölle hatte Neji sie dann sehen können? Sie aufreißen und real machen können? Warum bekam diese Narbe jetzt – nach zwei Jahren – Risse und tränte und blutete, wenn Asuma sie erwähnte?   ‚Ich war nicht da. Aus welchem Grund auch immer. Was auch immer passiert ist. Und es tut mir leid.‘   Emotionen brannten wie Säure in Shikamarus Kehle und hinter seinen Augen.    Mir nicht…mir tut es nicht leid…   Die Angst krallte sich kalt seine Wirbelsäule hinauf und wieder hinunter und Shikamaru sog scharf die Luft durch die Nase ein. Er prügelte mit mentalen Peitschen auf sein Hirn ein, doch es war ein vergeblicher Versuch, seinen Mund davon abzuhalten, sich zu bewegen.    „Manche Dinge gehören in die Schatten…“, murmelte er seiner Reflexion zu.    „Ist das der Ort, an dem du dich versteckst, Shikamaru? In deinen Schatten?“   „Ich verstecke mich nicht.“   „Tust du das nicht?“   Als sich Neji erneut bewegte, spürte Shikamaru es diesmal viel eher, als dass er es sah. Gravitationsgesetze, die sie vor Wochen erschaffen hatten, begannen zwischen ihnen zu zerren und zu reiben. Es fühlte sich real genug an, aber wenn man es logisch betrachtete, dann traf das auch seine derzeitigen Träume zu.    Sie sind nicht real…   Und dennoch wachte er brennend mit einem Fieber auf oder bis ins Innerste eingefroren von einer Furcht, über die er nicht nachdenken wollte. Vielleicht machte es nur Sinn, dass er das nicht kontrollieren konnte. Neji hatte diese Furcht geweckt. Und nichts, was Neji jemals in ihm geweckt hatte, sprach auf Logik an.   Weil es auch nicht in meinem Kopf ist…   Ein zerbrochenes Lachen rasselte aus ihm heraus und seine Zähne prallten ruckartig aufeinander.    Fuck…ich bin so ein Heuchler…   Energisch verkrampfte er den Kiefer gegen ein Erschauern und die Muskeln zuckten an den Gelenken.    „Shikamaru…“ Nejis Stimme fiel zu einem leisen Raunen hinunter, das von einem Grollen des Donners jenseits der Fenster beantwortet wurde.    Doch Shikamaru fühlte eine ganz andere Art von Beben, das durch ihn hallte; jede seiner Fasern nahm die Präsenz wahr, die sich ihm von hinten immer weiter näherte. Jeder Sinn wurde schärfer und fokussierte sich auf das Zittern von Vibration, Energie, Statik. Er reagierte auf die Nähe. Sie war gerade noch so außerhalb der Reichweite. Nur ganz kurz davor, real zu sein.    Und dann spürte Shikamaru es: die sinnliche Hitze von Nejis Atem.   Eine feuchte, verheerende Liebkosung seines Nackens, die Härchen aufstellte, Haut straff zog und eine raue Spannung seine Wirbelsäule auf und ab jagte, während sie heiße Wogen durch jeden anspannenden Muskel pulsieren ließ. Die Sehnen in Shikamarus Hals spannten sich an und beinahe bog er den Nacken nach hinten.    Und das war einfach nur Nejis Atem auf seiner Haut.    Nicht einmal eine Berührung.    Fuck…   Mit einem Zischen erholte sich Shikamaru und seine Wimpern flatterten schwer, als er in einer Verdammnis bringenden Sekunde der Schwäche die Augen hob. Und diese Sekunde besiegelte sein Schicksal; legte es mit einemeinzigen Blick fest.    Ein einziger Blick in elfenbeinfarbene Iriden und er war verloren.    Neji…   Nejis Augen hingen wie Monde im Glas; blasse, lunare Seen, die diese Anziehungskraft ausstrahlten, die sich durch Shikamaru zerrte, bis er spürte, wie sein Körper von der Anspannung, sich zurückzuhalten, brannte.    Seine Augen wurden glasig, um sich irgendwie davon abhalten zu können, sich zu sehr zu fokussieren und das feuchte Stechen in ihnen machte es etwas leichter. „Was willst du, Neji?“ Er versuchte sich an einem Lächeln, scheiterte kläglich und seine heisere Stimme wurde so rau, dass sie noch leiser als ein Wispern wurde. „Eine weitere Erinnerung, die man dann zu vergessen versucht?“   Neji neigte den Kopf, während sich seine Wimpern senkten, bis diese opalhaften Seen nichts weiter waren als Halbmonde. Ein langsames Blinzeln später und sie wuchsen wieder, bis sie weit und suchend waren. Shikamaru starrte zurück und blinzelte sich durch seine verschwommene Sicht; vollkommen ahnungslos, wonach Neji Ausschau hielt – wollte es auch gar nicht wissen.    Ich kann nicht…   Doch genauso wenig konnte er wegsehen.    Aufgespießt und abgelenkt von der Intensität dieser Augen machte er beinahe einen Satz, als sich die Handflächen des Hyūga zu beiden Seiten von ihm gegen das Glas pressten, um ihn zwischen den starken und festen Stäben seiner Nejis Armen einzusperren.    Shikamaru erstarrte mit weiten Augen, während Chakra in ihm anfing, köchelnd Blasen zu werfen und zu sieden, als es über Nervenenden kroch und Feuer fing. „Neji…“   Nejis Atem geriet gegen seinen Nacken ins Stocken. „Da bist du…“, wisperte er.    Shikamaru blieb keine Zeit, aus diesen Worten irgendeinen Sinn zu machen, denn Nejis Chakra wusch in einer dichten satingleichen Welle über ihn, flutete drogengleich sein Netzwerk, verschleierte seine Sicht und trieb ruckartig die Luft aus seinen Lungen. Geschockt rammte Shikamaru seine Hände gegen die Scheibe neben Nejis gespreizten Händen und bemühte sich um irgendeinen Halt.    Erstickt atmete er aus. „FUCK!“   Sofort beruhigte der Ansturm von Nejis Chakra seine heiße Flut zu einem kühlen Fließen; abebbend, überlappend und knetend. Es schmiegte sich um die rauchigen Ranken von Shikamarus Chakra und formte Muster an Orten, denen sein Körper nicht folgen und die sein Hirn nicht finden konnte.   „Genau hier…“, murmelte Neji.    Die Worte gingen an Shikamaru verloren; verloren unter dem heftigen Keuchen, das aus seiner Kehle gerissen wurde. Sein Herz verlor seinen Rhythmus und nahm einen Schlag an, zu dem sein Blut zu schreien begann. Tenketsu pochten in winzigem Aufflackern. Benommen ließ er seine Stirn gegen das Glas sinken, um seinen Kopf davon abzuhalten, nach hinten zu fallen, während ein Tremor durch seine Schenkel jagte und sich seine Finger gegen die Scheibe krümmten.    „Ngh! Shit…“, zischte er. „W-was machst…du…“   „Vertrau mir…“   Shikamaru hätte daraufhin vermutlich zornig geknurrt, wenn er sich nicht in einem Zustand milder Inkohärenz befunden hätte.   Ein weiteres plötzliches Pulsieren von Nejis Chakra und Shikamaru spürte, wie seine Handflächen brannten und seine Fußsohlen schmorten, als würde er auf glühenden Kohlen stehen. Auf seinem gesamten Körper brach Schweiß aus, doch eine Kühle kam direkt danach; ein wahnsinniger Kreislauf, aus dem er keinen Sinn machen konnte – Heiß und Kalt wüteten durch ihn wie in einem Fieber.    Was zur HÖLLE macht er mit mir…?   Shikamaru hatte es kaum geschafft, diesen Gedanken zu Ende zu formen, bevor die Intensität der Energie, die durch ihn wogte, ruhiger und langsamer wurde. Nachlassend umspülte sie in weichen trägen Strömen die Ränder von Shikamarus Chakra und verwandelte das ungestüme Rauschen in ein verschleiertes Kräuseln.    Beruhigend, sinnlich, südwärts wirbelnd…   Shikamaru stöhnte.    Er spürte, wie sich die Klammer von Nejis Armen anspannte. Nur ganz knapp davor, seine Schultern zu berühren: sie stützten ihn, ohne ihn anzufassen. Er erschauerte und der geringe Raum zwischen seinem Rücken und der Brust des Hyūga knisterte mit etwas Stärkerem als Chakra; füllte sich mit einer Intensität, die ihn seiner Fähigkeit zu atmen beraubte.    Und dann wisperte Nejis Stimme liebevoll gegen sein Ohr und hielt seine Atmung vollkommen an: „Ich bin nicht hier für eine Erinnerung, Shikamaru…nur für einen Augenblick…“   _______________________ Soooo, wie versprochen ein schnelleres Update, dafür aber leider ein etwas kürzeres Kapitel (zumindest für meine Verhältnisse). Na zumindest mit Neji kann Shikamaru einigermaßen sprechen, mal sehen, was da noch so alles kommen wird ;)  Würde mich wieder sehr sehr freuen, ein paar Meinungen von euch zu lesen!! :)  Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)