Stichflamme von Coronet (Der Aufstieg des Phönix) ================================================================================ Kapitel 42: Katabasis --------------------- Mit 14 Jahren hatte Minerva zum ersten Mal die Geschichte von Aeneas’ Abstieg in die Unterwelt gelesen. Rückblickend war diese Erzählung voller Monster und Widrigkeiten sogar der Höhepunkt ihres Interesses an antiken Epen gewesen. Die Düsternis darin hatte damals eine geradezu morbide Faszination auf sie ausgeübt – allen voran das Reich der Toten mit seinen vielen verschiedenen Ebenen. Was hatten sie all das menschliche Elend und der Mut fasziniert, wie oft hatte sie das Mittagessen angesichts der Schilderungen gebrochener Helden und tragischer Liebe vergessen ... Hals über Kopf war sie in dem Epos aufgegangen und hatte sich nicht selten als Figur darin vorgestellt. Immer dann war es ihr möglich erschienen, dass sie ihrem großen Namen nicht nur gerecht werden, sondern ihn selber prägen könnte – wie eine richtige Heldin. Eine Begeisterung, die vermutlich einige junge Menschen durchmachten, und die sich mit dem Beginn des nächsten Schuljahres gelegt hatte. Die Bücher waren ein Vermächtnis ihrer Urgroßmutter mütterlicherseits gewesen, die sie zwar viel zu kurz gekannt, mit der sie aber immerhin den Namen der römischen Kriegsgöttin geteilt hatte und der sie durch die Seiten noch einmal nahekam. Zumindest bis das Interesse an Quidditch wieder überhandgenommen hatte. Eigentlich waren jene Sommertage im hohen Gras hinter der Dorfkirche schon lange aus Minervas Bewusstsein entschwunden gewesen, verdrängt von den Sorgen des Erwachsenenlebens. Doch ausgerechnet jetzt sah sie jedes Wort auf dem vergilbenden Pergament wieder vor sich, als stünden sie auf den Wänden entlang ihres Weges geschrieben und wollten sie warnen. Sogar der Sonnenbrand schien erneut in ihrem Nacken zu stechen. Tatsächlich war es bloß Mulcibers besorgter Blick, den sie auf sich spürte. Einen Abstieg hingegen legten sie wirklich hin. Von den oberen Stockwerken hinab in den Keller des Muggelanwesens. Geradewegs zu Voldemort höchstpersönlich. Zumindest hatte Mulciber von dem Kerl namens Everard in Erfahrung gebracht, dass er dorthin gegangen war. Er und Bellatrix Lestrange. Allein das genügte, um Minerva davon zu überzeugen, dass sie gerade ihre ganz eigene Katabasis erlebte, wie ihre Bücher den (bewussten) Abstieg des Helden in die Unterwelt genannt hatten. Ein Ausflug in schwarze Untiefen, die Abgründe der Menschlichkeit, würde es in jedem Fall werden. War es eigentlich längst, seit sie gemeinsam mit Elphinstone in den Kamin gestiegen war. Und es ging nur tiefer. Zum ersten Mal konnte Minerva wirklich nachvollziehen, warum den Helden in ihren Geschichten das Herz eng gewesen war. Der bloße Gedanke an das, was sie erwartete, schnürte ihre Brust ein. Dabei entpuppte sich der Keller dieses Anwesens längst nicht so kalt wie jener der Lestranges. Es gab keine Spur eines Dementoren und anstatt von Dunkelheit begrüßten sie Leuchtstoffröhren unter der Decke. Die Wände waren nicht mit Folterwerkzeug verziert, sondern ordentlich verputzt und im ersten Kellergewölbe voller Weinregale lag ein dicker Teppich im Mittelgang. Nicht einmal Staub oder Spinnweben sah Minerva. Der einzige Hinweis auf die Besetzung durch Voldemort und seine Gefolgschaft war der junge Mann im schlichten schwarzen Umhang, der mit gezogenem Zauberstab vor einer Tür stand. Damit war er der Letzte in einer langen Reihe an Voldemorts niederen Dienern (Mulcibers Aussage, nicht Minervas), die sie hatten passieren müssen. Genau wie bei allen vor ihm weiteten sich seine Augen, als er sie sah. Trotzdem warf er sich pflichtbewusst in die Brust und trat ihnen entgegen. »Mr Mulciber! Was für eine Überraschung ... Sie hier – ähem, es tut mir leid, eigentlich heißt es, dass niemand den Dunklen Lord stören darf –« Mulciber zuckte wie sonst auch mit den Schultern, keinen Deut beeindruckt. »Das heißt es immer, Amon«, sagte er kühl. »Für Leute wie dich, die sich ihr Mal erst noch verdienen. Aber ich muss etwas mit ihm besprechen, also sei so gut, ja?« Er wedelte auffordernd mit der Hand. »Ah, mein Name ist Ambrose, Sir ...« Der Junge leckte sich nervös die Lippen. »Und es tut mir wirklich leid, Mr Mulciber, es ist nur, also ... Druella Black musste ich bereits fortschicken und gegen Sie will ich erst recht nicht den Zauberstab erheben, denn ich habe wirklich allerstrengste Anweisungen –« »Sicher hast du das. Jede Anweisung hier ist streng. Aber nicht so streng wie ich, wenn ich betonen muss, dass mein Anliegen sehr dringend ist. Immerhin bin ich keine bloße Mitläuferin wie die gute Druella.« Minerva sah, wie Ambrose schluckte. Seine Augen huschten immer wieder nervös zwischen den Regalen und Mulciber hin und her. Schlussendlich trat er mit einem ruckartigen Nicken beiseite. »Selbstverständlich müssen Sie das nicht betonen, Mr Mulciber. Ich hätte Sie nicht mit Mrs Black vergleichen dürfen.« »Na also.« Ohne ein Wort des Danks rauschte Mulciber an dem Jungen vorbei, Minerva dicht auf seinen Fersen, den Blick gesenkt. In ihrer Umhangtasche umklammerte sie Rowles Zauberstab fester. Nur für den Fall. Beruhigender als der Stab in ihrer Hand war nur die Gewissheit, dass ihr eigener Zauberstab endlich wieder in ihrem Rockbund steckte. Wohl verdeckt, damit man ihn ihr nicht sofort abnehmen konnte. Mulciber sollte ihn nicht umsonst von seinen Todesser-Kollegen zurückgeholt haben. Das war ihr Ticket hier raus, falls der (zugegeben dürftige) Plan versagte. Und wenn sie schon die Unterwelt betrat, dann mit der besten Waffe in der Hinterhand. So viel hatten die Geschichten sie gelehrt. Ein Stück weit bewunderte sie Mulciber, der offenbar keinerlei Drang empfand, sich an seine einzige Verteidigung zu klammern. Zumindest kontrollierte er ihn gut, denn als er durch die Verbindungstür ging, zog er beide – leeren – Hände aus den Hosentaschen. Er sagte nichts zu ihr, doch sein warnender Schulterblick machte deutlich, dass er gleich dasselbe von ihr erwartete. Mit geschlossenen Augen atmete Minerva tief ein, bevor sie hinter ihm die Schwelle übertrat. Es roch nach Holz und ... Sie schluckte bittere Galle hinunter. Blut. Ihre Lider flogen panisch hoch. Aber es erwartete sie kein Folterkeller. Stattdessen öffnete sich vor Mulciber und ihr ein noch viel größeres Gewölbe im Vergleich zum Vorraum. Das elektrische Licht brannte hier ebenfalls, wurde allerdings von den deckenhohen Regalen zu beiden Seiten gedämpft. Auf den Holzbrettern stapelten sich feinsäuberlich aufgereiht Konservendosen, Marmeladengläser, Kartoffelsäcke ... und weiter hinten schienen Möbel gelagert zu sein. Zumindest meinte Minerva, das zwischen den Regalreihen hindurch zu erkennen. Doch Voldemort oder Bellatrix konnte sie nicht sehen. Lediglich ein leises Wimmern in den Schatten verriet jemandes Anwesenheit. Minerva tauschte einen nervösen Blick mit Mulciber. Der biss sich kaum merklich auf die Unterlippe. »Denk an das, was ich dir gesagt habe«, zischte er leise. »Und sieh ihm unter keinen Umständen in die Augen.« Ein letztes Mal die Hände zu Fäusten geballt, nickte Minerva. Dann atmete sie langsam aus und zwang somit die Anspannung aus ihrem Körper. Entgegen aller Vernunft sackten ihre Schultern nach unten. Wenigstens war die Erinnerung an die Wirkung des Imperius-Fluches derart präsent, dass sie sich die watteweiche Gleichgültigkeit hinreichend vorstellen konnte. Der Rest hing jetzt von Mulcibers Schauspielleistung ab. Offenbar fing er diesen Gedanken auf, denn er schenkte ihr ein gezwungenes kleines Lächeln, ehe er sich wieder umdrehte und die ersten Schritte ins Ungewisse tat. Wie zufällig stieß er nebenbei mit dem Ellenbogen gegen eines der Regale, was die Konserven klappernd gegeneinanderstoßen ließ. »Ambrose?« Das war Voldemorts Stimme. Diese Kälte in einem einzigen Wort hätte Minerva unter tausenden wiedererkannt. Selbst jetzt klang er vollkommen ruhig und brachte dennoch ihre Handflächen zum Schwitzen. »Was habe ich dir über Störungen gesagt, mein Junge?« »Ambrose ist nicht hier«, rief Mulciber zurück. »Aber keine Sorge, er hat sich an seine Anweisungen gehalten. Ein ganz braves Kerlchen. Fehlt nur noch, dass ihm irgendwer ‚Sitz‘ und ‚Platz‘ beibringt.« Jemand sog scharf die Luft ein. Das konnte nur Bellatrix sein. Und tatsächlich, als Minerva hinter Mulciber um die letzte Regalreihe bog, stand die älteste Black-Schwester neben Voldemort, ihre Augen weit aufgerissen, den Zauberstab festumklammert, in der anderen Hand ihren Silberdolch. »Du ...!«, stieß sie hervor. »Und McGonagall – was ...« Bellatrix’ Zauberstabarm war schon auf halbem Weg irgendeinen mit Sicherheit hässlichen Fluch zu schleudern, da schnippte Voldemort einmal und der Stab flog aus ihrer Hand in seine. Ohne Bellatrix’ überraschtes Zucken zu beachten, trat er langsam vor sie. Sein Blick lag fest auf Mulciber, aber es war unmöglich zu sagen, was hinter den rötlich glühenden Augen vor sich ging. Aus der Nähe betrachtet, sah Voldemort noch unwirklicher aus. Gerade so, als stünde er bereits mit einem Bein im Reich der Toten. Egal wie verzweifelt Minerva sich in Erinnerung rief, dass er einst nur Tom Riddle gewesen war – ihr Herz schrumpfte ängstlich zusammen, sobald die wächserne Haut um seine Lippen sich spannte. »Alston«, sagte er schließlich erstaunlich ... wohlwollend. »Dein Kommen war nicht geplant. Noch dazu in Begleitung.« »Ich weiß. Ich habe unsere Abmachung selbstredend nicht vergessen. Aber in diesem Fall ist das Risiko angemessen, würde ich sagen.« Auch wenn die Situation denkbar fürchterlich war, empfand Minerva doch etwas Befriedigung angesichts von Bellatrix’ Gesicht, das jegliche Farbe verlor, als sie langsam begriff, wie sehr sie sich in Mulciber getäuscht hatte. »Was hat das zu bedeuten?«, fauchte sie herrisch, bevor sie sich an Voldemort wandte. »Dieser Mann da ist schuld, dass ich meinen ersten erfolgreichen Versuchsaufbau verloren habe, erinnert Ihr euch? Er arbeitet für das Ministerium!« »Natürlich tut er das.« Voldemorts Augen blitzten hellrot auf und Minerva sah schnell fort, als er seine Mundwinkel kräuselte. »Nur ein Narr verlässt sich ausschließlich auf Gesetzesbrecher und Wilde, wenn er eine Revolution plant. Genau deshalb zählt Alston zu meinen ältesten und wichtigsten Freunden.« Bei diesen Worten grinste Mulciber Bellatrix direkt an. »Wiedersehen bereitet Freude, nicht wahr, Mrs Lestrange? Vor allem wenn man zuvor noch versucht hat, jemanden erfolglos umzubringen ...« Minerva beschlich der leise Verdacht, dass Mulcibers nächstes Kichern echt war. Verdenken konnte sie es ihm jedenfalls nicht. Ausnahmsweise. Derweil krochen rote Flecken Bellatrix’ Hals hinauf. Dennoch senkte sie nicht das Haupt, sondern reckte das Kinn empor, eine Hand in die Hüfte gestemmt. »Aber sie!« Anklagend richtete sich die Dolchspitze auf Minerva. »Sie –« »Steht selbstredend unter meinem Imperius. Ich bin schließlich kein Anfänger.« Mulciber lachte erneut und drehte seinen Zeigefinger auffordernd im Kreis. Wie schon unter Rosiers Einfluss zeigte Minerva einen albernen Knicks. »Minerva McGonagall, Verwandlungsprofessorin und Alston Mulciber treu ergeben«, trug sie ihre Vorstellung tonlos vor, ganz wie beim ersten Mal. Im Gegensatz zu seinen Handlangern hatte Voldemort nur einen kalten Blick für diese Demonstration ihres angeblichen Gehorsams übrig. Er schien die Wirkung von Mulcibers Imperius wie erwartet nicht in Frage zu stellen. Aber immerhin sah Bellatrix wunderbar schockiert aus. »Ich hatte natürlich die ganze Zeit mein Auge auf die werte Minerva«, erklärte Mulciber Voldemort mit einem Zwinkern. »Nicht, dass sie etwas Dummes anstellt und beispielsweise eine geschützte Veranstaltung aufmischt. So wie unsere werte Mrs Lestrange hier.« Voldemorts Augen schmälerten sich ein Stück weit. »Du erwartest hoffentlich keine Nachfragen von mir, bevor du dich endlich erklärst, Alston?« Es war Minerva unbegreiflich, woher Mulciber den Mut nahm, angesichts dieser Ermahnung mit den Augen zu rollen. War es Wahnsinn oder ging diese ‚Freundschaft‘ zu Voldemort aus Schultagen womöglich tiefer? »Aber nicht doch«, erwiderte Mulciber im Plauderton, »heute ist schließlich nicht der Tag an dem die Kobolde plötzlich beschlossen haben, Gold zu verschenken.« »Dann wirst du verstehen, dass ich nicht warte. Mrs Lestrange hat mir bereits einen guten Grund geliefert, warum sie unsere Gastgeber für eine kleine Demonstration treffen sollte.« Erst bei diesen Worten drängte sich jenes unterdrückte Schluchzen, das Minerva schon beim Betreten des Gewölbes gehört hatte, wieder in ihre Wahrnehmung. Voldemorts raumfüllende Präsenz und Bellatrix’ Geschrei hatten sie erfolgreich von der Handvoll Menschen abgelenkt, die in der hintersten Ecke des Kellers zusammengetrieben waren. Dabei schloss sie sogar eine rötlich schimmernde Barriere unter einer Art Kuppel ein, wie Minerva sie noch nie zuvor gesehen hatte. Mulciber gab einen kleinen Laut von sich, als wolle er etwas sagen, doch er starrte genau wie Minerva nur mit zerfurchter Stirn auf die Gruppe. Allesamt waren die Personen mit einem magischen Seil aneinandergefesselt, vom ältesten Mann, der sicher an den 90 Jahren kratzte, bis hin zu den Jüngsten, die fast noch Kinder waren. In einem Kreis saßen sie auf dem nackten Betonboden, einige kreidebleich und mit Tränenspuren auf den Wangen, andere zornesrot. Offenbar hatten die Volljährigen unter ihnen gekämpft, denn kaum einer war frei von Schrammen, Platzwunden oder Schnitten. Damit war klar, woher der intensive Blutgeruch rührte. Es kostete Minerva alle Überwindungskraft, sich weiter teilnahmslos zu geben; ja gar wegzusehen. Sie erinnerte sich wieder, wie gönnerhaft Everard Mulciber gesagt hatte, wessen Anwesen Voldemort besetzte. Trotzdem konnte sie es kaum glauben. Doch die Chance bestand, dass nicht alle Gefangenen ihr fremd waren, auch wenn sie aufgrund der Verletzungen niemanden auf Anhieb erkannte. Der Gedanke reichte, um inmitten all der Beklommenheit Minervas Wut neu zu entfachen. Nur die Aufmerksamkeit Voldemorts sorgte dafür, dass sie ihre Rolle des teilnahmslosen Imperius-Opfers nicht verließ. Nicht einmal dann, als er mit raschelnden Roben nähertrat und ungeduldig Bellatrix’ Zauberstab in seine freie Handfläche schnellen ließ. Mulciber löste allerdings nicht die Augen von dem magischen Gefängnis. Seine Hand strich verdächtig über die Manteltasche mit dem Zauberstab darin, doch er machte keine Anstalten, Voldemort Antworten zu liefern. Vorsichtig streckte Minerva einen Fuß zur Seite aus und stupste ihn leicht an. Kaum merklich zuckte Mulciber zusammen, dann räusperte er sich und fand in seine Haltung zurück. Für einen Moment erlaubte Minerva es sich, erleichtert die Lider zu senken. Sie traute sich unter Voldemorts Aufmerksamkeit nicht länger, Mulciber direkt anzusehen, aber zumindest seine Stimme klang fest, als er endlich sprach. »Nun, mein Grund für die Störung ist tatsächlich Mrs Lestrange und dieses ... Vorhaben hier.« Unwirsch gestikulierte Mulciber neben Minerva in Richtung der Gefangenen. »Ich bin wirklich nur ungern der Überbringer schlechter Nachrichten, aber ich habe ihre Machenschaften lange genug verfolgt, um die Fehler darin zu sehen, die sich dir noch entziehen.« Ein Stück weit erwartete Minerva, dass Voldemort Mulciber für diese Worte maßregeln würde, doch ein kurzer Blick zeigte ihr, dass sich nichts an seiner Haltung verändert hatte. Nur eine seiner Augenbrauen war in die Höhe gewandert. Dafür verkrampften sich Bellatrix’ Finger derart um den Griff ihres Dolches, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Mrs Lestrange hat mich unlängst bei unserer kleinen Unterredung oben ins Bild gesetzt«, sagte Voldemort gedehnt. »Vor allem über die Schwierigkeiten, die du ihr bereitet hast. Was ich natürlich nicht anders erwartet hätte. Dennoch komme ich nicht umhin, es bedauerlich zu finden, dass du dich nicht bereits nach dem ersten Zwischenfall an mich gewandt hast, um mich von diesem versteckten Potential zu informieren. Wir wissen doch beide aus unseren gemeinsamen Jahren der Forschung vom Wert solcher Experimentierbereitschaft, ganz zu schweigen von der Macht dieses Wissensdurstes.« »Und doch legst du genauso viel Wert darauf, dass neue Anwärter stets bestens getestet sind, bevor deine Zeit an sie verschwendet wird«, meinte Mulciber ebenso ruhig. »Nichts anderes war mein Ansinnen. Noch einen braven kleinen Crup wie Mr Ambrose draußen brauchen wir schließlich nicht.« Wie aufs Stichwort grollte Bellatrix leise und verschränkte die Arme. Voldemort jedoch bedeutete Mulciber, fortzufahren. Gespielt seufzte dieser auf. »Letztlich muss ich, so schwer es mir fällt, Minerva hier danken, denn durch ihren gryffindor’schen Mut hat sie mir einiges an Arbeit erspart. Es ist bedauerlich – aber nach einer reiflichen Prüfung von Mrs Lestranges Blutfluch komme ich zu dem Schluss, dass er nicht mehr als eine Täuschung ist. Oder sollte ich es eher Enttäuschung nennen?« »Ach ja, Mr Mulciber?« Bellatrix sprach die Anrede voller Hohn aus. Sie fing sich einen scharfen Blick Voldemorts ein, aber selbst jetzt erwies sie sich unnachgiebig. »Du glaubst ernsthaft, meine Forschung besser zu kennen als ich? Du hast doch nur versucht, diese mit McGonagall zusammen zu zerstören, so weit ich mich erinnere. Also, was soll das Ganze hier wirklich? Hast du vielleicht Angst, deinen Platz zu verlieren?« »Ich glaube kaum, dass du eine Ahnung hast, wo mein Platz überhaupt ist«, entgegnete Mulciber lapidar. »Abgesehen davon kann ich nur erneut sagen – heute ist nicht der Tag, an dem die Kobolde plötzlich Gold verschenken. Somit habe ich auch keine Angst, irgendetwas an dich zu verlieren. Mein Interesse gilt alleine unserer Bewegung und deren Schutz.« »So so, edler Walpurgisritter.« Bellatrix bleckte die Zähne zu einem kleinen Lächeln. »Du tust deinem Herren allerdings einen ziemlich schlechten Dienst, indem du mich unterschätzt. Aber weißt du – dass ich begabt bin, muss mir zum Glück niemand sagen, schon gar nicht einer wie du. Ich habe es trotz all deiner Bemühungen hierhin geschafft und bei Merlin, ich werde es noch weiter schaffen. Also los, was sind deine Thesen, weshalb mein Fluch nicht funktioniert? Lass mich sie widerlegen, ein für alle Mal.« »Dazu kommen wir gleich, keine Sorge. Zuerst einmal hätte ich aber gerne, dass du eine Frage beantwortest. Entschuldige, Berufskrankheit.« Mulciber verfiel in einen Duktus, den Minerva bestens von Elphinstone kannte – den Ton des Strafverfolgers beim Verhör vor dem Gamot. »Mrs Lestrange, gehe ich recht in der Annahme, dass es Ziel des Fluches ist, Verräter des reinen Blutes zu bestrafen, indem ihnen jegliche Möglichkeit genommen wird, ihre magische Blutlinie weiterzuführen?« »Immerhin das hast du verstanden, Mulciber«, sagte Bellatrix zufrieden. »Ja, der Fluch verhindert, dass auch nur ein einziger Blutsverräter in Zukunft seine Magie mit den Muggeln oder anderen Magiedieben teilt. Und wer trotzdem das reine Blut mischt, der wird fürchterlich bestraft.« Minerva vernahm ein ersticktes Keuchen. Vorsichtig riskierte sie einen Blick zu den Gefangenen. Eine junge Frau – fast noch ein Mädchen – hatte den Kopf hochgerissen und starrte Bellatrix an, die stolz den Rücken durchstreckte. Zorn und Entschlossenheit brannten auf ihren Zügen, trotz einiger hässlicher Schrammen. Ein Ausdruck, den Minerva erst vor wenigen Tagen in einem sehr ähnlichen Paar Augen gesehen hatte. Genauso hatte Narzissa Black nach dem Zwischenfall mit dem Furunkeltrank dreingesehen. Schon hatte Minerva wieder Everards Stimme im Ohr, der Mulciber verkündete, dass dieses Anwesen einem gewissen Marius Black gehörte. Dem »elenden Squib-Abschaum, der meint, anderen missratenen Reinblutgören Unterschlupf in seinem Muggelheim bieten zu müssen«, wie Everard ihn bezeichnet hatte. »Der Kerl hält sich wohl für eine Art Messias, der sie alle vor ihrer gerechten Strafe retten wird«, hatte er mit einem Schnauben gesagt. »Wahrscheinlich hat Druella sein Heim deshalb dem Dunklen Lord ... empfohlen. Irgendwie musste sie sich ja dafür rächen, dass der Kerl eine ihrer Töchter darin unterstützt hat, ein Schlammblut heiraten zu wollen. Wer weiß, vielleicht hat er ihr diese Billywigs überhaupt erst ins Ohr gepflanzt. Die Blacks hätten den Nichtsnutz wohl besser nicht nur vom Stammbaum ausbrennen sollen.« Kälte glitt durch Minervas Glieder, als Andromeda Black ihren Blick auffing und hastig wegsah. Sie hatte doch damit gerechnet, hier unten einen Abgrund vorzufinden. Und dennoch ... irgendwie hatte Minerva bis zuletzt gehofft, dass die zweitälteste Black-Schwester im Bunde nicht hier war. Angestrengt schluckte sie, schmeckte aber nur Staub. Bellatrix indes drehte sich nicht einmal zu den Gefangenen um; hatte das Geräusch vielleicht gar nicht wahrgenommen. Oder es kümmerte sie nicht. Sie fixierte jedenfalls weiter Mulciber, die Spitze ihres Dolches nun auf ihn gerichtet. »Mein Fluch ist die perfekte Versicherung unserer Reinheit, mein Beitrag für eine bessere Welt. Wenn er erst zur Vollendung gereift ist und von allen gewöhnlichen Hexen und Zauberern getragen wird, sodass er bei Verbindungen mit Muggeln nur auslösen muss, brauchen wir uns um unsere Zukunft deutlich weniger sorgen.« »Also soll er letztlich unbedenklich sein, solange man keine falschen Entscheidungen trifft, nicht wahr?«, hakte Mulciber nach. »Eine schlummernde Bedrohung, die gleichzeitig absolute Kontrolle über die Bevölkerungsentwicklung verspricht.« Bellatrix lächelte schmal. »Richtig.« Mulciber legte eine Hand auf Minervas Schulter. »Danke für die Antwort, Mrs Lestrange. Dann präsentiere ich hiermit meinen Gegenbeweis.« Er zeigte eine Geste wie ein Muggelzauberer, der einen gelungenen Trick enthüllte. »Minerva wird euch gerne erzählen, wie gut Mrs Lestranges Blutfluch tatsächlich funktioniert. Immerhin durfte sie die Wirkung aus erster Hand erleben.« Eine steile Falte zeichnete sich zwischen Bellatrix’ Augenbrauen ab. »Das ist doch irgendein dreckiges Spiel –« Voldemort, der sich bis eben zurückgehalten hatte, erhob eine Hand. Anders als seine gewöhnliche Zuhörerschaft ließ Bellatrix sich davon jedoch nicht beeindrucken. Mit einem Knurren schleuderte sie ihren Dolch auf das Regal neben Mulciber, wo sich das Silber sirrend ins Holz bohrte und steckenblieb. »Wenn das hier vorbei ist, sollten wir den Fluch vielleicht zuerst an dir ausprobieren«, zischte sie. »Damit du begreifst, wie gut er funktioniert.« Voldemort legte seinen Kopf zur Seite und für einen Augenblick sah es aus, als würde er sich diesen Vorschlag ernstlich überlegen. Doch dann schnippte er nur mit Bellatrix’ Zauberstab. Obwohl nichts geschah – zumindest nichts für Minerva Ersichtliches – erbleichte Bellatrix und wich einen Schritt zurück. »Nur weil ich geneigt bin, mich mit deinen Ideen auseinanderzusetzen, heißt das nicht, dass ich blinden Zorn toleriere, Mrs Lestrange«, sagte Voldemort ungerührt. »Diese Emotion trübt nur unsere Fähigkeiten, anstatt uns voranzubringen. Und deshalb werden wir jetzt zuhören.« »Da bin ich aber erleichtert«, erwiderte Mulciber höhnisch. »Nun denn – die Wahrheit bitte, Minerva.« Er drückte ihre Schulter sanft, dann gab er ihr für Voldemort sichtbar einen deutlich härteren Stoß in den Rücken und sie taumelte einen Schritt vorwärts. »Erzähl uns, was nach deiner Flucht aus Mrs Lestranges Labor mit dem Fluch passiert ist.« Minerva schluckte. Sie dachte an Wolken und daran, so fest auf einen Punkt zu starren, dass alle Farben und Formen zu einem einzigen Brei verschwammen. Nur nicht ihn ansehen. »Der Fluch hat sich bei meinem Begleiter immer weiter ausgebreitet«, begann sie tonlos. »Und je weiter er fortschritt, desto schlechter ging es ihm.« Zum Glück brauchte sie nur einen Teil der Wahrheit erzählen. Über alles, was im St. Mungo geschehen war und Archies Erklärungen dazu. Sie hatte keine Ahnung, ob Voldemort Mulcibers Gedanken prüfte, während sie sprach, aber sie hoffte einfach, dass Mulciber mit seiner Prophezeiung diesbezüglich richtig lag – und dass seine Okklumentik stark genug war, Voldemort den Rest der Wahrheit zu verschweigen. Solange sie sprach, rührte er sich jedenfalls nicht. Doch sein Blick ruhte so aufmerksam auf ihr, wie sie es sonst nur von Albus kannte. Bellatrix hingegen wippte auf ihren Hacken vor und zurück, die Finger nervös um die Glieder ihrer Silberkette geschlungen. Mit jedem Wort Minervas wickelte sie die Kette enger. Aber ihre Lippen blieben wie von Voldemort befohlen fest aufeinandergepresst. Als Minerva ihre Schilderung von Elphinstones Beinahetod schließlich beendete, zog Mulciber eine Phiole aus der Tasche, in der ein schwarzes Licht kreiste. Triumphierend schüttelte er sie. »Und hier sehen wir die traurigen Überreste eines nicht funktionierenden Fluches. Quod erat demonstrandum – wie zu beweisen war.« Minerva flüchtete sich rasch wieder an Mulcibers Seite und beobachtete das Flackern in Voldemorts Augen. Seine bleichen Züge verhärteten sich derart, dass sie für einen Moment das Gefühl hatte, einen belebten Totenschädel vor sich zu sehen anstatt Blut und Fleisch eines lebendigen Menschen. Langsam drehte er sich zu Bellatrix. »Das kann nicht sein«, hauchte diese in die angespannte Stille. »Ich habe alle Parameter genaustens geprüft. Es muss an dem Subjekt liegen – womöglich ist Urquart nicht so reinen Blutes, wie angenommen ... oder eines der Subjekte war das Problem ... Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr, denn ich habe anderes, besseres Blut für den finalen Fluch verwendet. Das Blut zweier Schwestern ist der perfekte Träger; zwei Seiten derselben Münze ... Diese Verbindung ist unfehlbar.« Voldemort wog Bellatrix’ Zauberstab in der Hand, ein neuerliches rotes Glühen in seinen Augen. »Zwei interessante Behauptungen, die einander hier gegenüberstehen. Ich sehe die Wahrheit hinter Alstons Vortrag, aber nach wie vor erkenne ich ein gewisses Potential in deinem Blutfluch.« Besorgt drückte Minerva die Hand auf ihren Umhang, in dessen Tasche sie Rowles Zauberstab spürte. Sie wollte ihn nicht einsetzen müssen ... Mulciber neben ihr straffte die Schultern. »Herr«, sagte er leise, »denkt daran, dass nicht zu viel reines Blut an Experimente verschwendet werden sollte. Diese Dinge sind es nicht wert, ein paar Verräter zu opfern. Anders nutzen sie uns besser. Als Druckmittel vor dem Ministerium –« »Oh, ich habe keinesfalls vor, sie alle zu benutzen«, unterbrach Voldemort ihn mit trügerisch sanfter Stimme. »Eine wird für meine Zwecke reichen.« Minervas Fingerspitzen streiften das Holz von Rowles Zauberstab. Langsam, Millimeter für Millimeter, umschloss sie den Griff mit der Hand. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Mulciber ebenfalls nach seinem Stab tastete. »Erinnere dich an das, was mit Maybell geschehen ist«, presste er an Voldemort gerichtet zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. Bei der Erwähnung von Mulcibers verstorbener Ehefrau zuckte Minerva zusammen. Sie hatte er während der Erläuterung seines Vorhabens mit keinem Wort erwähnt. Dafür erinnerte Minerva sich an Rosiers Vorwurf, Mulciber habe ihren Tod verursacht. Und so, wie Voldemort nun den Mund verzog, schien die Geschichte sogar weitaus prekärer zu sein. »Willst du wirklich noch einmal mit diesen Mächten spielen?«, fragte Mulciber mit heiserer Stimme. »Das ist kein Spaziergang im Park. Im schlimmsten Fall riskierst du mehr als nur das Leben eines Verräters. Zuerst sollten wir den Fluch studieren, bevor wir ihn einsetzen. Wir beide, ein Labor – wie früher.« Zum ersten Mal nahm Minerva so etwas wie offenen Ärger in Voldemorts Haltung wahr. Seine Hand fasste Bellatrix’ Zauberstab fester, anstatt ihn wie bisher lose zwischen den Fingern zu drehen, und alle falsche Freundlichkeit schmolz von seinen Zügen. Dieses Mal gewann das Monster gegen die Maske. »Ich spiele nicht länger, Alston. Und du tätest gut daran, Maybell endlich zu vergessen. Sonst stehst du der Zukunft nur im Wege.« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, drehte er sich zu Bellatrix um, die ihrem Austausch mit gerunzelter Stirn gefolgt war. »Du wirst deine Chance erhalten, dich meinem Mal würdig zu erweisen. Nicht als Ritterin, sondern als Todesserin.« Damit kehrte Voldemort ihnen den Rücken und zeichnete mit erhobenem Zauberstab eine Öffnung in die Zauberbarriere, durch die er hindurchtrat. Noch bevor er den Stab auf eine der Personen richtete, wusste Minerva, dass es Andromeda sein würde. Und Andromeda schien es genauso zu wissen. Trotzig setzte sie sich auf, das Kinn emporgereckt wie ihre Schwester. Sobald die magischen Fesseln von ihr abfielen, schritt sie hocherhobenen Kopfes vor Voldemort aus ihrem Gefängnis auf Bellatrix zu. Minerva drückte Rowles Zauberstab so fest, dass es schmerzte. Zwar schüttelte Mulciber ganz sacht den Kopf, doch das war ihr egal. Sie würde nicht zusehen, wie diese Sache weiter außer Kontrolle geriet. Notfalls würde sie es auch ohne ihn schaffen. Zunächst war es allerdings mehrere Herzschläge lang totenstill im Kellergewölbe. Bellatrix umklammerte wieder die Glieder ihrer Halskette, während sie Andromeda musterte, die sich freiwillig vor ihr postierte. Dann rümpfte sie die Nase. »Habe ich dir nicht gesagt, dass du zuhause bleiben sollst, Meda? Das hast du nun davon.« Andromeda lachte heiser auf. Minerva kannte sie als ehemalige Slytherin nur aus dem Verwandlungsunterricht, in dem sie stets ruhig und fleißig gewesen war – doch selbst ihr fiel auf, dass Andromedas Stimme um Jahre gealtert schien. »Kein Fünkchen Mitleid, was?«, krächzte sie. »Na los, dann verfluch mich halt. Bring mich um. Aber glaub nicht, dass du damit irgendwas ändern wirst. Es wird immer Menschen wie uns geben, die sich dem hier nicht beugen werden.« Mit einem leisen »Pah«, wandte Bellatrix sich von ihrer Schwester ab und sah stattdessen wieder Voldemort an – als erwartete sie eine Befreiung aus dieser Lage. Aber Voldemort hielt nur ihren Zauberstab auf Andromeda gerichtet, einen nahezu amüsierten Zug um die Mundwinkel. »Wenn du wirklich an deinen Fluch glaubst, führe ihn an ihr aus.« Bellatrix’ Blick huschte zurück zu Andromeda, die stumm ihre Fäuste ballte, dann zu Mulciber und der Phiole in seiner Hand. Ihre Halskette war inzwischen so eng um den Zeigefinger gewickelt, dass sie tief in die weiße Haut einschnitt. Einem spontanen Einfall folgend, stupste Minerva Mulciber erneut an und deutete dann auf das Fluchschwarz in der Phiole. Sie sah, wie er die Stirn in Falten legte, und tappte zweimal mit dem Fuß auf den Betonboden. Da verstand auch er. Wortlos streckte er die Hand mit dem Röhrchen aus und öffnete sie. Es klirrte, als das Glas am Boden zerschellte, dann zertrat Mulciber den Rest davon knirschend mit seinem Absatz. »Kein Weg zurück«, sagte er kalt. »Wenn ich recht habe, sollst du auch keinen Weg haben, sie zu retten, so wie Urquart gerettet wurde.« Bellatrix starrte auf die zähe Flüssigkeit, die unter Mulcibers feinem Lackschuh hervor sickerte. Ganz langsam löste sie die Finger von ihrer Kette und streckte die Hand in ihre Tasche. Da war es wieder, das magische Folterinstrument, mit dem sie Elphinstone den Fluch verabreicht hatte. Bellatrix ballte die Faust darum, doch ihre Augen verharrten weiterhin auf dem zerstörten Zauber. »Meda –« Was immer Bellatrix sagen wollte, es ging in einem lauten Scheppern, gefolgt von einem Schrei unter. »Lord Voldemort, Sir – das Ministerium ...!« Der junge Ambrose kam um die Regalreihen her auf sie zugelaufen, das Gesicht gerötet. Sein Blick flackerte verwirrt über die Szene, ehe ihm wieder einzufallen schien, weshalb er hereingeplatzt war. »Ah, es tut mir wirklich leid aber – da oben ist ein Vogel für Sie, mit einem offiziellen Ministeriumsheuler ...« Minerva erstarrte. Sie glaubte, sich verhört zu haben, doch Ambrose stand die Panik ganz eindeutig ins Gesicht geschrieben. »Mein Herr«, haspelte der junge Anwärter weiter, »Ich dachte, darum wollen Sie sich sicher selber kümmern? Immerhin ist er an Sie adressiert ... Und das Vieh lässt sich nicht einfangen ...« »Das Ministerium?« Voldemort schrie nicht, aber seine Stimme hallte plötzlich von allen Wänden wider. »Woher weiß das Ministerium, wo wir sind?« Ambrose warf einen verzweifelten Blick zu Mulciber, der ihn allerdings nicht einmal ansah, sondern nur den Kopf schüttelte, während er Bellatrix und Andromeda im Auge behielt, die einander kalt anfunkelten. »Herr, ich weiß es nicht!«, stieß Ambrose flehentlich hervor. »Aber es ist ein verfluchter Phönix, der die Nachricht dabei hat!« Voldemort erbleichte, sofern das überhaupt möglich war, und Minerva hätte am liebsten laut aufgelacht. Es versetzte ihrem flatternden Herzen nicht mal einen Dämpfer, dass Voldemort ein Zischen ausstieß, das mehr wie eine Klapperschlange klang denn nach einem Menschen. »Dumbledore!«, grollte er und rauschte mit sich aufbauschender Robe an Minerva und dem Rest vorbei. »Alston, sieh zu, dass du hiermit fertig wirst! Ich will dich oben bei den anderen haben.« Schon verschwand er um die nächste Ecke und Ambrose folgte ihm wie der brave Crup, mit dem Mulciber ihn verglichen hatte. Minerva konnte sich das grimmige Lächeln nicht länger verkneifen. Somit war es nur noch Bellatrix, die ihnen gegenüberstand. Unbewaffnet. Doch bevor sie oder Mulciber Bellatrix nur mit dem kleinen Finger zucken konnten, hatte Andromeda sich schon auf sie gestürzt und hielt ihr den eigenen Dolch entgegen. »Du warst wirklich bereit, das zu tun, nicht? Du hättest mich getötet! Deine eigene Schwester!« Bellatrix fixierte den Dolch in Andromedas Hand. »Meda –« »Du hast kein Recht, mich so zu nennen! Nicht mehr. Wir sind keine Schwestern mehr, Bella!« Ein Schatten glitt durch Bellatrix’ Augen und rasch zückte Minerva den Zauberstab, ehe sie es sich anders überlegen konnte. »Stupor!« Ihre Erwiderung stumm auf den Lippen, sackte Bellatrix nach hinten weg und Andromeda wirbelte zu Minerva herum. »Professor ...?« »Alles gut, Miss Black. Jetzt kann Ihnen nichts mehr passieren.« »Aber Sie ...« Andromedas Blick glitt zu Mulciber, der lässig beide Hände hob. »Ich habe Minerva versprochen, dass alle gehen können.« »Was –« »Ich kann Ihnen nicht alles erklären, Miss Black«, sagte Minerva und streckte Andromeda Rowles Zauberstab entgegen. »Nehmen Sie den. Bringen Sie die anderen in Sicherheit. Sie kennen doch einen Weg hier raus?« Verwundert blinzelte Andromeda. »Ich – ja, es gibt einen Zugang vom Weinkeller in die Küche, von da kommt man in den Garten ... aber – was ist mit Ihnen? Und Bella ...« Erneut wedelte Minerva auffordernd mit dem Zauberstab. »Nehmen Sie schon! Ihrer Schwester wird nichts passieren, das verspreche ich Ihnen! Sie wird höchstens ihre gerechte Strafe erhalten, wenn das Gamot von ihren Umtrieben erfährt.« »Aber Sie haben den letzten Beweis für ihre Experimente doch gerade vor meinen Augen zerstört ...« Mulciber kicherte leise. »Natürlich nicht. Eigentlich war das nur ein bisschen ... Vielsafttrank. Minerva hat ganze Arbeit geleistet mit ihrer Verwandlung. Der echte Beweis ist hübsch in Sicherheit, weit, weit weg von hier.« »Und jetzt nutzen Sie die Ablenkung und laufen, Miss Black!«, drängte Minerva. »Sonst wird es bald sehr ungemütlich. Hier ist heute schon genug Furchtbares passiert.« Endlich kam Bewegung in Andromeda. Sie warf Bellatrix’ Dolch zu Boden, schnappte sich den Zauberstab und mit einem letzten, entschuldigenden Lächeln wandte Minerva sich von ihr ab. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Mulciber selber den Stab auf Andromeda und die Gefangenen richtete. »Was tust du da?« Er seufzte. »Glaubst du, ich kann zulassen, dass die sich alle an mich erinnern?« Mit einem neuerlichen Seufzen schüttelte er den Kopf, bevor er weit ausholte und »Obliviate« rief. Ein empörter Schrei drängte über Minervas Lippen, doch Mulciber packte sie nur am Handgelenk und zog sie mit sich in Richtung Ausgang. »Die werden schon klarkommen. Lass uns lieber sehen, was Elphinstone jetzt wieder verbrochen hat. Auf die Idee, Dumbledores verfluchten Phönix zu benutzen, kann ja nur er kommen.« Egal wie Minerva es auch drehte und wendete – so hatte sie sich die Heldenreise einst nicht vorgestellt. Wie sehr wünschte sie, dass es nur die Träume einer unschuldigen 14-jährigen geblieben wären ... Doch Umkehren kam nicht infrage. Also folgte sie Mulciber ins dunkle Treppenhaus, ohne einen Blick zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)