Rose von tobiiieee ((Yuffies Version)) ================================================================================ Kapitel 5: Hey (You) (Clouds Version) ------------------------------------- Durch das offene Fenster wehten die morgendlichen Geräusche des Militärlagers ins Zimmer hinein: Begrüßungen, Befehle, Wachablösungen, aber auch Fragen nach Kaffee und Frühstück. Ganz kam das Lager nie zur Ruhe, doch dem noch etwas verschlafenen Morgen wohnte ein Friede inne, den Cloud gerne beobachtete, ehe auch er seinen Tag startete. Als die Dämmerung genug Licht spendete, wurde die künstliche Beleuchtung nach und nach ausgeschaltet: Cloud nahm das als sein Signal, seine Uniform anzulegen und das Zimmer zu verlassen. Durch die offen stehende Tür, die seiner direkt gegenüber lag, sah er, dass Genesis wie immer noch im Bett lag. Er stieg die kurze, etwas steile Treppe herab. „Seph ist also schon wieder unterwegs“, murmelte er, als er die kleine Sitzküche im Erdgeschoss verlassen vorfand. „Erst mal Kaffee.“             Gerade, als Cloud sich die erste Tasse eingoss, öffnete sich die einzige Zimmertür im Erdgeschoss und herausgeschlichen kam eine junge Soldatin zweiten Ranges; als sie ihn bemerkte, wirkte sie etwas peinlich berührt.             „Elissa“, sagte er und versuchte, enttäuscht zu klingen. In Wahrheit fand er die Situation sehr erheiternd, weswegen er ein Grinsen nicht unterdrücken konnte.             „Dir auch einen guten Morgen“, sagte Elissa mit einem Augenverdrehen. Dann lächelte sie ihn doch verlegen an.              „Kaffee?“, fragte er. Elissa nickte dankbar und kam zu ihm herüber, woraufhin er ihr eine Tasse eingoss und überreichte. „Genesis schläft übrigens noch oben – aber den kann sowieso nichts wecken, wenn er nicht aufstehen will, also mach dir keine Mühe, leise zu sein.“             „Ich hätte mich also unbemerkt rausschleichen können ...“             „Hier kannst du dich nicht unbemerkt rein- oder rausschleichen, irgendjemand ist immer da, um dich zu verurteilen.“ Elissas Blick sagte ihm unmissverständlich, dass er mit seiner eigentlich ironisch gemeinten Bemerkung etwas weit gegangen war. „Natürlich verurteile ich dich nicht, ich bin wirklich der Letzte, der ...“             „Ja, ja“, sagte sie, als sein Murmeln ohnehin schon am Verklingen war. Eine Stille entstand, da er nicht recht wusste, was er sagen sollte. Sie leerten ihre Kaffeetassen.             „Wenn du eh schon hier bist, können wir zusammen zum Frühstück rüber“, schlug er anschließend versöhnlich vor.             „Ich würd mich aber vorher gerne ein bisschen frischmachen gehen“, erwiderte Elissa, während sie mit einem Finger behelfsmäßig in die ungefähre Richtung wies, in der die Waschräume liegen mussten.             „Dann sehen wir uns drüben“, sagte Cloud, stellte die Tassen in die Spüle, ließ Elissa den Vortritt und schlug den Weg nach links zur Essensausgabe ein, während sie sich nach rechts wandte. Beim Frühstück setzte er sich zu Kunsel in eine Ecke. „Und, was ist deine Beschäftigungstherapie heute?“, fragte er und balancierte krümeliges Rührei auf seiner Gabel.             „Es wurde entschieden, dass wir mal wieder Gewaltmärsche üben müssen“, murrte Kunsel unmotiviert. „Bei ungefähr 40 Grad im Schatten.“             „Haha“, kommentierte Cloud schadenfroh.             „Und du?“             „Wache am Eingang, zwölf bis zwanzig.“             „Haha“, sagte Kunsel noch um einiges schadenfroher.             „Ja, hast recht, das ist sogar noch sinnloser, wenn das überhaupt geht“, räumte Cloud ein. Nach einer Weile stieß Elissa dazu. Sie fragten sie nach ihrer Tagesaufgabe.             „Ich bin erst morgen wieder eingeteilt, also denk ich, ich werd ein bisschen allein im Wald trainieren und dann im Dorf rumhängen, das Essen dort ist deutlich besser als hier und die Leute sind überraschend nett.“ Sie fing die fragenden Blicke der Männer auf. „Also, ich meine, dafür, dass wir hier quasi wie Besetzer auf ihrem Land leben? Findet ihr nicht?“             „Ich geh meist nicht hoch ins Dorf“, sagte Cloud, „blonde Männer sind da so was wie eine Attraktion und ich hab nicht so große Lust, mich anstarren zu lassen.“ Elissa und Kunsel lachten; den Rest des Frühstücks verbrachten sie abwechselnd in friedlichem Schweigen und mit etwas Smalltalk.              Pünktlich um zwölf bezog Cloud wenn auch etwas widerwillig seine Stellung am Eingang des Lagers; die Wache, die er ablöste, musste allerdings noch auf den Infanteristen warten, mit dem er eingeteilt war. „Marty, hi“, begrüßte er diesen, als er mit mehreren Minuten Verspätung auftauchte. „Wo ist nur die Disziplin der jungen Leute hin?“, rügte er ihn dann augenzwinkernd.             „Du bist doch selbst jung“, erwiderte Marty nur schulterzuckend, als sie sich vor dem Lagereingang aufstellten.                  „Ja, aber weißt du, ich bin verheiratet und habe Kinder, das macht mich innerlich ungefähr achtzig Jahre alt.“ Marty grinste; während die Sonne in ihrem Rücken in den folgenden Stunden über den Himmel wanderte, verbrachten sie die meiste Zeit in einer angenehmen Stille, in der sie sich beide hauptsächlich darauf konzentrierten, nicht vor Hitze zu zerfließen. Aus dem angrenzenden Waldstück neben dem Lager kam der Lärm von allen möglichen Tieren, denen Cloud nicht unbedingt begegnen wollte, aber nicht der kleinste Wind wehte durch die Blätter der Bäume.             Es war ihm höchst zuwider, ausgerechnet in der heißen Sonne Wutais am Lagereingang Wache zu stehen. In all der Zeit, die er hier verbracht hatte, war noch nie etwas geschehen, das es aus seiner Sicht nötig machte, den Eingang überhaupt zu bewachen. Sicherlich ging mehr Gefahr vom Wald aus mit seinen Spinnen und Schlangen als von irgendwo sonst.             Die Schatten wurden nach qualvollen Stunden langsam länger und eine leichte Brise setzte ein, die ihn unter seiner schwarzen Uniform zu kühlen begann, aber es war immer noch unerträglich. Es würde noch mindestens eine weitere halbe Stunde dauern, bis sich die ostwärts wandernden Schatten bis zu seiner Wachposition strecken und ihm Linderung verschaffen würden. Mit einem Seitenblick auf Marty überlegte er, wessen Uniform in dieser Sonneneinstrahlung wohl schlimmer war, seine eigene schwarze, die auch noch genug Haut zum Verbrennen freiließ, oder dessen zwar helle, die dafür aber den ganzen Körper einschloss und noch über einen Helm verfügte. Er konnte nur zu dem Schluss kommen, dass es höchste Zeit wurde, dass die Nachmittagssonne langsam gen Erde sank: Sein Gehirn fühlte sich nach fast sechs Stunden weichgekocht an.             Daher fragte er sich tatsächlich, ob er schon halluzinierte, als er oben auf dem Hügel vor dem Lager eine verschwommene Figur zu entdecken glaubte. Das Bild flimmerte in der heißen Luft wie eine Fata Morgana, weswegen er sich erst nicht sicher war, was er sah. Erst als die Figur etwa den halben Hügel herabgestiegen war, meinte er, in ihr eine schwarzhaarige einheimische Frau in einem farbprächtigen Kimono zu erkennen.             „Meinst du, die will zu uns?“, fragte Marty, nachdem sie beide die Figur eine Weile beobachtet hatten.             „Sie hält jedenfalls ziemlich direkt auf uns zu“, sagte Cloud ratlos. „Keine Ahnung, was sie hier in der Gegend sonst wollen würde.“ Je näher die Frau kam, desto mehr konnte er erkennen. Tatsächlich handelte es sich vielmehr um ein Mädchen: Ihr Kimono leuchtete von Weitem im selben Rotton wie Shin-Ras Firmenlogo herüber. Als sie näherkam, bemerkte er ihren sehr aufrechten, etwas steifen Gang, ihr Gesicht war beinahe gespenstisch weiß geschminkt und sie bewegte sich mit einer unverkennbaren Würde und Eleganz. Er überlegte, wo sie wohl herkam. Als sie am Fuß des Hügels angekommen war, bemerkte er allerdings, dass sie barfuß auf sie zuschritt, was ihn verwunderte. Er versperrte ihr den Weg.             „Was gibt’s?“, fragte er sie salopp und in der Hoffnung, dass sie bald wieder verschwand. Er musterte sie genau und blieb an den braunen Augen in ihrem kalkweißen Gesicht hängen, die sich auf einmal weiteten und erstrahlten. Verblüfft trat er unbewusst einen halben Schritt zurück.              „Ich kenn dich“, stellte sie fest und sie klang verträumt, als wären ihre Gedanken weit weg. „Weißt du nicht mehr?“ Cloud tauschte einen Blick mit Marty aus, der sich angespannt versteifte. Offenbar hatten sie den gleichen Gedanken, nämlich, ob dieses Mädchen als Ablenkung geschickt worden war, damit das Lager von anderer Seite angegriffen werden konnte. Cloud wäre vielleicht beunruhigt gewesen, wenn ihm diese Möglichkeit nicht so unfassbar unwahrscheinlich vorgekommen wäre. Er entschied sich, auf das Gesagte einzugehen.             Er schaute dem Mädchen noch einmal ins Gesicht. „Nein, gar nicht“, gab er zu. Vielleicht, wenn sie überhaupt meinte, was sie sagte, verwechselte sie ihn, auch wenn ihm nicht klar war, mit wem. So viele blonde Männer in seinem Alter und mit seiner Statur gab es wohl nicht in Wutai.             „Na ja, es ist auch schon etwas länger her“, sagte sie. „Aber da hast du auch Wache gestanden.“ Cloud begann zu dämmern, was sie meinte. Sein Geist setzte die Bausteine nur langsam zusammen. „Damals, während der Friedensverhandlungen. Du wolltest mich nicht reinlassen, weil ich zu klein war. Dann hab ich versucht, dich zum Spielen zu bewegen.“ Sie musste kichern und Cloud führte das Kind von damals und das Mädchen hier vor sich zusammen. Natürlich! Damals, als Wutai sich geschlagen geben und mit Shin-Ra verhandeln musste. Der Präsident war in den Palast geladen worden und hatte seine eigene Wache vor dem Verhandlungsraum aufgestellt. Cloud war sich so wichtig vorgekommen, damals als einfacher Infanterist ausgewählt worden zu sein, auch wenn seine Aufgabe, wenn man es genau betrachtete, nur aus Herumstehen bestanden hatte.             Und tatsächlich war irgendwann ein Mädchen aufgetaucht, das versuchte, sich in den Raum zu schleichen, doch sie war nicht erfolgreich gewesen, also bat sie ihn ganz offen, sie hereinzulassen, es sei ihr Vater, der dort verhandele. Cloud allerdings folgte den eindeutigen Anweisungen: niemand herein, niemand heraus. Das war nun lange her, dachte er bei sich – vielleicht sieben Jahre.             Das Mädchen von damals war also die Teenagerin, die jetzt vor ihm stand, die Prinzessin des Landes, und – soweit er informiert war, auch: „Die Frau vom Chef also, ja?“, fragte er kurz angebunden.             Sie nickte. „Yuffie.“             „Freut mich“, sagte er unbeeindruckt. „Ich denke nicht, dass Rufus im Moment abkömmlich ist.“             „Rufus ist nicht derjenige, zu dem ich möchte“, sagte Yuffie ruhig und unbeirrt.             „Sondern?“, fragte Cloud, jetzt doch etwas neugierig.             „Vincent Valentine“, sagte sie zu seiner immensen Überraschung. „Könntest du mir sagen, wo ich ihn finde?“             Cloud brauchte einen Moment, um zu verarbeiten, was sie gesagt hatte. „Hör mal“, sagte er dann, „ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist.“             „Ich möchte nicht unhöflich sein“, sagte Yuffie mit einem etwas eingefrorenen Lächeln, „aber das war nicht meine Frage.“             Cloud verschlug es kurz die Sprache, doch dann lächelte er unwillkürlich. Diese Yuffie gefiel ihm. Er nickte also. „Na gut, wenn du unbedingt willst, führ ich dich hin.“             Yuffies Gesicht erstrahlte von Neuem. „Ich wäre äußerst dankbar.“             Cloud wusste nicht genau, was ihn trieb, vielleicht wollte er einfach nur aus der Sonne heraus, aber er bedeutete Yuffie, ihm zu folgen, wandte sich um und ging ihr voran zurück ins Lager. Sie nahmen den Weg geradeaus an der Essensausgabe vorbei, doch kurz bevor er um die Ecke bog, bemerkte er, dass Yuffie ein Stück zurücklag, weil sie sich umsah und offenbar versuchte, alle Eindrücke in sich aufzunehmen. Endlich schloss sie zu ihm auf. „Hier, ähm, sind die temporären Zelte, weißt du“, erklärte er ihr, „von denen, die nicht so lange bleiben?“             Sie nickte begeistert und schaute ihn wissbegierig an. Er entschied sich, fortzufahren.             „An der Ecke da gibt’s Essen“, sagte er mit einer überflüssigen Geste. An der Essensausgabe hatte sich die erste Schlange für ein frühes Abendessen gebildet und viele Gesichter wandten sich in Yuffies Richtung, die in ihrem blutroten Kimono doppelt und dreifach auffiel. „Und, was ich vorhabe, ist, also – es gibt im Lager dieses eine kleine Haus, wo wir wohnen, ich denke, da wird er sein, und wenn nicht, ähm – werden wir schon eine Lösung finden.“             „Sicherlich.“             „Hey, Strife!“, hörte er es aus der Schlange an der Ecke rufen. „Wen hast du denn da aufgegabelt?“              Cloud drehte sich um. „Das geht dich überhaupt nichts an, Diras, und jetzt verzieh dich.“ Doch Diras war nicht im Dienst und ließ sich von Cloud nichts sagen, nur weil er ranghöher war.             „Man wird ja wohl noch fragen dürfen. Na, Schätzchen?“, wandte er sich nun direkt an Yuffie. Die reagierte mit nichts als einem ehrlich irritierten Blick. Fasziniert beobachtete Cloud, wie Diras nach und nach in sich zusammensackte und schließlich das Feld räumte.             „Wo ihr herkommt, werden die Leute wohl nicht erzogen“, sagte Yuffie, als Diras verschwunden war.             „Ich hab keine Ahnung“, sagte er entschuldigend. „Aber das war tolle Zusammenarbeit.“             „Du willst sagen, ich habe zu Ende geführt, was du nicht geschafft hast.“             „Oder das, ja“, gab Cloud zu. „Na los, weiter.“ Sie kamen nun an den größeren, festeren Zelten vorbei, die, wie er Yuffie erklärte, denjenigen dienten, die länger in Wutai weilten und höhere Ränge bekleideten, und die vor allem etwas Schatten spendeten. Bevor der Pfad wiederum rechts abbog, sahen sie ein besonders großes, prächtiges Zelt. „Rufus‘ Büro, wenn du so willst“, sagte er, indem er darauf deutete.             „Ich war vorher noch nie hier“, sagte Yuffie mit einem langen Blick auf das Zelt. „Ich sehe das zum ersten Mal.“             „Wenn du kurz vorbeischauen willst, kann ich warten“, bot Cloud an – dann konnte er ein wenig im Schatten  abkühlen.             „Nein“, sagte Yuffie bestimmt. Als sie Clouds neugierigen Blick bemerkte, setzte sie ein Lächeln auf. „Aber vielen Dank. Ist es noch weit?“             „Nein, gar nicht, man sieht es schon von hier aus.“ Er deutete auf das einzige befestigte kleine Haus, das sich zwischen den Zelten erhob. „Mein Fenster ist das obere.“             „Das offene?“             „Sie sind, ähm ... – alle offen.“             „Oh, ja, richtig!“, rief Yuffie aus und lachte herzlich über ihren Fehler; sie wirkte plötzlich viel gelöster auf ihn.             „Im andern Zimmer sind ...“, setzte er an zu erklären, aber Genesis‘ und Sephiroths Namen würden Yuffie wohl nichts sagen. „Ist ja auch egal, aber worauf ich hinauswill, ist, dass das Zimmer unten praktisch unbewohnt ist, und Vincent benutzt es, wenn er da ist.“             „Benutzt?“, fragte Yuffie etwas ratlos. Es stimmte, dass Cloud absichtlich nicht „bewohnt“ gesagt hatte.             Er schaute ihr direkt in die Augen. „Du erinnerst dich, dass ich meinte, das wär eine schlechte Idee?“ Für einen Moment wich sie seinem Blick aus, doch kurze Zeit später erwiderte sie ihn erneut.             „Lass uns gehen.“ Cloud machte eine Handgeste, die Yuffie bedeutete, dass er ihr den Vortritt ließ; sie ging voraus, sicheren Schrittes auf die ebenfalls offene Haustür zu. Noch davor blieb sie allerdings stehen.             „Ach, hier seid ihr!“, sagte Cloud, als er aufgeschlossen hatte: Im Schatten neben dem Haus, zuvor verdeckt vom Zelt nebenan, saß Vincent mit Sephiroth auf zwei Bänken in ein Schachspiel vertieft, das den Großteil des Tisches zwischen ihnen einnahm. Beide blickten auf; Sephiroth ergriff als erster das Wort, während Vincent noch dabei war, Yuffie ins Auge zu fassen.             „Ja, das Phänomen nennt sich Schatten“, sagte Sephiroth trocken. „Cloud, was machst du hier? Du hast einen Posten.“             Cloud deutete behelfsmäßig auf Yuffie. „Ich hab einen Gast begleitet.“             Sephiroth zog eine skeptische Augenbraue hoch. „Dann hast du deine Aufgabe ja jetzt offensichtlich erledigt und kannst auf deinen Posten zurückkehren.“             Doch Cloud ließ sich nicht beeindrucken. „Ich wäre eine schlechte Wache, wenn ich sie unbeaufsichtigt durchs Lager spazieren lassen würde. Warum bist du überhaupt so angefressen – wieder am Verlieren?“             „Was, gar nicht!“, wehrte sich Sephiroth trotzig.             „Oh, doch, sehr wohl“, warf Vincent gnadenlos ein. Sephiroth warf ihm einen vernichtenden Blick zu, sagte aber nichts weiter dazu, sondern richtete das Wort wieder an Yuffie.             „Und was will dieser unser Gast?“             Auch Cloud, der sich darüber bisher eigentlich keine genaueren Gedanken gemacht hatte, wandte sich interessiert Yuffie zu, obwohl er eigentlich erwartete, dass sie Vincent um ein Wort unter vier Augen bitten und er so überhaupt nicht erfahren würde, was ihr Anliegen war. Zu seinem Erstaunen antwortete sie allerdings: „Ich bin hier, um mich zu bedanken.“             „Ach?“ Die Überraschung auf Vincents Gesicht überzeugte Cloud nicht.             „Ich weiß wieder, woher wir uns kennen“, fuhr Yuffie unbeirrt fort, „auch wenn es lange her ist. Damals nach Kriegsende hast du meinen Onkel vor der sicheren Hinrichtung bewahrt, für diesen Akt der Gnade bin ich aufrichtig dankbar.“ Sie verbeugte sich leicht in Vincents Richtung. Cloud staunte nicht schlecht.             „Ich dachte mir, dass es dir wieder einfallen würde.“             „Du musst wissen, meine Familie verlässt sich sehr auf meinen Onkel“, erklärte Yuffie, wieder aus ihrer Verbeugung aufgetaucht. „Sein Tod hätte für uns einen Verlust jenseits jeder Vorstellung bedeutet. Wenn wir jemals etwas tun können, um uns zu revanchieren, lass es mich wissen.“             „Ich komm drauf zurück“, sagte Vincent, klang allerdings nicht, als ob er es ernst meinte. Cloud beobachtete, wie Yuffie sich nun etwas unbeholfen umschaute. Er wollte ihr anbieten, sie nun wieder nach draußen zu begleiten, da sie offenbar erledigt hatte, weswegen sie gekommen war, aber Vincent kam ihm zuvor. „Möchtest du dich nicht setzen?“, fragte er Yuffie. Sein schadenfroher Blick richtete sich auf Sephiroth. „Ich bin dabei, meinen Sohn Demut im Angesicht der sicheren Niederlage zu lehren.“ Sephiroth warf ihm einen gehässigen Blick zu.             Yuffie allerdings setzte sich tatsächlich zögernd auf die Bank neben Vincent und schaute Sephiroth etwas verwundert an. Dem fiel es offenbar ein, sich vorzustellen: „Seph.“             Yuffie lächelte erfreut und nannte ihren Namen. Sephiroth wandte sich wieder zu Cloud um. „Ich erinnere dich noch mal an deinen Posten.“             Cloud überlegte nicht lange. „Ich bin hier der Bodyguard“, sagte er scherzhaft mit erneutem Verweis auf Yuffie.             Sephiroth gab sich geschlagen und ließ Cloud neben sich Platz nehmen. „Der ewige Rebell“, kommentierte er.             „Sei doch ehrlich, das ist das, was du an mir am meisten liebst“, neckte Cloud ihn. Sephiroth lächelte und wandte sich wieder dem Spiel zu.             „Ich kann das aber noch gewinnen“, sagte er knapp.             „Wenn du meinst“, erwiderte Vincent mit einem spöttischen Lächeln.             „Nein, das war eher als Frage gemeint“, gab Sephiroth zu. Vincent lächelte zufrieden. Sephiroth betrachtete angestrengt das Brett.             „Wie bewegt man die Figuren?“, fragte Yuffie dazwischen.             „Alle unterschiedlich“, sagte Vincent leise und zeigte auf die verschiedenen Figuren, während Sephiroth sich weiterhin intensiv konzentrierte. „Die Bauern hier nur jeweils ein Feld nach vorn, den Turm hier nur gerade, aber so weit, wie du willst, die Dame uneingeschränkt in alle Richtungen, der Läufer diagonal, und so weiter.“             Yuffie stützte sich interessiert auf den Tisch auf und studierte nun ebenfalls das Brett, auf dem bereits viele Figuren geschlagen waren. „Und was ist das Ziel?“             „Den König bewegungsunfähig zu machen“, sagte Vincent und deutete auf die entsprechende Figur. Yuffie versank in stiller Nachdenklichkeit; offensichtlich machte sie sich Gedanken, wie ein Schachspiel funktionierte. Cloud fand das alles andere als spannend.             „Kann ich dir einen Kaffee anbieten?“, fragte er Yuffie, die aus tiefen Gedankengängen aufzutauchen schien. Sie schaute ihn mit großen Augen an.             „Was ist Kaffee?“             Cloud fasste die Frage nicht ganz. „Ist das ein Witz?“, fragte er.             „Bist du Starbucks?“, sagte Sephiroth unerwartet, aber ohne vom Schachbrett aufzuschauen. „Dann gib ihr einen Tee.“             „Schon gut, schon gut“, sagte Cloud und stand auf.             „Aber wenn du gerade eh dabei bist ...“, sagte Sephiroth dann noch.             „Ok“, sagte Cloud augenverdrehend. Drinnen schaute er aus dem Fenster, während das Wasser zu kochen begann.             „Und kann man mit jeder Figur anfangen?“, hörte Cloud Yuffie fragen.             „Nein, du kannst nicht über deine eigenen Figuren drüber springen, außer mit dem Reiter hier ...“ Yuffie ging völlig im Erlernen des Spiels auf. Sie zeigte begeistert auf Figuren und fragte, was passieren würde, wenn sie sie bewegte. Cloud fiel auf, dass Sephiroth, der seinen Zug immer noch nicht getan hatte, ebenfalls aufmerksam zuhörte. Cloud hingegen kehrte zu dem kochenden Wasser zurück und goss es in zwei Tassen. Während der Tee zog, konnte er immer noch Yuffies Stimme und Vincents leises Brummen im Wechsel zum Fenster hereinwehen hören. Schließlich brachte er die Tassen nach draußen.             „Ach so, der“, sagte Yuffie gerade zu Sephiroth. „Von dir hab ich schon mal gehört – man kann also wirklich nicht sagen, ich würde mich in Gesellschaft von Fremden befinden.“             „Wohl nicht“, erwiderte Sephiroth mit einem irritierten Lächeln. Cloud stellte den beiden den Tee hin, den sie dankend annahmen. Er setzte sich wieder dazu.             „Und was machst du sonst so, wenn du gerade nicht von Nicht-Fremden Schach lernst?“, fragte Cloud rundheraus. Yuffie blinzelte ihn an, als hätte er sie auf dem falschen Fuß erwischt.             „Nun ja“, sagte sie und begann ihre Hände im Schoß zu kneten. „Ich helfe meinem Vater, Angelegenheiten zu regeln, die unser Volk betreffen. Wenn er einmal ... nicht mehr ist, übernehme ich das alleine.“ Sie schaute niemandem von ihnen in die Augen, sondern richtete ihren Blick auf die Tischplatte und sagte nichts weiter dazu. Cloud fing Sephiroths Blick auf.             „Und ... hast du sonst keine Hobbies?“, hakte er noch einmal nach. Ihm war sehr wohl klar, was sie als Prinzessin zu tun hatte.             „Hobbies?“, fragte Yuffie ratlos.             „Na ja, irgendwann am Tag werdet ihr fertig sein, oder? Was machst du danach?“             Yuffie zögerte merklich. „Meistens sitze ich nur im Garten oder drinnen und schaue meinen kleinen Brüdern beim Spielen zu.“ Es folgte eine etwas peinliche Stille, in der Yuffie ihrer alle Blicke mied.             „Man hört, du bist verheiratet?“, fragte Sephiroth schließlich.             „Ja“, bestätigte Yuffie mit einem düsteren Gesichtsausdruck. Zögernd legte sie ihre rechte Hand auf den Tisch, um ihren Ring zu zeigen.             Cloud überlegte nicht lange. Auch er hob seine linke Hand. „Hey, ich hab auch so einen“, sagte er und hielt seinen Ehering neben Yuffies. Wie er gehofft hatte, lachte sie daraufhin und war wieder fröhlich. „Du kannst einfach öfter hier rumhängen, dann hast du was anderes zu tun.“             Yuffies geweitete Augen richteten sich auf ihn. „Wirklich?“             Cloud wandte sich an Sephiroth. „Was meinst du?“             „Klar, warum nicht.“ Er zuckte die Schultern und schaute Cloud unberührt an. Dann richtete er sich an Yuffie.  „Es ist ja dein Land, nicht meins.“             Yuffie schürzte die Lippen. „Shin-Ra und Wutai sind vereint, es ist also genauso dein Land wie meins“, sagte sie in einem kalten, abweisenden Ton. Die flirrende Luft war zum Zerschneiden dick. Es war Vincents ruhige Stimme, die durch das Schweigen drang.             „Und dennoch wird Shin-Ra hier in spätestens einem Jahr verschwinden.“             „Und das sind Informationen, die das Lager nicht zu verlassen haben“, sagte Sephiroth missbilligend, doch Vincent schien unbeeindruckt.             „Und du glaubst wirklich, dass das Informationen sind, die nur in diesem Lager zirkulieren?“, fragte er, ohne den Blick von Sephiroth abzuwenden.             „Natürlich weiß meine Familie davon“, warf Yuffie ein. „Rufus hat im Grunde nur darauf gewartet, dass sein Vater stirbt, um endlich mit dem Plan zu beginnen und das Lager abzubauen.“ Sephiroth starrte Vincent weiterhin stur nieder.             „Also ...“, sagte Cloud unbeholfen. „So oder so werdet ihr uns dann los. – Und ich kann’s auch kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen ...“ Sephiroth gab es auf, Vincent mit Blicken zu töten.             „Oder mal wieder in Banora sein ...“             Yuffie sah sich in der Runde um, während Cloud und Sephiroth in Wunschvorstellungen schwelgten. „Im Moment will ich euch gar nicht loswerden.“             Cloud war überrascht angesichts dieser plötzlichen Offenbarung. Yuffies Gesicht wirkte in diesem Moment unter der weißen Farbe so ehrlich und verletzlich. Ihre großen braunen Augen waren die eines einsamen Kindes. Cloud erwiderte ihre Offenheit mit einem Lächeln. „Warte lieber ab, du findest uns im Moment nur nett, weil wir dir Tee gegeben haben.“ Und wieder hatte er Yuffie zum Lachen gebracht. Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee und wandte sich mit den andern dem Schachbrett zu.             Die Sonne wanderte weiter in Richtung Westen und abwärts und der kühle Schatten neben dem Haus wuchs, während Yuffie sich von Vincent und Sephiroth die Schachgrundlagen erklären ließ und das eine oder andere Testspiel wagte. Cloud gefiel es, den dreien zuzuschauen und nach einem langen sonnigen Tag im Schatten abzukühlen. Sephiroth erfuhr gerade wieder eine haarsträubende Niederlage, als Cloud bemerkte, dass Yuffies Blick an ihm vorbeiging. Urplötzlich richtete sie sich kerzengerade auf. Als er sich umdrehte, sah er als erstes einen in der Sonne strahlenden weißen Anzug.             „Yuffie!“ Rufus kam in offenbar ungläubiger Freude auf sie zu. „Dich hab ich hier ja noch nie gesehen.“             „Ich lerne Schach“, sagte Yuffie und verwies überflüssigerweise auf das Brett auf dem Tisch.             „Seh ich“, sagte Rufus. Er schaute sich in der Runde um, bis sein Blick auf Cloud fiel. „Und hab ich dich vorhin nicht woanders gesehen?“             Cloud versuchte es ein drittes Mal mit seiner Ausrede: „Ich bewache deine Frau.“             Rufus sah nicht aus, als ob er es ihm abkaufen würde. „Wofür bezahl ich dich noch mal?“             „Keine Ahnung“, sagte Cloud ertappt. Bevor es Ärger gab, fügte er hinzu: „Wir wollten eh gerade gehen.“             Yuffie verstand glücklicherweise und stimmte ihm zu. „Es war schön“, sagte sie zu Vincent und Sephiroth und es war Cloud schmerzlich klar, wie gerne sie geblieben wäre. Sie erhob sich und als sie mit Rufus und Cloud wieder in Richtung Lagerausgang lief, drehte sie sich noch mehrmals um, ehe sie ihren Blick fest nach vorn richtete.             „Was hat dich eigentlich hergeführt?“, fragte Rufus plötzlich neugierig. Cloud warf Yuffie einen gespannten Seitenblick zu, doch soweit er sehen konnte, verzog sie keine Miene.             „Ich hab Cloud besucht“, sagte sie zu seiner Überraschung.             „Ach ja?“, fragte auch Rufus erstaunt.             „Ja, wir haben festgestellt, dass wir uns von früher kennen.“              „Ah“, sagte Rufus nur, offensichtlich nicht überzeugt. „Wann genau soll dieses Früher gewesen sein?“             „Ewig her, ich hätte sie fast nicht erkannt.“ Auf diese Bemerkung hin blieb Rufus stehen und auch Cloud, den Rufus sehr genau beobachtete, hielt inne. Rufus war ein wenig größer als Cloud, doch er ließ sich nicht einschüchtern, auch als er einen Schritt näher kam. „Was ist, willst du dich irgendwie mit mir anlegen oder so?“ Rufus antwortete nicht, sondern taxierte ihn nur weiterhin, während Cloud versuchte, sich nicht provoziert zu fühlen.             Yuffie kam zu ihnen zurück; sie musste gemerkt haben, dass sie ihr nicht mehr folgten. Sie stellte sich zwischen sie beide und wandte sich langsam, ebenfalls wortlos, in Rufus‘ Richtung, den Rücken zu Cloud, sodass sie schützend vor ihm stand. Rufus schaute sie an und wich zurück. „Quatsch, wie kommst du auf so was“, sagte er schließlich zu Cloud und gemeinsam folgten sie Yuffie weiter zum Ausgang, wo Marty schon ungeduldig wartete.             Cloud verabschiedete Yuffie und Rufus wenige Momente später. Er sah sie den Hang hinaufgehen, weiß und rot nebeneinander, und als Yuffie sich ein letztes Mal zu ihm umdrehte, spürte er, obwohl sie schon viel zu weit weg war, um es zu sehen, die Sehnsucht in ihrem Blick. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)