Lass dein Herz darauf vertrauen von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 1: Die unfreiwillige Zweisamkeit (Yama) ----------------------------------------------- „To believe I walk alone Is a lie that I've been told“   Fort Atlantic - „Let your heart hold fast“     Er hätte kein Problem mit dem Kleinen gehabt. Nein, tatsächlich wäre ihm das am liebsten gewesen. Mit Shaolan hätte er die Zeit zum Trainieren nutzen können. Er hätte auch nichts gegen die Prinzessin gehabt. Um Sakura würde er sich in dieser Welt zwar Sorgen machen, aber sie war stets freundlich und vergleichsweise pflegeleicht. Er hätte nicht einmal ein Problem mit dem Wollknäuel gehabt. Selbst wenn Mokona ihm ständig (STÄNDIG) auf die Nerven ging, es wäre ihm trotzdem eintausendtrillionenhundertneunundsiebzig Mal lieber gewesen mit dem Klops hier festzusitzen als mit ihm. Ausgerechnet mit ihm. Es war nicht so, dass Kurogane Fye für eine akute Gefahr hielt, aber es war auch nicht so, dass er dem Magier wirklich über den Weg traute. Der Zeitpunkt ihrer unglücklichen Landung in dieser Welt hätte auch kaum schlechter gewesen sein können. Ohne das Wollknäuel konnten sie nicht miteinander sprechen und Kurogane hatte das dringliche Bedürfnis, ihre letzte Unterhaltung fortzuführen. Wobei, Bedürfnis war vermutlich das falsche Wort. Es war eher ein Gefühl des Ninja, dass er die lächerlich grinsende Schutzmauer des Magiers durchbrechen könnte, wenn er hinter das Geheimnis käme, warum dieser bei der Erwähnung des Namens „Ashura“ so blass geworden war – und es auch hier jedes Mal von Neuem wurde. Kurogane hasste es zu wissen, dass mit Fye irgendetwas nicht stimmte, dass da irgendetwas war, das vor ihnen allen verborgen lag, und dass er es nicht einschätzen konnte, ob ihnen das gefährlich werden könnte. Nein, Fye hielt er nicht für eine Gefahr. Aber Kurogane war der festen Überzeugung, dass da etwas im Hintergrund lauerte, das zur Gefahr werden konnte. Doch im Moment konnte er daran nichts ändern. Der Ninja gab ein brummendes, unzufriedenes Stöhnen von sich, während er zu der kleinen Kammer schritt, die König Yasha ihnen in seinem Schloss als Unterkunft zur Verfügung gestellt hatte. Vor gut zehn Tagen waren er und der Idiot ohne die Kinder und das Wollknäuel in dieser Welt gelandet. In dem Augenblick, als jeder von ihnen ihre Verwunderung über die abrupte Weiterreise ausgedrückt hatte, war ihnen das Fehlen Mokonas aufgefallen, denn keiner hatte ein Wort des Anderen verstanden. Verwundert hatten sie sich angesehen und Kurogane erinnerte sich lebhaft daran, wie der Schwachkopf ihn plötzlich erschrocken angeblickt hatte und, ohne zu fragen natürlich, mit seinen Händen das Gesicht des Dunkelhaarigen berührt hatte. Sein erster Reflex wäre es eigentlich gewesen, dem Magier dafür eine zu verpassen, aber so entgeistert wie dieser dreingeblickt hatte, hatte Kurogane sich zurückgehalten. Auch weil ihm in diesem Moment etwas äußerst Merkwürdiges aufgefallen war. Schnell hatte Fye seine Hände auch bereits wieder zurückgenommen und stattdessen mit ihnen auf seine eigenen Augen gezeigt. Seine pechschwarzen Augen. So sehr der Magier mit Sicherheit auch versucht hatte, nicht panisch zu klingen, sein aufgeregter und komplett unverständlicher Wortschwall war für den Ninja Zeichen genug gewesen, dass Fye eine Panik überkommen hatte. „Deine Augen sind schwarz“, hatte Kurogane überflüssigerweise gesagt, denn der Andere konnte ihn ja nicht verstehen. Also hatte er ein Nicken hinterher geschoben. Es war ihm sogleich bewusst geworden, dass seine eigenen Augen somit auch die Farbe gewechselt hatten. Nur Sekunden später waren plötzlich Krieger angeritten gekommen, die sie umstellt hatten. Für einen kampferprobten Ninja wie er es war, war es sofort erkennbar gewesen, dass diese Leute ihnen nicht unbedingt freundlich gesinnt waren. „Gehört ihr zu Ashura?“ Während Fyes Blick bei dieser aggressiv gestellten Frage des scheinbaren Anführers der kleinen Gruppe noch panischer geworden war, hatte Kurogane schnell begriffen, dass er, und - so wie es wirkte - nur er in der Lage war, sich zu verständigen. „Nein.“ Aus dem Augenwinkel hatte er erkennen können, wie der Magier ihn daraufhin fragend angesehen hatte. „Wer seid ihr und warum treibt ihr euch auf König Yashas Land herum?“ Taktik war an dieser Stelle die Waffe seiner Wahl gewesen. Er hätte einen Kampf zwar vermutlich gewinnen können, aber in diesem Augenblick war es wichtiger gewesen, herauszufinden, was passiert war, wo sie gelandet waren und – was am aller wichtigsten war – wo die Kinder sich aufhielten. Eines hatte Kurogane ohne Umschweife geschlussfolgert: Wo Krieger waren, war auch Krieg. Und diese Krieger hatten alle die gleichen pechschwarzen Augen; Augen wie der Magier und ebenso er selbst sie nun ungewohnter Weise hatten. Diese veränderte Augenfarbe hatte es nun zu ihren Zwecken zu nutzen gegolten. „Wir wollen uns euch anschließen.“ Ein Raunen war durch die Gruppe der Kämpfer gegangen, während Fye sichtlich verloren zwischen ihnen und Kurogane hin und her geblickt hatte. „Was ist mit deinem Begleiter? Wieso spricht er nicht?“, hatte der Kommandant schließlich gefragt. „Er kann nicht. Aber er kann kämpfen. Bringt uns zu eurem König. Dann beweisen wir euch, dass ihr uns brauchen werdet.“   Kuroganes Instinkte hatten ihn nicht im Stich gelassen. Der Anführer des kleines Trupps hatte sie zu König Yasha gebracht, der dann darüber entscheiden sollte, was mit ihnen passieren würde und tatsächlich hatte Kurogane es geschafft, ihn davon zu überzeugen, sie in seine Armee aufzunehmen. Er erhoffte sich, dass sie so die Möglichkeit hatten, nach den Kindern zu suchen. Und ja, natürlich reizte ihn auch die Aussicht aufs Kämpfen. Während es überraschend leicht gewesen war, dem König und seinen Leuten weiszumachen, dass Fye zwar taubstumm, aber ein unerlässlicher und starker Begleiter für ihn war, hatte es sich als etwas schwieriger erwiesen, dies alles dem Magier zu erklären. Irgendwie hatte der Ninja es mit Händen und Füßen und dem ein oder anderen Koller hinbekommen und zum Glück hatte Fye sofort verstanden, was er tun – oder besser, was er nicht tun – sollte. Nun kämpften sie also als Soldaten in einer Armee für irgendeinen König Yasha, in der Hoffnung, dass die Kinder und der Klops bald irgendwo auftauchen würden. Wie er das hasste. Und diesem König Yasha traute er auch nicht so ganz über den Weg. Da war doch wieder etwas faul. Warum sonst bestand er darauf, dass er und der Vollidiot nicht bei den anderen Soldaten untergebracht wurden, sondern hier, wo sie für sich waren? Ahnte dieser König etwas über ihre eigentliche Herkunft? Ihm sollte es Recht sein. Hauptsache, der blonde Trottel bekam so wenige Gelegenheiten wie möglich ihre Deckung auffliegen zu lassen.   Der Ninja betrat das schmale Zimmer, in dem Fye auf ihn wartete. Kurogane nahm ihn nur ungern zu Besprechungen mit dem König mit. Wie gesagt, so wenige Gelegenheiten wie möglich. Der Magier saß auf seiner Schlafstätte und blickte auf, als sein unfreiwilliger Zimmergenosse eintrat. Ihr Zimmer bestand im Großen und Ganzen aus den beiden nebeneinander liegenden Futon-artigen Betten, die den Großteil des Raumes einnahmen und einem kleinen Tisch mit zwei Sitzkissen auf dem verbliebenen Platz gegenüber. Der Ninja brauchte auch nicht mehr, doch er war schon nicht allzu glücklich, ausgerechnet mit dem Magier auf so engem Raum hausen zu müssen. Zu seiner eigenen Überraschung musste Fye dies klar sein, denn auch wenn er so nervig wie eh und je war, er übertrieb es nicht mit seinen Schrullen, als wollte er die Nerven des Anderen schonen. So viel Überlebenswille hatte er also doch. Ein breites Lächeln und ein unverständlicher Redeschwall, von dem Kurogane nicht mehr als „Kuro“ verstand, flogen ihm zur Begrüßung entgegen. Was auch immer nach dem „Kuro“ kam, klang nach allem, aber nicht nach „gane.“ Wahrscheinlich gab er ihm selbst jetzt noch irgendwelche dummen Spitznamen. Fyes Muttersprache kam ihm nach wie vor befremdlich vor. Nicht nur, weil er absolut nichts verstand und man nicht sagen konnte, wo ein Wort aufhörte und das Nächste begann, sondern auch weil sie so hart und streng klang und damit nicht so recht zum Rest des blubbernden Dauergrinsers passte. Da Fye immer schweigen musste, wenn sie in Gesellschaft waren, ließ Kurogane ohne großen Protest diese Quasselflut jedes Mal über sich ergehen. Er hatte das Gefühl, dass der Andere unruhig und potenziell nerviger wurde, wenn er sein erzwungenes Schweigen nicht hin und wieder brechen durfte. Am Ende seines Monologs sah Fye ihn aufmerksam und fragend an. Gibt es etwas Neues?, sollte das wohl heißen und der Ninja verstand es. „Ich habe dem König versucht zu erklären, dass wir auf der Suche nach Shaolan und Sakura sind.“ Er benutzte ihre Namen, weil Fye wenigstens diese verstand. „Bisher scheint niemand hier sie gesehen zu haben.“ Kurogane schüttelte den Kopf. „Es bleibt also erst einmal alles beim Alten.“ Er zeigte auf sich, dann auf den Magier und dann auf den Boden. Konzentriert hörte Fye ihm zu und nickte schließlich. „Der König sagte, dass seine Soldaten am Ende des Monats Sold erhalten und wir dann auch welchen bekämen.“ Nun deutete sein Finger auf ihre Waffen, die an der Wand lehnten und rieb anschließend Zeigefinder und Daumen aneinander. Ob das auch in anderen Welten als Zeichen für Geld verstanden wurde? Fye kniff die Augen nachdenklich zusammen, ehe man ihm das „Ah“ in der Mimik ansehen konnte und er erneut nickte. Er ahmte das Zeichen nach und sagte ein Wort (oder waren es mehrere?) in seiner Muttersprache. „Ich hoffe, dass wir bis zum Ende des Monats die Kinder und den Klops gefunden haben.“ Kurogane seufzte und kassierte dafür wieder einen fragenden Blick. „Oder wenigstens den Klops“, fügte er genervt über die umständliche Konversation hinzu. Große, fragende Augen blinzelten ihn an. „Mokona.“ „Ahhh~“, quietschte Fye, nahm ein weißes Kissen und knautschte es in eine Form, die Mokona zumindest entfernt ähnlich sah. „Ja, genau die“, brummelte Kurogane, bevor ihm besagtes Mokona-Kissen ins Gesicht flog und schallendes Gelächter den Raum füllte.   „Wie macht dein Begleiter das eigentlich?“ „Was?“, gab Kurogane auf die Frage des Soldaten zurück. „Wenn er nichts hören kann, wie kann er da so gut kämpfen?“ Sie waren gerade von einer erneuten Schlacht zurückgekehrt, die vor allen Dingen keine neuen Erkenntnisse gebracht hatte. Außer vielleicht der, dass Fye ein verdammt guter Bogenschütze war. In den ersten Kämpfen hatte Kurogane dem Anderen signalisiert, dass er sich ja soweit wie möglich aus dem aktiven Kampfgeschehen heraushalten sollte (dass Fye Pfeil und Bogen als Waffe gewählt hatte, half da immens), denn der Ninja wusste ja, dass der Magier entgegen seiner Behauptung, noch nicht sterben zu können, sehr wenig Lebenswille hatte. Er musste also gegen die Krieger Ashuras antreten und gleichzeitig immer ein Auge auf den Idioten haben, denn er wollte den Kindern später nicht sagen müssen: „Oh, der Magier? Der ist tot.“ Nein, Fye hatte es geschafft, dass Sakura, Shaolan und Mokona trotz seiner verschlossenen und ominösen Art an ihm hingen, das würde sie also schwer treffen. Heute war es bei der Schlacht jedoch so gekommen, dass einer der feindlichen Soldaten Kuroganes Reittier hatten verletzen können, sodass er plötzlich eine leichtere Beute für die Krieger geworden war und einer von ihnen sehr wahrscheinlich einen Treffer hätte landen können, wenn die Gegner nicht schnell hintereinander von Pfeilen getroffen worden wären. „Du sollst zurückbleiben!“, hatte der Ninja ihn angeschrien und er konnte sich sicher sein, dass Fye dies verstanden hatte. „Er kann ein wenig Geräusche wahrnehmen“, antwortete Kurogane schließlich auf die Frage des Kriegers, während der, über den gesprochen wurde, aufmerksam zwischen den anderen Soldaten und seinem Gefährten hin und her blickte. Die anderen Krieger schienen sich mit dieser halbherzigen Antwort zufrieden zu geben, allerdings war die Fragerunde wohl noch nicht beendet. „Und wie kommt es, dass sein Haar so hell ist?“, fragte ein weiterer Soldat. „Was weiß ich“, murrte Kurogane, „Laune der Natur?“ „Behältst du ihn deswegen immer so nah bei dir?“ „Hä?“ „Weil er etwas Besonderes ist?“ Kuroganes Mimik wandelte sich zum Inbegriff von 'dumm aus der Wäsche gucken', als er dies hörte. Was sollte er darauf antworten? Die Wahrheit war nicht drin und er hatte keine Lust, noch weitere Lügenmärchen zu erfinden. Darin war jemand anderes besser als er. Doch der musste ja schweigen. Als wäre es sein Stichwort gewesen (Fye musste die Atmosphäre gedeutet haben), lächelte der Magier, nickte, griff zu Kuroganes Unglauben auch noch nach seinem Arm und rückte dem Anderen für dessen Verständnis viel zu nah auf die Pelle. Der Blick der anderen Krieger verriet, dass sie eine Antwort auf eine Frage erhalten hatten, die sie gar nicht laut hatten stellen wollen und ließen daraufhin die beiden Neuen ihres Weges ziehen. „Die denken doch jetzt sonst was“, grummelte Kurogane, als sie außer Hör- und Sichtweite waren und befreite seinen Arm aus Fyes Griff. „Du bist höchstens besonders nervtötend.“ Als Reaktion bekam er ein breites Grinsen und ein Kuro-“irgendwas.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)