Animus captimente von yamimaru ================================================================================ Epilog: [20. September] "Ich bin zu Hause." ------------------------------------------- Für einen kurzen Moment blieb er stehen und sah in den kornblauen Himmel, nachdem er ins Freie getreten war. Die milde Herbstsonne schien ihm ins Gesicht, ließ ihn leicht geblendet blinzeln. Tief atmete er durch, als sich die automatischen Schiebetüren mit leisem Zischen hinter ihm schlossen. Natürlich hatte er in den letzten Monaten die Rehaklinik das ein oder andere Mal verlassen, schließlich war er kein Gefangener gewesen – zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Zeit mit seinen Männern zu verbringen, war ihm ebenso gestattet gewesen, wie Spaziergänge ins nahe liegende Dorf. Dennoch war die Erleichterung, nun frei zu sein, so stark, dass sie ihm für einen Herzschlag den Atem raubte. Er konnte es noch immer kaum fassen, dass er heute endlich nach Hause fahren würde.   Erfreut stellte er fest, dass das bestellte Taxi schon bereitstand. Als er sich dem Fahrzeug näherte, trat ein gepflegter Mann in mittlerem Alter auf ihn zu, begrüßte ihn freundlich und nahm ihm seine kleine Reisetasche ab. Er bedankte sich höflich, stieg in das klimatisierte Fahrzeug und wartete, bis sich die Türen mit leisem Piepen geschlossen hatten. Die Fahrt zum nächst größeren Bahnhof, von dem aus er den Hochgeschwindigkeitszug nach Tokyo nehmen würde, würde beinahe eine Stunde dauern, aber das war es ihm wert. Ebenso wie der kleine Umstand, dass er sich sein Gepäck nachschicken ließ. Natürlich hätte er alles einfacher haben können und seine Männer bitten, ihn abzuholen, aber Reita und Aoi wussten noch gar nicht, dass er schon entlassen worden war. Ein feines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er seinen Blick nach draußen richtete, wo die idyllische Landschaft wie in einem kitschigen Heimatfilm an der Scheibe vorbeizog. So wunderschön und erholsam diese Gegend auch sein mochte – er konnte es kaum erwarten, endlich wieder den Trubel der Großstadt um sich zu wissen. Er vermisste das hektische Hin und Her beinahe genauso sehr wie seine Arbeit. Seine Männer und ihre gemeinsamen Routinen waren es jedoch, nach denen er sich in den letzten Monaten am meisten gesehnt hatte.   »Ich bin jetzt unterwegs«, schrieb er Kai, seinem Verbündeten und dem Einzigen, dem er verraten hatte, dass er zwei Tage früher als geplant nach Hause kommen würde. Gerade wollte er das Handy zurück in seine Tasche stecken, als auch schon die Antwort ihres Leaders auf dem Display aufleuchtete.   »Wir sind im Studio. Wann kommst du an?«   »Gegen zwei. Kannst du Aoi und Reita bis ungefähr halb fünf hinhalten? Ich muss noch was erledigen.«   »Eine meiner leichtesten Übungen. Ruha? Tut gut, zu wissen, dass du nach Hause kommst.«   Uruha lächelte, schloss für einen Moment die Augen, bevor er antwortete: »Glaub mir, ich kann es kaum erwarten, euch alle wiederzusehen. Vielen Dank für alles und … wir sehen uns morgen.«   Er verstaute das Mobiltelefon in seiner Umhängetasche, holte dafür ein kleines Buch samt Kugelschreiber daraus hervor und schlug es auf. Er musste sich bald ein Neues zulegen, stellte er fest und tippte mit der Stiftspitze auf eine der wenigen unbeschriebenen Seiten. Seit er im Krankenhaus aufgewacht war, hatte er fast jeden Tag geschrieben, obwohl er sich an kaum mehr als Bruchstücke und Gefühle aus seiner Zeit im Wachkoma erinnern konnte. Die Ärzte hatten ihm versichert, dass das keinesfalls ungewöhnlich war, dennoch fühlte er sich, als würden die Erinnerungen nur darauf warten, endlich hervorbrechen zu können. Als befänden sie sich nur knapp unter der Oberfläche seines Bewusstseins, wo er sie zwar als Schatten wahrnehmen, sie aber nicht sehen konnte.   Noch heute hatte er hart daran zu knabbern, was Reita und Aoi ihm berichtet hatten. Waren sie wirklich in seinem Unterbewusstsein gewesen und hatten dort Fragmente seiner selbst vorgefunden? Seine erste Reaktion auf diese fantastische Geschichte war ein herzhaftes Lachen gewesen, oder zumindest wäre es das, wäre er zu diesem Zeitpunkt nicht noch so unglaublich schwach gewesen. Aber je mehr Zeit verstrichen war, desto sicherer war er sich geworden, dass seine Männer ihm die Wahrheit sagten. Warum auch sollten sie sich so etwas Unglaubliches ausdenken? Mittlerweile wusste er tief in seinem Inneren, dass alles genau so geschehen war, wie die beiden ihm geschildert hatten, auch wenn ihm bis heute jegliche Erinnerungen daran fehlten. Manchmal glaubte er, den Ereignissen nahezukommen, Bilder eines eleganten Hauses vor seinem geistigen Auge aufflackern zu sehen. Aber diese Momente dauerten nie lange an und hinterher stellte er sich immer die Frage, ob er sich das alles nicht nur eingebildet hatte. Vielleicht wollte er sich so sehr an alles erinnern, dass sich die Realität mit den Erzählungen seiner Männer mischte und etwas vollkommen Neues erschuf, das so nie passiert war? Uruha seufzte, schaute eine Weile aus dem Fenster, bevor er zu schreiben begann.   Was ihr alles durchgemacht habt, um mich zurückzuholen. Ach, was sage ich? Was ihr alles mitgemacht habt – Punkt. Und warum das alles? Nur weil ich mich von meinen Unsicherheiten habe übermannen lassen und kopflos reagiert habe. Es tut mir so unendlich leid, wisst ihr das? Natürlich tut ihr das, ich habe es euch schon mehr als einmal gesagt, seit ich aufgewacht bin. Dennoch. Vermutlich wird es noch eine ganze Weile dauern, bis ich mich nicht mehr schuldig fühle. Und nicht nur euch gegenüber. Ich weiß, dass auch Ruki und Kai sich um mich gesorgt haben, dass ich es ohne die Hilfe von euch Vieren vermutlich nie in die Realität zurückgeschafft hätte. Eure Erlebnisse hören sich noch immer so fantastisch an, dass ich sie kaum begreifen kann. Teilweise wünschte ich, ich könnte mich erinnern, teilweise bin ich froh, dass dem nicht so ist. Ich wüsste nicht, wie schuldig ich mich erst fühlen würde, würde ich unumstößlich wissen, durch welche Hölle ich euch geschickt habe. Ruki, Kai, ich weiß wirklich nicht, wie ich euch danken soll. Natürlich wusste ich auch schon vor alle dem, dass wir gute Freunde sind. Aber dass unsere Freundschaft so tief reicht, war mir bislang nicht klar gewesen. Ihr habt alles, was geschehen war, bedingungslos akzeptiert, so vieles getan, um Aoi und Reita zu unterstützen. Das nennt man wohl Vertrauen, was? Und ich glaube, es braucht einen ganz besonderen Schlag Mensch, um dieses bedingungslose Vertrauen aufbringen zu können. Ich bin euch so dankbar. Aoi, ich sehe noch immer die Anstrengungen der letzten Monate in deinem Gesicht. Die Sorgenfältchen um deinen schönen Mund sind tiefer geworden, die Schatten unter deinen Augen dunkler. Du hast immer versucht, stark zu sein, dir nichts anmerken zu lassen, wenn wir die wenige Zeit, die uns in den letzten Monaten gewährt war, gemeinsam verbracht haben. Aber du kannst dich ebenso wenig vor mir verstecken wie ich mich vor dir. Ich sehe den Schmerz in deinem Blick, die Angst und die Schuld, die du dir noch immer an allem gibst. Aber ich verspreche dir, dass ich alles daran setzen werde, diese schmerzhaften Emotionen nach und nach auszuradieren. Reita, mein Schatz, du bist noch immer so ungewohnt dünn. Obwohl du mir stolz erzählt hast, dass du wieder ins Fitnessstudio gehst, haben die Ereignisse dennoch sichtbare Spuren hinterlassen. Du hast am meisten gelitten – deine Seele vermutlich noch mehr als dein Körper. Du warst so unglaublich stark, hast nie aufgegeben, auch als du glaubtest, mit deinen Vermutungen allein dazustehen. Du hast so ein großes, wunderschönes Herz, das Herz eines Kriegers, der keine Niederlage akzeptiert. In schwachen Augenblicken frage ich mich, womit ich es verdient habe, einen Platz darin mein Eigen nennen zu dürfen. Aber genau diese Gedanken sind es, an denen ich arbeiten muss, nicht wahr? Denn ich weiß, dass wir alle – Aoi, du und ich – Plätze in unseren Herzen für den jeweils anderen offen halten. Ach, Rei, auch du versuchst, deinen Schmerz vor mir zu verbergen, wie du es schon immer getan hast. Wir kennen uns schon so lange, denkst du wirklich, ich nehme dir deine Scharade ab? Ich sehe die Schatten in deinen Augen, wenn du dich unbeobachtet fühlst, spüre das Zittern deiner Hände, wenn du über meine Haut streichelst. Hast du noch immer Angst, mich zu verlieren? Das musst du nicht, nie wieder, das verspreche ich dir. Meine geliebten Männer, ich kann euch nur noch einmal sagen, wie leid mir alles tut.   Uruha blinzelte, als sich das Papier an einer Stelle kräuselte, die Tinte kreisrund zu verschwimmen begann. Verstohlen wischte er sich über die Augen, obwohl die Trennscheibe zum Fahrer heruntergelassen war. Er schätzte den Mann zwar als so professionell ein, dass er seinen kleinen Anflug der Schwäche ignorieren würde, selbst wenn er ihn mitbekommen hätte, dennoch musste man ja nichts riskieren. Vorsichtig trocknete er die Träne, die in sein Tagebuch gefallen war, bevor er weiterschrieb.   Ich weiß nicht, ob ihr das hier jemals lesen werdet. Zwar hat uns die letzte Zeit bewiesen, dass es Situationen gibt, in denen nicht einmal die intimsten Gedanken privat bleiben können, aber ich hoffe sehr, dass das nie wieder nötig sein wird. Dennoch, wer kann schon sagen, ob dieser Eintrag auf ewig zwischen den Seiten dieses Tagebuches verborgen bleibt? Vielleicht werde ich es irgendwann selbst sein, der euch daraus vorliest. Ich möchte euch eines schwören. Nein, eigentlich sind es viele Dinge, die ich euch versprechen will. Kommunikation ist das eine, Fürsorge das andere und sämtliche Nuancen dazwischen. Ich möchte euch versprechen, dass ich offener zu euch sein will. Reita, als ich damals mit Aoi zusammengekommen bin, hast du etwas zu mir gesagt, das heute mehr denn je in meinem Inneren nachhallt. „Eine Beziehung ist nichts, wovor du dich fürchten musst, nur etwas, woran du jeden Tag ein wenig arbeiten solltest.“ Ich glaube, ich verstehe erst jetzt so richtig, was du damit gemeint hast. Vermutlich habe ich die tiefe Freundschaft, die uns beide schon immer verbindet, als selbstverständlich angesehen. Ich hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass du schon merken würdest, wenn es mir nicht gut geht, so wie du es immer getan hast. Das war nicht fair von mir, dir gegenüber nicht und Aoi gegenüber auch nicht. In den letzten Wochen habe ich dieses innige Band, das uns verbindet, oft als Videospiel bezeichnet. Ja, ich weiß, das ist ein ziemlich seltsamer Vergleich, den du mir hoffentlich nicht übel nimmst. Aber hey, ich liebe Games mindestens genauso sehr wie du, ist er dann nicht schon wieder passend? Unser Kennenlernen zu Schulzeiten war die Einleitung, unsere innige Freundschaft der Hauptteil und unsere Beziehung mit Aoi ist nun der finale Level. Ein Level, den ich meistern werde, komme, was da wolle. Es war nicht fair von mir, so vieles als gegeben hinzunehmen, ohne dir und Aoi die Chance zu geben, verstehen zu können, was in mir vorgeht. Aoi, ich habe es dir nie leicht gemacht, nicht wahr? Was meine eigenen Emotionen angeht, war ich schon immer ein sehr ängstlicher Mensch. Ich habe mein Leben lang mit Zurückweisung reagiert, wenn ich dachte, ein anderer könnte mir so nahekommen, dass ich verletzt werden könnte. Aber damals – kurz vor Beginn unserer Beziehung – hast du mich durchschaut, hast dich von mir nicht täuschen lassen, und ich bin dir noch immer so dankbar dafür. Obwohl wir schon so lange zusammen sind und ich dir mittlerweile so sehr vertraue, wie ich es zuvor nur von Reita kannte, hat mich diese alte Angst am Tag des Unfalls übermannt. Auch heute könnte ich dir nicht erklären, was der Auslöser gewesen ist. Warum mich meine lang vergessenen Unsicherheiten eingeholt und mein rationales Denken ausgeschaltet haben. Aber ich weiß jetzt, dass es nicht gut ist, alles Schlechte, das sich in meiner Psyche tummelt, mit mir selbst ausmachen zu wollen. Selbst, wenn mir mein Kopf in diesen Momenten einredet, dass ich euch eine Last bin. Im Endeffekt belastet euch mein Schweigen viel mehr. Ich weiß, dass es Mut und Ausdauer auf meiner Seite brauchen wird, über meinen Schatten zu springen. Aber nur, wenn ich euch ehrlich Bescheid sagen kann, falls es in mir wieder einmal dunkel wird, habt ihr die Chance, das Licht in mein Herz zurückzubringen. Und ich hoffe, wenn ich mit gutem Beispiel vorangehe, werdet ihr mir irgendwann folgen können. Denn ich bin kein sensibles Pflänzchen, das immer von euch beschützt werden muss. Natürlich würde ich lügen, würde ich behaupten, dass ich nicht hin und wieder gerne von euch verwöhnt und auf Händen getragen werde, aber nicht immer. Nicht, wenn ihr euch deswegen in meiner Gegenwart verstellt, nur um alles Negative von mir fernzuhalten. Es gibt Dämonen, an denen ich arbeiten muss, Hürden, die wir nur gemeinsam überwinden können, aber nichts, worunter wir alleine in Einsamkeit leiden müssen. Ich möchte gestärkt aus dieser besonders für euch beide so traumatischen Zeit hervorgehen, darum schreibe ich diesen Eintrag. Damit ich mich auch an dunklen Tagen an die Entschlossenheit zurückerinnern kann, die mich in diesem Augenblick erfüllt. Ich will ebenso ein Anker für euch sein, wie ihr mir der Fels in der Brandung seid. Und was den Teil mit der Fürsorge angeht – lasst euch überraschen. Ich bekomme euch schon wieder aufgepäppelt und fange damit gleich heute Abend an.   Er klappte das Buch zu und steckte es in seine Tasche zurück, als das Taxi auf den Vorplatz des Bahnhofs einbog. Der Fahrer war schnell bezahlt und bevor er es sich versah, stand er mit seinem minimalen Gepäck am Bahnsteig und wartete auf den Fernzug nach Tokyo. Der vor einer Stunde noch strahlend blaue Himmel hatte sich bewölkt und in der Ferne konnte er eine Regenfront erkennen, die den Horizont hinter einem Vorhang grauer Schlieren verbarg. Für einen Moment presste er die Lippen aufeinander, bevor er sich bewusst dafür entschied, sich durch das Wetter seine gute Laune nicht verderben zu lassen. Ja, er hatte geplant, für seine Männer ein Picknick vorzubereiten, und ja, der Regen würde ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen, aber eine Planänderung würde nicht das Ende der Welt bedeuten.   Er blickte sich um, fand eine freie Bank auf dem Bahnsteig und ging darauf zu. Es erschreckte ihn noch immer, wie schwach sein Körper war. Allein die wenigen Meter vom Taxi hierherzulaufen und das marginale Gewicht seiner Reisetasche zu tragen, hatten ihn ermüdet. Er fragte sich wirklich, wann er wieder fit genug für einen normalen Arbeitstag, geschweige denn für einen Auftritt oder sogar eine Tour sein würde. Im Moment konnte er sich das alles noch überhaupt nicht vorstellen, obwohl er sich so sehr nach seinem alten Leben sehnte. Andererseits hatte er in den zurückliegenden Wochen derart große Fortschritte gemacht, mit denen nicht einmal die Ärzte gerechnet hatten, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis er wieder sein energiegeladenes Selbst sein würde. Er hoffte es, hoffte es mit aller Macht.   ~*~   „Na endlich.“ Reita reckte die Arme in die Luft und gähnte ungeniert, während er gemeinsam mit Aoi, Kai und Ruki ihr Studio verließ. „Wollen wir noch was trinken gehen?“, fragte er in die Runde, drehte sich im Gehen herum und schaute seine Kollegen nacheinander an.   „Ja, warum ni…“, setzte Ruki an, doch Kai unterbrach ihn, indem er ihm einen Arm um die Schultern legte und ihn nah an sich zog.   „Du wirst doch nicht etwa vergessen haben, dass wir heute Abend schon was vorhaben? Und ihr …“ Damit wandte sich ihr Leader an Aoi und ihn, „… solltet zusehen, dass ihr nach Hause kommt, wir haben bis Ende der Woche einen bis unter die Decke vollgestopften Terminplan. Ich hab kein Interesse daran, irgendwelche Leidensgeschichten von Katern oder zu wenig Schlaf zu hören zu bekommen.“   „War ja nur eine Frage“, murmelte Reita etwas eingeschnappt ob der harschen Zurechtweisung.   „Vorsicht“, meldete sich da plötzlich Aoi zu Wort und packte seinen Arm. „Du solltest wirklich nicht gleichzeitig rückwärtslaufen und dich unterhalten.   „Was? Wieso?“ Verdutzt blinzelte er, drehte sich herum und sah den Polder, über den er ohne Aois Eingreifen sicherlich gestolpert wäre. „Ups.“ Er grinste und rieb sich über den Nacken, während sich die anderen mehr oder weniger köstlich über sein Beinahe-Missgeschick amüsierten. „Immerhin bringe ich euch zum Lachen, das hat doch auch was für sich.“ Aoi schüttelte nur bemüht geduldig den Kopf, zog ihn ein kleines Stück näher und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.   „Mir ist es lieber, du passt besser auf dich auf.“   „Ja, hör auf Aoi. Viel ist zwar nicht kaputt, wenn du auf deine Rübe fällst, aber …“   „Ey! Was soll das denn bitte heißen?“ Mit einem Satz hechtete er auf Ruki zu, der diesen Angriff jedoch schon hatte kommen sehen und sich feige hinter Kai in Sicherheit brachte. „Olle Kröte. Erst den Schnabel aufreißen und sich dann verstecken.“   „Kröten haben keine Schnäbel und ich handle nur vorausschauend.“   „Kinder“, mischte sich Kai mit breitem Grinsen auf den Lippen ein, während Reita noch immer versuchte, an Ruki heranzukommen. Erst Aois Arme, die sich überraschend zärtlich um seine Mitte legten und der warme Atem, der reizvoll über seinen Nacken strich, überzeugten ihn davon, dass es interessantere Dinge gab, die seiner Aufmerksamkeit bedurften.   „Lass uns heimfahren, mh?“, raunte sein Liebster in sein Ohr und in diesen wenigen Worten lagen so viele Versprechen, dass sich Reitas Magen in Vorfreude zusammenzog.   „Na schön“, murrte er dennoch, schließlich musste der Schein gewahrt werden, und setzte sich in Richtung ihrer Fahrzeuge in Bewegung. „Aber wenn Uruha am Freitag wiederkommt, wird gefeiert. Vollgestopfter Terminplan hin oder her.“ Seine letzten Worte hatten Kai gegolten, der dies mit einem Augenrollen, aber Lächeln auf den Lippen kommentierte.   „Meinetwegen“, lenkte der Leader ein.   „Kommt gut heim“, ergänzte Ruki, der sein menschliches Schutzschild aufgegeben hatte und Reita nun irgendwie verschwörerisch zuzwinkerte. Er hatte jedoch keine Zeit mehr, ihren Sänger zu fragen, was nun schon wieder in seinem Oberstübchen vor sich ging, denn Aoi hatte bereits den Wagen gestartet.   „Ihr auch“, erwiderte er also nur noch kurz, winkte und stieg zu seinem Liebsten ins Auto.   „Raus mit der Sprache“, verlangte Ruki, während Kai und er dabei zusahen, wie ihre beiden Freunde vom Parkplatz fuhren und sich in den abendlichen Verkehr einreiten. „Von wegen, wir hätten schon was vor und der Terminplan ist voll. Was ist der wahre Grund, weshalb du heute nicht ausgehen wolltest?“   „Wer sagt dir, dass es einen anderen Grund als den gibt, den ich genannt habe.“ Kais Lächeln blieb ungetrübt, während er nach Rukis Hand griff und ihre Finger miteinander verschränkte.   „Du kannst vielleicht unsere Saitenfraktion überzeugen, indem du den Leader raushängen lässt, aber bei mir brauchst du da schon etwas mehr Raffinesse.“   „Du kennst mich einfach zu gut.“   „Das auch.“ Der Sänger betätigte die Fernbedienung seines Wagens und stieg ein, darauf wartend, dass Kai es ihm gleichtun würde. Die Luft im Inneren des Fahrzeugs hätte man schneiden können, so dick war sie, also öffnete er zunächst alle Fenster, bevor er den Motor startete. „Also?“, verlangte er zu wissen, fuhr vom Parkplatz und fädelte sich wie Aoi und Reita vorhin in den Verkehr ein.   „Ich gehe davon aus, dass Uruha mittlerweile zu Hause auf die beiden wartet. Zumindest war das der Plan gewesen.“   „Was?“ Vor lauter Überraschung hätte er beinahe einen Linksabbieger übersehen und beschloss, mit einer weiteren Reaktion zu warten, bis sie die Kreuzung hinter sich gelassen hatten. „Ich dachte, er kommt erst am Freitag nach Hause?“   „Tja, du kennst doch unseren Uruha. Er ist immer für eine Überraschung gut.“   „Wo du recht hast …“ Ruki lächelte, schloss die Fenster, als er die erste Kühle aus der Klimaanlage auf seiner Haut spürte, und drehte stattdessen den Lautstärkeregler des Autoradios nach oben. „Ich bin wirklich froh, dass er wieder da ist.“   „Ich glaube, das sind wir alle.“   „Na, nicht seinetwegen.“   „Ach, nein?“ Des Leaders Blick streifte ihn von der Seite und seine Mundwinkel zuckten verräterisch, als ahnte er, was nun kommen würde. „Warum dann?“   „Weil es sich mit Reita nur halb so gut streiten lässt.“   „Natürlich.“ Kai lachte herzhaft auf, ein Laut, der Rukis Herz jedes Mal höherschlagen ließ, wenn er ihn hörte.   „Gazette is back, bitches!”, rief er über die laute Musik hinweg und grinste. „Also? Wollen wir zur Feier des Tages noch einen Trinken gehen?“   „Ich dachte schon, du fragst nie.“   Ruki lachte leise in sich hinein, während Kais Hand warm und sicher auf seinem Oberschenkel ruhte. Es hatte erneut zu regnen begonnen. Obwohl die Stadt im sie umgebenden Grau zu versinken drohte, wurde er das Gefühl nicht los, sie würde nur für ihn in all ihren Farben und Facetten strahlen.   ~*~   „Ach, Mensch, ich wäre wirklich gern noch auf ein Bierchen weggegangen.“   Uruha zuckte zusammen, als er erst die Eingangstür und dann Reitas Stimme im Flur hörte. Augenblicklich begann sein Herz schneller zu schlagen und seine Hände wurden feucht. „Schlimmer als ein Teenager vorm ersten Date“, wisperte er zu sich selbst, ließ noch einmal den Blick über die Dinge gleiten, die er vorbereitet hatte, und näherte sich seinen Männern auf leisen Sohlen.   „Ach, komm“, sagte Aoi gerade beschwichtigend, als er bemüht unauffällig in den Flur spähte, wo die beiden noch immer bei der Tür standen. Mit leisem Klicken fiel sie ins Schloss, nachdem Reita ihr einen kleinen Schubs gegeben hatte. Es war schummrig in der Wohnung – er hatte kein Licht angemacht, um sich nicht zu verraten – und der Regen prasselte gegen die Scheiben. „Wenn du ehrlich bist, hat Kai schon recht damit, dass wir es langsam angehen sollten.“   „Ich wollte doch nur ein Bier und nicht gleich den gesamten Alkoholvorrat der nächstbesten Bar trinken.“   „Das kann man bei dir nie wissen, mein Schatz.“ Aoi lachte, als ihm Reita angedeutet mit der flachen Hand auf den Hintern schlug.   „Immer diese Unterstellungen“, raunte sein Liebster, hatte Aoi gegen die Flurwand gedrängt und presste sich nun in eindeutiger Weise gegen ihn. „Du hast doch sicherlich schon eine Idee, wie du mir diesen Verzicht versüßen kannst, oder?“   „Mmmh, mal überlegen.“ Uruha konnte das kurze Aufblitzen Aois weißer Zähne erkennen, bevor die schönen Lippen von Reita gierig in Beschlag genommen wurden. Sein Magen kribbelte, als er seine Männer bei ihrem Tun beobachtete. Als Aois Hand an Reitas Rücken hinabglitt, nur um unter dem Bund der locker sitzenden Jeans zu verschwinden, entkam ihm ein leises Seufzen.   „Uruha!“ Er hätte nicht sagen können, von wem dieser Ausruf gekommen war. Die beiden Blicke, mit denen er sich nun konfrontiert sah, raubten ihm nämlich jede Fähigkeit, einen klaren Gedanken zu fassen.   „Oh“, machte er mangels eines intelligenteren Ausspruchs, bis sich schließlich ein verstohlenes Lächeln auf seine Lippen schlich. „So war das jetzt zwar nicht geplant, aber … Überraschung!“ Er breitete die Arme aus, als würde er sich selbst feiern wollen oder seine Männer einfach nur einladen, zu ihm zu kommen. Reita hielt nichts von Subtilität, denn im nächsten Moment hatte er Uruha um die Taille gepackt, trotz ihres Größenunterschieds hochgehoben und drehte sich mit ihm im Kreis.   „Was machst du denn schon hier?“, hörte er ihn irgendwo an seiner Halsbeuge nuscheln, während er selbst zum ersten Mal seit Langem ehrlich befreit auflachte.   „Was ist das für eine Frage?“, japste er atemlos, nachdem Reita ihn wieder auf seine Beine gestellt hatte. „Ich hab es einfach nicht mehr länger ohne euch ausgehalten.“ Aoi war nähergetreten, schlang nun ebenfalls die Arme um seine Mitte und drückte ihn fest gegen sich. Gleichzeitig konnte er noch immer Reita spüren, der sich gegen seinen Rücken lehnte. Er suchte die Hand seines Liebsten, verschränkte ihre Finger miteinander und vergrub sein Gesicht gegen Aois Schulter. „Ich bin so froh, wieder bei euch zu sein.“   „Und wir erst.“ Reitas Stimme klang belegt und wenn er sich genau darauf konzentrierte, konnte er das feine Zittern spüren, das den kleineren Körper bei jedem Atemzug durchfuhr. Aber er tat so, als hätte er nichts bemerkt, schluckte den Kloß in seiner Kehle herunter und atmete tief durch.   „Aber mal im Ernst“, begann Aoi irgendwann, nachdem sie eine kleine Ewigkeit unbewegt verharrt waren. „Nicht, dass ich mich nicht freuen würde, dass du hier bist, aber … hättest du nicht erst am Freitag entlassen werden sollen?“ Er hörte die leichte Sorge in der Stimme seines Geliebten und musste unwillkürlich schmunzeln.   „Glaubst du wirklich, ich hätte mich aus der Klinik geschlichen, nur um zwei Tage früher als geplant bei euch sein zu können?“   „Zuzutrauen wäre es dir“, nuschelte Reita gegen seinen Nacken, bescherte ihm damit eine dicke Gänsehaut und kassierte von ihm einen gerechtfertigten Rempler.   „Sei nicht so frech“, tadelte er, richtete sich etwas auf und blickte lächelnd über die Schulter zu seinem Lieblingsbassisten. „Seid froh, dass ich nicht so bin und euch diese infame Unterstellung jetzt übel nehme.“ Er lächelte neckend und küsste erst Reitas, dann Aois Nasenspitze. „Es ist alles mit den Ärzten abgesprochen, macht euch keine Sorgen. Kommt erst mal richtig an – ich hab was für uns vorbereitet.“   Es fiel ihm erstaunlich schwer, sich von seinen Männern zu lösen und mit einem lockenden Lächeln auf den Lippen rückwärts in Richtung Wohnzimmer zu gehen. „Und übrigens …“, fiel ihm noch etwas ein, „… ich hab eure kleine Show gerade sehr genossen. Das könnt ihr später doch sicherlich noch mal wiederholen, oder?“   ~*~   Vor den Fenstern war es dunkel geworden, doch der Regen trommelte noch immer unnachgiebig gegen die Scheiben. Er war auch das einzige Geräusch im Wohnzimmer, eine monotone Melodie, die Uruha in diesem Moment jedoch wie das schönste Lied vorkam. Er hatte ihre Möbel, soweit es ihm möglich war, aus dem Weg geschoben, um in der Mitte des Raumes das Picknick auszubreiten, das er ursprünglich für den Park geplant hatte. Von den vielen Delikatessen, die er früher am Tag besorgt hatte, waren nur noch Kleinigkeiten übrig und der Inhalt der leeren Weinflasche wärmte sicherlich nicht nur seinen Magen. Er lehnte gegen das Sofa, Reita lag neben ihm auf dem Boden ausgestreckt und hatte den Kopf in seinen Schoß gelegt. Aoi saß gegen seine rechte Seite gelehnt, das bauchige Weinglas und somit den letzten Rest seines Weines schwenkend und lächelte dieses geheimnisvolle Lächeln, welches Uruhas Inneres stets in Aufruhr versetzte.   „Woran denkst du?“, fragte er flüsternd, während seine Finger ununterbrochen durch Reitas blonde Strähnen kämmten.   „Um ehrlich zu sein, denke ich seit Langem einfach an nichts. Ich genieße nur den Moment mit euch.“ Reita hob kurz den Kopf an, lächelte Aoi zu und tastete nach seiner Hand, um ihre Finger miteinander zu verschränken.   „Das freut mich“, murmelte Uruha, stupste mit der Nase gegen Aois Wange, bis er den Kopf drehte und er ihm einen Kuss auf die Lippen drücken konnte. „Ich wünsche mir, dass wir in nächster Zeit viele dieser Momente haben werden, die wir zusammen genießen können.“   „Ich mir auch.“ Reita hatte sich auf den Rücken gedreht und lächelte sie nun von unten her an. „Nach allem, was wir erlebt haben, haben wir uns das mehr als nur verdient, würde ich behaupten.“   „Hört, hört“, meinte Aoi amüsiert, beugte sich hinunter und küsste ihren tapferen Schatz, der so vieles durchmachen musste. Keinen Augenblick später lehnte auch Uruha sich vor und verschloss die weichen Lippen mit den Eigenen.   „Und diese Momente werden wir uns auch nehmen, ja?“ Seine Männer nickten und Wärme schien sein Herz von allen Seiten zu umringen. „Ich hab euch so sehr vermisst.“   „Und wir dich erst“, wisperte Reita.   Aoi nickte und der Blick, mit dem er Reita und ihn bedachte, hätte liebevoller nicht sein können. Für einen Moment kehrte die Stille zurück, dann räusperte sich ihr Geliebter beinahe etwas peinlich berührt. „Wollen wir zur Feier des Tages den Schampus aufmachen, der gefühlt seit einem Jahr bei uns im Kühlschrank steht?“, lenkte der kleine Softie vom Thema ab, was Uruhas Lächeln nur noch eine Spur breiter werden ließ. Aber er sparte sich einen Kommentar diesbezüglich. Lieber sah er Aoi dabei zu, wie er sich zum Stehen aufrichtete, nicht aber, ohne Reita und ihm noch einen weiteren Kuss gegeben zu haben.   „Gute Idee“, erklärte er also nickend und ergänzte mit sicherlich leuchtenden Augen: „Unsere Badewanne habe ich übrigens auch sehr vermisst.“   „Das nenne ich mal den Zaunpfahl des Tages.“ Reita lachte, als auch er sich erhob und ihm auffordernd die Hand hinhielt. „Was meinst du, Aoi, soll ich unserem Schatz ein Schaumbad einlassen, während du dich um den Champagner kümmerst?“   „Hört sich gut an.“   „Und was ist meine Aufgabe in eurem Masterplan?“ Seine Männer sahen ihn nur für einen Moment an, bevor sich auf ihre Züge ein beinah exakt gleiches, anzügliches Lächeln legte. „Vergesst, dass ich gefragt habe.“ Er grinste, zog sich an Reitas Arm nach oben und begann, die Reste ihres Essens zusammenzupacken. „Ich kann das hier ja wenigstens noch in den Kühlschrank räumen, bevor es schlecht wird.“   „Tu, was du nicht lassen kannst, mein Schatz“, trällerte Aoi aus der Küche und klang dabei so fröhlich gelöst, dass Reita und er sich für einen Moment verblüfft anstarrten.   „Ich wundere mich jetzt nur ein wenig und freue mich mehr über seine gute Laune, okay?“   „Ja, so werde ich das auch machen.“ Für einen Moment schaute Reita noch in Richtung Küche, bevor er sich wieder an ihn wandte: „Ich hab dich lieb, Ducky.“   Ein sanfter Kuss landete auf seiner Stirn und bevor sein Liebling auf Abstand gehen konnte, legte er die Arme um ihn und zog ihn näher. „Ich dich auch. Und ich bin dir so dankbar für alles.“   „Das …“   „Sag jetzt bloß nicht wieder: Das musst du nicht, sonst beiß ich dich.“   Reita gluckste und drückte ihm einen Kuss auf den Hals, der ihn leicht erschauern ließ. „Gut, dann hebe ich mir die Antwort für später auf.“   Uruhas Hände glitten auf den Hintern seines Schatzes, wo er kurz, aber nicht zimperlich in eine der festen Backen kniff.   „Eh“, murrte Reita, machte aber keine Anstalten, sich aus seiner Umarmung zu lösen. Uruha seufzte und schloss glücklich die Augen, als warme Lippen über seinen Hals emporstrichen. Der Kuss, in den Reita ihn verwickelte, war so süß und gleichzeitig so leidenschaftlich, dass ihm binnen Sekunden schwindlig zu werden begann. ‚Es tut so gut, wieder bei euch zu sein‘, dachte er und schloss die Augen, die verdächtig zu brennen begonnen hatten. Er war glücklich, wirklich und wahrhaftig glücklich.   Erst, als sie das leise Klirren der Gläser hörten, löste er sich und ließ Reita in Richtung Bad verschwinden. Ein fast sehnsüchtiges Seufzen entkam ihm, was sein Liebster gehört haben musste, denn er drehte sich noch einmal zu ihm um und zwinkerte ihm frech wie ein Lausebengel zu. Leise lachend schüttelte er den Kopf, sammelte endlich die Reste ihres Festmahls ein und lief im Flur Aoi über den Weg. Grinsend musste er ihm Wegzoll in Form eines Kusses leisten, bevor er in der Küche verschwinden konnte. Himmel, wenn das so weiter ging – und verdammt, wie hoffte er, dass es genau so weitergehen würde – würde er morgen vor lauter Glückseligkeit Muskelkater in den Wangen haben.   Die Reste waren schnell verstaut und so ging er noch einmal kurz ins Wohnzimmer zurück. Für einen Moment überlegte er, ob er hier wieder alles an seinen Platz räumen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Dafür hatten sie morgen auch noch genügend Zeit. Sein Blick fiel auf seine Umhängetasche und das Tagebuch, dessen Ecke aus ihr hervorlugte. Er ging darauf zu, nahm es an sich und schlug es auf. Hunderte Gedanken schienen nur auf diesen Impuls gewartet zu haben und stürmten gleichzeitig auf ihn ein. Aber statt dem Drang nachzugeben, sie auf Papier zu bannen, entschied er sich dafür, alles, was ihm unter den Nägeln brannte, seinen Männern persönlich zu sagen. Wenn ihm die Ereignisse der letzten Zeit eines gelehrt hatten, dann, dass er lernen musste, offener ihnen gegenüber zu sein. Bevor ihm also wieder Tausende Zweifel in den Sinn kommen würden, die ihn davon abhalten würden, würde er heute gleich damit anfangen. Er hatte seine Lektion gelernt – das hoffte er zumindest.   „Uruha!“, rief Reita aus Richtung des Bades und untermauerte damit seinen Entschluss.   „Komme schon!“ Er lächelte – schon wieder. Mit einem Mal fühlte sich sein Herz um so vieles leichter an, als er das Buch zurück in die Tasche steckte und aus dem Wohnzimmer ging.   Lange Momente blieb es still, nur leises Murmeln war über den Flur zu hören und das gelegentliche Plätschern von Wasser. Noch immer trommelte der Regen gegen die geschlossenen Fenster und dennoch hörte es sich mit einem Mal so an, als würde der Wind durch das Zimmer fegen. Uruhas Tasche kippte auf dem Sofa um, das Tagebuch rutschte heraus und fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden. Die Buchrücken teilten sich wie in Zeitlupe, gaben den Blick auf den letzten Eintrag frei. Aber die hübsche Handschrift änderte sich nicht, keine roten Buchstaben zogen sich plötzlich über die Seiten. Alles blieb so, wie es sein sollte … Nur der kreisrunde Fleck, wo Uruhas Träne die Tinte zum Verschwimmen und das Papier zum Kräuseln gebracht hatte, begann sich zu glätten, bis er schlussendlich gänzlich verschwunden war.     ~ The End ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)