The Weapon They Fear von stone0902 (Sasuke x Sakura) ================================================================================ Kapitel 6: Sekikawa ------------------- Vor ihnen erstreckte sich eine trostlose Landschaft. Zahlreiche Steine, Schluchten und Felsen umringten Iwagakure und erweckten den Eindruck einer toten Einöde. Kein bisschen Grün war zu erkennen. Keine wehenden Blätter im Wind. Keine bunten Blumen. Für die Ninja, die aus dem Dorf versteckt unter den Blättern kamen, wirkte diese Szenerie genauso trostlos wie die Sandwüste aus Sunagakure. Im Gegensatz zu Suna gab es hingegen genügend Versteckmöglichkeiten. Die Wüste bestand aus einer Fläche voll Sand, in der man Kilometerweit geradeaus schauen konnte. In Iwa gab es zwar keine Bäume, auf die man klettern konnte, aber dafür genügend Felsvorsprünge und Höhlen, in denen man sich verstecken konnte. Diese Landschaft hatte viele Nachteile: Es gab keinen Schutz aus den Baumkronen, sodass die Sonne unerbittlich auf sie herunter schien. Noch dazu verursachten die Felsen keine Geräusche; es gab weder raschelnde Blätter im Wind oder zwitschernde Vögel, noch die leisen Laute von Tierpfoten. Hier konnte sich ein Feind nicht durch knackende Äste verraten, auf die er trat. Ein weiterer Nachteil waren die kaum vorhandenen Wasserquellen.   Wer sollte sich hier schon verstecken?   Vielleicht war es doch wahrscheinlicher, dass der Angreifer aus dem Dorf kam; wenn nicht aus Iwagakure selbst, dann aus einem der umliegenden Orte. Laut der Aussage des Tsuchikages gab es mindestens ein Dorf, das sich weigerte, mit Iwagakure zusammenzuarbeiten. Vielleicht hielt er sich dort auf.   Die Ninja aus Konoha hatten das Eingangstor Iwagakures bereits hinter sich gelassen. Nach dem Gespräch im Kagepalast hatten sie sich mit Team 8 besprochen und anschließend das Dorf verlassen. Nun bahnten sie sich ihren Weg durch die Felsen.   Naruto kickte frustriert einen kleinen Stein vor seinen Füßen weg, der mehrere Meter über den Boden klackerte und dabei seinen Vordermann nur um wenige Zentimeter verfehlte. „Mir gefällt es gar nicht, dass Hinata in Iwagakure bleibt. Was ist, wenn dieser Fatzke es auf sie abgesehen hat? Er war für meinen Geschmack zu sehr an ihrem Byakugan interessiert.“ Mit verschränkten Armen vor der Brust und einem grimmig-besorgten Gesichtsausdruck verzog er gequält das Gesicht. Seine Augenbrauen waren so sehr zusammen gezogen, dass sie sich beinahe berührten.   Vor ihm ging Kakashi. Sein Sensei drehte sich nicht einmal zu ihm um, als er ihm antwortete. „Hinata kann gut auf sich selbst aufpassen.“   Naruto schnaubte, was sich entweder auf Kakashis Desinteresse im Bezug auf die Ängste seines Schülers bezog oder aber auf die Unterstellung, dass er glaubte, Naruto würde Hinatas Fähigkeiten sich selbst beschützen zu können unterschätzen. „Wieso mussten wir uns trennen?“, fing Naruto an zu diskutieren. „Zusammen wären wir stärker gewesen. Von Team Achts Fähigkeiten hätten wir profitieren könnten.“   Irgendwie ließ Sakura das Gefühl nicht los, dass es ihm weniger um Team 8 ging, als um eine bestimmte Person im Einzelnen. Seine Schwärmerei für Hinata war unbestreitbar, auch wenn er weiterhin darauf beharrte, dass die beiden lediglich nur Freunde waren. Sakura verfügte über weibliche Intuition und die schrie sie geradezu an, dass der Uzumaki bis über beide Ohren in die Hyūga verknallt war. Sakura, die neben Kakashi ging, warf einen Blick über ihre Schulter und betrachtete Naruto mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er sich endlich über seine Gefühle klar werden würde und die beiden zusammen kamen. Lange genug hatte Hinata darauf gewartet.   „Team Acht erfüllt seine Mission innerhalb des Dorfes“, erklärte Kakashi gelassen, schon beinahe monoton, „und wir außerhalb. Außerdem ist Pakkun bei ihnen.“   Daraufhin schnalzte Naruto nur missbilligend mit der Zunge, beschwerte sich aber nicht weiter. Dass Kakashis vertrauter Geist bei Team 8 geblieben war, war für ihn anscheinend nur ein schwacher Trost. Schließlich diente der sprechende Ninken nicht als Beschützer, sondern als Informationsaustausch für den Fall, dass Kurenais Team etwas herausfand.   Kakashi hob die Hand und gab das Zeichen stehenzubleiben. Die vier Konoha-Nins standen sich nun in einem Kreis gegenüber. Bisher bewegten sie sich noch auf dem offiziellen Weg, der durch das Erdreich führte.   „Ich schlage vor, wir teilen uns nun auf“, begann Kakashi mit der Erläuterung seines Plans. „Dadurch sparen wir Zeit. Unser Ziel ist es den Mörder des Tsuchikages zu finden. Die beste Sicht erhalten wir aus der Luft, auch wenn wir uns dadurch zu erkennen geben. Sasuke, du und dein Falke werden vom Himmel aus suchen. Du übernimmst Norden und Osten.“ Er nickte dem Schwarzhaarigen kurz zu und wandte sich anschließend an den Blondschopf. „Naruto, mithilfe deiner Schattendoppelgänger können wir einen großen Radius absuchen. Zwei Dutzend sollten erst einmal genügen. Ihr werdet euch um Süden und Westen kümmern. In diesen Bereich fällt auch Yugawa. Bei Sonnenuntergang treffen wir vier uns wieder hier.“   Naruto stieß mit der rechten Faust in die linke Handfläche. „Geht klar!“   „Wir müssen auf die Käfer achten“, sagte Kakashi ernst. „Laut Zeugenberichten sind sie auch außerhalb Iwagakures anzufinden. Sie werden uns vielleicht zum Anwender des Jutsus führen. Außerdem sollten wir in den Dörfern mit den Bewohnern sprechen. Vielleicht haben sie Hinweise, wer es auf den Tsuchikage abgesehen haben könnte. Da Sasuke und ich beide über das Sharingan verfügen gehen wir in getrennten Gruppen. Das erste Team bilden demnach ich und Naruto und das zweite Team Sasuke und Sakura.“   Für einen kurzen Moment antwortete niemand. Sakura wagte es nicht jemandem, vor allem nicht Sasuke, in die Augen zu sehen, und starrte deshalb auf ihre Sandalen. Kakashi wusste doch, dass sie und Sasuke im Moment nicht das beste Verhältnis zueinander hatten. Wieso also entschied er so?   Sasuke schien ähnlich zu denken. „Kakashi–“   „Meine Entscheidung steht fest.“ Nicht nur sein Ton sondern auch sein Blick duldeten keine Widerrede. „Kommt endlich klar mit euren Differenzen. Wir sind ein Team und ich erwarte von euch Teamwork. Das habe ich euch bereits bei eurer ersten Trainingsaufgabe beigebracht. Erinnert ihr euch?“   Sakura fühlte sich wie ein kleines Kind, das von seinen Eltern zurechtgewiesen wurde, weil es etwas angestellt hatte. Aber Kakashi hatte recht. Teamwork stand bei Team 7 an oberster Stelle. Ihr Verhalten war unprofessionell und das würde sie nicht länger zulassen. Sie war inzwischen erwachsen, eine Jō-Nin und Schülerin der fünften sowie des sechsten Hokage. Sasuke Uchiha würde nicht noch einmal dafür verantwortlich sein, dass sie ihre Pflichten vergaß!   Entschlossen hob sie den Kopf und blickte ihren Sensei an, nickte ihm entschieden zu. Dann wanderten ihre Augen herausfordernd zu Sasuke, der Kakashi gegenüber stand. Er sah sie an, die Lippen fest aufeinander gepresst. Sein Blick war anklagend, als wäre alles ihre schuld, als würde sie sein sonst so tadelloses Ansehen beschmutzen. Sie sah schnell wieder weg.   „Noch etwas.“ Kakashi räusperte sich und die folgenden Worte schienen ihm Überwindung zu kosten. „Auch wenn wir den Käfern ausweichen können kann es durchaus vorkommen, dass wir von einem gebissen werden. Außerdem wissen wir nicht, ob der gesuchte Shinobi nicht noch über weitere Jutsus verfügt, die Halluzinationen verursachen oder ob er vielleicht mit vergifteten Waffen kämpft. Achtet deshalb immer auf eure Umgebung und hinterfragt alles, was ihr seht.“ Kakashi schwieg, sah alle drei der Reihe nach an. Als sein Blick an Sakura hängen blieb sprach er weiter. „Da wir uns aufteilen werden muss ich es ansprechen. Euch muss bewusst sein, dass ihr in den Halluzinationen jemanden sehen könnt, den ihr kennt, vielleicht sogar jemandem aus unserem Team.“   Bei diesen Worten spürte Sakura, wie ihr das Herz in den Magen rutschte. Sie konnte nicht anders, als sich persönlich angesprochen zu fühlen. War sie so durchschaubar? Kakashi war ihr Sensei und jahrelanger Vertrauter. Er kannte seine Schüler so gut wie niemanden sonst. Er kannte nicht nur ihre Stärken, sondern auch ihre Schwächen. Dadurch leuchtete ihr auch ein, weshalb sie mit Sasuke gehen sollte – damit das Original an ihrer Seite war und sie nicht auf ein Trugbild hereinfiel.   „Deshalb habe ich mir etwas überlegt“, meinte Kakashi, der sich nun an der Nase kratzte. Der Ernst in seiner Stimme war wieder einer monotonen Langeweile gewichen. „Nur zur Sicherheit. Wir vereinbaren ein Zeichen, das nur wir kennen, für den Fall, dass unsere Identität fraglich ist und wir uns zu erkennen geben müssen.“ Kakashi hielt die rechte Hand hoch, hielt Zeige-, Mittelfinger sowie den kleinen Finger ausgestreckt und der Daumen und der Ringfinger berührten sich.   Sakura und Naruto machten das Zeichen nach und betrachteten nachdenklich ihre Finger.   „Was bedeutet das?“, fragte Sakura, die dieses Handzeichen noch nie zuvor gesehen hatte. Es ähnelte auch keinem ihr bekannten Fingerzeichen.   „Vermutlich ist das irgendetwas Perverses aus seinem Schundroman“, mutmaßte Naruto mit einem missbilligenden Blick zu seinem Sensei, woraufhin Sakura angewidert das Gesicht verzog.   Der Hokage erwiderte unbeeindruckt den anklagenden Blick aus den blauen Augen. „Ich bin jetzt mal so nett und überhöre diese Anschuldigung.“ Und nach einem kurzen Zögern fügte er kleinlaut hinzu: „Und ich verzichte darauf dich zu fragen, woher du das weißt.“   Sakura starrte ihn entsetzt an. Sasuke wirkte genervt und Naruto grinste dreckig. „Wir sind inzwischen erwachsen geworden, Kakashi.“   Sakura wurde rot. Beschämt wandte sie sich ab. Natürlich hatte er recht. Sie waren keine kleinen, naiven Kinder mehr und sie alle hatten ihre ersten Erfahrungen im Erwachsenenleben sammeln können. Allerdings sprach Naruto ein Thema an, das sie nur ungerne vor ihrem Sensei besprechen wollte. Die leise Explosion der Beschwörung eines vertrauten Geistes war daher eine willkommene Ablenkung.   Neben Sasuke erschien Garuda, sein Falke. Anmutig reckte er seinen Kopf gen Himmel. Die Farbe seines Gefieders ähnelte der der umliegenden Felsen. Ebenso anmutig schwang Sasuke sich auf den Rücken des riesigen Tieres. Auffordernd sah er Sakura mit nun rot glühenden Augen an. Sie warf noch einen Blick zurück zu Kakashi, der ihr zunickte.   „Viel Erfolg.“   Mit klopfendem Herzen ging sie auf den Falken zu und kletterte weitaus weniger anmutig auf den Rücken des riesigen Vogels. Während sie hinter Sasuke Platz nahm hörte sie noch, wie Naruto mit einem Jutsu seine Schattendoppelgänger heraufbeschwor. Garuda breitete seine Schwingen aus und mit einem Ruck erhoben sie sich in die Luft. Diese Bewegung kam heftiger, als erwartet, sodass sie sich instinktiv an Sasuke festkrallte. Mit einem erschrockenen Keuchen umklammerte sie ihn mit beiden Armen und drängte sich an seinen Rücken. Der Wind zerrte an ihr und zerzauste ihr rosa Haar. Sie öffnete die Augen und sah hinab. Der Erdboden entfernte sich immer weiter, bis die dutzenden Blondschöpfe nur noch so groß waren wie Stecknadelköpfe.   Garuda flog über die felsige Landschaft und wie Kakashi gesagt hatte, hatten sie aus der Luft eine gute Sicht über die Umgebung. Links von ihnen erstreckte sich eine riesige Schlucht, in der ein dunkler See mündete. Rechts von ihnen konnte man bereits das nächste Dorf erkennen. Vom Himmel aus waren die Wege und Straßen, die durch das Erdreich führten, sehr gut zu erkennen. Wie Kakashi allerdings bereits erwähnt hatte, würden sie am blauen und wolkenlosen Himmel nicht lange unentdeckt bleiben, denn sie konnten nicht sehr hoch fliegen, da sie sonst am Boden nichts mehr erkennen würden.   Nachdem sie ihre Höhe erreicht hatten wollte Sakura ihre Arme wieder zurückziehen, doch dann änderte Garuda abrupt die Richtung und statt sich von Sasuke zu lösen umklammerte sie ihn nur noch fester. Zuerst war es ihr peinlich, doch dann mahnte sie sich, dass sie sich nicht so anstellen sollte. Säßen Naruto oder Kakashi vor ihr würde sie sich auch an ihnen festhalten, um nicht in die Tiefe hinabzustürzen. Und sollte sie ihn nicht ebenso behandeln wie die anderen auch? Sasuke hatte die Ärmel seines Pullovers hochgekrempelt und sie spürte, wie die warme Haut seiner Unterarme ihre Hände berührte. Und sie fragte sich, ob es ihm unangenehm war, dass sie sich in diesem Moment so nahe waren. Aber sie kannte Sasuke. Würde er mehr Abstand benötigen würde er dafür sorgen.   Sakura beobachtete die Landschaft und versuchte so ganz ohne mächtiges Kekkei Genkai irgendetwas Auffälliges zu entdecken, doch alles, was sie sah, waren regungslose Felsbrocken. Sie überflogen eine Straße, auf der ein Mann mit einem Karren voller Fässer entlangfuhr, das von einem Pferd gezogen wurde. Garuda verlangsamte zwar sein Tempo, doch schien Sasuke diesen Mann, der offensichtlich Waren bei sich führte, nicht verdächtig zu finden, und sie flogen weiter. Vielleicht waren in diesen Fässern Wein oder eingelegte Gurken. Vielleicht auch Waffen. Sakura bemerkte, dass Garuda in der Nähe des semi-verdächtigen Karrens blieb.   Bisher hatten sie nicht weiter miteinander gesprochen, aber Sakura fand, dass die Stille zwischen ihnen nicht unangenehm war. Sie brauchte ihre innere Stimme nicht, um sich einzugestehen, dass sie es sogar ein wenig genoss, ihm so nahe zu sein. Nachdem was am Morgen geschehen war fühlte sie sich immer noch verletzlich und suchte Trost. Vor ihr saß der echte Sasuke, der keine Ahnung hatte, was in ihr vorging und mit welchen Gedanken sie sich auseinandersetzte. Wieder dachte sie an das Bild aus ihrer Halluzination und sie konnte nicht anders als diese Erinnerung zurückzuspulen, erneut abzuspielen, jedoch ein wenig zu verändern. Plötzlich war sie dieses Mädchen, das sein großes, dunkelblaues T-Shirt trug, sie war es, die er anzüglich anlächelte und sie war es, die er in sein Zimmer zog.   Sakura schloss die Augen und schmiegte sich an seinen Rücken, drückte ihre Wange gegen das rote Wirbelzeichen auf seiner Weste und glaubte, trotz des dicken Materials seine Körperwärme spüren zu können. Ob es jemandem in seinem Herzen gab? Für sie hatte es nie einen anderen gegeben und eine Zeit lang hatte sie gedacht, dass sie tatsächlich diejenige sein könnte, die sich in sein Herz schlich. Doch letztendlich war alles anders gekommen. Und aus dem kurzzeitigen Höhenflug war ein tiefer Fall geworden.   Sie dachte über das nach, was Kakashi gesagt hatte, dass sie durch die Halluzinationen eine Angst durchleben könnten, in der jemand aus ihrem Team die Hauptrolle spielte. Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass es den anderen ebenso wie ihr ergehen könnte. Naruto hatte das Kyūbi gesehen und sie nun einmal Sasuke. Doch was würden Kakashi und Sasuke sehen? Gab es etwas, wovor jemand wie Sasuke Uchiha Angst haben könnte? Er wirkte immer so furchtlos und unerschrocken. Es gab keinen Gegner, keine Situation, die ihm Probleme bereitete. Er war durch und durch Shinobi. Aber am Ende war auch er nur ein Mensch. Niemand war perfekt. Und es musste auch für ihn etwas geben, das ihm Angst bereitete. Vielleicht war es genau das – seine Macht zu verlieren und auf jemanden zu treffen, der ihm überlegen war.   Sakura öffnete die Augen und konzentrierte sich erneut auf ihre Umgebung. Sie rückte wieder ein wenig von ihm ab. Garuda änderte abermals die Richtung. Eine Zeit lang schaffte sie es sich auf die Landschaft zu konzentrieren.   „Kannst du die Käfer noch sehen?“, fragte sie irgendwann.   „Schon eine Weile nicht mehr“, antwortete er ihr ohne sich zu ihr umzudrehen. „Um Iwagakure herum waren sie am stärksten verbreitet. Von da an wurden es immer weniger.“ Er sah zur Seite, sodass sie nun sein Profil sehen konnte. Seine roten Augen fixierten dabei die kaum zu erkennenden Häuser in der Ferne. „Wir werden uns dieses Dorf mal genauer ansehen.“   Sakura nickte, obwohl sie wusste, dass er diese Geste nicht sehen konnte. Gerade als sie zu einer verbalen Antwort ansetzen wollte beschleunigte der Falke sein Tempo und setzte zum Sturzflug an, sodass Sakura sich wieder hektisch an ihn klammerte. „Sag mal, machst du das mit Absicht?“, beschwerte sie sich empört, da sie sich wieder einmal seinetwegen erschrocken hatte. Sasuke antwortete nicht.   Kurz nach der Landung unweit des überschaubaren Dorfes löste sich der vertraute Geist auf und Sakura und Sasuke waren nur noch zu zweit. Zu Fuß machten sie sich auf den Weg in das Dorf, das nicht sehr einladend aussah. Ebenso wie Iwagakure gab es nur Häuser aus Stein, da ihnen die Bäume fehlten, um Holzhäuser zu bauen. Kein Grün weit und breit. Im Erdreich war der Handel demnach sehr wichtig, da sie unter diesen Bedingungen wenig anbauen konnten. Der Mann, den sie gesehen hatten, war vermutlich ein Händler gewesen.   „Welches Dorf ist das?“, fragte Sasuke neben ihr, die Hände in den Hosentaschen, die Ärmel immer noch hochgekrempelt. Sein Sharingan hielt er weiterhin aktiviert. Aufmerksam sah er sich um.   Sakura musste nicht lange überlegen. Damals in der Akademie hatte sie bereits immer alles auswendig gelernt, woran er sich wohl auch erinnern konnte, und auch auf diese Reise hatte sie sich vorbildlich vorbereitet. „Das ist Sekikawa.“ Von der Seite sah sie ihn an, musterte seine Augen, bis er ihr den Kopf zuwandte.   „Was?“   „Solltest du dein Sharingan nicht lieber deaktivieren? Um nicht aufzufallen?“   „Anhand unserer Uniform wird man uns ohnehin als Shinobi erkennen.“ Er sah wieder nach vorne und Sakura glaubte für einen Moment etwas in seinen Augen aufblitzen zu sehen. War es Vorfreude?   „Du hoffst darauf“, sprach sie ihre Vermutung aus. „Du hoffst, dass sie sich zu erkennen zeigen, hoffst, dass sie uns angreifen werden.“   Sein Blick wanderte wieder zu ihr. Er antwortete nicht darauf, aber in seinen Augen sah sie die Bestätigung.   Sekikawa gehörte zu den kleineren Dörfern im Erdreich. Sakura schätzte, dass in etwa eintausend Seelen hier lebten. Ihr war bewusst, dass sie und Sasuke hier momentan die einzigen Ninja sein mussten, denn für gewöhnlich lebten alle Shinobi im Ninjadorf, und das war in Tsuchi no Kuni Iwagakure. Wie zu erwarten passierten sie einen großen Marktplatz, auf dem Handel getrieben und Waren angeboten wurden. Auch so spät am Nachmittag war der Markt sehr gut besucht. Die beiden Ninja aus Konoha mischten sich unter die Leute. Hin und wieder ernteten sie neugierige, manchmal aber auch skeptische Blicke. Nicht jeder stand den Shinobi freundlich gesinnt gegenüber. In Dörfern wie Konoha oder Iwa gehörte der Anblick von Shinobi zum täglichen Geschehen dazu, doch hier befanden sie sich in einem reinen Zivilistendorf.   Augenscheinlich gemütlich schlenderten sie durch die belebten Wege zwischen den einzelnen Ständen und lauschten hin und wider den Gesprächen der Bewohner. Sakura wusste, dass sie den Part übernehmen musste, wenn es ums Reden ging. Sasuke war der stille Beobachter, der aufmerksame Zuhörer, dem nichts entging, sie hingegen war die offene und freundliche junge Frau, die mit jemandem ein Gespräch anfangen und unauffällig die richtigen Fragen stellen konnte. Sie wollten erfahren, was die Dorfbewohner über ihren neuen Kage dachten, deshalb überlegte sie sich bereits eine Strategie und legte sich die richtigen Worte zurecht.   „Mein Herr!“, riss sie eine dunkle Männerstimme aus ihren Gedanken. „Ein Strauß Blumen, für Eure hübsche Begleitung?“   Sakura und Sasuke blieben beide stehen und besahen sich den Mann, dessen Blumenstand dem Laden der Familie Yamanaka Konkurrenz machen konnte. Unwillkürlich tauchte das Gesicht von Ino vor ihrem inneren Auge auf. Der Mann war groß und braungebrannt. Mit einem weißen Kopftuch schützte er sich gegen die strahlende Sonne, da sein Stand nicht überdacht war. In seinen großen Händen hielt er einen wunderschönen Blumenstrauß, mit Blumen, die Sakura noch nie zuvor gesehen hatte. Sie leuchteten in den buntesten Farben. Ihre Augen weiteten sich voller Ehrfurcht.   „Die können wir auf unserer Reise nicht gebrauchen“, erklärte Sasuke, nicht unhöflich, aber sachlich. Er wandte sich bereits zum Gehen, als der Mann zwei Schritte auf sie zutrat und Sakura die Blumen unter die Nase hielt.   „Sie sollen auch nicht praktisch sein, sondern Freude bereiten“, hielt der Verkäufer dagegen, ohne dass sein Lächeln einknickte. „Sehen sie doch, wie meine Zinnien ihre Augen zum Leuchten bringen.“   Sasuke sah von den aufdringlichen Blumen zu seiner Teamkameradin. Sie erwiderte seinen Blick und versuchte in seinen Augen zu lesen, was er in diesem Moment wohl dachte. Man konnte es ihm wie immer nicht ansehen. War er genervt? War es ihm egal? Oder überlegte er wirklich, ob er ihr mit diesen Blumen eine Freude machen könnte?   „Er hat Recht“, sagte Sakura mit einem höflichen und entschuldigenden Lächeln in Richtung des Verkäufers. „Aber sie sind wirklich wunderschön. Ehrlich.“ Der Mann deutete eine Verbeugung an, um seinen Dank über das Lob mitzuteilen. Und Sakura entschied die Gelegenheit beim Schopfe zu packen. „Woher stammen diese Blumen?“   „Oh, die sind nicht importiert!“ Der Mann ging zurück zu seinem Stand und steckte den Strauß in eine gläserne Vase. Es überraschte sie immer noch, wie solch ein Hüne es schaffte sich für so etwas Sensibles wie Floristik zu begeistern. Wenn sie seine muskulösen Oberarme betrachtete würde ein Handwerk eher zu ihm passen. Holzfäller, zum Beispiel, oder Schmied. Früher hatte sie so oberflächlich gedacht, doch als Kunoichi hatte sie inzwischen dazu gelernt. Der erste Schein konnte bekanntlich trügen und man sollte nie voreilige Schlüsse ziehen. Der Verkäufer breitete seine Arme aus und deutete auf seine Blumenarrangements. „Das ist alles eigene Züchtung!“   „Wow!“, hauchte Sakura begeistert, da sie wusste, dass sie mehr Informationen aus ihm herausbekam, wenn er sie sympathisch fand. Währenddessen sah sich Sasuke auf der Straße um, und täuschte Desinteresse vor, doch dabei wusste sie, dass er genau zuhörte, während er weiterhin die Umgebung im Auge behielt.   „Ja, ja, ich weiß, kaum zu glauben, nicht wahr? Euch Konohanins muss das Erdreich wie totes Land vorkommen, aber es gibt auch einige Plätzchen, an denen was wächst, und in meinem Garten wachsen diese wunderschönen Geschöpfe.“ Liebevoll strich er über die Blätter einer lavendelfarbenen Blüte. Sein Lächeln knickte ein wenig ein. „Um ehrlich zu sein kann ich froh sein. Der Handel ist alles andere als sicher. Viele Händler werden überfallen.“   Verstehend nickte Sakura. Ihre erste Mission hatte genau daraus bestanden: jemanden sicher bei der Überreise zu eskortieren. Es war ihre erste richtige Mission als Team 7 gewesen. Es sollte eine gewöhnliche C-Rang-Mission werden, in der sie den Brückenbauer Tazuna ins Land der Wellen begleiteten, doch durch die Angriffe der Nukenin und Zabuza Momochi hatten sie nicht nur um Tazunas, sondern auch um ihr eigenes Leben kämpfen müssen. Sakura schluckte bei der Erinnerung. Das Reich der Wellen hinterließ bei ihr immer noch einen bitteren Beigeschmack.   „Seid Ihr deshalb hier? Hat Euch jemand angeheuert?“   Sakura versuchte es mit Halbwahrheiten. „Wir sind zu Ehren des neuen Tsuchikage hier.“   Sein Lächeln verblasste immer mehr. „Ach. Wie schön.“   „Ich hoffe er schickt genügend seiner Männer, um Euch zu schützen?“, fragte sie mit einem freundlichen Lächeln, um am Thema dran zu bleiben.   Der Mann zuckte mit den Schultern. Er sah sich um, als wollte er sichergehen, ob er offen reden konnte. „Nun, das Angebot besteht, wenn man es sich leisten kann.“ Sakura verstand, was er damit sagen wollte. Sie lehnte sich noch ein wenig zu ihm rüber und er tat es ihr gleich, als wolle er ihr ein Geheimnis zuflüstern. Er machte auf sie den Eindruck, als würde er schon lange loswerden wollen, was er zu sagen hatte. Vielleicht sagte er ihr diese Sachen, weil sie Ninja aus einem anderen Dorf waren. Das Zeichen auf ihrem Stirnband war vielleicht doch von Vorteil. „Es ist schlimm“, hauchte er, „wirklich schlimm. Erst letztens hat es meinen Nachbarn erwischt. Jemand hat seinen Karren mitsamt Vieh gestohlen und er war die Ware für einen gesamten Monat los. Das bedeutet wiederum einen Monat lang kein Geld. Und das wiederum bedeutet …“   „Einen Monat kein Essen“, beendete Sakura mitfühlend den Satz. Der Mann nickte traurig.   „Der neue Tsuchikage hat nicht nur die Steuern erhöht sondern auch die Preise der Ninjadienste. Sie sind doppelt so hoch wie vorher! Kaum jemand kann sich noch eine Eskorte leisten!“, meinte er hitzig. „Der lebt in seinem schicken Palast und braucht sich keine Sorgen um Geld zu machen und wir versuchen nur irgendwie über die Runden zu kommen. Ein Skandal, sag ich Euch, ein Skandal!“ Fassungslos schüttelte er den Kopf. Er hatte sich offenbar in Rage geredet. „Einige überlegen schon die Zusammenarbeit zu stoppen, so wie Yugawa. Aber die meisten sind Feiglinge und kneifen!“   Seine dunklen Augen wanderten über ihr Stirnband. „Wie würdet Ihr solche Angelegenheiten in Konoha handhaben? Die Bedürfnisse des gemeinen Volkes?“   „Wir–“ Sakura wusste nicht einmal, was sie sagen wollte. Das Gesicht von Kakashi blitze in ihren Gedanken auf. Ja, Kakashi und Ryō waren schlichtweg Gegensätze. Ihr Sensei würde niemals Menschen so im Stich lassen. „Ist er denn wirklich so schrecklich? Der Tsuchikage? Ich konnte mir bisher noch keinen Eindruck machen“, schwindelte sie und versuchte das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.   Der Verkäufer starrte sie einen Moment lang an und sie war sich nicht sicher, ob er diese Frage beantworten würde. Er wandte das Gesicht ab und blickte in die Ferne, betrachtete mit nun verschränkten Armen etwas, das sie nicht sehen konnte. „Wir hatten alle gehofft, dass sich mit Ōnokis Nachfolger etwas ändert, aber wir haben uns anscheinend getäuscht. Es ist noch schlimmer als vorher.“   Eine ältere Dame, die sich auf einen Gehstock stützte und bei der bereits ein Jutebeutel voll Gemüse an ihrem knochigen Handgelenk baumelte, gesellte sich neben Sakura. „Guten Tag“, krächzte sie. Der ernste Blick des Verkäufers glättete sich und er begrüßte seine potenzielle Kundin mit der gleichen überschwänglichen Freude, wie zuvor Sakura.   „Guten Tag, meine Hübsche.“   Die Frau gluckste leise, wirkte aber nicht abgeneigt, was Sakura schlussfolgern ließ, dass diese beiden sich nicht zum ersten Mal begegneten. „Mein Lieber, ich sag’s dir jede Woche. Du könntest mein Sohn sein. Gib mir ein paar von denen da.“   „Ausgezeichnete Wahl.“   Die beiden fingen an vertraut zu plaudern. Sakura sah indes zu Sasuke. Seine roten Augen sahen sie an. Und sie konnte es sehen. Er wollte weiter. Die Informationen waren gut, aber noch waren sie lange nicht am Ziel. Sie näherten sich bereits dem Abend und bevor die Sonne unterging, mussten sie ihre Zeit noch nutzen. Sie nickte ihm kurz zu, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte.   Schnell griff sie in ihre Gürteltasche und fischte ein paar Münzen heraus. „Ich nehme den Strauß doch“, sagte sie und deutete auf die Blumen, die er ihr zuvor angeboten hatte. Sakura war dankbar für seinen Hinweis und wollte sich revanchieren, in dem sie ihm etwas abkaufte. Immerhin klang es so, als könne er das Geld gut gebrauchen. Vielleicht fand sie ihn nett, vielleicht hatte sie auch nur Mitleid mit ihm, wie dem auch sei, sie wollte ihm eine Freude bereiten.   Die ältere Frau, die ihren Blumentopf inzwischen in der Hand hielt, die sich nicht auf den Gehstock stützte, machte nicht den Anschein als hätte sie es eilig wieder zu gehen. Womöglich nutzte sie die Gelegenheit, um auf dem Markt mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen. Vielleicht war sie, ähnlich wie Sakura, auf der Suche nach dem neuesten Klatsch und Tratsch des Dorfes. Die faltigen, blauen Augen der Frau wanderten zwischen Sakura und Sasuke hin und her. „Kleiner, als ich noch jung war hat der Mann für die Frau Blumen gekauft. Nicht umgekehrt.“   Daraufhin schenkte Sasuke ihr einen mörderischen Blick. Seine Augenbraue zuckte gefährlich.   „Oh, wunder Punkt?“   Sakura konnte nicht anders, als Respekt für diese alte Frau, deren Haare bereits grau wurden, zu empfinden, da sie sich weder von Sasuke, noch von seinem Sharingan einschüchtern ließ. „Wir sind nur K-Kameraden!“, warf Sakura mit roten Wangen ein. Sie bezahlte hastig und wollte sich dann zwischen Sasuke und die Frau drängen, bevor es eskalieren konnte, denn ihr herausfordernder Blick sowie sein gereizter Gesichtsausdruck waren nicht die beste Kombination. Dabei rempelte sie jemanden an, sodass sie kurzerhand gegen Sasuke geschubst wurde.   „Hoppala!“, murmelte die ältere Dame mit großen Augen.   Krampfhaft hielt Sakura den Blumenstrauß in ihren Händen. Sie lehnte gegen Sasuke, der sie reflexartig aufgefangen hat. Sie spürte, wie seine Hände ihre Oberarme festhielten. „Pass doch auf“, murmelte er genervt und drückte sie nachdem das Überraschungsmoment vorbei war wieder von sich weg.   „Tschuldigung“, erklang eine neue Stimme. Jemand tätschelte entschuldigend ihre Hand. Sakura lugte über den Blumenstrauß und blickte in das Gesicht eines Mannes, der sich verlegen am Hinterkopf kratzte. „Hab dich nicht gesehen.“ Er war bereits dabei weiter zu gehen.   „Schon gut“, sagte Sakura noch leicht verwirrt. Kurz darauf verschwand der Typ in der Menschenmenge.   Sasuke sah ihm mit ernstem Blick hinterher. „Wir gehen.“ Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Deshalb verabschiedete Sakura sich von dem Verkäufer und der älteren Dame und eilte Sasuke hinterher, der bereits voraus gegangen war. Dabei hielt sie den Blumenstrauß in den Händen und blickte immer wieder auf die orangen, roten und violetten Blüten.   „Musste das sein?“, fragte er mit genervtem Blick auf die Blumen.   Trotzig reckte sie ihr Kinn. „Sie sind schön.“   Er schnaubte. „Sie sind unnötig.“   Mit liebevollem Blick betrachtete sie erneut die bunten Blütenblätter. „Sie erinnern mich an Ino.“ Zuvor war es ihr nicht wirklich bewusst gewesen. Erst als sie es aussprach, wurde es ihr klar. Blumen würden sie immer an ihre beste Freundin erinnern. Vor allem so schöne, wie die, die sie gerade in ihren Händen hielt. Ino hätte diese Blumen sicher gemocht.   Sasukes Blick verlor ein wenig seiner Schärfe. Kurz darauf hob er die Hand und griff nach etwas Unsichtbarem in der Luft. Anschließend hielt er ihr die geöffnete Handfläche hin. Sakura sah noch den kleinen schwarzen Punkt, bevor er in Flammen aufging. Sasuke beherrschte sein Feuerelement inzwischen so gut, dass er für solch kleine Flammen kein Fingerzeichen mehr bilden musste.   Eine halbe Stunde später verließen sie Sekikawa. Bisher hatten sie noch nicht genügend Informationen sammeln, geschweige denn den Attentäter ausfindig machen können. Von daher war es noch zu früh, um sich wieder auf dem Weg zu Kakashi und Naruto zu machen. Spätestens bei Sonnenuntergang würden sie sich treffen. Ihre Suche würde weitergehen. Schließlich erreichten sie die Stelle, an der sie zuvor mit Garuda gelandet waren und Sakura vermutete, dass er wieder seinen vertrauten Geist heraufbeschwören würde, damit sie wieder fliegen konnten. Aber Sasuke ging einfach weiter. Wollte er zu Fuß gehen? Statt zu fliegen? Aber so wären sie viel langsamer. Neugierig musterte sie ihren Teamkameraden von der Seite, der stur geradeaus sah.   „Sasuke?“   „Geh weiter“, sagte er leise. Er wirkte angespannt. Und dann bemerkte sie es. Sie musste sich zwingen, dagegen anzukämpfen, sich nicht umzudrehen.   Jemand folgte ihnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)