The Weapon They Fear von stone0902 (Sasuke x Sakura) ================================================================================ Kapitel 5: Unterstützung von Team 8 ----------------------------------- Frisch geduscht trat Sakura aus dem Badezimmer. Unter dem großen dunkelgrauen Badetuch trug sie lediglich ihre Unterwäsche. Ihr Haar war noch nicht ganz trocken. Als ihr Blick zu Narutos Bett glitt entdeckte sie das gleiche Bild, das sich ihr bereits geboten hatte, als sie vor einer halben Stunde aufgestanden war: Naruto lag bäuchlings auf seinem Bett, beide Arme ausgestreckt, sodass seine Hände weit über die Matratze hinaus reichten. Aus dem Wirrwarr an Kissen und Decke lugte nur blondes verstrubbeltes Haar hervor. Sakura schloss die Tür zu dem Badezimmer, in dem noch der Duft von Shampoo und Duschgel in der Luft hing, und ging zu ihrem bereits gemachten Bett, auf dem ihre Uniform ordentlich ausgebreitet für sie bereitlag.   „Du hast noch zehn Minuten“, mahnte sie ihren Kameraden, der einfach nicht aufstehen wollte. Daraufhin ertönte ein verschlafenes Brummen, das von den Daunen seines Kissens gedämpft wurde. Kopfschüttelnd schlüpfte sie erst in ihre Hose, anschließend in ihren Pullover und zum Schluss in die Sandalen. Naruto würde noch zu spät kommen. Manchmal verhielt er sich noch wie der zwölfjährige Chaot, an den sie sich gerne zurückerinnerte. Inzwischen war er zu einem ansehnlichen jungen Mann herangereift, der nicht nur extreme Willensstärke, sondern nach jahrelangem Training auch unbestreitbares Talent im Umgang mit Nin-Jutsu vorweisen konnte. Seine Schnelligkeit wurde nur von seinem Verhandlungsgeschick übertroffen. Dennoch würde er immer ein Morgenmuffel bleiben. Alte Gewohnheiten konnte man eben schlecht ablegen.   Sakura zog sich ihre Weste über und griff zuletzt nach ihrem Stirnband, das auf ihrem Nachtschrank lag. Während sie es sich um den Kopf band, ging sie zu Narutos Bett. Sein gleichmäßiges sanftes Atmen war trotz des Kissens zu hören. Er schlief tief und fest.   Den Abend zuvor waren sie erst spät ins Bett gekommen. Sakura hatte mehrere Stunden im Krankenhaus ausgeholfen. Gemeinsam mit den anderen Medic-Nins hatte sie die Patienten von dem Gift der Käfer befreit und den Bewohnern von Iwagakure berichtet, dass sich ihre dramatischen und angsteinflößenden Begegnungen nur in ihren Köpfen abspielten. Die meisten von ihnen waren mehr als skeptisch gewesen, schließlich hatten sie die Erlebnisse mit eigenen Augen gesehen. Angst war etwas Mächtiges. Wenn sie einen erst einmal erfasste ließ sie einen nicht mehr so schnell los. Durch sie hörte man auf logisch zu denken und mutierte zu einem von Instinkten gesteuerten Höhlenmenschen. Bei Angst gab es nur zwei Optionen: Angriff oder Flucht. Nur die wenigsten überwanden ihre Angst. Die Shinobi waren vielleicht diszipliniert genug, um gegen diese gewaltige Emotion anzukämpfen, die gewöhnlichen Bewohner des Dorfes, die über keinerlei Kampferfahrung verfügten, waren hilflos und auf sich allein gestellt.   Während sich Pakkun auf den Weg machte um Team 8 zu kontaktieren setzten sich Kakashi und Naruto mit einigen Chū-Nin und Jō-Nin zusammen. Die ersten Berichte aus dem Labor ergaben, dass das Gift tatsächlich von den Käfern stammte. Sakura wollte noch weitere Proben entnehmen, um sie mit nach Konoha zu nehmen, damit sie dort ebenfalls erforscht werden konnten. Wer wusste schon, ob es diese mysteriösen Käfer eines Tages schafften die Landesgrenzen zu überwinden und sich im Feuerreich auszubreiten? Nach stundenlangen Besprechungen, Ermittlungen und Vermutungen hatte der Tag sich schließlich dem Ende geneigt. Inzwischen waren sie der Sache auf die Spur gekommen, doch es gab immer noch eine wichtige offene Frage zu klären: Handelten die Käfer eigenwillig oder wurden sie von jemandem gesteuert? Denn eins stand fest: Die Halluzinationen konnten nicht für den Tod des Tsuchikage verantwortlich sein.   In wenigen Minuten würde sich Team 7 treffen und während Sakura bereits umgezogen war schlief der Blondschopf noch seelenruhig. „Naruto, steh auf!“ Mit dem Zeigefinger piekte sie gegen seinen Unterarm. Die gebräunte Haut hob sich von den weißen Laken deutlich ab. „Wach endlich auf, du Schlafmütze!“   Langsam hob er den Kopf und sah sie aus verschlafenen Augen an. „Bin ja schon wach. Schrei nicht so rum.“ Sein Kopf fiel wieder kraftlos auf das Kissen.   „Ich schreie nicht“, meinte Sakura in bemüht ruhiger Lautstärke. Am liebsten würde sie ihm einen Eimer voll eiskaltes Wasser über den Kopf schütten, damit er endlich aufstand, oder einen nassen Waschlappen ins Gesicht klatschen, so wie ihre Mutter es früher manchmal getan hatte, wenn Sakura zu Akademiezeiten einfach nicht aus dem Bett wollte.   Sie könnte ihn auch einfach weiterschlafen lassen. Er hätte selbst schuld, wenn er zu spät kam. Allerdings musste sie dann wieder auf ihn warten und ihr Zeitplan würde sich verzögern und das wollte sie wiederum auch nicht. Ohne groß weiter zu überlegen zog sie ihm einfach mit einem kräftigen Ruck die Bettdecke weg. Beruhigt stellte sie fest, dass Naruto kein Nacktschläfer war.   „Steh endlich auf!“   Ein frustriertes Seufzen erklang im Raum. „Man, Sakura, das war völlig unnötig! Echt jetzt!“ Eingeschnappt rappelte er sich unbeholfen im Bett auf und fixierte sie aus müden blauen Augen, die er mit seinem rechten Handballen rieb, um sich den Schlaf aus den Augen zu wischen. „Du könntest echt etwas feinfühliger sein. Deine späteren Kinder tun mir jetzt schon leid“, murmelte er.   Sakura schüttelte missbilligend den Kopf. „Halt die Klappe“, knurrte sie. „Und jetzt mach dich endlich fertig.“   Naruto stöhnte. „Is‘ ja gut.“ Langsam erhob er sich aus seinem Bett und kratzte sich gähnend den Rücken. Sie beobachtete, wie er ins Badezimmer schlürfte und Sakura fragte sich, wie es sich wohl morgens im Zimmer nebenan abspielte. Ob sich Sasuke und Kakashi auch gegenseitig auf die Nerven gingen? Oder ob sie bestens miteinander zurecht kamen? Vermutlich lag ihr Sensei nachts noch stundenlang im Bett und las in seinem Lieblingsroman, während Sasuke vor sich hin fluchte, dass er endlich das Licht löschen sollte, damit er schlafen konnte. Bei dem Gedanken musste sie leicht schmunzeln.   Sakura griff nach ihrer Waffentasche, die sie sich um ihren rechten Oberschenkel band, und warf noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. „Ich geh schon mal vor“, rief sie in Richtung Badezimmer, aus dem sie hören konnte, wie sich Naruto geräuschvoll die Zähne putzte. Ihr Magen knurrte bereits. Das Abendessen war nur dürftig ausgefallen und hastig zwischen den Besprechungen verspeist worden. Dieses Mal würden sie sich für ihr Frühstück Zeit nehmen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis das Team von Kurenai in Iwagakure eintraf. Sakura war schon sehr gespannt darauf, ob Shino die Käfer kannte. Vielleicht hatte der schweigsame Jō-Nin etwas Interessantes zu erzählen.   Sakura verließ das Zimmer und schloss die Tür. Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass sie nicht allein war. Jedoch war es niemand aus ihrem Team, den sie im Flur antraf. Die Tür zu dem Nebenzimmer, in dem Sasuke und Kakashi schliefen, stand offen. Sie erwartete, dass einer von ihnen beiden herauskam, doch stattdessen trat eine junge Frau in den Flur. Das erste, was Sakura erkannte, war das viel zu große, dunkelblaue Shirt, das sie trug. Zwischen den Schulterblättern hob sich der Fächer in Rot und Weiß deutlich vom dunklen Untergrund ab. Es reichte ihr bis knapp über den Po. Es schien das einzige Kleidungsstück zu sein, das sie trug. Ihre langen Beine waren nackt und die Füße glitten barfuß und geräuschlos über den Boden. Die Frau ging einige Schritte und schien dann Sakura zu bemerken. Sie drehte sich um und Sakura starrte in das Gesicht der Medic-Nin, mit der sie gestern noch im Krankenhaus gesprochen hatte. Ihr langes blondes Haar war zu einem unordentlichen Haarknoten zusammen gebunden, ihre Wangen waren leicht gerötet und auf der blassen Haut ihres Halses hob sich ein dunkelroter Fleck hervor. Verwundert sah sie Sakura an. Ihr Mund formte sich zu einem stummen „O“. Sakura war wie zur Salzsäule erstarrt. Ihr Verstand versuchte noch das Bild, das sich ihr bot, zu verarbeiten. Sie fühlte sich seltsam fremd in ihrem Körper, als betrachte sie die Szene aus weiter Ferne, unfähig zu reagieren.   „Willst du wirklich schon gehen?“   Die dunkle Stimme erkannte sie, noch ehe er aus dem Zimmer kam. Oberkörperfrei und ebenfalls barfuß trat er in den Flur, umfasste die Hüften der Medic-Nin und zog sie verrucht grinsend an sich. Es war offensichtlich, dass es sein Shirt war, das sie trug. Sie kicherte, als Sasuke sie widerstandslos in sein Zimmer zog und die Tür sich mit einem endgültigen Klicken hinter ihnen schloss. Sakuras Magen zog sich so schmerzhaft zusammen, sodass sie dachte, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Plötzlich glaubte sie nicht mehr stehen zu können. Ihre Beine drohten nachzugeben. Sie stolperte zurück zu ihrem Zimmer, versuchte mit zittrigen Fingern die Tür zu öffnen. Ihre Atmung beschleunigte sich, während sich ihre Kiefer so fest aufeinander pressten, dass ihre Zähne knirschten. Schnell schlüpfte sie zurück ins Zimmer und schloss die Tür. Was hatte sie da gerade gesehen? Ihre Finger fuhren zittrig über ihr Gesicht und durch ihr Haar. Wie durch einem Tunnelblick schien sie nichts mehr wahrzunehmen, sah nur noch dieses Bild vor Augen. Ihre Gedanken waren wirr, unkonzentriert und unfokussiert. Sie lehnte sich gegen die Tür, spürte, wie ihr Herz kräftig in ihrer Brust schlug. Sie schnappte mehrmals nach Luft. Was sollte das? Was machte diese Frau in Sasukes Zimmer? Vor ihrem inneren Auge festigten sich Bilder, die sie nicht sehen wollte. Sakura schüttelte den Kopf, ballte die Hände zu Fäusten. Langsam sackte sie in sich zusammen, rutschte an der Tür herunter, bis sie auf dem Boden ankam. Ihre Beine hatten nun endgültig nachgegeben.   Ein Schluchzen entfuhr ihr. Hatten die beiden etwa …? Vehement schüttelte sie den Kopf. Nein! Auf keinen Fall! Sie konnte es nicht verhindern, sich vorzustellen, wie Sasuke eine andere küsste, wie er– Sakura unterdrückte ein Würgen, hielt sich beide Hände vor den Mund. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht. Sie fühlte sich so erschöpft und im nächsten Moment so voller Energie, dass sie auf etwas einschlagen wollte. Eine Wut erfüllte sie, eine unglaubliche Macht, die sich entfalten wollte, die raus aus ihr wollte, gemeinsam mit all dem Schmerz den sie empfand. Sie schluchzte erneut. Sie zog die Knie an ihren Körper, umschlang sie mit beiden Armen und lehnte ihre Stirn gegen ihre Beine.   Sie konnte nicht wieder raus gehen! Davor hatte sie viel zu viel Angst. Was, wenn sie die beiden noch einmal sehen würde? Sie schluchzte lauter, bitterer. Wie konnte er ihr das nur antun? Nie wieder würde sie ihm in die Augen schauen können. Der Gedanke, er könnte eine andere lieben, war nicht länger zu ertragen. Der Schmerz in ihrer Brust war kaum auszuhalten.   Sakura schluchzte so laut, dass sie Naruto erst bemerkte, als er sie an den Schultern griff und kräftig rüttelte. Langsam hob sie ihren Kopf, sah durch die vielen Tränen verschwommen sein besorgtes Gesicht.   „Was ist passiert?“, wollte er mit einen Anflug an Panik in der Stimme wissen. Ihre Augen wanderten über sein Gesicht, über die Streifen auf seinen Wangen und den Zahnpastaresten an seinen Mundwinkeln. Gequält wandte sie den Blick ab. Sie konnte es ihm nicht sagen, sie wollte nicht aussprechen, was sie gerade gesehen hatte. Allein der Gedanke bescherte ihr unaussprechliche, seelische Schmerzen.   Naruto schob sie beiseite, um die Tür öffnen zu können, und lief auf den Flur. Sakura hörte das Geräusch seiner nackten Füße auf dem Steinboden. Gleich würde er sie sehen. Oder vielleicht sogar hören. Sakura würgte erneut. Schnell legte sie ihre Hände über den Mund und versuchte die Übelkeit zu unterdrücken, während ihr Magen heftig rumorte.   Plötzlich war Naruto wieder bei ihr. Mit sanfter Gewalt nahm er ihre Hände, zog sie von ihrem Gesicht runter und sah sie eindringlich an. Dabei hielt er ihren Kopf mit beiden Händen fest, damit sie ihn ansehen musste. Heiße Tränen rannen ihr immer noch über die Wangen und seine Finger. Ihre Nase war inzwischen so dicht, dass sie durch den Mund atmen musste und heftig ein- und ausatmete, wobei sie sich verschluckte und husten musste.   „War etwas auf dem Flur?“, fragte er ernst.   Gequält verzog sie das Gesicht und nickte heftig, schluchzte dabei erneut. Wie gern würde sie es ihm beschreiben können, ihm sagen, wie Sasuke ihr das Herz gebrochen hatte, aber sie brachte immer noch kein Wort hervor.   Narutos Blick war besorgt, aber entschlossen. „Auf dem Flur ist niemand. Meinst du … Sakura, vielleicht war da gar nichts. Womöglich hast du nur halluziniert.“   Energisch schüttelte sie den Kopf. Das was sie gesehen hatte war echt gewesen. Sie hatte es mit eigenen Augen gesehen und das, was sie gespürt hatte, war ebenso echt gewesen. Sie kam sich so dämlich vor. Und so verraten. Er hätte wenigstens etwas diskreter sein können. Selbst wenn er ihr gegenüber zu nichts verpflichtet war, so wusste er doch, dass sie … dass damals …   „Soll ich Kakashi und Sasuke holen?“, fragte Naruto. Im gleichen Moment wollte er schon aufstehen, doch Sakura packte ihn am Arm und hielt ihn mit eisernem Griff fest.   „Nein!“, schrie sie schon fast. Sasuke war der letzte, den sie jetzt sehen wollte.   Naruto schien mit sich zu hadern. Unschlüssig sah er sie an. Hin- und hergerissen. Er wollte seiner Freundin helfen, wusste aber nicht wie. Letztendlich schien er aber eine Entscheidung zu fällen. Seine Hände packten ihre Schultern. „Sakura!“ Seine Stimme klang so bedrohlich, dass sie zusammenzuckte. „Schau nach, ob du das Gift in dir hast. Sofort!“   Das Widersprechen fiel ihr schwer, da ihre Unterlippe so sehr zitterte. „Aber–“   „Kein Aber!“, fuhr er dazwischen. Seine blauen Augen starrten sie so eindringlich an, dass es ihr beinahe die Sprache verschlug. So ernst sah man Naruto selten. „Sieh nach. Bitte!“   Einige Sekunden lang starrten sie einander an. Sein Blick war so bestimmend, dass sie schließlich kapitulierte. Langsam nickte sie. Zittrig atmete sie mehrmals ein und aus und schloss die Augen, um sich zu beruhigen. In ihren Händen leuchtete grünes Chakra auf. Sie legte ihre Finger mit gekreuzten Armen auf ihren Brustkorb und versuchte sich zu konzentrieren. Das war leichter gesagt als getan. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Gedanken dazu bringen konnte, sich auf ihr Chakra zu konzentrieren und in ihren Körper hineinzuschauen. Was für ein erbärmliches Bild sie gerade abgeben musste. Aber Naruto war ihr bester Freund. Wenn sie sich vor jemanden gehen lassen konnte, dann vor ihm. Er kannte ihre Gefühle für Sasuke. Er würde es verstehen, wenn sie ihm sagen würde, was sie gesehen hatte.   Mehrere Momente vergingen, in denen sie sich auf ihre Atmung und ihren Herzschlag konzentrierte. Dabei wurde sie immer ruhiger. Die vielen Tränen hatten schwere Augenlider und eine nasse, klebrige Spur auf ihren Wangen hinterlassen. Sie fühlte sich so erschöpft, als hätte sie einen schweren Kampf hinter sich. Dabei spürte sie die ganze Zeit über Narutos warmen, festen Griff auf den Schultern. Dieser Körperkontakt war wie eine stützende Geste, ein kleines bisschen Trost.   Als sie das Gift in ihrem Körper fand, kam sie sich vor, wie die größte Närrin aller Zeiten. Mithilfe ihres Chakras lokalisierte sie es, konzentrierte es und schloss es ein. Mit einer präzisen Bewegung entfernten ihre Finger die fremde Substanz aus ihrem Körper. Langsam öffnete sie die Augen und blickte schuldbewusst auf die in der Chakrakugel schwebende Flüssigkeit. Erleichtert atmete Naruto aus.   „Siehst du“, meinte er zaghaft lächelnd. Seine Finger drückten noch einmal aufmunternd zu, ehe er sie losließ. „Es war nicht real“, erklärte er leise.   Ihre grünen Augen fanden seine blauen, die sie verstehend ansahen. Naruto hatte bereits die gleiche Erfahrung gemacht wie sie und wusste, was sie durchlebt hatte. Die Angst und Verzweiflung sowie die grenzenlose Hilflosigkeit. Sakura kam sich dumm vor. Wieso war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass es nur eine Halluzination sein könnte? Vermutlich hatte sie sich bereits so sicher gefühlt, dass ihr nichts passieren konnte. Immerhin hatte Sasuke am Abend zuvor noch beide Zimmer kontrolliert und alle Käfer beseitigt. Sie bezweifelte, dass ihm einer entgangen war, weshalb es einer irgendwie in der Nacht unbemerkt geschafft haben musste in ihr Zimmer zu gelangen.   Naruto stand auf und hastete in das Badezimmer. Aus dem Raum ertönte ein lautes Klappern. Anschließend kam er, nach wie vor nur in Shirt und Boxershorts gekleidet, zurückgelaufen, hockte sich vor ihr hin und hielt ihr einen leeren Zahnputzbecher entgegen. „Hier.“   Sakura ließ die Flüssigkeit in den Becher gleiten und begann weiter die fremde Substanz aus ihrem Körper zu entfernen. Umso mehr Gift sie mit ihrem Chakra herausholte, desto mehr schwand ihre Angst. Als sie die letzte Chakrakugel aus ihrem Kopf zog, fühlte sie sich schon besser. Der Gedanke, dass Sasuke sich mit einer anderen Frau einließ, hatte sie derart traumatisiert, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Dabei hätte sie gleich darauf kommen können, dass das, was sie gesehen hatte, nicht real war. Sasuke Uchiha würde vermutlich deutlich diskreter mit weiblichem Besuch umgehen, vor allem, wenn er sich mit Kakashi ein Zimmer teilte. Und ein Teil in ihr hoffte, dass er, sollte er wirklich eines Tages eine Romanze mit einer anderen Kunoichi eingehen, zumindest den Anstand hätte ihr gegenüber Rücksicht zu nehmen.   Jemand klopfte von außen gegen ihre Tür. „Naruto? Sakura? Seid ihr da drin?“ Kakashi stand vor ihrem Zimmer. Sakura und Naruto warfen sich einen Blick zu. Bei all dem Aufruhr hatten sie glatt vergessen, dass sie verabredet waren.   „Ehm, ja!“, rief Naruto hastig in Richtung Tür, ohne Sakura dabei aus den Augen zu lassen. „Einen Moment noch.“   „Ist alles in Ordnung?“, fragte Kakashi, dem in Narutos Stimme etwas aufgefallen sein musste, das ihn beunruhigte.   Sakura warf ihm einen flehenden Blick zu. Dieser Vorfall musste unter ihnen bleiben. Sie wollte nicht, dass einer von den beiden erfuhr, was für ein kümmerliches Häufchen Elend sie noch vor einem Moment gewesen war. Vor allem Sasuke sollte nichts davon erfahren.   „Klar!“, rief Naruto. „Hab verschlafen! Bin gleich soweit! Sorry!“   Man konnte Kakashi hinter der Tür resigniert seufzen hören. „Na dann beeil dich mal lieber.“   Naruto beugte sich zu Sakura und flüsterte: „Geht’s wieder?“ Sie nickte, wollte ihm zuversichtlich zulächeln, doch es gelang ihr nicht. Sein mitfühlender Blick bereitete ihr jedoch ein angenehmes Gefühl. Wäre er nicht dagewesen hätte sie vielleicht den Verstand verloren.   „Danke“, flüsterte sie. Kurz darauf fand sie sich in seiner Umarmung wieder. Seine starken Arme schlangen sich schützend um sie und für einen Moment genoss sie den Halt ihres besten Freundes.   Naruto ließ sie los, musterte sie noch einmal prüfend. Diesmal schaffte sie es, ihn anzulächeln. Er nickte zufrieden, stand auf und ging mit schnellen Schritten ins Bad, um sich fertig zu machen. Sakura atmete noch einmal tief durch und stand dann ebenfalls auf. Nach wenigen Schritten stand sie vor dem runden Spiegel, der sie in ihr eigenes gerötetes und verheultes Antlitz blicken ließ. Automatisch verzog sie das Gesicht. Dabei hatte sie nicht gedacht, dass sie so etwas dermaßen aus der Fassung bringen konnte. Schon oft hatte sie sich gefragt, was geschehen sollte, wenn Sasuke eines Tages eine Freundin hätte. Eine Zeit lang hatte es in Konoha tatsächlich mal Gerüchte diesbezüglich gegeben, die sich jedoch – glücklicherweise – schnell als falsch bewahrheitet hatten. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass es schmerzhaft werden würde, doch dass es sie so sehr umhauen würde, hätte sie nicht erwartet.   Sakura blickte in ihre eigenen traurigen, grünen Augen. Ihre größte Angst war Sasuke. Damit war zu rechnen gewesen, doch es hatte sie dennoch wie eine Lawine überrannt und umgerissen. Ihre Gefühle für ihn hatte sie immer noch nicht im Griff. Aber sie würde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschah. Irgendwann würde dieses Bild Realität werden und dann würde sie auch irgendwie damit klar kommen müssen. Denn ein gemeinsames Wir würde es für sie beide nicht mehr geben.   Ihr erster Schritt wäre sich zusammenzureißen und das Gesicht zu waschen, um sich ihm entgegenstellen zu können. Er sollte nicht wissen, dass sie schwach gewesen war und dass er solch eine Macht über sie besaß. Sie war nach wie vor eine Kunoichi und würde sich auch diesem Feind stellen.   Kurz darauf kam Naruto aus dem Bad und während er sich seine Jō-Nin-Uniform überzog nutzte sie die Gelegenheit, um sich im Bad am Waschbecken noch etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Das würde vielleicht gegen die geröteten Augen und Wangen helfen. Einige Minuten später verließen sie gemeinsam das Zimmer, wobei sie Naruto den Vortritt ließ.   „Sorry“, meinte Naruto mit einem entschuldigenden Lächeln. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. Kakashi hielt das Icha-Icha-Buch in der einen Hand, während die andere in seiner Hosentasche steckte. Sein Auge huschte von dem Buch zu Naruto. Sasuke stand mit verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt und warf beiden einen missbilligenden Blick zu, weil sie zu spät kamen. Sakura konnte ihm nicht lange in die Augen sehen. Sie fühlte sich immer noch von ihm verraten, obwohl er in Wirklichkeit nichts Verwerfliches getan hatte.   An dieser seltsamen Situation änderte sich auch nichts, als sie wenig später in einem Restaurant saßen. Im Gegensatz zum Vortag entschieden sie sich in einem Lokal zu gastieren, da sie dort anders als in einem Yatai mehr Privatsphäre besaßen. Zu viert saßen sie an einem Tisch in einem rustikalen Restaurant, das mit seiner Außenreklame für ein fabelhaftes Frühstück warb. Die Tische standen so weit auseinander, dass man sich in Ruhe unterhalten konnte, ohne von anderen Gästen belauscht zu werden. Die Hälfte der Tische war zu dieser frühen Stunde noch unbesetzt. Ihr Tisch wurde üppig mit allerhand Speisen gedeckt, doch Sakura hatte einfach keinen Appetit, weshalb sie nur an ihrem grünen Tee nippte. In ihrem Magen herrschten immer noch Chaos und leichte Übelkeit.   Ihr gegenüber saß Kakashi. Jedesmal, wenn sie den Blick hob, traf sie seinen observierenden Blick. Glücklicherweise war er so taktvoll keine Fragen zu stellen und es gelang ihr ihn ebenso zu ignorieren, wie ihren schwarzhaarigen Teamkameraden, der neben ihrem Sensei saß. Die ganze Zeit über starrte sie nur in ihre Teetasse oder stocherte mit den Essstäbchen lustlos in ihrem Essen herum. Dem Gespräch folgte sie nur mit einem halben Ohr. Es bestand hauptsächlich aus einer Zusammenfassung der gestrigen Ereignisse, sowie dem anstehenden Aufeinandertreffen mit Team 8. Ihre Gedanken drifteten weiter ab, zu dem Bild der blonden Medic-Nin, die Sasukes T-Shirt trug. Auch wenn sie jetzt wusste, dass es sich dabei bloß um ein Trugbild handelte, machte es sie traurig. Es zeigte ihr das, was sie haben wollte, aber nicht haben konnte.   Nach dem Frühstück machten sie sich auf den Weg zum Palast des Tsuchikages. Zuerst ging Sakura auf einer Höhe mit Kakashi, doch nachdem sie mehrmals einigen entgegenkommenden Personen auf der Straße ausweichen musste, geriet sie einige Schritte hinter ihn. Während sie auf das rote Wirbelzeichen auf seinem Rücken starrte folgte sie ihm, immer noch tief in Gedanken versunken. Das anstehende Treffen mit Ryō Yagami spannte sie merklich an. Sie befürchtete, dass Naruto wieder aus der Haut fahren könnte. Es brachte sie nicht weiter, wenn sie miteinander stritten, statt zusammenzuarbeiten. Ein weiterer Gedanke beunruhigte sie. Hoffentlich würde man sie nicht noch einmal ins Krankenhaus schicken. Die blonde Medic-Nin war die letzte Person, die Sakura im Moment sehen wollte. Lächerlich, wenn man bedachte, dass sie gar nichts getan hatte.   Hinter sich konnte sie Sasuke und Naruto miteinander reden hören, jedoch so leise, dass sie nichts von ihren Worten verstand. Sie schien ihre Augen in ihrem Rücken zu spüren. Verdammt, wie gerne würde sie ebenfalls über das Sharingan verfügen? Sasuke schien stets so unerreichbar mit seinem legendären Dōjutsu. Sie hingegen war lediglich eine Medic-Nin, nicht unbedingt talentiert in Nin- oder Tai-Jutsu, geschweige denn Gen-Jutsu. Allein ihre Stärke verschaffte ihr in einem Kampf einen Vorteil. Tsunade hatte ihr damals beigebracht, dass eine Medic-Nin sich auch verteidigen können musste. Sasuke hingegen wirkte unbesiegbar. Seine Augen waren seine Stärke. Sie sahen jeden Angriff voraus, konnten die Jutsu der Gegner kopieren und in die Köpfe der Feinde eindringen, Gedanken lesen und manipulieren. Manchmal musste er nicht einmal einen Finger rühren, um einen Kampf zu gewinnen. Sakura kannte nur den Bruchteil seiner Fähigkeiten, doch manchmal fragte sie sich, wie es wäre, wenn er sie mit einem Genjutsu vergessen lassen könnte. Er würde damit einen Teil ihres Schmerzes nehmen. Es wäre nur fair, immerhin war er für diesen Schmerz verantwortlich.   „Was ist los?“   Die dunkle Stimme riss sie aus ihren Überlegungen. Sakuras Kopf ruckte zur Seite und sie starrte in die Augen, die sie in ihren Gedanken beschäftigten. Dass Sasuke plötzlich neben ihr ging hatte sie gar nicht bemerkt. Sein Kopf war leicht zu ihr geneigt und seine Hände steckten in seinen Hosentaschen, wodurch sein linker Ellenbogen sie kaum merklich am Oberarm berührte.   Seine plötzliche Nähe war in diesem Moment alles andere als angenehm. Unweigerlich manifestierte sich das Bild von ihm und der anderen Frau vor ihrem inneren Auge. „Nichts, was dich etwas anginge“, entgegnete sie schnippischer, als sie eigentlich wollte. Für einen Moment trat ein gekränkter Ausdruck auf sein Gesicht, aber er war so schnell wieder verschwunden, dass sie glaubte, es sich bloß eingebildet zu haben. Dennoch überkam sie ein schlechtes Gewissen und sie wandte den Blick reuevoll von ihm ab.   „Was auch immer es ist“, meinte er gepresst, „reiß dich gefälligst zusammen. Mit deiner schlechten Laune ziehst du das ganze Team runter.“ Nach diesen Worten beschleunigte er seinen Schritt und schloss zu Kakashi auf. Sakura ging einige Schritte hinter den beiden her. In ihr tobten die unterschiedlichsten Emotionen. Zuerst war da Wut, weil er so unhöflich mit ihr sprach, auch wenn es nur eine Reaktion auf ihre Abweisung gewesen war. Außerdem war es einfacher auf ihn sauer zu sein, als auf sich selbst. Denn unweigerlich kam das schlechte Gewissen, da sie immerhin zuerst schnippisch gewesen war und ihn grundlos vor den Kopf gestoßen hatte. Am mächtigsten war allerdings die Trauer. Es schien, als würde die Kluft zwischen ihnen immer größer werden. Verzweifelt wünschte sie sich, dass alles wieder so normal wäre, wie früher, dass sie wieder zwölf Jahre alt wäre, verliebt und glücklich.   Naruto erschien plötzlich neben ihr. „Das war nicht nett von dir“, meinte er monoton, als würde er lediglich eine Tatsache feststellen. Schuldbewusst starrte sie auf ihre Schuhspitzen, während ihre Füße weiterhin einen Schritt vor den anderen setzten. „Sakura, denk dran, das was du gesehen hast war nicht die Realität.“   Sie sah ihn an, doch er wich ihrem Blick aus, indem er sein Gesicht geradeaus gerichtet hielt. Sie betrachtete ihn und versuchte zu erkennen, wie viel er wusste. Sakura hatte ihm nicht erzählt, was sie während der Halluzination gesehen hatte. Aber Naruto war nicht dumm und konnte anscheinend eins und eins zusammenzählen. Jetzt wurde ihr schlechtes Gewissen nur noch größer. Beschämt verzog sie den Mund, wie ein kleines Kind, dass von seinen Eltern bestraft wurde, weil es etwas Dummes angestellt hatte. Wenn sie genauer darüber nachdachte war es sogar nett von Sasuke gewesen, sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Eine sehr seltene Geste von dem Uchiha. Vielleicht machte er sich tatsächlich Sorgen um sie. Und sie? Ihr fiel nichts Besseres ein, als ihn anzuschnauzen. In ihr keimte der Wunsch sich entschuldigen zu wollen.   „Hör mal, Sakura“, begann Naruto langsam. Kurz zögerte er, bevor er weitersprach. „Das was damals–“   Im nächsten Moment trat er einen großen Schritt zur Seite und ein riesiger Hund stürmte ungebremst zwischen ihnen beiden hindurch. Er lief einige Schritte, stoppte abrupt und drehte dann um, wobei er etwas Staub von der Straße aufwirbelte. Akamaru hechelte aufgeregt. Auf seinem Rücken saß Kiba mit einem breiten Grinsen, das seine spitzen Zähne entblößte. Ein ein-Zentimeter-breiter Bartstreifen umrahmte seinen markanten Kiefer. Sein dunkelbraunes Haar stand ähnlich wie das von Naruto in alle Himmelsrichtungen von seinem Kopf ab. Über seiner Chū-Nin-Weste trug er eine hellgraue Jacke mit einem dunklen, buschigen Fellkragen. Akamaru lief auf Naruto zu, der wiederum versuchte mit einigen Schritten rückwärts auszuweichen. Ohne Erfolg. Im nächsten Moment schleckte Akamaru ihm auch schon mit seiner riesigen Zunge übers Gesicht.   „Akamaru mag deinen Geruch“, erklärte Kiba, der belustigt zusah, wie Naruto der Liebkosung des Hundes auszuweichen versuchte, indem er sein Gesicht hektisch von der einen zur anderen Seite drehte.   „Hä? Wie rieche ich denn?“ Hilfesuchend hielt Naruto die Hände in die Luft und versuchte mit den Handflächen den riesigen Hundekopf wegzudrängen. Pikiert verzog er das Gesicht. „Aus, Akamaru! Böser Hund!“   „Da seid ihr ja“, begrüßte Kakashi seine langjährige Freundin. Beide streckten die Hände aus, doch statt sie zu schütteln griffen sie nach dem Unterarm des jeweils anderen.   Kurenai – inzwischen Sarutobi – war immer noch so schön, wie Sakura sie in Erinnerung hatte. Mittlerweile übte die Jō-Nin nicht mehr viele Missionen aus. Inzwischen war sie mehr Mutter als Kunoichi. Vor einigen Jahren hatten sie und Asuma sich das Ja-Wort gegeben und kurz darauf eine kleine Familie gegründet. Die beiden waren das beste Beispiel dafür, dass auch Ninja ein normales Leben jenseits der Shinobiwelt führen konnten. Hin und wieder rief die Pflicht und während Asuma auf ihre Tochter Mirai aufpasste erfüllte Kurenai mit ihrem alten Team gemeinsame Aufträge des Hokage. Neben ihr standen Hinata und Shino. Sakura schloss zu Sasuke und Kakashi auf, um die Mitglieder von Team 8 zu begrüßen, während Naruto weiterhin von Akamaru abgeschleckt wurde.   „Wir haben uns beeilt, nachdem wir Pakkuns Nachricht erhalten haben“, erwiderte die Schwarzhaarige. Sie reichte Kakashi eine Schriftrolle, die er in der Gürteltasche an seiner Hüfte verschwinden ließ. „Die Mission in Takigakure war bereits erfüllt und wir wollten uns gerade auf den Rückweg nach Konoha machen.“   Kakashi kniff sein eines Auge zusammen. „Nun ja, tut mir leid, dass ihr noch nicht nach Hause könnt. Asuma wird noch etwas länger ohne dich auskommen müssen. Aber wir brauchen jemanden aus dem Aburame-Clan und dass ihr in der Nähe wart, war nun einmal glücklicher Zufall.   „Befehl ist Befehl, Hokage“, meinte Kurenai. Ihre roten Augen, die so sehr an das Sharingan erinnerten, glitten zu Shino. Durch den hohen Kragen und die Kapuze seiner beigen Jacke, die er über seiner Weste trug, sowie der schwarzen Sonnenbrille konnte man von seinem Gesicht kaum etwas erkennen und es war schwer zu sagen, ob er jemanden ansah oder an einem vorbei blickte. Jederlei Mimik blieb verborgen. Hinata, die ihr dunkelblaues Haar inzwischen wieder etwas kürzer trug, ging währenddessen zu Akamaru und versuchte ihn dazu zu bringen von Naruto abzulassen. Sanft tätschelte sie den Kopf des Ninken und zog ihn von Naruto weg. Hinata war nach wie vor schüchtern und nicht gerade gesprächig, wobei ihr Shino und Kurenai in nichts nachstanden, doch sie hatte es geschafft ein wenig aufzutauen. Vor allem Naruto gegenüber.   „Danke, Hinata“, sagte Naruto atemlos, während er sich den Speichel des Hundes mit dem Ärmel seines Pullovers aus dem Gesicht wischte. Hinatas Wangen färbten sich augenblicklich rosa, aber sie lächelte leicht. Kiba sprang indes von dem Rücken seines Hundes hinunter und schloss nun ebenfalls zu den beiden Teams auf. Akamaru bellte einmal laut und folgte dann seinem Herrchen, nicht ohne Naruto noch einmal mit der Schnauze gegen den Hintern zu stupsen. Naruto grummelte leise und Hinata kicherte vergnügt.   „Ihr kommt genau richtig“, meinte Kakashi. „Wir waren gerade auf dem Weg zum Tsuchikage.“   „Mit der Auflösung des Mordes am ehemaligen Tsuchikage beauftragt zu sein, klingt nach einem hohen Maß an Verantwortung“, meinte Shino. „Ich hoffe, ich werde Eure Erwartungen erfüllen können, Meister Hokage.“   „Ja, ehm, wir werden sehen.“ Kakashi hob den Arm, als würde er Shino auf die Schulter klopfen wollen, überlegte es sich aber auf halbem Wege anders und kratzte sich stattdessen am Hinterkopf.   „Die Anwesenheit der Käfer konnte ich bereits als wir das Dorf passierten spüren.“ Sein Kopf hob sich leicht und er schien in den Himmel zu blicken. Die Käfer waren so klein, dass sie mit dem bloßen Auge kaum sichtbar waren, aber Shino mochte sie vielleicht dennoch sehen. „Die Frage, die ich mir stelle, ist, weshalb sie Unruhe stiften. Im Allgemeinen sind Käfer sehr friedliebende Insekten.“   Kakashi sah zu Sakura. „Hast du ihn dabei?“   Sie nickte und griff in ihre Westentasche, aus der sie ein verkorktes Reagenzglas hervorholte. Sie reichte es Shino und kam ihm dabei so nahe, dass sie einen dunklen Käfer auf seiner Stirn herumkrabbeln sehen konnte. Schnell trat sie wieder einige Schritte zurück. Shino hielt das Gefäß hoch, in dem sich der Käfer befand, den Sasuke am Tag zuvor eingefangen hatte, und entkorkte es mit dem Daumen. Aus seinem Ärmel krabbelten drei Käfer, die den Weg über seine Hand ins Gefäß fanden. Die Mitglieder aus Team 7 und Team 8 sahen dabei zu, wie kurz darauf die Käfer erst aus dem Glas und dann in Shinos Richtung flogen, wo sie schließlich unter seiner weiten Kapuze verschwanden. Mit dem Daumen verschloss er die Probe und reichte sie wortlos Sakura, die sie wieder in ihrer Westentasche verstaute. Ihr Blick lag angeekelt und fasziniert zugleich auf Shino, der anscheinend gerade wortlos mit seinen Insekten kommunizierte.   „Und?“, fragte Kurenai, während die Anspannung unter ihnen deutlich wuchs. Alle acht Augenpaare beobachteten nun den Aburame.   Shino schwieg noch einen Moment, ehe er ernst sagte: „Das ist durchaus ungewöhnlich.“   * * *   „Welch ein Anblick“, raunte Ryō, während die Ninja aus Konoha am runden Tisch im Besprechungszimmer ihre Plätze einnahmen. Drei weitere Stühle waren seit dem letzten Besuch von Team 7 dazugestellt worden. Die Frau des Kages war diesmal nicht anwesend, lediglich seine drei Berater. Akamaru lag zusammengerollt in einer Ecke des Zimmers und schien vor sich hin zu dösen. Ryōs dunkle Augen wanderten fasziniert zwischen Sasuke und Hinata hin und her, die am Tisch nebeneinander saßen. „Die beiden legendären Dōjutsu, Sharingan und Byakugan, in einem Raum vereint.“ Mit einem begeisterten Funkeln in den Augen beugte er sich nach vorne über den Tisch. „Habt ihr zwei euch schon einmal überlegt euch zusammen zu tun? Eure Kinder wären sicher unbesiegbar.“   Hinata schrumpfte daraufhin mit einem erstickten Laut in ihrem Stuhl zusammen und wurde so rot wie eine Tomate. Sasuke sah den Tsuchikage gleichgültig an und gab keinen Kommentar von sich, als wäre dieses Gespräch unter seiner Würde. Neben sich bemerkte Sakura wie Naruto sich anspannte und nach einem Blick in sein Gesicht nach zu urteilen fand er diesen Gedanken genauso erschütternd wie sie.   Ob so etwas überhaupt möglich war? Eins von beiden Kekkei Genkais würde vermutlich dominieren und sich am Ende durchsetzen. Oder würde vielleicht sogar ein völlig neues Bluterbe entstehen? Eine kombinierte Augenmacht aus beiden Dōjutsu klang durchaus beeindruckend und überaus einschüchternd. Aber sollte jemand nur aus diesem Grund heiraten wollen? Eheschließungen, die einen Zweck erfüllten, waren in der Ninjawelt nichts Ungewöhnliches. In einigen Familien war es immer noch üblich, dass innerhalb des Clans geheiratet wurde, um die Blutlinie rein zu halten und die Fähigkeiten nicht durch fremdes Blut zu schwächen. Sakura fragte sich unweigerlich, wie Sasuke zu diesen Regelungen stand. Er und Hinata waren wirklich ein ungleiches Paar, vor allem, wenn man bedachte, dass die Erbin aus dem Hyūga-Clan ihr Herz bereits an einen gewissen Blondschopf verloren hatte.   Sakura überlegte, was Ryō Yagami mit dieser Aussage bezweckte. War es reines Interesse an den Fähigkeiten dieser beiden mächtigen Clans oder versuchte er nur wieder zu provozieren? Sein leicht arrogantes Grinsen deutete auf Letzteres.   Glücklicherweise unterbrach Kakashi ihren Gedankengang. „Überspringen wir den Smalltalk“, meinte Kakashi ruhig, „und kommen wir zum Wesentlichen. Wir haben Neuigkeiten.“   Ryō lehnte sich mit einem leichten Schmunzeln wieder in seinem imposanten Stuhl zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. „Ich bin schon ganz gespannt.“   „Heute kam die angeforderte Verstärkung aus Konoha an. Das ist Shino aus dem Aburame-Clan.“ Mit einer lässigen Handbewegung deutete er auf den schweigsamen Sonnenbrillenträger, auf dem nun die vier Augenpaare der Iwa-Nins ruhten. „Wie Ihr bereits wisst, kämpft der Aburame-Clan mit Käfern. Shino ist somit ein Experte, was Insekten betrifft. Glücklicherweise befand sich sein Team in der Nähe, wodurch es ihnen möglich war bereits heute zu uns zu stoßen. Die Anreise aus Konoha hätte weitaus mehr Zeit in Anspruch genommen.“   Ryō und seine Berater musterten die Neuankömmlinge. Tetsuya nickte ihnen anerkennend zu, auch wenn diese Geste etwas zögerlich wirkte. Eigentlich wäre es taktvoll gewesen sie willkommen zu heißen, doch sie schienen noch unschlüssig zu sein, ob sie nun einem Verbündeten oder einem Feind gegenüber saßen. Der Tsuchikage hatte bereits im Vorfeld seine Gedanken bezüglich eines Komplotts von Seiten Konohas geäußert.   „Und was kann uns dieser Experte Interessantes mitteilen?“, fragte Ryō herausfordernd mit einer gewissen Portion Skepsis in der Stimme.   Kakashi nickte Shino kaum merklich zu und gab ihm somit das Zeichen, dass er nun das Wort hatte.   „Es ist davon auszugehen, dass die Käfer in Eurem Dorf gezüchtet worden sind. Im Regelfall gibt es keine Art, die derartige Halluzinationen hervorrufen kann“, erklärte Shino sachlich. „Der Torpor Scarabeus kann durch einen Biss ein Betäubungsmittel freisetzen. Die Größe eines Menschen im Vergleich zu der des Käfers würde allerdings dafür sorgen, dass die Betäubung kaum merklich ist. Bei kleineren Tieren zeigt sie durchaus mehr Wirkung.“ Shino streckte seine rechte Hand aus und hielt die geöffnete Handfläche nach oben. Aus seinem Ärmel flogen dutzende kleine Käfer, die sich wie Rauschwaden um seine Hand herum ausbreiteten. „Meine Käfer sind keine gewöhnlichen Insekten. Sie ernähren sich von meinem Chakra und haben eine Verbindung zu mir. Bei gewöhnlichen Käfern, wie dem Torpor Scaraberus, ist dies nicht der Fall. Bei demjenigen, den ich vorhin untersucht habe, konnten allerdings Chakrareste nachgewiesen werden, was darauf hinweist, dass sie von einem Shinobi gesteuert werden.“   „Das bedeutet jemand hat diese Käfer gezüchtet, sodass sie nicht mehr betäuben, sondern durch ein Gift Angst verbreiten. Und mithilfe eines Jutsus werden sie gelenkt“, fasste Kakashi zusammen.   „Ist so etwas möglich?“, fragte Toka.   Shino nickte kaum merklich. „Alles ist möglich.“   „Das heißt, wenn wir den Anwender des Jutsus ausschalten, verlieren die Käfer ihre Macht?“, fragte Tetsuya hoffnungsvoll.   „Nein.“ Shinos Käfer zogen sich langsam wieder in das Innere seine Jacke zurück. „Das würde bedeuten, dass sie von dem Moment an unkontrolliert sind. Sie könnten sich überallhin ausbreiten und sich weiter vermehren. Sie sind keine Schattendoppelgänger, die sich auflösen, sobald das Original besiegt wurde.“ Daraufhin zischte Toka verärgert und Kazuko schüttelte erschüttert den Kopf.   „Käfer!“, stieß Ryō verächtlich aus, als würde es ihn persönlich beleidigen, dass er, im wahrsten Sinne des Wortes, vor etwas so winzigem wie einem Käfer Angst haben musste. Mit einer schnellen Bewegung fuhr er sich frustriert erst über das Gesicht und dann über das rote Haar. Innerhalb einer Sekunde hatte er sich wieder im Griff und sagte mit ernstem Gesicht: „Nun gut, wer auch immer dahinter steckt hat es schon einmal geschafft ungesehen in den Palast einzubrechen. Er ist durchaus in der Lage, jemanden unbemerkt zu töten. Dass er momentan nur Angst verbreitet, bedeutet, dass er mit uns spielt und vermutlich unsere Unwissenheit genießt.“   „Die Shinobi beginnen bereits damit die Situation im Dorf zu entschärfen, indem sie alle Käfer aufspüren“, erklärte Toka. „Diese Aufgabe erweist sich als schwierig, da Iwagakure recht groß und diese Käfer recht klein sind. Sie verstecken sich in den kleinsten Ritzen. Bis wir alle gefunden haben wird es sehr lange dauern. Und selbst wenn wir es schaffen alle zu finden, wer sagt uns, dass derjenige nicht wieder neue Käfer losschickt?“   „Wir müssen also die Person finden, die die Käfer steuert“, erwiderte Ryō.   Tetsuya nickte. „Ganz genau.“   „Bleibt nur die Frage, ob sich der Feind innerhalb oder außerhalb des Dorfes befindet“, warf Kakashi ein, woraufhin die vier Iwa-Nins ihm böse Blicke zuwarfen. „Es ist durchaus möglich, dass es sich um einen Hinterhalt in den eigenen Reihen handelt. Vielleicht um jemanden, der es ebenfalls auf das Amt des Kages abgesehen hat.“   Die beiden anwesenden Kage blickten einander an. Ryō war die versteckte Botschaft in dieser Aussage nicht entgangen. Nach einigen Momenten des Schweigens sagte er: „Ja … Vielleicht …“   Kurenai warf erst ihrem Schüler und dann Kakashi einen Blick zu. Kakashi nickte ihr zu, zeigte damit sein Einverständnis.   „Meine Käfer sind in der Lage sie aufzuspüren“, sagte Shino daraufhin. „Ich habe tausende. Sie finden jedes kleinste Versteck, vor allem, da sie auf Chakra reagieren.“   „Kurenai wird mit ihrem Team im Dorf bleiben und euch bei der Beseitigung der Käfer helfen“, sagte Kakashi. „Ihr Team ist dafür mehr als geeignet. Abgesehen von Shino, der die Käfer aufspüren kann, gibt es auch noch Kiba aus dem Inuzuka-Clan, der Gerüchen folgen kann. Vielleicht findet er mithilfe des Geruchs der Käfer eine Spur, die zu dem Täter führt. Und Hinata kann mit ihrem Byakugan weiter schauen, als jeder andere von uns.“   „Und sie?“ Ryōs Augen wanderten ungeniert über Kurenais Körper und Kakashi war heilfroh, dass Asuma in diesem Moment nicht anwesend war. Oder Ryōs Ehefrau.   Die hübsche Jō-Nin blieb unbeeindruckt. „Meine Spezialität sind Genjutsu.“   „So?“ Er betrachtete weiterhin Kurenai, während er ihr ein laszives Lächeln schenkte. Daraufhin brach sie den Blickkontakt und betrachtete stattdessen die Tischplatte vor sich. Die Ninja aus Konoha empfanden diese öffentliche Zuschaustellung des Interesses ziemlich unpassend, doch Ryōs Berater schienen sich nicht daran zu stören. Vielleicht war der Tsuchikage ja ein Frauenheld. Letztendlich konnte er sich aber von den roten Augen losreißen und sah stattdessen in das Auge von Kakashi, das nicht von seinem Stirnband verdeckt wurde. „Hokage, Euer Team verfügt über das Sharingan. Ihr habt damit ebenfalls hohe Chancen, den Verantwortlichen zu finden. Ich würde ja meine eigenen Männer schicken, aber ich fürchte, ich muss euch erneut um einen Gefallen bitten. Während wir im Dorf die Stellung halten müsst ihr außerhalb nach dem Ursprung suchen.“   „Umso größer der Raum ist, in dem wir suchen“, fügte Tetsuya hinzu, „desto höher sind unsere Chancen fündig zu werden.“   Kakashi nickte. „Wir werden noch heute aufbrechen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)