About Clowns and Heroes von RaoulVegas ================================================================================ Kapitel 18: Looking for memories -------------------------------- 1 Leicht vor sich hin grummelnd, wartet Batman nicht sonderlich geduldig vor der Wohnungstür, bis Edward die Treppe zu ihm nach oben gestiegen ist. Dies tut der Rätselmeister mit sehr besorgtem Gesicht und hängenden Schultern, was ihn um Jahre älter wirken lässt. Als der Brünette schließlich neben ihm steht, mustern sich die beiden Rivalen einen Moment, ehe sie gleichzeitig einen sorgenvollen Blick auf den noch immer ohnmächtigen Clown werfen. Schließlich seufzt der Jüngere und drückt seine flache Hand auf das Paneel neben der Tür. Zartgrünes Licht gleitet seine Hand entlang, es folgt ein leises Piepsen und dann öffnet sich der Eingang. Ohne ein Wort betritt Ed seine Wohnung und wendet sich zum Schlafzimmer. Dort schaltet er die Nachttischlampe ein, zieht die Decke von ihrer Schlafstätte zurück und sucht dann wieder den Blick des Ritters. „Leg ihn aufs Bett...“, meint er bedrückt. Bruce kommt dem Ganzen nach, und kaum, dass der Grünhaarige liegt, wickelt Nigma ihn auch schon ganz fest in die Decke ein. Er holt sogar noch eine zweite aus dem Schrank und breitet sie ebenfalls über ihm aus, damit er erst mal wieder warm wird. Betreten lässt der Rätselmeister erneut die Schultern hängen und setzt sich neben den scheinbar schlafenden Jungen, streicht ihm liebevoll eine verirrte Strähne aus der Stirn. Wayne gibt ein Brummen von sich, das wohl ein Seufzen sein soll, und setzt sich dann ebenfalls auf die Bettkante. Einen sehr langen Moment herrscht betretenes Schweigen in den winzigen Raum. „Was sollen wir jetzt machen?“, fragt Edward schließlich. Seine Stimme ist dabei kaum mehr als ein ersticktes Flüstern, leicht unverständlich durch seine gebrochene Nase, und hörbar den Tränen nahe. „Ich bin mir nicht sicher, doch ich denke, dass er bald wieder aufwachen wird. Von daher sollten wir uns entweder schnell eine Lösung einfallen lassen, oder uns darauf gefasst machen, ihn wieder schlafen zu schicken, bis wir einen sinnvollen Einfall haben.“ „Ja, das klingt vernünftig. Doch bitte schlag ihn nicht wieder! Das würde er in seinem jetzigen Zustand nicht verstehen und es die Sache nur noch mehr verkomplizieren. – Du hast doch bestimmt Betäubungsgas oder dergleichen in deinem tollen Gürtel?“, wirft Nigma ein und mustert ihn eindringlich, fast schon flehend. Ohne zu antworten, greift Batman an besagten Gürtel und zieht eine kleine Spraydose heraus, die er seinem Gegenüber reicht. „Warum gibst du mir das?“ „Ich denke, Ivy hat bei der ganzen Sache ihre Finger im Spiel, und sie ist es vermutlich auch gewesen, die das bei ihm ausgelöst hat. Gewollt oder auch nicht. Also werde ich nach Arkham fahren und sie danach fragen, ehe wir irgendetwas an ihm ausprobieren und es dadurch womöglich nur noch schlimmer wird.“ Zustimmend nickt der Brünette. „Das wäre sicher das Beste. Und wenn sie sich weigert?“ „Ich bekomme schon eine Antwort von ihr, mach dir da mal keine Sorgen. Sieh du nur zu, dass er dich nicht noch mehr lädiert, wenn er aufwacht. Sprüh ihm einfach das Mittel ins Gesicht. Aber halt die Luft dabei an, nicht dass es dich statt ihn ausknockt und er hier Unheil anrichtet.“ Etwas überrascht weiten sich Nigmas Augen, dann nickt er wieder. „Okay, ich versuche es.“ „Gut, dann mache ich mich jetzt auf den Weg. Ich versuche, mich zu beeilen. Kannst du das Fenster offenlassen, damit ich wieder reinkomme, ohne den ganzen Weg durch das Haus zu nehmen und deine Leute unnötig aufzuschrecken?“, fragt Bruce und deutet hinter sich auf den Zugang zum Balkon. „Ja, ich lasse den Riegel offen, dann kannst du das Fenster einfach aufdrücken.“ Mit einem weiteren Brummen nickt Batman und verschwindet ohne ein weiteres Wort über den Balkon in die Nacht hinaus. Edward bleibt allein zurück, mit dem bewusstlosen Clown neben sich... 2 Gedankenverloren sitzt Ed jetzt also auf dem Bett und grübelt über eine Lösung nach. Sonderlich viel weiß er nicht über Amnesie. Sein Wissen dahingehend beschränkt sich auf die oftmals sehr fragwürdigen Informationen, die man im Fernsehen oder in Büchern finden kann. Was davon wirklich stimmt, ist also die entscheidende Frage. Aber vielleicht erst einmal alles zusammentragen und dann systematisch ausschließen oder ausprobieren. Etwas anderes bleibt ihm im Moment kaum übrig, bis Batman hoffentlich mit der richtigen Lösung zurück ist. Ein Punkt, der ihm einfällt, gibt an, dass Amnesie nur eine vorübergehende Tatsache ist. Dennoch kann es Tage oder Wochen, vielleicht sogar Monate dauern, ehe sich dieser Zustand von selbst verflüchtigt. Darauf zu warten, steht daher vollkommen außer Frage – erst recht, wenn man das aggressive und vollkommen unberechenbare Verhalten des Grünhaarigen bedenkt. Und es wäre sicher nicht von Vorteil, ihn deswegen irgendwo einzusperren oder anzuketten. Das könnte seinen Zustand im schlimmsten Fall sogar noch begünstigen und ihn immer tiefer abdriften lassen, sodass er sich womöglich nie wieder erinnern kann. Also weiter im Text. Soweit Nigma das beurteilen kann, gibt es auch kein Heilmittel, – weder eine Arznei noch eine totsichere Methode – um eine Amnesie umzukehren. Doch womöglich ist das hier anders, weil Ivy ihre Finger im Spiel hat? Sie hat das Ganze vermutlich mit irgendeiner Droge oder einem Gift hervorgerufen, und das kann gegebenenfalls neutralisiert werden. In dem Fall muss die grüne Flora aber erst einmal reden. Der Brünette ist sich allerdings nicht sicher, ob das so einfach wird, wie es sich bei Batman angehört hat. Immerhin ist die Rothaarige weithin dafür bekannt, insbesondere Männer sehr leicht um den Finger zu wickeln und zu manipulieren. Und davon war auch der Dunkle Ritter in der Vergangenheit schon mehrmals betroffen und musste dann ungewollter Weise nach ihrer Pfeife tanzen, ehe er wieder so klar denken konnte, um ein Gegenmittel aus seinem Gürtel zu benutzen. Sollte es ihm dennoch gelingen, von ihren Pheromonen verschont zu bleiben, stellt sich immer noch die Frage, ob ihre Antwort auch wirklich die Lösung ist. Zwar wird der Mitternachtsdetektiv nicht davor zurückschrecken Gewalt anzuwenden, doch das muss ja noch lange nicht heißen, dass sich Ivy davon beeindrucken lässt und brav für ihn singt. Immerhin weiß keiner von ihnen, was eigentlich der Plan der beiden Schurkinnen war und weshalb sie ausgerechnet Joker dafür missbraucht haben. Doch irgendwie kann sich der Rätselmeister schon vorstellen, was das Warum und Wieso sind. Wie die meisten Schurken Gothams sind die zwei Frauen ganz sicher immer noch sauer auf den Clown, wegen der Sache in der Iceberg Lounge, was man ihnen auch nur schwer verübeln kann. Einige von ihnen konnte Ed durch seine Arbeit in den Narrows schon beruhigen, nur eben nicht alle. Durch den Diebstahl des Enigma wollen sich die beiden wahrscheinlich auch an Ed rächen. Doch warum? Weil er Joker bei sich aufgenommen hat? Glauben sie vielleicht sogar, dass Nigma nach der Pfeife des irren Clowns tanzt und die ganze Arbeit in den Narrows nur als Tarnung für einen verheerenden Vernichtungsschlag dient? Diese Vermutung könnte stimmen, denn er bezweifelt schon sehr, dass irgendeiner von ihnen auch nur ansatzweise vermuten könnte, dass er mit dem Bengel ins Bett springt. Dazu waren und sind sie diesbezüglich viel zu vorsichtig. Abgesehen von seinen Männern und Batman weiß es niemand außerhalb dieser vier Wände. Nicht mal die Bewohner der Narrows, auch wenn der ein oder andere vielleicht etwas dahingehend vermuten könnte. Die Frage, warum ausgerechnet Joker dafür herhalten musste, ist schon fast überflüssig, wo er allein doch das Chaos in Oswalds Club angerichtet hat. Zudem ist der Bengel äußerst kräftig und geschickt und damit ein harter Gegner für Batman, was den beiden Grazien im besten Fall die Flucht ermöglicht hätte. Doch wie wir wissen, ist das ja gründlich nach hinten losgegangen. Doch warum? Vermutlich, weil sich Joker auch nicht mehr an die Fledermaus erinnern kann. Daher fehlt ihm die grenzenlose Obsession, die ihn sonst im Kampf gegen seinen finsteren Liebhaber antreibt. Er glaubt immerhin, noch ein Teenager zu sein, außerdem noch nicht einmal schwul, weshalb seine Abneigung beziehungsweise sein eingebildeter Hass gegen Batman diesmal völlig echt sind. Vielleicht wollte er noch nicht einmal gegen ihn kämpfen? Ihm fehlt es in diesem Fall sicher auch noch etwas an Erfahrung, wodurch es für Batman nur allzu leicht gewesen sein dürfte, ihn auf die Matte zu schicken. Wirklich eine knifflige Angelegenheit. Aber das schweift jetzt schon viel zu weit vom eigentlichen Thema ab... Amnesie, was fällt ihn dazu noch ein? Seine spärlichen Informationen scheinen sich dahingehend einig zu sein, dass es sehr förderlich ist, wenn sich die betreffende Person an einem ihr vertrauten und geliebten Ort befindet. Das sie etwas macht, was sie sonst gern tut, zum Beispiel einem Hobby nachgehen. Und insbesondere soll es helfen, wenn man der Person etwas über sie erzählt. Eigenschaften, Erlebnisse und dergleichen. Tja, Joker befindet sich aber schon an dem einzig vertrauten Ort, den Edward unzweifelhaft ausmachen kann. Und der Grünhaarige wird es in seinem jetzigen Zustand wohl kaum zulassen, dass Nigma ihn mal eben wie einen anstrengenden Fünfjährigen vor dem Fernseher parkt, damit er sich ein paar Cartoon anschauen und dabei tonnenweise Schokolade in sich hineinstopfen kann. Und ganz sicher wird der Bengel auch kein Comicheft lesen wollen, ganz egal, wie verboten eng die Klamotten der Superhelden auch immer seien mögen. Zweiteres fällt somit auch schon mal weg. Bleibt also nur die dritte Möglichkeit. Doch auch sie dürfte sehr schwer umzusetzen sein. Immerhin wollte ihm Joker ja neulich auch nicht zuhören, ganz egal, was auch immer er gesagt hat. Dem Rätselmeister entkommt ein trauriges Seufzen. Was soll er nur tun? Vielleicht zerbricht er sich aber auch völlig grundlos den Kopf? Wenn Ivy Batman ein Gegenmittel nennen kann, ist die Sache sicher ganz einfach. Aber bei dem vorherrschenden Glück, das der Brünette sein Eigen nennen darf, wird das wohl eher nicht der Fall sein. Mit aller größter Wahrscheinlichkeit sagt sie Batman genau das, was Nigma schon durch den Kopf gegangen ist: Das sie darauf warten, dass die Wirkung nachlässt oder sie seinen Erinnerungen irgendwie auf die Sprünge helfen müssen. Keine sonderlich guten Aussichten also. Hilflos spielen seine nervösen Finger mit der kleinen Spraydose, die Batman ihm gegeben hat. Langsam dreht er sie hin und her. Sie ist sehr schlicht und kaum größer als ein Feuerzeug. In dem durchsichtigen Kunststoff kann er eine leicht gelbliche, nicht ganz klare Flüssigkeit schwappen sehen, fast wie Zitronensaft. Das Fläschchen ist zudem vollkommen unbeschriftet und fern jeglicher Kennzeichnung, die einen auch nur vermuten lassen könnte, um was für einen Inhalt es sich dabei handelt. Irgendwie hat diese Tatsache etwas sehr Leichtsinniges, was man so mit Batman nicht gerade in Verbindung bringen würde... 3 Viel weiter kommt Nigma mit seinen Gedanken auch nicht, da beginnt sich der kleine Clown neben ihm zu regen. Etwas überrascht erhebt sich der Rätselmeister schnell von der Bettkante und tritt ein paar Schritte zurück. Angespannt beobachtet er seinen Gefährten, der sich leicht murrend auf die Seite dreht und weiter zu schlafen versucht. Unschlüssig beißt sich Ed auf die Unterlippe. Die Ohnmacht des Jungen scheint vorbei, doch es sieht nicht so aus, als wäre er schon bereit, völlig aufzuwachen. Es fehlt ihm sicher noch an genug Wärme, um sich ganz aufzurappeln. Einer Eingebung gleich, schiebt sich der Brünette nun aber die kleine Sprayflasche unter die Manschette. So hat er die Hände frei und erregt damit keine ungewollte Aufmerksamkeit, zudem kann er sie immer noch problemlos und schnell erreichen, sollte es erforderlich sein. Fast zwei Minuten vergehen, ohne dass sich Joker noch einmal bewegt. Erneut kaut Ed auf seiner Unterlippe herum. Eigentlich muss er dringend mal pinkeln, aber er ist hin- und hergerissen, ob er den Bengel mal kurz allein lassen kann. Stumm verflucht er seinen nervösen Körper und versucht, den nagenden Drang zu ignorieren. Aber eigentlich ist das eine schlechte Idee. Wenn Joker jetzt aufwacht und auf ihn losgeht, wird er sich ganz unzweifelhaft in die Hosen machen. Welch demütigender Gedanke... Resignierend lässt er die Schultern hängen und seufzt tonlos. Es hat ja doch keinen Sinn. Vorsichtig wendet er sich um und nähert sich der Tür. Mit leichtem Zittern legen sich seine Finger um die Klinke und drücken sie ganz langsam nach unten. Seine Augen kleben dabei die ganze Zeit an dem schlafenden Jungen. Zentimeter für Zentimeter tut sich ein Spalt auf, und dann huscht der Brünette lautlos in den kleinen Flur. Dort schließt er einen Moment die Augen und atmet tief durch. Dann betritt er schnell das Bad. 4 Während Edward sich so seine Gedanken über Jokers Heilung macht, fährt das Batmobil auf den Hof der Anstalt. Pflichtbewusst nähern sich ihm eine Handvoll Wachen, doch der Ritter ignoriert sie und setzt seinen Weg dann ungetrübt zu Fuß zur Eingangstür fort. „Nun warte doch mal! Du kannst nicht einfach...“, setzt einer der Männer an und postiert sich vor der großen Flügeltür, um dem Schwarzgekleideten den Durchgang zu verwehren. Er mag vielleicht der Beschützer der Stadt sein und immer wieder diese Irren einfangen, doch auch für ihn gelten nun einmal Regeln. Bruce verzieht das Gesicht und brummt hörbar, was sein Gegenüber sichtlich nervös macht, doch noch gibt er seinen Posten nicht auf. Immerhin sind seine Kollegen bei ihm und werden ihm helfen. „Ich muss sofort mit Ivy sprechen.“, knurrt Wayne schon fast, rührt sich aber nicht. „Das – das geht jetzt nicht. Commissioner Gordon ist bei ihr, um sie nach dem gestohlenen Diamanten zu befragen, und sie steht unter Beruhigungsmitteln.“ Die Miene des Wachmannes wirkt irgendwie entschuldigend, dennoch schiebt er fast schon schmollend wie ein kleines Kind die Unterlippe vor und umklammert das Betäubungsgewehr vor seiner Brust fester, um seinen Standpunkt deutlich zu machen. „Catwoman ebenfalls.“, ertönt nun eine Stimme hinter Batman, wo sich die anderen Wachen in einem Halbkreis um ihn gescharrt haben. Der Rächer knurrt nun wirklich, sodass es alle hören können, was die Männer um sich herum sichtlich zusammenzucken lässt. „Der Enigma befindet sich an einem sicheren Ort und ich bringe ihn wieder ins Museum zurück, wenn das Ganze hier vorbei ist. Aber erst muss ich mit Ivy reden, bevor noch etwas Schlimmeres passiert.“, versucht es Batman erneut. Überraschung huscht über das Gesicht des Wachmannes vor ihm. „Du hast den Stein? Na, dann können wir ja lange versuchen, sie zum Reden zu bringen...“, seufzt er und wirkt unschlüssig, was er jetzt tun soll. Hilfesuchend wirft er einen Blick an dem Mitternachtsdetektiven vorbei zu seinen Kollegen, die aber auch etwas ratlos wirken. Plötzlich öffnet sich ein Flügel der großen Tür hinter dem Mann und Dr. Arkham streckt den Kopf heraus, vermutlich, um herauszufinden, was hier los ist. „Kann man den Herren vielleicht irgendwie behilflich sein?“, fragt er leicht mahnend, woraufhin sich ihm alle Blicke zuwenden. „Ja, Sir, wir...“, setzt der Wachmann vor ihm wieder an. „Ich muss sofort mit Ivy sprechen!“, fällt Bruce ihm etwas ungehalten ins Wort und schiebt den bewaffneten Mann dann einfach zur Seite, als wäre er nicht weiter als eine große Stoffpuppe. Daraufhin ertönt hinter ihm das bedrohliche Knacken der sich entsichernden Gewehre, die ganz unzweifelhaft auf ihn angelegt werden. Sein Kostüm würde den Betäubungspfeilen vermutlich standhalten, doch es sind nicht die einzigen Waffen, die die Männer bei sich tragen. Wayne versucht, ruhig zu bleiben. So eine Situation kommt mindestens einmal die Woche vor und er ist daran gewöhnt, was es aber auch nicht weniger unangenehm macht, weshalb er vehement dem Drang zu widerstehen versucht, sich umzudrehen und die Fäuste sprechen zu lassen, nur um diese verhassten Waffen aus den Augen zu bekommen. Dr. Arkham setzt einen beinahe mitleidsvollen Blick auf und seufzt. „Geht es um diesen Diamanten? Gordan befragt sie gerade wenig erfolgreich danach.“ „Da wird er auch nicht weit kommen, weil ich den Stein sicher versteckt habe. Aber das Ganze geht noch viel weiter und es droht noch mehr Unheil, wenn ich nicht sofort mit ihr sprechen kann.“, erläutert der Ritter ein weiteres Mal, mit sichtlich wenig Geduld. „Soso. Na schön, du kennst den Weg ja. Adams? Miller? Begleitet ihn!“, legt der Leiter der Anstalt fest und tritt dann zur Seite, damit Batman hineinkann. Die Wachmänner tauschen einen unschlüssigen Blick miteinander aus, ehe die zwei Genannten dem Maskierten in die verwinkelten Untiefen des uralten Gebäudes folgen. 5 Schweigend schreiten die drei die schier endlosen Korridore entlang. Begleitet werden sie dabei von den teilweise äußerst obszönen Rufen der Insassen hinter ihrem Panzerglas, die sich sichtlich daran aufschaukeln, Batman so zum Greifen nahe vor sich zu haben und ihn dennoch nicht erreichen zu können. Wayne ignoriert das Ganze überaus gekonnt, macht sich im Hinterkopf aber die ein oder andere Notiz für ein mögliches späteres Aufeinandertreffen. Die zwei Wachmänner nehmen das alles nicht ganz so gelassen auf. Wütend schlagen sie gegen die ein oder andere Scheibe und rufen den Geisteskrankheiten gemeine Verwünschungen zu. Auch diese Tatsache registriert der Ritter stumm und fügt sie seinen geistigen Notizen hinzu. Vielleicht sollte Bruce Wayne mal einen Personalwechsel in Aussicht stellen? Mit so einem Verhalten ist schließlich niemandem geholfen. Am wenigsten den Wachen selbst, sollten die Insassen die Möglichkeit bekommen, in Freiheit zu gelangen. Und wenn Arkham eines vorweisen kann, dann jede Menge totes Personal... Dann endlich kommen sie bei Ivys Zelle an. Vor ihr steht Gordan sichtlich entnervt, während die Rothaarige auf der anderen Seite der Scheibe seine Bemühungen mit bockig verschränkten Armen zur Kenntnis nimmt. Seufzend wendet sich der Commissioner ein Stück um, nimmt die Brille ab und reibt sich müde die Augen. So kommt er einfach nicht weiter. Vielleicht sollte er erst mal eine Pause machen? Sie etwas schmoren lassen? Doch dann wecken sich ihm nähernde Schritte seine Aufmerksamkeit. Als er sich die Brille wieder aufsetzt, erblickt er Batman und war selten so froh, ihn zu sehen. „Hey, alter Freund! Was verschlägt dich hierher?“, fragt er die Fledermaus fast schon beiläufig. „Wie es scheint, derselbe Grund, der auch Sie hierhergeführt hat, Gordan.“ „Na, dann mal viel Glück. Ich bekomme kein Wort aus ihr heraus...“, seufzt der Grauhaarige nur wieder und tritt ein paar Schritte zur Seite. Die beiden Wachmänner postieren sich links und rechts vom Commissioner, während Bruce etwas näher an die Scheibe herangeht. Finster dreinblickend starrt Batman durch das mehrfach verstärkte Panzerglas. Es ist so dick, dass sein Gegenüber schon ganz leicht verschwommen wirkt. Und trotzdem ist es im äußersten Ernstfall nie dick genug, um Typen wie Bane oder Killer Croc lange Stand zu halten. Dennoch ist nicht zu übersehen, wie Ivy mit verschränkten Armen dasteht und seinem Blick ungerührt standhält. „Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen. Aus mir bekommst du kein Wort heraus.“, profiliert sie sich und wendet damenhaft beleidigt den Blick zur Seite. Die Fledermaus nimmt das Ganze schweigend zur Kenntnis. Er lässt ihr sogar einen Moment Zeit, ehe er selbst zu sprechen beginnt. „Mir scheint, euch beiden ist gar nicht klar, was ihr da womöglich für eine verheerende Kettenreaktion in Gang gesetzt habt. Sollte Joker auch nur ansatzweise an den Punkt seiner Erinnerungen zurückfinden, der ihn sein anfängliches Selbst erkennen lässt, wird er unzweifelhaft eine Bombe in Gotham zünden, und all der Ärger des letzten Jahres wird von vorn beginnen...“, versucht er zu ihr durchzudringen, als er auch schon von Gordan unterbrochen wird. „Der Joker!? Eine Bombe!? Um Himmels willen! Was soll das alles?“ Hecktisch sieht er sich um, doch einzig die Wachmänner reagieren auf seine Worte und blicken sich genauso verstört und alarmiert um. Für Batman und Ivy scheinen sie hingegen eher Luft zu sein. Die grüne Flora gibt ein schnippisches Geräusch von sich. „Und warum sollte mich das kümmern? Außerdem läuft der Prozess rückwärts ab, daher ist es vollkommen unmöglich, dass er mal eben auf eine zündende Idee kommt.“ „Also weißt du, was mit ihm los ist und hast das Ganze sicher auch bei ihm ausgelöst? Warum?“ „Warum wohl? Die Iceberg Lounge! Das war so was von demütigend! Diese halbe Portion hat es gar nicht anders verdient, wenn er es wagt, uns alle so vorzuführen, als wären wir blutige Anfänger und nicht die meistgesuchten Schurken der Stadt! Außerdem ist er einer der wenigen, die dir die Stirn bieten können. – Allerdings fürchte ich, dass das Mittel etwas zu gut wirkt, sonst wäre der Coup ganz sicher nicht nach hinten losgegangen...“, gesteht sie nachdenklich-kleinlaut. „Wie kann man es rückgängig machen?“ „Warum sollte jemand das wollen? Es hat doch nur Vorteile, wenn er sich nicht mehr erinnern kann, ein geisteskranker, mordender und bombenbauender Clown zu sein. Du solltest mir eigentlich dankbar sein!“, meint sie keck und selbstgerecht. „Begreifst du denn nicht, dass er sich mit seinem aggressiven Verhalten nicht nur selbst schadet, sondern auch anderen?“, knurrt der Ritter. „Also bitte! Wem schadet er in dem Zustand denn? Höchstens Nigma, diesem Weichei eines Möchtegernkerls, und das ist ja nun wirklich nicht schlimm. Dieser Freak hat schon lange mal eine ordentliche Abreibung verdient! Diese ganzen, dummen Rätsel. Mir platzt schon der Kopf, wenn ich bloß daran denke...“ Um Ruhe bemüht ballt Batman sichtbar die Fäuste. „Sag mir das Gegenmittel, ehe ich hier andere Saiten aufziehe!“, knurrt er unterdrückt. Seine Gefühle spielen völlig verrückt, und er versteht nicht einmal wieso. „Du kannst nichts tun, und mit Drohungen kommst du bei mir erst recht nicht weiter.“, siegessicher lacht sie in sich hinein. Bruce‘ Geduld ist jedoch vollkommen am Ende. Ihm platzt fast der Kopf, wenn er an den kleinen Clown denkt. Sein Herz beginnt schmerzhaft zu rasen. Was ist das nur, was er da fühlt? Er wird doch nicht... Nein, niemals! An so etwas Absurdes sollte er gar nicht erst denken! Oder etwa doch? Er ist so schrecklich durcheinander, seit Edward ihn zurechtgewiesen hatte, er solle sich seinen Gefühlen stellen und nicht immer auf Joker herumhacken. Aber damit kann er sich jetzt unmöglich auch noch auseinandersetzen. Erst einmal muss der Grünhaarige wieder normal werden – normal für seine Verhältnisse zumindest. Also einen klaren Kopf bewahren. Alles andere kann warten, bis das hier vorbei ist. Doch das ist so viel leichter gesagt als getan. Seine angeschlagene Geduld ist völlig am Ende. Er braucht eine Antwort, und zwar sofort! „Tür aufmachen!“, faucht er daher in Richtung der Wachmänner. Irritiert sehen diese ihn an, wohingegen Ivy einen sichtlichen Schreck bekommt. Allerdings wiegt sie sich wieder etwas in Sicherheit, als Gordan nun vortritt. Immerhin ist es Batman für gewöhnlich streng verboten, sich an den Insassen zu vergreifen. „Ich denke nicht, dass du...“, setzt er an. „Ich sagte: Aufmachen!“, unterbricht ihn Wayne mit gebieterisch erhobener Stimme, sodass der Commissioner überrascht einen Schritt zurückweicht, kennt er den Rächer doch sonst nur als wortkarg und überaus geduldig. Daher glaubt er, dass wirklich etwas sehr Schlimmes mit dem Joker im Gange ist, und dass es daher bestimmt besser wäre, Batman dieses Mal seinen Willen zu lassen. Das Schicksal der ganzen Stadt könnte schließlich auf dem Spiel stehen... Die beiden Wachmänner tauschen einen überforderten Blick. Eigentlich ist es Batman nicht gestattet, die Zellen zu betreten, schon gar nicht, wenn er so aufgebracht ist, aber... Dann greift einer von ihnen nach der Karte an seinem Gürtel, die die Tür entriegelt. Mit leicht eingezogenen Schultern nähert er sich damit dem elektronischen Schloss. Erschrocken reißt Ivy die Augen auf. Wenn Batman tatsächlich reinkommt, kann sie ihm nichts entgegenbringen. Sie ist so vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, dass sie gerade noch aufrecht stehen kann, ohne zu schwanken. In ihrer Stimme liegt ein leichtes Lallen, obwohl sie noch klar genug denken kann, um mühelos einen ordentlichen Satz zustande zu bringen. Doch das Schlimmste ist, dass sie in diesem Zustand keine Kontrolle über ihre Pheromone, geschweige denn über ihre Pflanzen hat. Sie ist ihm also hilflos ausgeliefert, und sie bezweifelt stark, dass einer der anderen Männer ihr unter diesem Umständen helfen wird. Die Karte ist nur noch wenige Zentimeter von der Scananlage entfernt, als sie schließlich zusammenbricht. „Okay, okay! Ich sage dir, was du wissen willst, doch bleib mir vom Leib!“, entkommt es ihr atemlos. Das scheint dem Mitternachtsdetektiven zu genügen, und er nickt dem Wachmann zu, der sich daraufhin wieder zurückzieht. „Dann spricht! Doch ich warne dich, wenn ich merke, dass du lügst, komme ich wieder und dann gibt es keine Gnade mehr!“ „Oh, verkneif dich doch mal endlich dein verdammtes Machtgehabe!“, giftet sie, tritt dabei aber zwei Schritte zurück, als fürchte sie, damit schon zu weit gegangen zu sein. „Das Gegenmittel.“, knurrt er nur. „Jaja, das Gegenmittel. Das ist aber nicht so einfach. Die Sporen, die seine Amnesie auslösen, befinden sich in seinem Gehirn. Es gibt aber kein Mittel, das sie abtöten kann. Ich kam nicht dazu, eines zu entwickeln. Und ehrlich gesagt hatte ich auch keine Lust dazu, denn in meinen Augen hat sein Zustand nur Vorteile. Doch wenn ich sie bei dieser Kälte nicht regelmäßig mit Energie versorgen kann, sterben sie langsam ab. Der Prozess dauert aber, da sie sich schneller vermehrt haben, als ich dachte. Sein verqueres Gehirn scheint ein idealer Nährboden für meine Sporen zu sein, weiß der Himmel wieso. Es kann daher gut und gerne mehrere Wochen dauern. Und wenn er Angst hat oder wütend ist, begünstigt das ihr Wachstum, sodass er immer tiefer abrutscht.“ „Das würde aber bedeuten, dass positive Gefühle das Ganze zumindest aufhalten könnten?“ „Das liegt im Bereich des Möglichen. Zumindest wirkt es den Sporen entgegen, stoppt ihr Wachstum bis zum nächsten Wutausbruch. Wenn er ruhiger wurde, musste ich zeitweise sogar meine Pheromone bei ihm einsetzten, damit er nicht auf dumme Gedanken gekommen ist und seinen eigenen Idee nachgehen wollte. Im Klartext: Je höher sein Stresslevel, desto mehr profitieren die Sporen davon. Doch wie willst du es anstellen, ihm etwas Positives zu entlocken? Er erkennt dich doch auch nicht mehr, und er scheint die herrliche Eigenschaft zu haben, auf alles und jeden loszugehen, den er nicht kennt.“, zweifelnd betrachtet sie ihn. „Ich denke, ich weiß schon, was helfen könnte...“ Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht zurück Richtung Ausgang, lässt die Anwesenden einfach ratlos stehen. 6 Während sich Batman mit der grünen Flora herumschlägt, verlässt Edward das Bad wieder. Langsam betritt er das winzige Schlafzimmer und betrachtet seinen kleinen Freund, der ihm gerade so unglaublich fremd vorkommt. Und doch ist da dieses zarte, verwundbare Gesicht, in das er sich auf so unbegreifliche Weise verliebt hat. Das löst einen inneren Konflikt in ihm aus, der ihm mit jeder Minute mehr das Herz bricht. Wenn das Ganze nicht bald ein Ende findet und er sein süßes Törtchen wieder in den Armen halten kann, dann weiß er beim besten Willen nicht, wie lange er das alles noch aushalten kann, ohne einen Nervenzusammenbruch zu bekommen. Mit einem schweren Seufzen sieht er auf den schlafenden Jungen herab. Dieser hat sich aber aus den Decken herausgestrampelt, während Nigma im Bad war. Nun liegt er wie ein kleines Baby auf dem Rücken, die zu kleinen Fäusten geballten Hände neben seinem Kopf. Ein kaum merkliches Zittern gleitet über den schmächtigen Körper hinweg. Joker friert ganz offensichtlich, befindet sich aber noch zu tief im Schlaf, um daran etwas zu ändern. Ein weiteres Seufzen verlässt die Lippen des Brünetten, die nun leicht zu schmunzeln beginnen. Mit einem überaus liebevollen Blick beugt er sich zu dem kleinen Clown hinab und ergreift die Decken. Er kommt allerdings nicht dazu, sie wieder ordentlich zu platzieren, da reißt der Grünhaarige plötzlich die Augen auf. Erschrocken zuckt der Ältere zusammen. Seine Reflexe sind jedoch zu langsam, erst recht, weil sein Verstand ihm doch sagt, dass vor ihm ein geliebter Mensch liegt und kein Irrer, der ihm womöglich wieder an den Kragen will. Doch genau das hat Joker natürlich vor, erkennt er den Rätselmeister ja noch immer nicht. Somit schnellen die Hände des Jungen in einem unglaublichen Tempo nach oben und schließen sich dann wie Schraubstöcke um den Hals seines einstigen Liebhabers! Atemlos beginnt Ed zu röcheln und versucht, Abstand zu gewinnen, doch es gelingt ihm nicht. Trotz der ungünstigen Position, in der sich Joker für seinen Angriff befindet, und all dem, was vorher schon vorgefallen ist, steckt noch so unglaublich viel Kraft in ihm, dass Nigma dem nichts entgegenbringen kann. Verzweifelt krallt er die Finger in die schmalen Arme des Clowns, unter deren Haut er deutlich die prallen Muskeln arbeiten spüren kann. „...Jack...“, japst er erstickt und versucht, irgendwie loszukommen. Der Junge unter ihm verstärkt den Druck allerdings noch etwas mehr. „Jetzt hab ich dich, du mieses Schwein! Und diesmal gibt es keine Gnade!“, knurrt der Jüngere zornig und drückt noch fester zu. Edward sieht nur noch schwarze Punkte vor seinen Augen vorbeifliegen und sein Kopf dröhnt ganz furchtbar. Blut rauscht laut in seinen Ohren, in denen er seinen Herzschlag wummern hören kann. Ihn verlässt jegliche Kraft. Langsam sinkt er vor dem Bett auf die Knie, während Jack sich in eine sitzende Position begibt, um seinen Angriff weiterhin ausführen zu können. Allmählich verliert der Körper in seinem Griff an Spannung, sodass er ihn nun problemlos zu Boden drücken kann. Drohend baut sich der kleine Clown über ihm auf und stützt jetzt sein ganzes Gewicht auf die Arme, um den Druck noch weiter zu erhöhen. Deutlich kann er dabei spüren, wie es im Hals seines Opfers hektisch arbeitet. ‚Ich werde sterben. – Hier und jetzt werde ich sterben...‘, geht es dem Rätselmeister traurig durch den Kopf, während er immer mehr seiner Gegenwehr einbüßen muss. Nur noch ein paar Sekunden und er wird ohnmächtig werden, und dann ist alles aus. Erwürgt von dem einzigen Mann, den er jemals geliebt hat... „...Jack...“, wimmert er noch einmal, doch der Name ist nicht mal mehr ein Flüstern. Nur die zitternden Bewegungen seiner Lippen lassen ihn undeutlich erahnen. Heiße Tränen rinnen seine dunkelrot angelaufenen Wangen hinab. Dann ein letztes Aufbäumen seines Verstandes. Der winzige Funken, der sich als sein Überlebensinstinkt bezeichnet, schickt in völliger Verzweiflung ein Bild in seinen immer schwächer werdenden Geist: Die kleine Spraydose, die Batman ihm gegeben hat. Das ist es! Das Betäubungsmittel! Doch seine verbliebene Kraft ist schon viel zu gering dafür. Seine Finger zittern, und im Liegen kann er das Fläschchen nicht einfach in seine Hand fallenlassen. Mit endloser Anstrengung versucht er, sich nur darauf zu konzentrieren. Luft zu bekommen, muss jetzt nebensächlich sein, auch wenn sein ganzer Körper krampfhaft danach verlangt. Zitternd dreht er seinen Arm auf die Seite und beginnt damit, sein Handgelenk vor- und zurückzubewegen. Er bildet sich ein, die kleine Flasche rutschen zu spüren. Seine unkontrollierten Finger wühlen sich verzweifelt unter die Manschette. Für einen Moment berühren sie die offenliegende Sprüheinheit und rutschen dann wieder ab. Noch mehr Tränen fließen, doch er versucht dennoch, irgendwie Ruhe zu bewahren. Da, wieder die Finger an dem Fläschchen. Er schafft es, den Zerstäuber zwischen Zeige- und Mittelfinger einzuklemmen. Jetzt vorsichtig. Wenn ihm die Flasche wieder entgleitet, ist alles aus. Er wird in spätestens fünf Sekunden das Bewusstsein verlieren. Konzentration! Wieder bewegt er sein Handgelenk und spürt dabei, wie der Boden der kleinen Falsche gegen seinen Unterarm gedrückt wird. Als er sein Handgelenk im größtmöglichen Winkel zur Seite beugt, schiebt sich die Flasche schließlich seinen Fingern entgegen. Ganz fest presst er sie zusammen und zieht sein Handgelenk dann wieder in die Waagerechte. Der Boden der Flasche verheddert sich allerdings am Rand seines Hemdärmels und rutscht weg. Mit einem nicht hörbaren Klirren landet sie auf dem Holz und rollt ein kleines Stück zur Seite. Nun ist Edwards Verzweiflung vollkommen. Wie soll er die Flasche jetzt noch erreichen, bevor ihm endgültig schwarz vor Augen wird? Doch irgendwie muss es so etwas wie einen Gott geben, der seine schützende Hand über Nigma legt. Der ihm all seine Untaten in dieser Stunde der Not vergibt und gutheißt, was er hier in den Narrows versucht aufzubauen. Denn aus welchem Grund auch immer, aber Joker verlagert in diesem Moment etwas sein Gewicht, um einen besseren Angriffspunkt zu haben. Die Anstrengung steht auch ihm ins Gesicht geschrieben. Die Vorkommnisse dieser Nacht fordern nun auch von ihm ihren Tribut. So gelingt dem Brünetten ein einzelnes röchelnd-ersticktes Luftholen, das seinem geschundenen Körper neue Energie verschafft. Und er hat auch etwas mehr Bewegungsfreiheit. Als der Grünhaarige nun wieder seine ganze Kraft einsetzt und ihm erneut völlig die Luft abdrückt, tasten Edwards Finger nach dem Fläschchen. Einmal streifen sie es bloß und stupsen es damit noch etwas weiter weg. Allerdings lässt sich der Rätselmeister diesmal nicht von seiner Verzweiflung übermannen. Er hält dem bohrenden Blick des aufgebrachten Jungen über sich stand, während seine Finger erneut mit der Suche beginnen. Als sie diesmal das Fläschchen berühren, tun sie es sehr vorsichtig. Es rollt kurz auf der Stelle, während Ed jedes Zittern in seinem gefühllosen Arm zu vermeiden versucht. Eine schier endlose Ruhe überkommt ihn plötzlich und er packt wildentschlossen zu. Doch der schwerste Teil liegt noch vor ihm. Er muss den Arm heben und Joker mit dem Betäubungsmittel besprühen, und dass auch noch, ohne sich selbst damit zu treffen. Eine schier unlösbare Aufgabe, erst recht, wo ihm nun wieder die Luft ausgeht und sein Körper den Dienst quittieren will. Sein verkümmerter Überlebensinstinkt meldet sich aber wieder zu Wort. Ein Zucken gleitet über seinen Leib hinweg und er wölbt reflexartig den Rücken nach oben. Dadurch kommt der kleine Clown etwas ins Wanken, und das reicht Nigma. Ruckartig hebt er den Arm in einem letzten Kraftaufgebot hoch. Der Grünhaarige sieht ihn im Augenwinkel und wendet instinktiv den Kopf in diese Richtung, fürchtet womöglich einen hinterhältigen Angriff. Das ist wirklich ein Glück für Ed, denn er findet nicht die Kraft, um seinen Arm noch weiter zu bewegen. „Was zum...?“, setzt Jack verwirrt an, als er das kleine Fläschchen in der Hand seines verhassten Gegenübers sieht. In diesem Moment drückt der Rätselmeister kraftlos auf den Zerstäuber. Der herausschießende feine Tröpfchennebel trifft den Jungen völlig unerwartet mitten im Gesicht. Erschrocken holt Jack Luft und fängt an zu husten. Er kneift einen Moment die Augen zu und schüttelt sich mit verzogenem Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Dabei lösen sich auch endlich die Hände von Edwards Hals, sodass er abgekämpft nach Luft schnappen kann. Dabei lässt er den kleinen Clown aber keine Sekunde aus den Augen. Es scheint nämlich so, als würde das Betäubungsmittel nicht wirken. Hat sich Batman vielleicht vertan und ihm das falsche Fläschchen gegeben? Wäre immerhin möglich, da es ja nicht einmal beschriftet ist. Was soll er nur tun, wenn dem wirklich so ist? Er hat nicht die Kraft, sich noch weiter gegen den Jungen zur Wehr zu setzten – jetzt noch viel weniger als vorher schon. Das Husten den Grünhaarigen wird immer schlimmer. Dann wird es zu einem erstickten Röcheln, dann zu einem angestrengten Würgen. Der schmächtige Körper krümmt sich zusammen, als hätte er schreckliche Schmerzen. Ed betrachtet das Ganze erschrocken, weiß er doch nicht so recht, was er tun soll. Erst recht, da sich der Bengel sicher auch nicht helfen lassen will. Das Würgen wird immer stärken und lässt ihn hilflos zittern. Plötzlich weiten sich die unnatürlich roten Augen des Jungen und er erbricht sich krampfhaft. Mit einem feucht-warmen Platschen landet das halbverdaute Essen aus dem Stadion auf Edwards Hemdbrust. Der Rätselmeister gibt ein weinerliches Geräusch von sich und verzieht angewidert das Gesicht. Als ihm der warme, saure Geruch in die Nase steigt, möchte er sich am liebsten ebenfalls übergeben. Das kann doch wirklich alles nicht wahr sein... Nun beginnt der Irre auf seinem Schoß bedenklich zu schwanken. Eine Sekunde später bricht er wie ein erschossenes Tier neben dem Rätselmeister auf dem Boden zusammen und rührt sich nicht mehr. Mühevoll rappelt sich der Brünette etwas auf und betrachtet ihn. Er atmet schwach, aber gleichmäßig. Er ist tatsächlich endlich ohnmächtig geworden. Also hat das Mittel wohl doch gewirkt, wenn auch nicht so wie erhofft. Edward gönnt sich noch ein paar Augenblicke zum Durchatmen, dann verfrachtet er Joker wieder zurück ins Bett. 7 Nigma sitzt mit dem Kopf auf den angezogenen Knien da und versucht, das alles irgendwie in den Kopf zu bekommen. Ein paar Minuten später öffnet sich fast lautlos die Balkontür und Batman betritt mit schweren Schritten das kleine Zimmer. Verwundert betrachtet sich der Ritter die Szene. Irgendetwas ist wohl vorgefallen. „Was ist das für ein Geruch?“, fragt er irritiert, woraufhin der Brünette ganz langsam den Kopf hebt. Er streckt die Knie aus und setzt sich etwas gerader hin. Dabei kann Bruce ziemlich gut den allmählich antrocknenden Fleck auf seiner Brust erkennen. „Er ist aufgewacht und hat versucht, mich zu erwürgen...“, erklärt der Rätselmeister mit kratziger Stimme. Im Schein der Nachttischlampe kann Wayne nun auch den purpurfarbenen Ring um seinen Hals erkennen. „Ich – hab ihn dann mit deinem tollen Mittel besprüht. Als Ergebnis hat er sich dann übergeben, bevor er zusammengebrochen ist.“, anklagend blicken ihn die grünen Augen an. „Das sollte aber nicht passieren...“, erwidert der Rächer etwas kleinlaut. „Ach nein? Gut zu wissen...“, bemerkt Nigma leicht schnippisch. Einen Moment herrscht Schweigen. „Kann ich euch beide mal eine Weile allein lassen, damit ich mich waschen kann?“, fragt Ed schließlich und quält sich schwankend auf die Füße. „Sicher. Doch warum hast du das nicht schon längst getan?“ „Tja, warum wohl? Ich hatte Sorge, dass er sich noch mal übergeben und daran womöglich ersticken könnte.“ „Deshalb also die stabile Seitenlage.“, stellt Batman fest. „Ja, ganz recht. Dennoch war mir nicht wohl dabei, ihn allein zu lassen. Ich wusste ja auch nicht, was für komische Nebenwirkungen das Zeug im Ernstfall noch hat.“ „Es hat eigentlich gar keine Nebenwirkungen. Im Gegenteil soll es besonders sanft und schnell wirken. Doch anscheinend reagieren die Sporen, die Ivy eingesetzt hat, um sein Gedächtnis zu löschen, abweisend darauf.“ „Wie auch immer. Hat sie dir ein Gegenmittel genannt?“ „Ja.“ Doch Ed wartet nicht auf eine Erklärung diesbezüglich, sondern wendet sich um und verlässt das Zimmer. Leise schließt er hinter sich die Badzimmertür. Kurz darauf hört Bruce Wasser rauschen. 8 Der Mitternachtsdetektiv steht eine Weile da und betrachtet den kleinen Clown. Die Wirkung dürfte nicht mehr lange anhalten. Daher wäre es sinnvoll etwas vorzubereiten, damit die Situation nicht wieder außer Kontrolle gerät und er noch einmal eingeschläfert werden muss. Aus seinem Gürtel zieht er daher zwei Paar Plastikhandschellen und kettet die Hände des Jungen damit an die Bettpfosten. Anschließend dreht er ihn auf den Rücken zurück. Dabei hört er den Grünhaarigen leise murren. Er wird also wach. Gut, dann weiter. Bruce kniet sich auf das Laken und beginnt damit, die Hose des Irren zu öffnen. Als er sie ihm von den Hüften streifen will, wacht der Bengel jedoch schon gänzlich auf. Etwas orientierungslos blicken sich die roten Augen um und fixieren schließlich die Fledermaus über sich. Ein Schreck geht durch den Liegenden. Als er zurückweichen will, merkt er, dass er an die Bettpfosten gefesselt ist. Angst huscht über das blasse Gesicht. „Was soll der Scheiß?“, fragt er aufgebracht und versucht, sich zu befreien. „Das ist nur zu deinem Besten.“, erwidert der Dunkle Rächer und zieht ihm nun wirklich die Hose aus. „Bist du jetzt vollkommen irre?“, platzt es daraufhin aus Jack heraus. Doch Wayne geht nicht darauf ein. Stattdessen zieht er ihm auch noch die Shorts aus. „Aufhören! Fass mich nicht an, du verdammte Schwuchtel!“, gebärt sich der kleine Clown hilflos und versucht nach ihm zu treten. Die Wortwahl des Jungen lässt den Rächer für den Bruchteil einer Sekunde stutzen, dennoch bleibt ihm jetzt keine Zeit, um sich etwas anderes zu überlegen. Batman wehrt den Tritt aber erstaunlich leicht ab und spreizt ihm dann grob die Beine auseinander. „Nein! Lass mich los! Aufhören!“, kreischt der Kleine nun der Verzweiflung nahe. Der Ältere lässt sich davon allerdings nicht beirren und macht ungerührt weiter. Als er gerade in ihn eindringen will, gibt es auf einmal ein metallisches Klicken direkt an seiner rechten Schläfe. Der Rächer erstarrt instinktiv und wendet den Blick zur Seite, ohne jedoch den Kopf zu drehen. Neben ihm steht der Rätselmeister. Sein bloßer Oberkörper ist noch von feinen Wassertropfen bedeckt und ein Handtuch hängt ihm um den Hals. Sein Blick ist eiskalt und die Mündung der Pistole bohrt sich Batman nun fast schon schmerzhaft in die Schläfe. „Ich traue dir ja so einiges zu und du hast auch schon Dinge getan, von denen wohl niemand vermuten würde, dass du sie jemals tun würdest. Doch das hier ist doch wirklich das Allerletzte! Wie kannst du nur so scharmlos seinen Zustand ausnutzen wollen?“ „Du verstehst das völlig falsch. Das...“, setzt Batman an. „Ich verstehe genug! Also sie gefälligst still, wenn ich rede! Und hatte ich dir nicht gesagt, dass du mein Törtchen nicht mehr ärgern sollst?“ Ein Zucken gleitet unbemerkt über Jacks Körper hinweg. „Und dennoch machst du es schon wieder! Es wäre so viel besser, wenn ich dir ein Loch in deinen Schädel ballern würde! Doch wenn er jemals sein Gedächtnis wiederfinden sollte, kann ich mir dafür dann selbst die Kugel geben. Also mach, dass du hier rauskommst, ehe ich mich endgültig vergesse!“, knurrt Nigma aufgebracht. Einen Moment starren sich die beiden Rivalen abschätzend an. Ganz langsam hebt der Schwarzgekleidete anschließend die Hände und erhebt sich etwas ungelenk vom Bett. Ohne den Blick von der ihm folgenden Waffe zu lösen, nähert er sich rückwärts der Balkontür. „Riddler...“, setzt er noch einmal versöhnlich an. „Ich heiße Ed, verdammt noch mal!“, kommt es ungehalten zurück. „Ja, entschuldige. Das Gegenmittel...“ „Das ist mir scheißegal und jetzt raus hier!“, zitternd krümmt sich Edwards Finger um den Abzug. Batman hebt wieder die Hände. „Schon gut, schon gut, ich gehe...“, gibt er beschwichtigend zurück und verschwindet flink in die Nacht hinaus. Eilig läuft Ed zum Fenster und verriegelt es. Zitternd legt er anschließend die Stirn an das eisige Glas, schluckt schwer, was einen dumpfen Schmerz in seiner wunden Kehle verursacht, und versucht mühevoll, die aufkommenden Tränen zurückzudrängen. Ein Glück kam er noch rechtzeitig, sonst hätte er sich das niemals verzeihen können... 9 Er weiß nicht, wie lange er so dasteht, mit geschlossenen Augen die Kühle des Glases genießt und das alles einfach nur zu vergessen versucht. Doch irgendwann hört er hinter sich ein angestrengtes Keuchen, begleitet von einem leisen, schmerzlichen Wimmern. Als er sich herumdreht, sieht er, wie Joker versucht, die Fesseln loszuwerden, was bei diesen elenden Plastikdingern ohne Hilfsmittel schier unmöglich ist. Ohne ein Wort verlässt Ed das Zimmer. In der Küche legt er die Magnum auf den Tresen. Er denkt nicht, dass er sie noch einmal brauchen wird. Dann greift er nach der Schere, die an einem Haken neben dem Herd hängt. Als er ins Schlafzimmer zurückkommt, scheint Joker seine Bemühungen erst einmal eingestellt zu haben. Seine Handgelenke sind aber schon ganz wundgescheuert und Tränen benetzen seine glühenden Wangen. Er wirkt verzweifelt und gebrochen. Edward will sich gar nicht vorstellen, wie es gerade im Kopf des Jungen aussieht. Wie er denken muss, dass die ganze Welt verrückt geworden ist und es scheinbar jeder auf ihn abgesehen hat. Dann treffen sich ihre Blicke ungewollt. Der Grünhaarige zuckt sichtbar zusammen. In seinem jungenhaften Gesicht ist keine Wut mehr zu sehen. Er begreift den Ernst seiner Lage anscheinend und hat jetzt nur noch Angst. Immerhin ist Nigma in seinen Augen genauso ein Irrer wie Batman. Doch er kann sich nicht mehr wehren oder befreien, und der Typ vor ihm hat auch noch eine Knarre. „Bitte...“, wimmert er in Tränen erstickt und versucht, mehr Abstand zwischen sich und den Rätselmeister zu bringen. Beschwichtigend hebt der Brünette die Hände. „Schon gut, schon gut. Ich will dir nichts tun, ganz ehrlich. Ich will dir doch nur helfen, dass musst du mir glauben, bitte! – Hier, mit der Schere kann ich dich von den Fesseln befreien, okay? Darf ich dich losschneiden?“ Verloren beißt sich der Grünhaarige auf die Unterlippe und wiegt der Für und Wider seiner Worte ab. Schluchzend holt er Luft und nickt dann kläglich. „In Ordnung. Dann halt still, ja? Ich will dich nicht schneiden...“, erwidert der Ältere und tritt langsam näher ans Bett heran. Joker wendet daraufhin das Gesicht der Wand zu und schließt krampfhaft die Augen, als würde er sich darauf vorbereiten, wieder verletzt zu werden. Es bricht Ed ein ums andere Mal das Herz. Doch er atmet tief durch und durchtrennt dann ganz vorsichtig die Fesseln. Reglos bleibt der kleine Clown einen Moment liegen, als warte er darauf, dass noch etwas passieren könnte. Als er hört, dass der andere das Zimmer wieder verlässt, öffnet er zaghaft die Augen. Hastig setzt er sich hin und streift sich die Shorts wieder über. Dann springt er vom Bett und versucht die Hose anzuziehen. In diesem Moment kommt Edward ins Zimmer zurück. Sie starren sich wieder an, während Joker mit Bedacht weiter mit der Hose kämpft. Der Brünette hat das Gefühl, dass er etwas sagen sollte, um die Wogen endgültig zu glätten, doch er weiß einfach nicht was. „Du – heißt Ed, oder?“, fragt der Grünhaarige vorsichtig. „Ja, das stimmt.“ „Danke, dass du diesen Kerl vertrieben hast...“, meint der kleine Clown etwas unsicher. „Kein Problem. Der Typ hat sie doch nicht mehr alle.“, meint Nigma genervt und lächelt entschuldigend. Zu seiner großen Überraschung lächelt Joker zaghaft zurück, und plötzlich spürt Edward wieder seine Liebe zu diesem Jungen. Ein Gefühl, das unglaublich stark und ungetrübt ist, und doch so grenzenlos kompliziert. Oh, wie sehr er es nach dieser kurzen Zeit schon vermisst, ihn zu lieben. Es macht ihm erst so richtig bewusst, wie sehr es doch um ihn geschehen ist, wie sehr er Joker doch an seiner Seite will, ihn braucht, nicht mehr ohne ihn kann. Himmel, ihm muss dringend etwas einfallen, wie er das alles wieder in Ordnung bringen kann! Im Ernstfall muss er eben darauf hoffen, dass sich der Grünhaarige wieder in ihn verliebt. Das ist es! Es muss Ed nur gelingen, die Begierde für sich in Joker erneut erwachen zu lassen! Wie schwer kann das schon sein? Sehr schwer, ist die Antwort, denn er weiß beim besten Willen nicht, wie er das anstellen soll... Und es ist noch so viel schwerer, weil der kleine Clown noch gar keine Gefühle für dasselbe Geschlecht entwickelt zu haben scheint, was nach Batmans Angriff eben, wohl noch in viel weitere Ferne gerückt sein dürfte... 10 Eine ganze Weile stehen die beiden einfach nur etwas unschlüssig da und wissen nicht, was sie als nächstes tun sollen. Ed will ihm auf keinen Fall zu nahekommen, um womöglich wieder seinen Zorn zu spüren zu bekommen. Joker hingegen ist sich nicht sicher, ob er dem anderen wirklich vertrauen kann. Schließlich wenden sie die Blicke voneinander ab und sehen sich verloren in dem kleinen Zimmer um, in der Hoffnung, einen klaren Gedanken für diese Situation zu finden. Edwards Blick wandert über den Boden. Vom Fenster bis zum Bett verteilen sich kleine Pfützen und winzige Häufchen Schnee auf dem Holz. Leicht verärgert registriert er das Ganze. Hätte sich Batman nicht wenigstens die Stiefel abtreten können, als er hereinkam? Immerhin liegt eine Fußmatte vor der Balkontür. Nein, stattdessen hat dieser Spinner nur wieder das Eine im Kopf! Wirklich eine große Hilfe. Er hätte den Rächer gar nicht erst rufen sollen. Früher oder später wäre ihm sicher selbst eine Lösung eingefallen. Erst recht, wenn er letztendlich dann doch allein dasteht. Sein Blick klebt förmlich an diesen feuchten Spuren und er verkneift sich ein verärgertes Zähneknirschen. Es wäre sicher von Vorteil, die Flecken baldmöglichst wegzuwischen, nicht dass noch einer ausrutscht. Joker hat keine Schuhe an und steht praktisch mittendrin. Gerade als sich Nigma dazu entscheidet, einen Lappen aus der Küche holen zu wollen, registriert er im Augenwinkel eine Bewegung. Sein Blick gleitet etwas zur Seite, zur Kommode, und plötzlich werden seine grünen Augen riesengroß und ihm klappt erschrocken der Mund auf. „Oh, Gott!“, presst er erstickt hervor und tritt ein paar Schritte zurück. Verwundert legt der Grünhaarige den Kopf schief. „Was ist denn in dich gefahren?“, fragt er leicht belustigt. Daraufhin fängt Ed auch noch an zu zittern und deutet mit dem Finger grob in Richtung Kommode. Seine Lippen versuchen Worte zu formen, doch sie wollen nicht raus. „Da-a-a-a-a...“, stottert er hilflos und tritt noch einen Schritt zurück. Die nackte Panik steht ihm in den Augen. „Was ist da?“, fragt der Clown mit erhobener Augenbraue und folgt seinem Fingerzeig. Dicht neben seinem Fuß läuft eine Spinne über den feuchten Boden. Ausdruckslos starrt Jack sie an. Doch es ist nicht einfach nur eine Spinne. Es ist die Art Spinne, die sonst nur in dunklen, warmen Kellern hockt. Die Art Spinne mit den dicken, haarigen Beinen. Die Art Spinne, die schon fast die Größe eines 50-Cent-Stücks haben und dann kommen erst noch diese widerlichen Beine dazu. Diese fetten, brauen Biester, die sich in ihren höhlenartigen Netzen verstecken und herausgeschossen kommen, sobald etwas einen Faden berührt. Die Art Spinne, die wirkt, wie eine kleine Version der riesigen Vogelspinnen. Die sich wahrscheinlich auch noch was darauf einbilden, ihren Verwandten so ähnlich zu sehen, und die immer erst mal angriffsbereit die Vorderbeine in die Luft strecken, anstatt den Rückzug anzutreten. Die Art Spinne, die Frauen vermutlich in ihren Albträumen verfolgen und in den höchsten Tönen schreien lassen – und Edward Nigma, der eine panische Angst vor jeglicher Art von Achtbeinern hat. Das Vieh muss vor einer Weile unten durchs Garagentor gekommen sein. Doch als der Winter anbrach, muss es ihr doch zu kalt geworden sein, wenn drei Dutzend Mal am Tag das Tor geöffnet wird. Irgendwie muss sie dann den Weg in den Hausflur geschafft haben. Doch da gibt es keine Heizung, weshalb es dort jetzt ziemlich frisch ist. Sie muss allerdings die Wärme gespürt haben, die von dem Platz am Ende dieser gewaltigen Treppe kam. Dicht in einer Ecke der Türzarge gedrückt, hat sie dann sehnsüchtig darauf gewartet, dass sie Einlass erhält, was sicher nicht allzu lange gedauert hat. Dann hat sie sich die schön warme Ecke neben der Kommode bei der Heizung ausgesucht und bis eben dort unbemerkt gehockt. Als Batman reinkam, hatte er die Balkontür nicht ganz geschlossen und so muss dem Biest kalt geworden sein. Jetzt ist sie auf der Suche nach einem neuen Platz und erschreckt Ed damit zu Tode. Ihr muss ziemlich kalt geworden sein. Sie bewegt sich sichtlich steifbeinig, aber äußerst flott und huscht lautlos an Jokers Fuß vorbei, sodass dieser gerade noch einen Blick auf sie werfen kann. Die Spinne hält direkt auf den Rätselmeister zu, als würde es ihr eine perfide Freude machen, ihm Angst einzujagen. Ed wird ganz blass. Seine Beine zittern, so wie auch der Rest seines Körpers. Erschrocken springt er schließlich aufs Bett und drückt sich gegen die Wand. Jack fängt an zu kichern. Es ist, als würde jemand ein Messer in Edwards Brust rammen. Am Anfang ihrer Beziehung hatte Joker des Öfteren über dieses bemitleidenswerte Verhalten gelacht, bis er gemerkt hat, wie groß die Angst seines Freundes tatsächlich ist. Daraufhin ist er dann immer systematisch auf Spinnenjagd gegangen, oder hat den Blick des Brünetten in eine andere Richtung gelockt, bis er das Biest beseitigen konnte. Jack hingegen lässt das erst einmal ziemlich kalt. Er könnte sich eher ausschütten, wenn er sieht, wie sich dieser seltsame Freak dort gerade in die Hosen macht, und dass nur wegen so einer ‚kleinen‘ Spinne. Der Arachnide scheint wohl auch Gefallen an diesem zitternden Häufchen Elend zu haben oder aber, er hat sich dazu entschieden, dass das Bett ein herrliches neues Versteck abgeben könnte. Zumindest ändert die Spinne nun die Richtung und krabbelt geschwind an der herabhängenden Decke empor. „Oh, Gott! Dass kann doch wohl nicht wahr sein...!“, wimmert Ed den Tränen nahe, als die Spinne nun über das Laken kriecht und ihm so gefühlt jeden Fluchtweg abschneidet. „Nein, bitte...“, schluchzt der ach so stolze Rätselmeister und presst sich kindlich die Hände vor die Augen, als könne er das Untier damit hinfort wünschen, wenn er es nicht sieht. Langsam vergeht Jack das Lachen. „Hey, sag mal. Du hast echt Schiss vor der kleinen Spinne, oder?“, fragt er schließlich mitleidig. „Das Monster nennst du klein?“, kommt es als ersticktes Wimmern unter den Händen hervor. „Naja, es gibt ja schließlich noch viel Größere und so...“ „Oh, bitte, ich kann nicht mehr...“, bricht es nun ungehalten aus dem Brünetten heraus. Derweilen hat ihn die Spinne schon fast erreicht. Noch ein paar Zentimeter und sie kann ihm ins Hosenbein kriechen! Bevor das allerdings passiert, fasst sich der kleine Clown dann doch ein Herz. Eilig huscht er zum Bett hinüber und packt das pelzige Etwas an einem der langen, haarigen Beine. „So, Gefahr vorbei.“, flötet er richtiggehend fröhlich. Als Nigma zaghaft die Augen öffnet, schwebt die Spinne allerdings direkt vor seiner Nase! Ihm entkommt ein überaus hochtöniger Schrei, sein ganzer Körper erstarrt. „Oh, ich bitte dich! Schaff sie raus, erschlag sie, spül sie im Klo runter, egal was, aber tu sie weg von mir, bitte...!“, jammert er und fängt nun auch noch an zu hyperventilieren. „Na schön. Aber wie kann man als Kerl nur solchen Schiss vor einer kleinen Spinne haben?“, kommt es schulterzuckend von dem Grünhaarigen, der sich zur Balkontür umwendet. Die Spinne ist jedoch alles andere als erfreut über diese grobe Behandlung. Mühselig schwingt sie sich an ihrem eingeklemmten Bein hinauf. Richtiggehend fasziniert betrachtet Jack nun, wie das Vieh seine Mundwerkzeuge in seinen Finger zu bohren versucht. Allerdings hat sie sich an der falschen Seite hochgeschwungen und erwischt nun nur den Fingernagel. Oder besser gesagt: den schon ziemlich abgebröckelten Nagellack des Clowns. Ein neongrünes Stück bricht jetzt heraus und verhaspelt sich in den Zangen, sodass die Spinne es nicht mehr so leicht loswird, ohne ihre Beine zur Hilfe zu nehmen. Das bringt den Bengel wieder zum Kichern, während Edward panisch alles beobachtet und hofft, dass das Früchtchen auf keine fiesen Ideen mehr kommt. Schließlich hat sich Jack genug amüsiert und öffnet die Balkontür. In hohem Bogen fliegt die Spinne durch die Luft und klatscht dann lautlos in den Schneehaufen, der sich um den Scheinwerfer gebildet hat. Zum Unglück der Spinne bricht eine Minilawine vom Glas des improvisierten Bat-Signals los und begräbt sie unter sich. Das war’s dann wohl... 11 Grinsend wendet sich Jack herum. Doch er kommt gar nicht dazu, die Balkontür wieder richtig zu schließen, da fällt ihm Edward auch schon in die Arme. Fest drückt er den überraschten Jungen an sich und weint hemmungslos. „Oh, danke, danke, danke, tausend Dank, mein kleines Törtchen!“ Abermals geht ein Zucken bei diesem Wort durch den schmächtigen Körper. Ed bemerkt es gar nicht. Er hat nicht einmal gemerkt, was er da überhaupt gesagt hat und was das für Folgen haben könnte. Er ist nur so endlos erleichtert. Plötzlich legen sich zwei Arme um Nigma und drücken ihn an sich. „Hey, mein Hübscher. Was hast du denn?“ Verwundert hebt der Brünette den Kopf und starrt sein Gegenüber einfach nur an. „Wie – wie hast du mich gerade genannt?“, fragt er verwirrt. „Mein Hübscher, wie denn sonst?“, lächelt der Junge vor ihm. „Törtchen?“, kommt es vorsichtig von dem Älteren. „Ja. Warum weinst du denn?“ „Da war eine Spinne...“ „Wo?“ „Du – du hast sie gerade rausgeschmissen. Weißt du nicht mehr?“ Verwundert legt Joker den Kopf schief. „Du – du hast gelacht, weil sie von einem Haufen Schnee begraben wurde...“ „Jaaaa, dass war geil!“, gluckst der Clown. „Joker?“ „Ja?“ „Kennst du einen Jack?“ „Nee, wer soll das sein?“ „Egal. Weißt du, was mit Ivy und Selina ist?“ „Nee, die zwei hab ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Warum fragst du? Machen dir die Zicken etwas Stress?“ Doch Ed schüttelt nur leicht den Kopf. „Ach, war nur so ein Gedanke.“, winkt er ab. Innerlich kann er es kaum fassen. Soll es wirklich möglich sein, dass dieser kindische Spitzname Jokers Erinnerungen tatsächlich wieder zurückgebracht hat? Da hilft wohl nur eins. Edward blickt ihm tief in die Augen und beugt sich dann zu einem Kuss vor. Nahezu begierig geht Joker darauf ein und zieht ihn fest an sich. Im Kopf des Rätselmeisters zündet ein unglaubliches Feuerwerk und sein Herz könnte vor Freude zerspringen. Er ist zurück! Sein süßes kleines Törtchen ist endlich wieder zurück! Er kann sein Glück kaum fassen. 12 Die beiden haben ihren sinnlichen Kuss noch gar nicht beendet, da öffnet sich erneut die Balkontür. Sehr wachsam tritt Batman erneut in das Zimmer hinein und betrachtet die zwei einen Moment. Langsam und sichtlich unwillig, lösen sie sich schließlich voneinander. „Batsy?! Was machst du denn hier, Darling?“, fragt der kleine Clown aufgeregt und verwirrt gleichermaßen. Der Angesprochene hat jedoch kaum einen Blick für ihn. Die paar Worte genügen, um zu wissen, dass er wieder normal ist – zumindest so normal, wie es ihm eben möglich ist. „Glückwunsch.“, brummt der Ritter nichtssagend, doch der Brünette scheint es zu verstehen. „Danke. Aber hatte ich dich nicht aus meinem Haus verwiesen?“, gibt Nigma leicht angefressen zurück und drückt den Grünhaarigen schützend und mit einem Funken Eifersucht in den Augen an sich. „Hey! Meine zwei Lieblingsmänner dürfen sich nicht streiten!“, schmollt Joker leicht dazwischen. Batman ignoriert jedoch beide Aussagen. „Ich muss den Enigma zurückbringen.“, meint er nur trocken. Ed rollt mit den Augen und trennt sich dann sehr unwillig von seinem kleinen Freund. „Was...?“, setzt der Grünhaarige an, versteht er doch so gar nichts mehr. Dann ist Edward auch schon zurück und drückt dem Rächer einen seltsamen schwarzbraunen Klumpen in die Hand. „So, zufrieden?“ „Ja.“ Ohne ein weiteres Wort dreht sich Bruce herum und verlässt die Wohnung wieder. Nigma tritt ans Fenster und verriegelt es diesmal richtig. Für heute hatte er definitiv genug ungebetenen Besuch. „Sag mal, Ed, was ist hier eigentlich los? Was wollte Batsy und was war das für ein hässlicher Klumpen, den du ihm gegeben hast?“ „Das ist eine sehr lange Geschichte.“ „Okay. – Aber was ist denn mit deiner Nase passiert? Und dein Hals? Hat er dir etwa wehgetan? Und warum hab ich eigentlich deine Klamotten an? Ich dachte, du stehst nicht auf Rollenspiele...“ „Ach, mein kleines Törtchen. Kein Grund zur Sorge. Batman trägt keine Schuld dafür. Und alles andere werde ich dir erzählen – irgendwann einmal.“, lächelt er nur müde, aber so unendlich erleichtert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)