Time Bomb von rokugatsu-go ================================================================================ Prolog: Wells ------------- Es war Nacht. Allerdings machte dies für den Ort, an dem sich die drei Männer befanden, keinen großen Unterschied. Sie befanden sich in einem unterirdischen Gewölbe, in das von außen kaum Licht eindrang. Einer der Männer hockte verzweifelnd auf dem Boden vor den beiden anderen. Der Mann schien erschöpft, als hätte er schon eine große Anstrengung hinter sich, und trotzdem forderten die anderen, in schwarz-gekleideten Männer noch mehr von ihm. „Ich sehe kein Portal“, sagte einer von ihnen. „Bist du sicher, dass er es überhaupt versucht?“ „Absolut sicher, Boss.“ Der andere Mann, dessen rötliches Haar schwach in dem faden Licht zu erkennen war, trat den vor ihm kauernden armen Tropf grob mit einem Fuß. „Wieso funktioniert das nicht, hä?!“ Schmerzerfüllt griff sich der Getroffene an die Schulter, die den Tritt abbekommen hatte und biss die Zähne zusammen. Wenn er nur besser aufgepasst hätte, wenn er früher diese Aktion abgebrochen hätte … dieses Denken brachte ihm nichts. Er hätte nie damit gerechnet, dass eine kriminelle Organisation während seiner Japanreise auf ihn aufmerksam würde, ihm ein Angebot machte, das seine Reisen und Forschungen finanzieren könnte, nur um ihn dann einzusperren, als ihn das schlechte Gewissen überkommen hatte und er ihnen nicht mehr dienlich sein wollte. Sein nagendes Gewissen und die gefährliche Aura einer Mafia im Hintergrund hatten ihn von Anfang an so nervös gemacht, dass er seine Fähigkeit nicht vernünftig hatte einsetzen können. Hätte er es ihnen doch da bereits erklärt! Hätte er sie doch gleich vor den Gefahren gewarnt! Aber seine Neugierde war stärker als er. Was er von diesem Geld alles hätte finanzieren können! Verflucht sollte seine Fähigkeit sein! Und verflucht seine Unfähigkeit, dass sie ihm nun nicht einmal helfen konnte! „Hey! Antworte!“ Der Mann trat noch einmal nach und der Gefangene fiel endgültig zu Boden. „Das scheint mir nicht zielführend zu sein“, sagte derjenige ruhig, der „Boss“ genannt worden war. Der Rothaarige gab ein Grummeln von sich. „Verzeihung.“ „Sehen Sie, verehrter Mister Wells“, der verstörend ruhige Mann beugte sich zu dem Entführten herunter, „es ist mir natürlich äußerst unangenehm, Sie in eine derart missliche Lage zu bringen, aber leider haben meine Leute nun mal diesen sehr wichtigen Deal vor einiger Zeit verbockt, weswegen unsere Organisation einige beträchtliche Schwierigkeiten hat, und wir bitten Sie doch nur um Ihre Kooperation, um diese Schwierigkeiten rückgängig zu machen. Oder ist das Ihre Art eine höhere Entlohnung aushandeln zu wollen?“ Der am Boden liegende Mann richtete sich wieder ein kleines Stück auf. „Ich habe es Ihrem Untergebenen bereits mehrmals zu erklären versucht. Es ist mir unter diesen Bedingungen unmöglich, ein Portal zu öffnen.“ „Bei jedem Mal, bei dem er es probieren sollte, jammerte er, er könnte unter Stress seine Fähigkeit nicht richtig anwenden“, erklärte der Erwähnte genervt. „Und dann braucht er wieder ewig lange, bis er es nochmal versuchen kann.“ „Wie ärgerlich.“ Der ruhige Mann stand wieder auf. „Glauben Sie ihm das etwa, Boss?“ Der Angesprochene lächelte. „Aber ja. Überleg doch mal: Warum sonst hat er seine Fähigkeit noch nicht benutzt, um zu fliehen?“ „Oh.“ Der Rotschopf blinzelte ihn an. „Dann waren die ganzen Versuche, die wir bisher gestartet hatten für die Katz? So'n Dreck.“ „Gentlemen“, richtete Wells eindringlich das Wort an seine Peiniger, „ich bitte Sie, lassen Sie mich gehen. Da Sie mich unter diesen Bedingungen gezwungen haben, meine Fähigkeit einzusetzen, könnte es bereits zu verheerenden Anomalien gekommen sein. Bevor diese außer Kontrolle geraten, muss ich mich darum kümmern. Wenn dies nicht rechtzeitig geschieht, kann ich nichts mehr daran korrigieren.“ „Mein lieber Mister Wells“, entgegnete der Kopf der Organisation, „Sie täten gut daran, sich ein wenig zu entspannen, damit wir vielleicht doch noch ins Geschäft kommen. Lass ihn sich etwas ausruhen. Vielleicht kann er es morgen erneut versuchen.“ „Verstehen Sie denn nicht?“, rief Wells flehentlich, „Ihr aller Leben ist möglicherweise in Gefahr!“ „Ja ja“, der Untergebene verließ hinter seinem Boss die Zelle, „das sagt der die ganze Zeit schon und bisher ist noch überhaupt nichts passiert.“ „Aber-!“ Die Tür flog ins Schloss und sperrte ihn wieder ein. Geknickt ließ der Gefangene den Kopf hängen. Hätte er doch nicht seiner Neugier nachgegeben. Hätte er sich doch nicht mit dieser Organisation eingelassen. „Verflucht seist du, Time Machine.“ Kapitel 1: Die Zeiten ändern sich --------------------------------- Kunikida war der festen Überzeugung, dass Dazais gesamte Existenz darauf aufgerichtet war, ihm auf den Geist zu gehen. Welchen anderen Grund konnte es dafür geben, dass er ihn die gesamte Zeit schon, seit sie an ihren gegenüberstehenden Arbeitsplätzen im Büro saßen, so intensiv anstarrte. Natürlich versuchte Kunikida ihn zu ignorieren, doch heute war Dazai besonders nervig. Er starrte und starrte und starrte, ohne ein Wort dabei zu verlieren. Das musste eine neue Methode von ihm sein, ihn in den Wahnsinn zu treiben. „WAAAAAAAS??!!“, platzte es schließlich lautstark aus Kunikida heraus und in die Stille der Detektei hinein, sodass alle anderen Detektive aufgeschreckt wurden und zu dem ungleichen Duo sahen. „WAAAS?!WAAAAS?!WAAAAAS?! Warum starrst du mich so an???!!“ „Hmm“, machte Dazai lediglich und legte ein wenig den Kopf schief. „Also, irgendwie, Kunikida … siehst du heute anders aus als sonst.“ „Häh? Anders? Was soll das denn heißen?“ Ohne zu antworten krabbelte Dazai auf den Tisch und rückte seinem Kollegen so nahe auf die Pelle, dass sich fast ihre Nasen berührten. Irritiert und beinahe verstört durch die Nähe des aufdringlichen Brünetten begannen Kunikidas Augenbrauen auf das Heftigste zu zucken. „Aha!“, rief Dazai plötzlich aus. „Deine Sorgenfalten sind weg! Hast du da etwa was machen lassen?“ Von diesem Ausruf erschrocken kippte der Angesprochene mit seinem Stuhl nach hinten und beinahe um, doch der Verursacher dieses Chaos hielt ihn nicht gerade sanft an seinen Haaren fest und hatte zudem noch den Nerv, den Kopf des armen Kunikida in Yosanos Richtung zu drehen. „Sieh dir das bitte mal an, Yosano. Die sonst äußerst deutlich zu sehenden Sorgenfalten sind verschwunden. Also wirklich, Kunikida, dass du so eitel bist ….“ „Ich bin nicht eitel! Und nun lass mich los, du Verrückter!“ „Hmm“, machte nun Yosano, die näher gekommen war und sich Kunikidas Gesicht aus der Nähe ansah, was diesem erneut überaus unangenehm war. „Du hast Recht. Die tiefen Furchen sind vollkommen verschwunden. Aber nach Botox sieht das nicht aus.“ „Was heißt denn hier tiefe Furchen?!“ „Schau du mal, Atsushi.“ Dazai drehte Kunikidas Kopf in die andere Richtung, sodass der junge Detektiv ihn besser begutachten konnte. „Tatsächlich“, staunte Atsushi. „Wie kann das denn sein?“ „HEY! Lass endlich meine Haare los!“ Plötzlich standen auch noch Kyoka, Tanizaki, Naomi, Kenji und Ranpo um Kunikida herum und glotzten auf seine Stirn, auf die auch noch Krümel fielen, da Ranpo sich gerade ein paar Chips zu Gemüte führte. „Ist das eine neue Faltencreme?“, fragte Haruno, die gerade erst hereingekommen war und sich sofort dazugesellte. „Die sieht unglaublich wirksam aus.“ „Wie kommt ihr darauf, dass ich Faltencreme benutze??“ „Meint ihr, es gibt wirklich eine Creme, die so stark ist?“, entgegnete Tanizaki verwundert. „Hört auf mich anzustarren … bitte ….“ „Dazai, vielleicht lässt du Kunikida besser los. Ihm kommen schon die Tränen“, kam Atsushi seinem gebeutelten Kollegen zu Hilfe. Und tatsächlich ließ Dazai daraufhin den Kameraden los, der sich dann durch seine malträtierte Haarpracht fuhr und im nächsten Moment aus einer Schreibtischschublade einen aufklappbaren Taschenspiegel entnahm und in diesen blickte. „Vom Taschenspiegel im Schreibtisch zur Faltencreme ist es aber auch kein großer Sprung mehr“, frotzelte Dazai vergnügt und krabbelte auf seinen Platz zurück. „Bin ich hier eigentlich der einzige, der arbeitet?“ Kunikida klappte den Spiegel wieder zu und legte ihn zurück. „Kein Wunder, dass ich Sorgenfalten bekomme.“ „Korrigiere, Kunikida“, sagte Ranpo schmatzend, „du hattest Sorgenfalten und jetzt sind sie weg.“ „Unsinn, da waren nie welche und deswegen sind da auch jetzt keine. Und wenn da welche wären, wären sie allein die Schuld von dem da!“ Er brauchte nur einen kurzen Blick über seinen Laptop zu werfen, um allen verständlich zu machen, wen er meinte. „Ah“, warf Haruno hastig ein. „Atsushi, Kyoka, ich habe einen Auftrag für euch. Ihr sollt an der Polizeiwache an der Ecke Beweismittel für einen wichtigen Fall abholen und zum Gericht bringen. Da es dabei um einen Mord geht, dessen Hauptverdächtiger zu einer Bande gehört, könnte es passieren, dass Mitglieder der Bande versuchen, die Beweismittel zu stehlen und zu vernichten.“ „Alles klar, wir sind schon unterwegs!“ Enthusiastisch salutierte Atsushi und machte sich mit Kyoka auf den Weg.   „Aber Sie haben uns doch beauftragt, die Beweismittel abzuholen.“ Mit wachsender Ungeduld wiederholte Kyoka, was sie dem Polizisten nun bereits dreimal erklärt hatte. Atsushi befürchtete schon, dass Kyoka gleich wieder etwas Dummes tun würde und zum Beispiel den Beamten angriff, aber in letzter Zeit hatte sie sich ein wenig gebessert, daher hatte er Hoffnung, dass sie diesen Auftrag ohne blutigen Zwischenfall beenden konnten. „Dieser Fall ist uns unbekannt.“ Der Polizist schüttelte den Kopf. „Aber Sie haben uns doch-“ Kyoka wurde merklich lauter und so schritt Atsushi ein. „Hier“, er übergab dem Beamten das Dokument, das sie von Haruno für den Auftrag erhalten hatten. „Dort steht die Kennziffer des Falls. Wenn Sie die Nummer im System eingeben, dann wird sich sicher alles klären“, sagte er freundlich. Der Polizist zuckte mit den Schultern, nahm das Papier an sich und tippte die Zahlen in seinen Computer ein. Dann seufzte er. „Wie ich schon sagte: Den Fall gibt es nicht.“ Er drehte den Bildschirm zu den Kindern. Ungläubig blickte Atsushi auf das Display. „Aber der Mord hat doch stattgefunden. Vielleicht handelt es sich nur um einen Tippfehler oder ein Computerproblem oder-“ „Von so einem Mord wissen wir auch nichts“, fiel ihm der Polizist ins Wort.   Ratlos, was sie nun tun sollten, traten die beiden wieder auf die Straße. „Vielleicht stehen sie unter dem Einfluss einer Fähigkeit und erinnern sich deswegen nicht an den Mord“, sagte Kyoka ernst. „Wir hätten uns nicht so leicht abwimmeln lassen sollen.“ „Dann würde diese Fähigkeit ja auch auf das Computersystem wirken und das halte ich für unwahrscheinlich. Oder gibt es so eine Fähigkeit? Eine Fähigkeit und ein Computervirus vielleicht? Oder ein Hackerangriff? Eine Fähigkeit, die einen Hackerangriff auslöst?“ Atsushi verlor sich in gemurmelten Gedankengängen, als Kyoka ihn am Ärmel zog. „Lass uns zum Gericht gehen und dort nachfragen.“ Sie folgten diesem Vorschlag, doch leider brachte sie auch dies nicht weiter, denn am Gericht sagte man ihnen das gleiche. Als sie erneut ratlos auf der Straße standen, rief Atsushi schließlich Haruno an. „Welcher Auftrag?“, fragte sie zu seinem Unglauben. „Der, zu dem du uns eben losgeschickt hast.“ „Ich habe euch keinen Auftrag erteilt.“ „Aber ich habe es doch hier schwarz auf wei-“ Erschrocken hielt der Junge inne, als er auf das Dokument sah. Es war nur noch weiß. Nichts stand darauf geschrieben. „Haruno“, hörte Atsushi im Hintergrund Fukuzawas Stimme, „du hast ihnen diesen Auftrag erteilt, weil wir ihn angenommen hatten.“ „Huh? Was? Ich … ich kann mich nicht daran erinnern.“ „Sag ihnen, dass sie zur Detektei zurückkehren sollen.“ „Schon verstanden!“ Atsushi legte auf und wollte Kyoka von dem Telefonat berichten, als er sah, dass sie intensiv auf die andere Straßenseite starrte. Er folgte ihrem Blick und stutzte. Dort liefen zwei Frauen in auffällig aufwändigen Kimonos und mit außergewöhnlichen Frisuren, die er sonst nur von uralten Bildrollen kannte, aufgeregt herum. Die Frauen liefen allerdings nicht auf dem Gehweg, sondern rannten in den dichten Verkehr hinein, sodass ein erbostes Hupkonzert ertönte, was die beiden Damen noch mehr irritierte. „Vorsicht!!“ Geistesgegenwärtig aktivierte Atsushi seine Fähigkeit und sprang blitzschnell zu den Frauen, riss sie zur Seite weg und stürzte mit ihnen auf den Bürgersteig, nur einen Sekunde bevor ein Lastwagen an der Stelle vorbeirauschte, an der sie gestanden hatten. Aufgeschreckt lief nun auch Kyoka los. „Atsushi, bist du in Ordnung??“ Der Angesprochene schüttelte sich und richtete sich langsam wieder auf. „Alles in Ordnung. Mir ist nichts passiert.“ Er sah zu den beiden Frauen, die zwar sichtlich erschrocken waren, aber allem Anschein nach unverletzt. „Geht es Ihnen gut?“ „Du meine Güte“, entfuhr es einer der Damen, die mehrere Lagen farblich aufeinander abgestimmter Kimonos trug und bläulich-schwarze Haare hatte, die sie wie ihre Kameradin in einer aufwändigen Hochsteckfrisur trug. „Das war aber knapp!“ „Ich habe bereits mein gesamtes Leben an mir vorbeiziehen sehen … und ich bin doch der Meinung, dass da noch einige Kapitel fehlen“, entgegnete die Andere, die ihre Begleiterin um einige Zentimeter überragte, edle goldene und purpurfarbene Kimonos übereinander trug und lilafarbene Strähnen in ihrem schwarzen Haar hatte. „Ah, junger Herr“, sagte wieder die Erste, „Ihr habt uns das Leben gerettet! Habt ergebensten Dank!“ „Fürwahr“, fügte die andere Frau hinzu, „unser Leben wäre ohne Euch verwirkt gewesen.“ „Äääh ….“ Atsushi errötete verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Ach, nicht der Rede wert.“ Etwas eigentümlich sprachen die beiden Damen ja schon. Als wären sie aus der Zeit gefallen. „Sie müssen einfach besser aufpassen, wenn Sie eine Straße überqueren wollen. Besonders bei einer Schnellstraße.“ Die Frauen blinzelten ihn fragend an. „Mir scheint, der junger Herr spricht in Rätseln“, sagte die Größere der beiden. „Sagt, seid Ihr vielleicht ein hiesiger Bauer oder Handwerker? Eure Kleidung ist äußerst seltsam. So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Die Frau mit den blaustichigen Haaren musterte Atsushi ungeniert und bemerkte schließlich auch Kyoka, die neben ihm stand. „Ah, ist das Eure Gattin?“ „WAAAAAS?!!“ Atsushi schüttelte seinen Kopf schneller als man gucken konnte, während das Mädchen einfach nur rot wurde. „Neinneinneinneinganzsichernicht!“ Auf was für Ideen kam diese Frau denn? Sie waren doch gerade mal vierzehn Jahre alt. „Nicht? Ihr seht nicht aus wie Geschwister“, entgegnete die Dame, ehe sie lächelte. „Ah, ich verstehe! Ist sie jemand anderem versprochen und nun lauft ihr davon, um heimlich den Bund der Ehe einzugehen?“ „Neinneinnein!“ Atsushi stand kurz vorm Kollaps. Aufgeregt wedelte er mit den Händen, während Kyoka einfach nur noch etwas röter wurde. Konnte sie nicht auch etwas sagen? „Niemand läuft hier irgendwo einer Ehe entgegen!“ „Wenn Ihr für das Mädchen sorgt“, schaltete sich die andere Frau ein, „dann solltet Ihr ihr schleunigst einen Ehemann besorgen. Sie ist doch bestimmt schon vierzehn Jahre alt, oder?“ Verzweifelt versuchte der junge Detektiv, sein Kinn davon abzuhalten, auf den Boden zu knallen. Wie waren die denn drauf?? „Atsushi“, meldete sich Kyoka endlich zu Wort, „muss ich dich jetzt heiraten?“ „Aaaah!“ Der Angesprochene fasste sich entgeistert an den Kopf. „Nein, Kyoka, ganz sicher nicht.“ „Oh, okay.“ Ein weiterer Lastwagen rauschte in diesem Moment donnernd an der Gruppe vorbei und die beiden Frauen zuckten erschrocken zusammen. „Was ist das hier für ein schrecklicher Ort?!“, kreischte die Kleinere. „Ein faszinierender, doch schrecklicher Ort“, stimmte ihr die Andere zu. „Mir scheint, wir sind von einem Fluch getroffen worden und so in diese angsteinflößende Welt gelangt.“ Aufmerksam hatte Atsushi dies mit angehört. Irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht. „Darf ich fragen, wo Sie eigentlich herkommen und was Sie hier machen?“ Die Frau mit den lilafarbigen Strähnen nahm tief Luft. „Wir hatten eine Reise nach Edo unternommen und uns gerade auf den Rückweg zum kaiserlichen Hofe gemacht, als wir uns plötzlich hier wiederfanden.“ „Edo?“, wiederholte Atsushi verdutzt. „Sie meinen Tokyo.“ „To-kyo?“, die andere Frau schüttelte den Kopf und bedachte den Jungen mit einem abfälligen Blick. „Nein, Edo. Und wir wollten nach Kyo-to.“ „Der Kaiser lebt doch schon lange nicht mehr in Kyoto“, widersprach Kyoka „Und Edo ist doch der alte Name für Tokyo.“ Plötzlich durchzuckte Atsushi ein Gedanke. Konnte es sein? So wie die Frauen sprachen und gekleidet waren und wie sie die Autos und Hochhäuser ansahen, als würden sie so etwas zum ersten Mal sehen. War so etwas möglich? Da klingelte aus dem Nichts sein Handy und die Frauen schrien erneut verstört auf. „Was für ein abscheulicher Lärm!“ „Vielleicht haben wir doch unser Leben ausgehaucht und dies ist die Hölle.“ „Entschuldigung.“ Atsushi nahm den Anruf entgegen. „Atsushi?“ Es war Tanizaki. „Kommt schnell zurück. In der Stadt passieren einige seltsame Dinge.“ „Ja. Ist mir auch schon aufgefallen. Wir sind sofort da.“ Der Detektiv legte auf. „Darf ich Sie nach Ihren Namen fragen?“ „Murasaki Shikibu“, antwortete die Frau mit den lilafarbenen Strähnen. „Sei Shonagon“, sagte die Dame mit den blaustichigen Haaren. „Könnte es sein, dass Sie Zeitreisende sind?“ Kapitel 2: Kavaliere voller Schamlosigkeit und Mitgefühl -------------------------------------------------------- „Darf ich Ihnen sagen, dass Sie eine zeitlose Schönheit sind?“ Dazai nahm Murasakis Hand und küsste sie schamlos darauf, während sie auf dem Sofa in der Detektei saß und er vor ihr kniete. Einen Augenblick später verpasste Kunikida ihm einen Schlag mit einem Aktenordner. „Für so etwas haben wir jetzt jawohl keine Zeit!!“ „Natürlich sagt man nur ihr, wie schön sie ist“, grummelte Sei, die daneben saß, beleidigt vor sich hin. „Sei, diese Leute wollen uns helfen, spiel nicht gleich wieder die Beleidigte“, entgegnete Murasaki. „Es ist doch immer das gleiche, egal, wo wir hingehen“, meckerte die Kleinere weiter. „Anscheinend ist es auch egal, wann wir irgendwo hingehen.“ Natürlich hatten die beiden Frauen Atsushi nicht beantworten können, ob sie Zeitreisende waren, denn sie konnten sich darunter nichts vorstellen, doch sie waren sich überaus sicher, dass dies hier nicht ihre Zeit war. Gleichzeitig häuften sich überall die Meldungen, dass in der Stadt Personen und Dinge einfach so verschwanden. „Wenn ich mir das alles so ansehe“, sagte Ranpo, der sich dazugesellt hatte, „dann sind die Damen etwa 1000 Jahre alt.“ „Wie bitte?!“, empörte sich Sei. „Nehmt das zurück, so alt sehe ich wahrlich nicht aus!“ Ranpo ignorierte ihre Empörung – oder bekam sie nicht mit – und öffnete sich eine neue Tüte Snacks. „Das sieht wieder nach schrecklich viel Arbeit für uns aus.“ Er steckte sich mehrere Chips gleichzeitig in den Mund und wurde dabei aufmerksam von Sei beobachtet. „Aber ist das denn wirklich möglich?“, fragte Atsushi. „Zeitreisen, meine ich.“ „Ich habe noch nie davon gehört, dass jemand diese Fähigkeit besitzt.“ Fukuzawa kam hinzu. „Doch ausschließen können wir es nicht.“ „Ah, endlich jemand, der halbwegs normal gekleidet ist“, freute Murasaki sich. „Seid Ihr der Meister dieses … Etablissements?“ „Uh, das klingt aber anstößig, Chef“, kommentierte Ranpo und bemerkte, dass Sei immer näher an seine Chipstüte gerückt war. Fukuzawa räusperte sich. „Bis wir Näheres wissen, bitte ich Sie hier in der Detektei zu bleiben. Vermutlich stehen Ihr Auftauchen und die Vorfälle in der Stadt in einem Zusammenhang.“ „Keine von uns hat die Fähigkeit, in eine andere Zeit zu reisen, so viel kann ich Euch versichern“, erwiderte Murasaki. „Dann sind Sie Befähigte?“, hakte Dazai nach. „Nwur fie, iff nwifft“, antwortete Sei hastig und mit dem Mund voller Chips, die Ranpo ihr ungewohnterweise überlassen hatte. Murasaki seufzte. „Wenn es ums Essen geht, verliert sie manchmal ihre guten Manieren, verzeiht.“ „Twu nifft immer fo alf wärft dwu waf befferef.“ „Dann sind Sie eine Befähigte?“, fragte nun Fukuzawa und Murasaki nickte, als Tanizaki hinzukam und erschrocken aufschrie: „Kunikida, bist du in Ordnung??“ „Ja, natürlich, wieso fragst du überhaupt? Was machst du denn für ein Gesicht?“, antwortete der Brillenträger, der hinter den Anderen stand, irritiert. Die restlichen anwesenden Detektive drehten sich zu ihm um und verfielen für einen Moment in Fassungslosigkeit. „K-kunikida“, stammelte Atsushi entsetzt. „D-du ….“ „Jetzt übertreibst du es aber mit der Verjüngungskur“, kommentierte Dazai. „Was redet ihr für einen Unsi-“ Kunikida stockte, als er an seinen Armen hinuntersah. Wieso waren die Ärmel plötzlich so lang? Sein Hemd und seine Weste fühlten sich auf einmal so groß an und … ah! Panisch hielt er seine Hose fest, bevor sie gen Boden rutschte. Sowieso schien der Boden plötzlich fiel näher zu sein. Was war hier los?? Schrumpfte er etwa?? Immer noch entgeistert rief Fukuzawa nach Kenji, der sofort angelaufen kam. „Kenji, bring Kunikida bitte sofort zu Yosano.“ „Hmm? Klar, mach ich, aber was ist denn los? Und wo ist Kunikida überhaupt?“, fragte der Junge, als sein Blick auf das Kind in den viel zu großen Klamotten fiel. „Wer ist dieses Kind da?“ „Kunikida“, antwortete Dazai trocken und erntete von Kenji fragendes Augenblinzeln. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“ „Das ist nicht die Zeit, um zu diskutieren!“, rief Kunikida mit nun deutlich höherer Stimme dazwischen. „Ich schrumpfe!“ „Eigentlich sieht es eher so aus, als würdest du rückwärts altern“, korrigierte Ranpo. „Ich will weder das eine noch das andere!!“ „Bitte bring ihn einfach schnell zu Yosano“, warf der Chef mit Nachdruck ein, worauf Kenji nickte, Kunikida etwas überrumpelt an die Hand nahm und ihn zu der Ärztin führte. „Was wird denn jetzt mit ihm geschehen?“, fragte Atsushi beunruhigt. „Ich meine, wenn das so weitergeht ….“ „Dann werden wir bei Kunikida noch die Windeln wechseln müssen“, antwortete Dazai und stutzte daraufhin. „Wow, das war ein Satz, von dem ich nicht dachte, ihn je zu sagen.“ „Hast du irgendeine Idee hierzu, Dazai?“, wandte sich Fukuzawa ernst an ihn. „Tut mir leid, leider noch keine einzige.“ „Ranpo?“ Der Meisterdetektiv übergab der begeisterten Sei den Rest der Chipstüte, stand auf und setzte sich seine Kappe auf. „Ich denke, dass irgendwer die Zeit manipuliert hat. Deswegen kommt es zu diesen Anomalien, wie das Auftauchen der beiden Damen oder Kunikidas Rückentwicklung. Wir sollten uns den Ort ansehen, an dem unsere zwei antiken Gäste zuerst hier erschienen sind. Ich bin mir sicher, da wird ein Hinweis zu finden sein.“ Einen kurzen Moment dachte Fukuzawa über das Gesagte nach und nickte schließlich. „Darf ich Sie bitten, nun doch noch einmal nach draußen zu gehen, um den Ort Ihres Erscheinens ausfindig zu machen?“, sagte er zu den zwei Frauen. „Wir werden Ihre Hilfe benötigen, um Sie letztendlich auch wieder nach Hause schicken zu können.“ Murasaki nickte sofort. „Wir werden Euch unterstützen, wo auch immer wir nur können.“ „Gut. Ich danke Ihnen. Ranpo, Atsushi und Dazai. Ihr werdet sie begleiten.“ „Soll Kyoka auch mitkommen?“, warf Atsushi ein und wunderte sich sogleich, warum der Chef ihn fragend ansah. „Kyoka?“, entgegnete er. Ein mulmiges Gefühl machte sich rasend schnell in Atsushis Magen breit. „Ja, Kyoka. Soll sie auch mitkommen?“ „Wer soll das sein?“ Panische Angst überkam den jungen Detektiv und seine Augen weiteten sich vor Schreck. „Sie wissen doch, wer Kyoka ist.“ Doch Fukuzawa schüttelte lediglich verwirrt den Kopf. „Kyoka!“ Atsushi stürzte an den Anderen vorbei und schaute zu den Schreibtischen, doch das Mädchen war nirgends zu sehen. „Tanizaki, Naomi! Habt ihr Kyoka gesehen?!“ Er erntete die gleichen Blicke wie zuvor vom Chef. „Kyoka?“, fragte auch Naomi ahnungslos nach. „Das Mädchen, das hier arbeitet!“, erklärte Atsushi atemlos. „Sie trägt zwei Zöpfe und einen roten Kimono!“ Die Geschwister tauschten verwirrte Blicke aus. „So ein Mädchen arbeitet hier nicht“, antwortete Tanizaki schließlich. „Aber ...“ Atsushi wusste nicht, was er sagen sollte. „Ihr könnt doch Kyoka nicht vergessen haben! Dazai!“ Fahrig drehte er sich wieder zu seinem Kollegen um. „Du erinnerst dich doch an Kyoka, oder??“ Der Angesprochene grübelte kurz. „Ich kann mich an dieses Mädchen erinnern, aber um ehrlich zu sein, verblasst die Erinnerung an sie zunehmend.“ Übelkeit stieg in Atsushi hoch. Was hatte das zu bedeuten? War Kyoka einfach verschwunden? Wieso erinnerte sich niemand an sie? „Sie wird einer Zeitanomalie zum Opfer gefallen sein“, sagte Ranpo todernst. „Ich weiß noch, wer Kyoka ist, doch anscheinend haben alle anderen sie vergessen. Als hätte sie nie existiert. Oder zumindest als wäre sie nie Teil der Detektei gewesen.“ „Dieses Mädchen ist also tatsächlich Teil der Detektei?“ Fukuzawa klang betroffen. Er nahm tief Luft. „Ich kann nicht glauben, dass wir unsere eigenen Leute vergessen. Beeilt euch und holt das Mädchen zurück.“ Immer noch panisch, doch fest entschlossen verließ Atsushi mit den Anderen das Büro und hörte nur noch Naomis hysterisches Flehen, dass ihr Bruder sie auf gar keinen Fall vergessen durfte.   Murasaki und Sei waren wenig begeistert davon, wieder auf die Straße zu müssen. Diese Zeit war laut und die Luft war schlechter und wer baute so große Häuser? Wusste der Kaiser davon? Oder war sein Palast sogar noch größer? Ranpo hielt Sei eine neue Packung Chips hin, die diese dankend aufmachte und probierte. „Du bist so ungewohnt spendabel, Ranpo“, bemerkte Dazai, während sie den vagen Beschreibungen der Damen folgten, um den Ort zu finden, an dem sie zuerst aufgetaucht waren. „Was soll das denn heißen? Bin ich sonst geizig?“, gab der Detektiv eine Schnute ziehend zurück. Dazai zuckte amüsiert mit den Schultern. „Vielleicht ein bisschen weniger spendabel.“ „Ich weiß, wie schlimm es ist, irgendwo herumlaufen zu müssen, wo man sich nicht auskennt“, erwiderte Ranpo. „Ich fühle also mit unseren Gästen mit.“ „Habt Dank für Euer Mitgefühl“, sagte Murasaki und auch Sei nickte anerkennend, während sie die Chips herunterschluckte. „Eure Speisen sind zwar anders, aber sehr schmackhaft. Wobei ich diese Sorte hier lieber mag als die davor. Die erste jedoch hat mir am meisten gemundet.“ „Wir hoffen, wir können etwas tun, um das verschwundene Mädchen zurückzubringen. Ich kann mich an sie erinnern. Der junge Herr hier weigerte sich vehement, sie heiraten zu wollen“, ergänzte Murasaki. „Äußerst unsensibel von dir, Atsushi.“ Dazai legte eine Hand auf den Kopf des vor ihm gehenden Jungen, der offensichtlich mit seinen Gedanken die ganze Zeit bei Kyoka war und vom Rest des Gesprächs nichts mitbekommen hatte. „Huh?“, schreckte er hoch, als er Dazais Hand auf seinem Kopf spürte. „Du machst dir Sorgen um sie, nicht wahr?“, fragte der Brünette und Atsushis Blick wurde noch trauriger. „Was ist, wenn ich sie auch vergesse?“ „Junger Herr“, wandte Murasaki sanft ein, „so viel wie sie Euch anscheinend bedeutet, ist es unwahrscheinlich, dass dies geschehen wird.“ Ein schwaches Lächeln kehrte auf Atsushis Gesicht zurück. „Ja. Das hoffe ich auch.“ Atsushis Aufatmen war von sehr geringer Dauer, denn plötzlich verschwand das Gewicht von Dazais Hand auf seinem Kopf. Einem unguten Gefühl folgend drehte er sich voller Anspannung zu seinem Kameraden um, doch dort stand niemand mehr. Kapitel 3: Einer von uns ------------------------ „Dazai! Dazai!!“ Atsushis panische Rufe verhallten ungehört. Blitzschnell drehte er sich Ranpo zu. „Du kannst dich doch an Dazai erinnern, oder?!“ Ranpo nickte. „Jetzt hat es wohl auch ihn getroffen.“ „Erinnern Sie sich an ihn??“, fragte Atsushi auch die beiden Damen. „Auf jeden Fall“, antwortete Murasaki. „Der schamlose Kavalier, der mit seinen wunderschönen Lippen so unverschämt meine Hand geküsst hat.“ „Und meine nicht“, sagte Sei etwas verbittert klingend. Ein wenig erleichtert atmete der Junge aus. Immerhin war Dazai noch nicht in Vergessenheit geraten. „Hoffentlich geht es ihm und Kyoka gut.“ „Wir können erst einmal nichts für sie tun außer diesen Zeitanomalien auf den Grund zu gehen“, entgegnete Ranpo, ehe Sei aufgeregt nach vorne zeigte. „Da! Ich kann mich erinnern, dieses runde Ungetüm gesehen zu haben, nachdem wir uns plötzlich hier befunden hatten.“ „Dies ist die Stelle, an der wir angekommen sind“, stimmte Murasaki ihr zu. Die beiden Detektive folgten mit den Augen dem Fingerzeig zum Riesenrad und mit einem Mal stockte Ranpo der Atem. „Das ist … viel schlimmer als ich angenommen habe.“ Ahnungslos blinzelte Atsushi ihn an. „Warum?“ „Das ist nicht das Riesenrad, das wir kennen, sondern das Vorgängermodell“, erklärte Ranpo. „Und einige der Hochhäuser sind bereits verschwunden. Hier ist ein Riss im Raum-Zeit-Gefüge.“ Er zeigte zum Himmel hoch und Atsushi kniff die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können. Hoch oben am Himmel schien an einer Stelle die Luft zu wabern, kleine dunkle Blitze zuckten dort hin und wieder auf. „Das ist gar nicht gut.“ Ranpos Blick wanderte weiter. „Ich zähle mindestens vier solcher Risse allein von hier. Sie scheinen sich zu vermehren.“ „Und was machen wir dagegen?“, hakte Atsushi schwer schluckend nach. „Nichts“, war die Antwort des Dunkelhaarigen. „Du kannst keine Raum-Zeit-Risse flicken als wären sie ein kaputtes Hemd. Sie werden sich immer weiter ausbreiten, bis sie die gesamte Gegenwart, wie wir sie kennen, verschluckt haben werden.“ Atsushi packte seinen Kollegen an den Schultern. „Aber dagegen müssen wir doch etwas tun!“ Nicht erfreut über das grobe Zupacken streifte der Meisterdetektiv die Hände des Jungen von seinen Schultern. „Dagegen können wir gar nichts machen. Wir müssen denjenigen finden, der das verursacht hat.“ „Also, tatsächlich ein Befähigter, der die Zeit manipulieren kann.“ Murasakis ernster Blick wanderte erneut zum Himmel hinauf. „Welch faszinierende und gefährliche Fähigkeit.“   Dazai blinzelte irritiert die Wand an, die in dem halbdunklen Gang vor ihm stand. Wo war er? Wieso hatte er keine Erinnerung mehr daran, was zuvor geschehen war? Ein Filmriss? Er hatte sich noch nie so sehr die Kante gegeben, dass er sich danach an überhaupt nichts erinnern konnte. Wobei … sein Kopf fühlte sich wirklich merkwürdig an. So schwer und vernebelt. Dazai fasste sich an den Kopf und berührte dabei den Verband, der um sein rechtes Auge gewickelt war. Irgendetwas war seltsam, aber er konnte nicht identifizieren, was es war. „Hier steckst du.“ Aufgeschreckt drehte sich Dazai zu dem Mann herum, der gerade den Flur betreten hatte. „Chuuya?“ „Was?“ „Nichts … denke ich.“ „Bist du besoffen?“ „Möglich.“ Chuuya stöhnte entnervt. „Also echt, du bist absolut wahnsinnig. Du kannst dich doch nicht am helllichten Tag volllaufen lassen.“ „Ist es Tag?“ „Ja, noch ….“ Kritisch beäugte der Rotschopf ihn. „Du siehst total durch den Wind aus.“ „Sind wir im Hauptquartier der Hafen-Mafia?“ Chuuya sah ihn an als hätte sein Partner wirklich und wahrhaftig den Verstand verloren. „Natürlich. Wo sollen wir denn sonst sein?“ Schwach lächelnd schüttelte Dazai den Kopf. „Natürlich. Es ist nur … ich habe das Gefühl, ich sollte eigentlich woanders sein.“   Die vier waren zur Detektei zurückgeeilt, bevor noch mehr Leute aus ihren eigenen Reihen verschwanden. Erleichtert stellte Atsushi fest, dass alle anderen noch da zu sein schienen. Nachdem Ranpo flugs berichtet hatte, was sie herausgefunden hatten, sagte Atsushi aufgeregt: „Dazai ist verschwunden.“ „Dazai?“ Diese Nachfrage des Chefs hatte Atsushi beinahe schon befürchtet. „Haben Sie auch Dazai vergessen?“ „Soll das auch einer von uns sein?“, fragte Tanizaki nach. Der Junge nickte energisch. „Er ist ein wichtiger Teil der Detektei und Kunikidas Partner.“ Naomi und ihr Bruder tauschten wieder ahnungslose Blicke aus und zuckten entschuldigend mit den Schultern. „Mir ist zwar ein Dazai namentlich bekannt“, sagte Fukuzawa, „doch der arbeitet ganz sicher nicht für uns.“ Gerade als Atsushi nachfragen wollte, was er damit meinte, ertönte lärmendes Gebrüll. Wie von einem Baby. „Chef“, Yosano kam hinein, gefolgt von Kenji, der ein Baby auf dem Arm trug, das offenbar in ein schwarzes Hemd gewickelt war. „Kunikida treibt uns in den Wahnsinn. Er schreit und schreit und egal, was wir machen, er gibt keine Ruhe.“ „D-das ist Kunikida??“ Atsushis Kiefer klappte nach unten. „Das ist übel. Sehr übel“, bemerkte Ranpo und hielt sich die Ohren zu. „Und sehr laut. Stellt das ab.“ „Fragt Ha ...“, begann Fukuzawa, doch brach irritiert ab. „Diese Frau … sie hieß irgendetwas mit Ha …. Hier hat doch mal eine weitere Bürokraft gearbeitet, oder?“ Man konnte ihm zunehmend anmerken, dass er an seinem Verstand zweifelte. „Außer Naomi?“, fragte Kenji überrascht und wog Kunikida hin und her. „Haruno ist verschwunden?“, warf Atsushi ein. „War das ihr Name? Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich meine eigenen Mitarbeiter vergesse.“ Der Gedanke nagte sichtlich an Fukuzawa. „Ranpo, hast du dir mittlerweile etwas überlegt?“ „Bin dabei, Chef.“ Unter den wachsamen Augen von Sei breitete Ranpo einen Stadtplan von Yokohama aus und begann, darauf Markierungen und Linien einzuzeichnen.   „Irgendwie ist heute was seltsam.“ Chuuya dachte angestrengt nach, während er mit Dazai den Gang entlang ging. „Aber ich komm nicht drauf was.“ „Wenn du zu viel nachdenkst, explodiert noch dein Kopf, Chuuya. Und es wäre doch schade um den schönen Hut.“ „DU SPINNER! Ich zeig dir, was du gleich schade finden wir-“ „DAZAI?!“ Ein rauer und sehr aufgebrachter Ausruf unterbrach den Rothaarigen rüde. „Oh, Akutagawa. Was gibt’s?“, begrüßte Dazai ihn nonchalant. Akutagawa starrte ihn entgeistert an. Wieso sprach er mit ihm als wäre es das Normalste der Welt, dass sie hier im Hauptgebäude aufeinander trafen? Und wieso sah er aus wie zu der Zeit, bevor er die Mafia verraten hatte? „Was machst du hier?!“, knurrte der Jüngere. Sein ehemaliger Mentor und Chuuya sahen sich verwundert an, dann schauten sie zu Akutagawa zurück. „Was meinst du?“, fragte Dazai. „Wo soll ich sonst sein, wenn nicht hier?“ „Spielen heute alle verrückt?? Erst verschwindet Higuchi vor meinen Augen, dann verwandelt sich das Auto, mit dem wir unterwegs waren, in eine Kutsche und jetzt tauchst du hier auf und tust so als wäre nie etwas gewesen!“ „Na na.“ Dazai schüttelte selbstgefällig grinsend den Kopf. „Die Frage sollte wohl eher lauten, was denn mit dir los ist. Redet man so etwa mit einem Vorgesetzten?“ „Vorgesetzter?!“ Akutagawa schrie ihn an als würde er gleich in die Luft gehen. „Du hast uns verraten und bist zu diesen lächerlichen Detektiven übergelaufen!“ „Jetzt mach mal halblang“, schritt Chuuya ein. „Dazai ist zwar ein Spinner, aber immerhin gehört er zur Führung.“ „ZUR FÜHRUNG?! Seid ihr alle wahnsinnig geworden?!“ „Chuuya, du verletzt meine Gefühle, während du mich zu verteidigen versuchst. Das trifft und berührt mich gleichermaßen.“ „Weis du deinen Schützling lieber mal zurecht“, entgegnete Chuuya genervt, während sein Handy klingelte. „Es ist der Boss.“ Er nahm den Anruf an und machte sogleich große Augen, als ein Redeschwall auf ihn einprasselte. „Nein, ich weiß nicht, wo Elise ist“, kam der Angerufene nach einiger Zeit endlich zu Wort. „Nach welchem Gefangenen soll ich sehen? Wells? Tut mir leid, Boss, ich weiß nicht, von wem Sie sprechen. Ja, natürlich werde ich mich darum kümmern und Ihnen natürlich auch sofort Bescheid sagen, wenn ich etwas vom Verbleib von Elise erfahre.“ Chuuya legte auf und sah unschlüssig das Handy an. „Seltsam …. Dazai, weißt du was von einem Gefangenen namens Wells?“ „Wells? Nie gehört.“ Der Rotschopf kratzte sich verwirrt mit einer Hand unter seinem Hut. „Da muss irgendjemand Mist gebaut haben …. Ich werd dem mal auf den Grund gehen.“ Kopfschüttelnd ging Chuuya davon. „Sag mal, Akutagawa“, wandte sich Dazai an seinen vermeintlichen Zögling, „von welchen Detektiven hast du eben gesprochen?“ Anstatt zu antworten knurrte dieser jedoch nur und machte kehrt. „An einem falschen Dazai habe ich kein Interesse!“, schnaubte er noch, ehe er seinen früheren Mentor allein zurückließ. „Detektive …“, wiederholte Dazai gedankenverloren und fasste sich an den Kopf. „Wieso werden plötzlich meine Kopfschmerzen schlimmer?“   „Das Büro der bewaffneten Detektive.“ Tanizaki hatte den Telefonhörer abgenommen und blickte plötzlich ziemlich verschreckt drein. „Atsushi, ich glaube es ist für dich. Ein sehr schlecht gelaunter Mann möchte den Menschentiger sprechen.“ Atsushi zuckte erschrocken zusammen. Menschentiger? Es gab nur einen, der ihn immer so nannte. Und der immer schlecht gelaunt war. „Ist es Akutagawa?“ „Er hat keinen Namen gesagt“, antwortete Tanizaki und damit befürchtete Atsushi, dass sein Kollege selbst ihren Feind von der Mafia vergessen hatte. „Erinnert sich keiner von euch an Akutagawa?“ „Doch, ich“, sagte nur Ranpo als einziger, während er weiter auf dem Stadtplan herumkritzelte und Sei nun ebenfalls einen Stift zur Hand nahm und – nachdem sie das neuartige Schreibwerkzeug bewundert hatte – ebenso auf dem Plan herummalte. Alle anderen blinzelten Atsushi wieder nur fragend an. Seufzend nahm der Junge den Hörer entgegen. Sie hatten tatsächlich selbst Akutagawa vergessen. Der nun in der Detektei anrief. Konnte der Tag noch merkwürdiger werden? „Menschentiger!“, fauchte es aus der Leitung. „Was habt ihr mit Dazai angestellt?!“ „Dazai?“, wiederholte Atsushi und ein Funken Hoffnung kehrte in ihn zurück. War dieses verrückte Genie doch noch irgendwo? „Hast du Dazai etwa gesehen?“ „Ja“, knurrte Akutagawa, „im Mafia-Hauptquartier.“ „W-was??“ „Er denkt, er gehöre noch zur Führung und kann sich nicht an euch erinnern.“ „Hääääh?? W-was?? Ist das dein Ernst??“ „Klinge ich, als wäre ich zu Scherzen aufgelegt?“ „Akutagawa“, sagte Atsushi atemlos, aber ernst, „dir wird doch auch aufgefallen sein, dass in der Stadt so einiges nicht stimmt, oder?“ „Hältst du mich für dumm, Menschentiger?“ „Nein, aber das, was mit der Stadt passiert, ist auch mit Dazai passiert. Bei uns herrscht ebenso Chaos. Unter anderem ist Kyoka verschwunden.“ „Kyoka ist verschwunden? War sie nicht in deiner Obhut?“ Atsushi nahm sich eine Sekunde, um erleichtert auszuatmen. Jemand erinnerte sich an Kyoka. „Die ganze Stadt wird von solchen Raum-Zeit-Riss-Dingern verschlungen, deswegen ist alles durcheinander geraten.“ „.... Verstehe.“ „Ich denke, wir brauchen Dazai. Wenn ein Befähigter dies verursacht hat, dann kann er dieses Chaos aufheben.“ „Er wird nicht freiwillig zu euch kommen. Ich kümmere mich darum. Sei in zwei Stunden bei der Statue am Pier.“ Ohne die Antwort des Anderen abzuwarten, legte Akutagawa auf. „Dazai ist bei der Mafia.“ Gedankenschwer hielt Atsushi den Hörer, aus dem nur noch ein Piepton erklang, weiter in der Hand. „Das ist schon wieder sehr, sehr übel“, warf Ranpo ein, ohne aufzusehen. „Osamu Dazai ist ein Führungsmitglied der Mafia“, sagte Fukuzawa. „Das ist mir bekannt, aber was hat das mit uns zu tun?“ Allmählich wurde es Atsushi leid, den Anderen ständig eigentlich selbstverständliche Dinge erklären zu müssen, doch so schwer es auch für ihn war, sich als fast einziger an alles erinnern zu können, es brachte nichts, wütend zu werden. Sie konnten nichts dafür, dass sie Kyoka und Dazai und Haruno vergessen hatten. „Dazai“, richtete Atsushi todernst das Wort an Fukuzawa, „gehört zu uns. Nicht zur Hafen-Mafia. Wir müssen ihn da wieder herausholen, bevor er noch etwas tut, was er eigentlich nicht tun würde. Außerdem besitzt er die Fähigkeit, andere Fähigkeiten zu neutralisieren, daher wäre es sicher von Vorteil, wenn er bei uns wäre.“ Fukuzawa fasste sich angespannt mit einer Hand an die Stirn und atmete hörbar aus. „Ich glaube, ich verstehe die Welt nicht mehr.“ „Vertrauen Sie Atsushi, Chef.“ Ranpo kritzelte weiter auf dem Stadtplan herum. Einen Moment lang herrschte absolute Stille im Büro, selbst Kunikida gab keinen Laut von sich, während Fukuzawa angestrengt nachdachte. „In Ordnung“, sagte er schließlich. „Wenn Atsushi der festen Überzeugung ist, dass Osamu Dazai zu uns gehört, dann glaube ich ihm. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass er uns freiwillig helfen wird.“ „Das sagte Akutagawa auch schon.“ Atsushi nahm tief Luft. „Wir werden Dazai zurückholen und wenn es gegen seinen Willen geschieht! Es ist zu seinem Besten!“ „Wenn er tatsächlich ein Kamerad von uns ist, dann tut es mir umso mehr leid, dies sagen zu müssen,“ schwor Fukuzawa seine Leute ein, „aber wir müssen uns auf eine Kampf gegen ihn einstellen. Und dies wird nicht leicht werden.“ „Ich habe eine Fähigkeit, die für den Kampf geeignet ist“, sprach Murasaki entschlossen. „Ich werde mit Euch kommen und dem schamlosen Kavalier zur Rettung eilen.“ „Naomi, du passt auf Kunikida auf. Ranpo, Sei, wenn wir zurück sind, müssen wir einen Schlachtplan haben.“ „Verlasst Euch auf uns!“, rief Sei enthusiastisch. Kapitel 4: Die Unfähigkeit, vergessen zu können ----------------------------------------------- Die untergehende Sonne tauchte den Pier nach und nach in immer mehr Rottöne, als Atsushi Akutagawa gegenübertrat. „Danke, dass du uns hilfst“, begrüßte Atsushi ihn ernst und bekam einen schlecht gelaunten Gesichtsausdruck zurück. „Ich helfe euch nicht. Ich will nur, dass alles wieder normal wird.“ „Wie lautet dein Plan?“ „Dazai wird gleich hier auftauchen, weil ich ihm gesagt habe, ich müsste ihn dringend sprechen, da es um Leben oder Tod der Organisation gehe. Was momentan ja nicht einmal gelogen ist.“ Atsushi nickte. „Ich verstehe. Hast du auch über das weitere Vorgehen nachgedacht?“ Der Blick seines Gegenübers konnte tatsächlich noch eine Stufe verächtlicher werden. „Pah, bekommt ihr alleine nichts auf die Reihe?“ Schnell schüttelte Atsushi den Kopf. „Wir haben bereits einen Plan ausgearbeitet. Wenn … wenn es wirklich zu einem Kampf kommen sollte, dann darfst du Dazai nur angreifen, wenn ich dies auch tue. Nur gleichzeitig, nicht alleine. Hast du das verstanden?“ „Erteilst du mir etwa Befehle?“ „Das ist sehr wichtig. Wir wollen auf gar keinen Fall, dass Dazai verletzt wird.“ „Ihr scheint noch nicht begriffen zu haben, dass ihr euch in einem Kampf gegen Dazai Sorgen um eure eigene Unversehrtheit machen solltet.“ Atsushi schluckte. „Wir wollen, dass überhaupt niemand verletzt wird.“ Statt einer Antwort entwich Akutagawa lediglich ein unzufriedenes Schnauben. „Bitte … es ist wichtig,“ fügte der junge Detektiv unbeirrt hinzu. „Du bist erbärmlich, Menschentiger. Du flehst deinen Feind um Hilfe an?“ „Du hast bei uns angerufen.“ Atsushi konterte so fest entschlossen, dass sein Gegenüber stutzen musste. „Ich weiß, dass die Lage bei uns in der Detektei ernst ist und es ist unübersehbar, dass die ganze Stadt in Gefahr ist, also gehe ich davon aus, dass die Hafen-Mafia mindestens so schlimm wie wir von den Anomalien betroffen ist. Habe ich Recht?“ Der Mafioso steckte seine Hände in seine Manteltaschen ohne zu antworten. Erst als ein paar Sekunden verstrichen waren, richtete er wieder das Wort an den Anderen. „Ihr habt also einen Plan?“ Mindestens so schlimm, dachte Atsushi, oder wahrscheinlich noch viel schlimmer als bei uns. Es war die einzige Erklärung dafür, dass Akutagawa sich mit ihnen zusammentun würde. Der hellhaarige Junge wollte gerade erwidern, dass er ihm vertrauen sollte, als er ihre Zielperson auf sie zu schlendern sah. „Wer ist dein Freund, Akutagawa?“ Dieser eigentlich harmlose Satz versetzte Atsushi einen tiefen, schmerzhaften Stich ins Herz. Dazai konnte sich nicht an ihn erinnern. „Erkennst du mich nicht?“, fragte er wider besseren Wissens. Der eigentlich Älteste der drei stutzte, als er sich zu ihnen gesellte. „Tut mir leid, sind wir uns schon mal begegnet?“ „Ich stelle mir vor, dass das kein schönes Gefühl ist, oder Menschentiger?“ Bedrückt schüttelte Atsushi den Kopf. „Nein, das ist es wirklich nicht.“ Mit traurigen Augen begutachtete der Junge seinen Mentor. Tatsächlich sah er anders aus als sonst und das lag nicht nur an seinem schwarzen Anzug und dem schwarzen Mantel. Er wirkte auch anders. Kühler. Fremder. Etwas an seiner momentanen Präsenz jagte dem Jungen einen unheimlichen Schauer über den Rücken. Doch es war immer noch Dazai, sagte er sich immer und immer wieder. Dazai brauchte seine Hilfe, auch wenn dieser sich dessen gar nicht bewusst war. Es lag ausnahmsweise mal an ihm, dem Brünetten zu helfen und nicht andersherum. „Bist du verletzt?“, fragte Atsushi besorgt, als ihm der Verband um das rechte Auge des Älteren auffiel. „Er hat früher immer so ausgesehen“, wandte Akutagawa ein. „So wie du wirkst“, sagte Dazai und tat sein Bestes die schlimmer werdenden Kopfschmerzen zu ignorieren, „bist du sicher kein Freund von Akutagawa.“ „Dazai.“ Atsushi sah ihn eindringlich an. „Das hier ist nicht richtig. Durch Risse im Raum-Zeit-Gefüge bist du irgendwie in die Vergangenheit geschleudert worden. Du gehörst nicht mehr zur Hafen-Ma-“ „Schon wieder diese Nummer?“ Dazai schüttelte missbilligend den Kopf. „Und jetzt soll ich auch noch ein Zeitreisender sein? Was soll diese lächerliche Show?“ „Das ist keine Show! Und nicht lächerlich!“, schrie der junge Detektiv ihn plötzlich an. „Wir müssen schnell etwas gegen diese Risse tun, sonst werden sie alles verschlingen und nichts wird wieder so wie es sein soll! Bitte, du musst uns helfen!“ „Argh.“ Dazai fasste sich an seinen dröhnenden Kopf. „Schrei nicht so, Atsushi.“ Entgeistert blickte der Angesprochene ihn an. „Du … du kennst meinen Namen?? Erinnerst du dich doch an mich??“ Der Ältere stutzte. Ja, wieso in aller Welt kannte er den Namen eines Jungen, dem er noch nie zuvor begegnet war? „Versuch, dich weiter zu erinnern!“, flehte Atsushi ihn nun an, während Akutagawa abwartend zwischen den beiden hin und her sah. „Du schaffst das, Dazai. Du weißt, dass hier etwas nicht stimmt. Du musst dich nur erinnern! An die Detektei, an Kunikida, an Kyoka, an Ranpo, an den Chef-“ „Wo ist denn bei diesem ... Schreihals der Ausschalter …?“ Dazai hatte das Gefühl, das sein Schädel gleich zerspringen würde. Mit jedem Wort dieses schrecklich lauten Jungen wurden seine Schmerzen schlimmer. Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal solche Beschwerden gehabt zu haben. Als würde sein Körper, dem sonst fast nichts etwas ausmachte, gegen etwas Unbekanntes rebellieren. War er vielleicht krank? „Was soll das hier, Akutagawa? Wieso lauern da noch mehr Gestalten im Hintergrund? Wird das ein Hinterhalt? Willst ausgerechnet du mich stürzen? Habe ich mich etwa gerade in dir so massiv getäuscht? Das wäre ja was.“ Auf Fukuzawas Zeichen hin umstellten er, Yosano, Kenji und Tanizaki ihren eigentlichen Kollegen. „Wie ich schon sagte“, entgegnete Akutagawa ungerührt, „an dir habe ich kein Interesse.“ Ein flüchtiges, spöttisches Lächeln legte sich auf Dazais Lippen. „Wer auch immer ihr seid, ich rate euch davon ab, mich anzugreifen, weil das sonst das Letzte sein wird, was ihr je in eurem Leben tun werdet.“ „Dazai ...“ Atsushi betrachtete ihn fassungslos. Wenn hier nun etwas schief ginge, dachte er angsterfüllt, und Dazai einen von ihnen tatsächlich töten würde, was würde dann geschehen? Selbst wenn sie dieses Zeit-Chaos wieder auflösen konnten, würde es trotzdem nie mehr wie früher werden können. „Der hat ja 'ne große Klappe“, bemerkte Yosano verächtlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass so einer tatsächlich zu uns gehört. Wir haben doch schließlich schon mit Ranpo genug Ego im Büro.“ „Doch“, sagte Atsushi, als seine Entschlossenheit zurückkehrte. Er musste vertrauen, auf die anderen, auf sich selbst. Es war ihre einzige Möglichkeit. „Er gehört zu uns.“ Mit diesen Worten gingen Yosano und Kenji wie sie untereinander zuvor im Büro abgesprochen hatten zeitgleich zum Angriff über. Dazai wich ihnen mit spielender Leichtigkeit aus, schnappte sich Kenjis Handgelenk und schleuderte ihn auf Yosano, sodass beide auf den Boden geworfen wurden. Im nächsten Augenblick zog Fukuzawa sein Schwert, doch der Gegner (der eigentlich keiner sein sollte) bemerkte dies sofort, zog blitzschnell eine Pistole unter seiner Jacke hervor und schoss auf Fukuzawa, der getroffen zu Boden ging. Einem inneren Gefühl folgend, dass dies nicht alles war, drehte sich Dazai um und entkam nur knapp den Händen Tanizakis, die aus dem scheinbaren Nichts nach ihm griffen. Er feuerte einen Schuss auf den rothaarigen Jungen ab, der auf einmal von jemandem zur Seite gerissen wurde und so der Kugel haarscharf auswich. Die abrupte Handlung zwang ihn unglücklicherweise zum Auflösen seiner Fähigkeit. „Tatsächlich“, stellte Dazai fest und blickte zu dem wieder vor ihm stehenden Fukuzawa, der Tanizaki vor dem Erschießen bewahrt hatte. „Eine Illusion.“ „Er ist so stark wie befürchtet“, entgegnete der Chef der Detektei nur. „Dann bleibt uns nur noch eins. Atsushi!“ Der angesprochene Junge verlor keine Zeit. Er wusste, was er zu tun hatte. Und er hoffte, er hoffte so sehr, dass ihr Plan aufgehen würde, denn nur so würden sie Dazai überwältigen können, ohne mehr Gewalt anwenden zu müssen. „Fähigkeit: Bestie im Mondschein!“ „Fähigkeit: Rashomon!“ Zu Atsushis enormer Erleichterung hatte Akutagwa ihn tatsächlich verstanden und ging gleichzeitig mit ihm zum Angriff über, was Dazai nur ein schwaches Lächeln entlockte. „Du enttäuschst mich, Akutagawa.“ Er streckte seine Hände nach beiden Seiten aus und berührte die Angreifer. Sofort neutralisierte seine Fähigkeit die beiden anderen. In genau diesem Moment sprang Murasaki aus ihrem Versteck und aktivierte ohne Umschweife ihre Fähigkeit: „Fähigkeit: Prinz Genji!!“ Eine leuchtende, geisterhafte Männergestalt in einem edlen goldenen Kimono erschien vor Dazai und bevor dieser begreifen konnte, was los war, ging er vor der Erscheinung auf die Knie. „Ich kann mich … nicht mehr … bewegen ...“ Verwirrt über das Geschehen starrte Dazai zu der beinahe blendenden Gestalt vor ihm. Hatten sie ihn etwa überrumpeln können? Gerade, als ihm der Gedanke kam, dass dies vielleicht noch interessant werden würde, verlor er das Bewusstsein und fiel zu Boden. Sorgenvoll lief Atsushi sofort zu ihm hin. „Er scheint nicht verletzt zu sein. Danke, dass du uns geholfen hast, Akutagawa.“ „Noch einmal“, brummte dieser, „ich helfe euch nicht.“ „Gut gemacht, Fräulein Murasaki“, sagte Fukuzawa derweil. „Was ist überhaupt passiert?“, hakte der junge Mafioso nach und musterte die ihm fremde Frau, die eine scheinbar so starke Fähigkeit besaß. „Meine Fähigkeit“, erläuterte Murasaki erfreut, „paralysiert denjenigen, der zuletzt seine Fähigkeit angewendet hat und übergibt ihn einer kurzen, aber intensiven Ohnmacht. Ich kann den Prinzen aber nicht ohne Unterlass rufen, dann verweigert er mir seine Dienste.“ „Deswegen sollte ich mich also an deinem Angriff orientieren.“ Akutagawa blickte zu Atsushi, welcher nickte. „Wir mussten sicherstellen, dass Murasaki eine deutliche Chance bekommt, ihre Fähigkeit anzuwenden.“ „Bringen wir ihn in die Detektei“, ordnete der Chef an und sogleich hoben Atsushi und Kenji den bewusstlosen Dazai vom Boden auf. „Ich komme mit“, sagte Akutagawa zur Überraschung aller. „Ich hasse es, dies zuzugeben, aber im Moment ist auf euren lächerlichen Verein mehr Verlass als auf die Hafen-Mafia, die dabei ist, sich selbst zu vergessen.“   Es war dabei, dunkel draußen zu werden. Langsam, sehr langsam öffnete Dazai seine sich unheimlich träge anfühlenden Augen. Er hatte bereits bemerkt, dass er an einen Stuhl gefesselt war. Mit Stahlseilen. Wie süß. Immerhin unterschätzten sie ihn nicht völlig. „Dazai“, begrüßte Atsushi ihn, „alles in Ordnung?“ Wieso lag diesem fremden Jungen scheinbar so viel an ihm? Ein erneuter stechender Schmerz durchzuckte seinen Schädel. Dazai blickte auf und sah die gleichen Gestalten wie zuvor vor sich. Zwei weitere malten an einem anderen Tisch auf einem Stadtplan herum und nickten sich ständig zu. Während er sich umschaute, überkamen ihn mit einem Mal noch viel heftigere Kopfschmerzen als zuvor und er krümmte sich – soweit es seine Fesseln zuließen – vor Pein. „Dazai!!“, rief der silberhaarige Junge alarmiert und ohne es sich erklären zu können, wollte Dazai ihn beruhigen, ihm sagen, dass nichts war. Als wäre es ihm wichtig, dass dieser Junge sich keine Sorgen um ihn machte. Was war hier nur los? „Ist es möglich, dass seine verloren gegangenen Erinnerungen ihn quälen?“, mutmaßte Akutagawa mitleidslos. „Schon im Kampf stimmte etwas nicht mit ihm. Er schien lächerlich schwach, verglichen mit seiner sonstigen Verfassung.“ „Das ist denkbar“, Yosano kam herein. „Vielleicht weiß er tief in seinem Innern, dass hier etwas falsch läuft und sein Körper rebelliert gegen das, was sein Verstand momentan für die Realität hält.“ „Wird ihm das schaden?“, fragte Fukuzawa. Die Ärztin warf einen kurzen Blick auf die schwer atmende, gefesselte Gestalt vor ihr und zuckte mit den Schultern. „Gut ist das mit Sicherheit nicht. Ich weiß ja nicht, wie blass der Typ sonst aussieht, aber diese Hautfarbe sieht echt nicht gesund aus.“ „Dazai“, sagte der Junge schon wieder und jedes Mal, wenn er dies tat, hatte Dazai das Gefühl das ihn innerlich tatsächlich etwas zerriss, „es ist mir egal, ob du uns glaubst oder nicht, aber du gehörst nicht mehr zur Hafen-Mafia. Und wenn du uns nicht hilfst, wirst du vielleicht ….“ „Du wirst sterben, weil du diese Idioten vergessen hast.“ Akutagawa klang zornig. „So ein unrühmliches Ende kannst du unmöglich wollen.“ „Ihr klingt alle ...“, presste Dazai schmerzerfüllt hervor, „komplett verrückt ….“ Er wollte hinzufügen, dass zu sterben nichts war, wogegen er Einspruch erheben würde, doch …. Hier stimmte wirklich etwas nicht. Sein Körper schien den Geist aufzugeben, ohne dass er damit etwas zu schaffen gehabt hatte. Und – was viel gravierender war und von ihm kaum geglaubt werden konnte – jetzt in diesem Moment war er nicht besonders scharf darauf zu sterben. Was war hier nur los? Wer waren diese Menschen? Wer waren sie für ihn? Wieso waren sie etwas für ihn? „Chef“, warf Yosano hastig ein. „Es gibt ein Problem mit Kunikida.“ Beim Klang dieses Namens horchte Dazai auf. „Kunikida? Wer ... ist das?“ „Dein Partner“, antwortete Atsushi in der Hoffnung, der Ältere würde sich an ihn erinnern. „Was für ein Problem?“, fragte Fukuzawa und stellte sich auf weitere schlechte Nachrichten ein. „Ich glaube, der Grund für sein ständiges Schreien ist, dass er Schmerzen hat. Wenn seine Rückentwicklung so weiter geht … dann wird seine Existenz bald ausgelöscht.“ Wie auf Kommando fing Kunikida an zu schreien und nur eine Sekunde später kam Naomi mit ihm auf dem Arm dazu. „Wartet mal“, wandte Dazai ungläubig ein, „DAS ist Kunikida? Ihr … habt sie wirklich nicht mehr alle, oder?“ Er lachte. „Mit was für Verrückten hast du dich da eingelassen, Akutagawa?“ „Naomi“, sagte Atsushi plötzlich, „gib ihn mir mal, ja?“ Er nahm Kunikida auf den Arm und trat mit ihm vor Dazai. „Das ist Kunikida. Dein Partner. Und er wird sterben, wenn wir nichts unternehmen.“ „Hah“, gab Dazai spöttisch von sich, „erst soll ich sterben und jetzt auch noch dieses Baby, das mein Partner sein soll ...“ Er stutzte. Als Kunikida ihn ansah, hörte dieser mit einem Mal auf zu schreien. Wortlos besahen sich die beiden, bis Dazai auf einmal der Atem stockte. Aus dem Nichts ging vor seinem innerem Auge ein gewaltiger Bilderschwall nieder. Jeder Auftrag, jeder Moment, den er je mit Kunikida verbracht hatte, spielte sich wie ein rasend schnell vorgespulter Film vor seinen Augen ab. „Ist … Kunikida“, fragte Dazai plötzlich und mit seinem sichtbaren Auge weit aufgerissen, „ein streng dreinblickender Kerl mit Pferdeschwanz und Brille, der unglaublich leicht an die Decke geht?“ Alle Versammelten hielten den Atem an. Bedeutete dies etwa …? „Ja!“, rief Atsushi voller Hoffnung aus, „das ist Kunikida!“ „Das ergibt … keinen Sinn ….“ Er lachte erneut, aber dieses Mal hörte man seinen wachsenden Unglauben stark heraus, als würde auch er mittlerweile an seinem Verstand zweifeln. „Wieso ist es mir wichtig, diesen Kerl nicht sterben zu lassen? Wieso soll mir das wichtig sein? Wieso ist mir das wichtig??“ Atsushi nahm tief Luft, nicht zuletzt weil sein Herz vor Aufregung immer schneller schlug. „Weil er dein Partner ist. Weil ihr beide ein Team seid. Weil ihr gegenseitig aufeinander Acht gebt. Und weil du sonst niemanden mehr hättest, den du so leicht ärgern könntest.“ Endlich! Endlich tat sich bei Dazai vielleicht etwas! Konnten sie nun wieder hoffen? Dazai schüttelte lachend den Kopf und machte die aufkeimende Hoffnung des Jungen zunichte. Sein Lachen hatte eine unheimliche, fast finstere Färbung angenommen. „Irgendwie klingt das so gar nicht nach mir. Wieso soll dieses Baby, das ein erwachsener Mann sein soll, mir irgendetwas bedeuten? Ihr seid euch wahrscheinlich wirklich nicht darüber bewusst, wie lächerlich das klingt.“ Enttäuscht über den herben Rückschlag senkte Atsushi den Kopf. Aufzugeben kam für ihn dennoch nicht in Frage. „Wir versuchen dir doch die ganze Zeit schon zu erklären, dass Risse im Raum-Zeit-Gefüge zu diesen Vorfällen geführt haben. Irgendwie hat das auf jeden andere Auswirkungen. Einige werden zu ihrem früheren Ich und manche verschwinden spurlos … so wie Kyoka.“ Erneut durchzuckte Dazai ein ungutes Gefühl. „Kyoka … zwei Zöpfe, ein roter Kimono“, hauchte er leise, doch es reichte, um Atsushis Kopf wieder nach oben schnellen zu lassen. Das war haargenau die Beschreibung, die er den anderen zuvor von ihr gegeben hatte. Was auch immer hier los war, überlegte Dazai, während er seine Gedanken sortierte, im Moment schien die Erklärung, die dieser Junge ihm vorgetragen hatte, beinahe plausibel (wenn auch weit hergeholt). Welchen anderen Grund konnte es sonst geben für all diese Erinnerungen, die ihm in den Sinn kamen, obwohl er sich nicht erinnern konnte, sie tatsächlich erlebt zu haben? Auf dem Weg zum Pier hatte die Stadt in der Tat seltsam gewirkt. Da waren Gebäude, die dort nicht mehr hingehörten und so wenige Menschen schienen unterwegs zu sein. Was das Seltsamste von allem allerdings war … war dieses nagende Gefühl in seinem Innern, das sich so sehr von seinen sonstigen nagenden Gefühlen unterschied. Es kam ihm die ganze Zeit so vor, als hätte er wahrhaftig etwas vergessen. Nein. Nicht nur etwas. Viel. Sehr viel. Etwas, das ihm wichtig war. Seit wann war ihm etwas wichtig? Dieses Baby, das Mädchen namens Kyoka, all die Leute, die zu dieser Detektei gehörten … es war ihm wichtig ihnen zu helfen. Ausgerechnet ihm. Hatten sie tatsächlich recht und er war einer von ihnen? Aber wie-? Wie konnte er einer von ihnen sein? Es gab hier zu viele offene Fragen und er musste die Antworten darauf finden. Er musste! Dazai konnte den Gedanken gerade so zu Ende denken, als sein ganzer Körper heftig reagierte und er sich übergeben musste. Erschrocken sprang Atsushi zur Seite und rief besorgt Dazais Namen (immer diese Sorge um ihn), während Kunikida lautstark zu brüllen begann. „Wie soll man den bei dem Krach arbeiten?“ Meckernd trat Ranpo zu ihnen. Sei folgte ihm und hielt den vollgekritzelten Stadtplan hoch. „Chef, trotz dieser immens widrigen Arbeitsbedingungen weiß ich, wo wir jetzt hin müssen.“ Ranpo nahm ein Lineal von einem Schreibtisch und zeigte auf eine eingekreiste Stelle auf dem Stadtplan. „Wenn man alle Vorkommnisse und Sichtungen von Rissen verbindet, landet man genau hier.“ Er klopfte mit dem Lineal auf die eingekreiste Stelle. „Das ist ein altes Lagerhaus am Hafen. Ich vermute, unser Aushilfskollege hier weiß da Genaueres zu.“ Alle Blicke gingen zu Akutagawa, der seine Bezeichnung mit einem Grummeln quittierte. „Die Hafen-Mafia hat dort ein Lager, allerdings dient der Keller des Gebäudes in erster Linie als Kerker für Personen, die ihnen von Nutzen sein könnten.“ „Gefangene also. Und wer sitzt da im Moment so ein?“, hakte Ranpo nach. „Darüber weiß ich ni-“, wollte Akutagawa antworten, als ihm ein Geistesblitz kam. „Chuuya sagte etwas von einem Gefangenen namens Wells, an den er sich nicht erinnern konnte.“ „Da haben wir unseren Befähigten mit der Zeitmanipulation“, schlussfolgerte Ranpo. „Na … schön ...“, meldete sich Dazai keuchend zu Wort. „Ich bin … inzwischen davon überzeugt … nicht nur einen echt üblen Kater zu … haben …. Wenn … dieser Kerl Schuld an … der ganzen Misere ist … will ich ihn mir … vorknöpfen.“ Fukuzawa schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann öffnete er sie wieder und sah mehr als entschlossen aus. „Atsushi, geh mit Dazai zu diesem Ort und lass ihn diese Fähigkeit stoppen. Dir kann ich keine Befehle erteilen, Akutagawa.“ „Ich kann etwas so Wichtiges unmöglich dem Menschentiger und dieser lächerlichen, sterbenden Gestalt überlassen. Ich werde mitkommen.“ „Ich werde die jungen Herren und den schamlosen Kavalier begleiten“, sagte Murasaki determiniert. „Mir scheint, ungeachtet der Umstände, mich in dieser wundersamen Welt zu befinden, bin ich nicht weiter von diesem Ungemach betroffen.“ „Sei sollte auch mit euch kommen“, fügte Ranpo hinzu. „Ich verfüge über keinerlei Fähigkeit“, widersprach sie erstaunt. „Du wirst dort gebraucht werden“, antwortete der Meisterdetektiv kryptisch und winkte mit Blick auf seine Kollegen ab. „Der Rest vom Fest ist gerade leider nicht wirklich zurechnungsfähig und bleibt besser hier.“ Gerade als Atsushi den mittlerweile wieder etwas ruhigeren Kunikida Kenji übergeben wollte, sah das Baby ihn eindringlich an. Als wollte Kunikida ihm sagen: Kriegt das bloß wieder hin. „Keine Angst“, sagte Atsushi ihm. „Wir werden alles wieder gerade biegen. Wir werden jeden Einzelnen retten.“ Kapitel 5: Dich noch einmal zu sehen ------------------------------------ „Das ist seltsam.“ Akutagawa sah sich vor dem Lagerhaus um. „Normalerweise sollten hier Wachen stehen.“ „Dann sind sie entweder verschwunden oder haben vergessen, was sie hier tun sollen“, entgegnete Atsushi. Bedächtig trat Akutagawa in die Halle, gefolgt von Atsushi, den beiden Damen, die sich, sich selbst Mut zusprechend, an der Hand hielten und einem arg wackligen Dazai, der zunehmend Probleme hatte, aufrecht zu stehen. Auch in der Halle war niemand. Schon auf dem Weg zum Hafen war ihnen aufgefallen, dass sich kaum noch Menschen in Yokohama aufhielten. Der junge Mafioso öffnete eine Luke im Boden, unter der eine dunkle Treppe zum Vorschein kam. Während sie diese hinab stiegen, warf Atsushi einen beunruhigten Blick zurück. Dazai lehnte beim Hinabgehen immer mehr gegen die Wand. Wenn sie nicht schnell die Anomalien beendeten, dann …. Der Junge schüttelte den Kopf. Das durfte er nicht denken. Die Gruppe kam in einem finsteren Gang an, in dem sich eine Tür befand. „Hallo? Ist da jemand?“, ertönte plötzlich eine schwache Stimme. „Weg von der Tür“, sagte Akutagawa lediglich, ehe er diese mit Rashomon aufbrach. Hinter der weggesprengten Tür kam ein vor Angst bebender Mann zum Vorschein, der sich gegen die seitliche Wand gepresst hatte, um der Wucht von Rashomon auszuweichen. „Wells?“, fragte Akutagawa knurrend und der Mann durchbrach seine Schockstarre und nickte. „Dazai!“, brummte der Mafioso befehlend. „Hat die Mafia Sie entführt?“ Atsushi stellte seine Frage möglichst sorgsam. Der arme Mann hatte augenscheinlich schon einiges durchgemacht und Akutagawa war da gerade keine Hilfe. Erneut nickte Wells. „Sie wollten meine Fähigkeit nutzen, um einen schief gegangenen Deal zu korrigieren.“ Anscheinend war er Ausländer, denn sein Akzent hatte etwas Britisches. Irritiert blickte er zu Dazai, der ihn wiederholt anstupste. „Wir haben da ein Problem“, sagte Dazai schließlich. „Was?“ Atsushi erschrak. „Funktioniert es nicht?!“ „Ich kann nichts neutralisieren.“ „Neutralisieren? Meine Fähigkeit etwa?“, hakte der Brite nach. „In der ganzen Stadt spielt die Zeit verrückt“, erklärte Atsushi. „Menschen altern rückwärts oder verschwinden völlig, Häuser lösen sich in Luft auf, während eigentlich zerstörte Gebäude wieder auftauchen-“ „Oh nein, Grundgütiger!“ Wells fasste sich an den Kopf. „Dann ist der schlimmste anzunehmende Fall eingetreten. Meine Fähigkeit hat sich verselbstständigt.“ „Was soll das heißen?!“, grollte Akutagawa. „Wenn ich meine Fähigkeit 'Time Machine' unter Stress einsetzen muss, dann kann es zu Rissen im Raum-Zeit-Gefüge kommen. Da ich meine Fähigkeit wiederholt unter widrigsten Bedingungen angewendet habe, müssen unzählige Risse entstanden sein.“ Plötzlich klingelte Atsushis Handy und Murasaki und Sei schüttelten verächtlich ihre Köpfe. An dieses furchtbare Geräusch würden sie sich nie gewöhnen. „Ranpo? Wir haben ein Pro-“ „Ja, ich weiß. Geht mal nach draußen. Schnell.“ Atsushi deutete den Anderen an, wieder nach oben zu steigen und die Halle zu verlassen. Vor den Toren angekommen, starrten sie alle erschüttert in den Himmel. Die einzelnen Risse rotteten sich zusammen und wurden zu einem gigantischen, pechschwarzen Monster, einer Mischung aus Oger und zweibeinigem Triceratops mit Armen, die sich auf dem Dach eines Hochhauses niederließ und von dort schwarze Kugeln in die Straßen hinabschickte, welche sich in kleinere Versionen des Ungeheuers verwandelten. „Grundgütiger!“ Wells schluckte. „Die Time Machine ist ein eigenes Wesen geworden. Die dunklen Kreaturen werden alle, die noch in der Stadt sind und noch nicht aus der Gegenwart gerissen wurden, verschlingen und sich dann über die gesamte Welt ausbreiten!“ „NEIN!“, rief Atsushi aus. „Das werden sie nicht!! Nicht solange wir noch da sind!“ „Atsushi“, meldete sich Ranpos Stimme aus dem Telefon, „ihr solltet euch beeilen. Die Anomalien nehmen zu. Gerade sind hintereinander Naomi und Tanizaki verschwunden. Und der Chef ist plötzlich wieder in der Pubertät.“ Noch ehe Atsushi aufgelegt hatte, hatte Akutagawa sich auf den Weg gemacht. Hastig wandte sich der silberhaarige Junge an den verängstigten Wells: „Bitte bleiben Sie hier. Wir werden uns um dieses Monster kümmern.“ Er lief los und die Frauen sowie – mit einigem Abstand - Dazai folgten ihm. Sie hatten gerade zu Akutagawa aufgeschlossen, als Dazai abrupt stehen blieb, sich vor Schmerzen krümmte, Blut erbrach und auf der Straße zusammenklappte. „Dazai!!“ Atsushi lief zu ihm zurück. „Was ist mit dir??“ Der Ältere richtete sich wieder ein Stück auf und lächelte gequält. „So einen … üblen Kater … wünscht man … ja nicht einmal ... seinem schlimmsten … Feind.“ „Er macht es nicht mehr lange“, stellte Akutagawa mitleidlos fest. „Du musst durchhalten“, flehte der Jüngste in der Gruppe ihn an. „Ich fürchte … ich bin euch gerade … keine große Hilf- uargh!“ Dazai spuckte von neuem Blut und dem hilflosen Atsushi schossen Tränen in die Augen. Ausgerechnet Dazai so zu sehen, war beinahe unerträglich. Der Mann war für ihn wie ein unerschütterlicher Fels in der Brandung. Und nun war er kurz davor einen so elenden Tod zu sterben. „Nun“, Murasaki beugte sich hinunter und half Atsushi, Dazai aufzurichten, „es heißt zwar, dass Schönheit vergänglich sei, doch ich bitte Euch, schamloser Kavalier, vergeht noch nicht. Ihr scheint mir ein außergewöhnlicher Mann zu sein, daher beweist mir dies bitte, indem Ihr überlebt.“ Die Ruhe, die die Dame ausstrahlte, milderte Atsushis Panik wieder etwas ab. Er durfte nicht den Kopf verlieren. Erneut rang sich der eigentliche Ex-Mafioso ein geplagtes Lächeln ab. „Einer schönen … Frau kann ich … keinen Wunsch abschlagen.“ „Im Moment ist er uns nur ein Klotz am Bein“, murrte Akutagawa. „Wir müssen weiter.“ Er setzte sich wieder in Bewegung, während Atsushi und Murasaki Dazai zur nächsten Hauswand schleppten und ihn dort gegen lehnten. „Hier stimmt wirklich … so einiges nicht“, brachte er leidvoll heraus, als er von den beiden anderen dort abgesetzt wurde. „Sonst … waren die Verhältnisse … zwischen mir und Akutagawa … definitiv anders ...“ „Dazai“, sagte Atsushi ernst, „du wartest hier auf uns. Alles wird gut werden. Das verspreche ich dir!“ Der Junge und die beiden Frauen nickten sich entschlossen zu und sprinteten so schnell sie konnten hinter Akutagawa her. Todmüde schloss Dazai die Augen.   „Da seid ihr ja endlich.“ Ihre Begrüßung durch Akutagawa fiel typisch unleidlich aus. Er war vor einem Hochhaus stehen geblieben. „Wir müssen da hoch.“ Die Augen der Neuankömmlinge wanderten empor. Oben auf dem Dach des Gebäudes befand sich das riesige Monster, das aus Wells' Fähigkeit hervor gegangen war und weiter schwarze Miniversionen seiner Selbst zur Erde schickte, die jeden Menschen, den sie berührten, verschwinden ließen. „Gut“, äußerte Atsushi, „wir müssen einen Weg finden, da schnell hoch-“ „Rashomon!!“ Bevor er den Satz beenden konnte, packte Akutagawas Fähigkeit ihn und warf ihn ein weites Stück den etwa zehnstöckigen Wolkenkratzer hinauf, sodass er nicht gerade sanft auf einer Feuertreppe kurz unter dem Dach landete. Die erschrockenen Frauen fackelten nicht lange und liefen trotz ihrer nicht gerade leichten Kimonos entschlossen die Feuerleiter hinauf. Inzwischen katapultierte Akutagawa sich mit seiner Fähigkeit ebenso hinauf. „Es geht los! Mach dich bereit!“, grollte er Atsushi zu. Im Nu hatte der Junge seine Fähigkeit aktiviert und er und sein unfreiwilliger Partner stürzten sich in den Kampf gegen das Zeitmonster. Geschwind hatten die Klauen des Tigers eine Wunde in das Ungetüm geschlagen, doch Atsushis Freude darüber war nur von sehr kurzer Dauer. Ein Licht erstrahlte an der getroffenen Stelle und die Wunde verschloss sich wieder. „Rashomon! Rüstung des Teufels!!“ Akutagawa stürmte auf das Monster zu und verpasste ihm einen derart starken Schlag, das es ins Wanken geriet. Schnell legte er den nächsten Schlag nach und das Wesen sank ein Stück in sich zusammen. Dann jedoch erstrahlte erneut das ominöse Licht und das Ungeheuer stand wieder aufrecht vor ihnen. „W-was ist da los?!“ Fahrig ließ Atsushi seinen Blick über ihren Gegner fahren. „Warum können wir es nicht verwunden?“ Oh nein! Sollte das Monster etwa unverwundbar sein?? „Könnte es sein …?“, murmelte Sei, die zusammen mit Murasaki oben angelangt war und von der Feuerleiter aus auf das Dach spähte und immer wieder in Deckung gehen musste. „Hast du eine Idee?“, fragte Murasaki. Die andere Dame nickte. „Der Befähigte mit der Zeitmanipulation sagte, seine Fähigkeit habe sich verselbständigt, aber mir scheint, das ist nicht alles. Das Monster vermag es, die Zeit zurückzudrehen, um seine Wunden verschwinden zu lassen.“ Die beiden Kämpfer, die das Gespräch mitbekommen hatten, verstanden zur gleichen Zeit, was hier los war. „Die Fähigkeit zur Zeitmanipulation ist auf dieses Vieh übergegangen!“, rief Akutagawa aus. „Das heißt ...“ Atsushi riss die Augen weit auf, als ihm klar wurde, was dies bedeutete. „Sei, Murasaki, ich muss Sie um einen Gefallen bitten! Sie müssen Dazai herbringen! Wir lenken solange dieses Ungetüm ab, damit es nicht noch mehr vernichten kann!“ „Oh … nein ...“ Mit entsetzlich großer Anstrengung schaffte Dazai es, sein Auge zu öffnen. „Euch kann ich … gerade aber … gar nicht gebrauchen ...“ Vor ihm stand ein halbes Dutzend der kleinen Zeitmonster. Dazai biss seine Zähne aufeinander und stemmte seine Hände gegen den Boden, in der Hoffnung, dass er es vollbringen könnte, aufzustehen, doch sein Körper tat ihm diesen Gefallen nicht. So würde er sterben? Was für ein bescheuertes Ende. Er hatte wenigstens noch die Antworten auf seine Fragen haben wollen. Ja, er hatte wenigstens noch das wiedererlangen wollen, was scheinbar seine Erinnerungen waren. Was es wohl war, was ihn, ausgerechnet ihn, dazu bewogen haben sollte, die Mafia zu verraten und sich dieser lustigen kleinen Truppe anzuschließen? Eines der Monsterchen stand nun genau vor ihm. Es setzte zum Sprung auf ihn an und … wurde aus dem Nichts von einem Schuss getroffen, sodass es sich in Luft auflöste. In Sekundenschnelle wurden auch alle anderen von Kugeln getroffen. „Du siehst ja schlimm aus.“ Jede einzelne Faser seines Körpers zog sich in Dazai zusammen, als er diese Stimme hörte. Es fühlte sich an als würde jemand sein Herz aus ihm herausreißen wollen. Wieso reagierte er so heftig auf diese ihm so sehr bekannte und vertraute Stimme? „Odasaku ...“ Entgeistert sah Dazai zu seinem Freund, der nun angelaufen kam und sich vor ihn hockte. „Was ist passiert? Was ist hier überhaupt los?“, fragte der Rothaarige ihn und wunderte sich, dass Dazai ihn anstarrte als stammte er von einem anderen Planeten. „Odasaku ...“, wiederholte Dazai nur, während Tränen begannen, sich ihren Weg über seine Wangen zu bahnen. Selbst zutiefst überrascht von dieser Reaktion, griff er mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, nach den Armen seines Freundes und krallte sich dort fest. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Verlor er jetzt auch noch den Verstand? „Dazai?“, erkundigte sich Odasaku verwirrt. „Was ist los mit dir?“ „Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.“ Es war die Wahrheit. Dazai konnte es sich absolut nicht erklären, warum das Auftauchen seines Freundes ihn zu einer jämmerlichen, heulenden Gestalt verkommen ließ. Warum alles in ihm schrie, Odasaku festzuhalten. Stillschweigend verharrten sie in dieser Pose und Dazai fühlte sich so dankbar dafür, dass der Andere dies einfach geschehen ließ. Dankbarkeit war sonst eigentlich auch nichts, das er an den Tag legte. Überkam ihn im so nahen Angesichts des Todes die Menschlichkeit? Oder hatte er wirklich endgültig den Verstand verloren? „Schamloser Kavalier!!“, durchbrach Murasakis Stimme die Stille. Sie und Sei kamen aus der Ferne angerannt. „Schamloser Kavalier?“ Odasaku schmunzelte. „Damit kannst nur du gemeint sein.“ Außer Puste stoppten die beiden Damen vor den Männern und rangen erst einmal nach Luft. „Ihr müsst mitkommen“, erklärte Murasaki hastig. „Das Monster ist ein Befähigter“, ergänzte Sei, „wir brauchen Eure Fähigkeit!“ „Dein Typ ist gefragt.“ Odasaku versuchte, Dazai aufzurichten, doch dieser blieb von alleine nicht mehr stehen. Besorgt musterte der Rothaarige seinen arg schwächelnden Freund. „Ich versteh zwar nicht genau, was hier los ist, aber mein Gefühl sagt mir, dass alles in Ordnung kommen wird, wenn du den Damen hilfst.“ Er sah zu den beiden Frauen, als wollte er sie fragen „Oder?“. Murasaki erwiderte den Blick und nickte. „Alles wird in Ordnung kommen.“ Mehr hatte er nicht zu hören brauchen. Mit Hilfe der Damen lud Odasaku seinen Freund geschwind auf seinen Rücken, damit er ihn tragen konnte. „Ich … danke dir ... Odasaku.“ „Hierfür?“ „Nein. Um ehrlich zu sein … weiß ich gar nicht … wofür. Aber ... ich habe das Gefühl … dir danken zu müssen.“   „Argh!“ Bevor das Ungeheuer Atsushi vom Dach schleudern konnte, griff ein Band von Rashomon nach dem Jungen und zog ihn zurück. Sie hatten keine Chance gegen ihren Feind. Immer wenn sie einen Treffer gelandet hatten, drehte er die Zeit für sich zurück und war wieder hergestellt, während die jungen Männer langsam an ihre Grenzen kamen. Im gleichen Moment, in dem Akutagawa geschwächt husten musste, verpasste ihm das Monster einen Schlag, schickte ihn zu Boden und drohte, ihn mit seinem gigantischen Fuß zu zerquetschen. „Akutagawa!!“, schrie Atsushi und startete einen verzweifelten Angriff, um den Anderen frei zu bekommen. Akutagawa legte mit seiner Fähigkeit eine weitere Attacke nach und rollte eiligst in Sicherheit. Jedoch war auch diese nur von kurzer Dauer. „Menschentiger!“, brüllte er auf einmal, als ihn ein merkwürdiges Gefühl überkam. „Ich-“ Mehr konnte er nicht mehr sagen. Dort, wo sich gerade noch Akutagawa befunden hatte, war niemand mehr. Hatten die Anomalien nun auch ihn getroffen? Das Ungeheuer nutzte Atsushis Verwirrung und schlug mit aller Kraft auf ihn ein. Im hohen Bogen flog der Junge vom Dach und stürzte in die Tiefe. Hart schlug er auf dem Boden auf und hörte seine eigenen Knochen brechen. Immerhin konnte der Tiger ihn vor dem Tod bewahren und seine Verletzungen heilen. Allerdings konnte er so erst einmal nicht weiterkämpfen. Atsushi spuckte Blut, ehe es ihm dunkel vor den Augen wurde. Nein. Das durfte es noch nicht gewesen sein. Angestrengt blieb er bei Bewusstsein. Er musste sie retten! Kyoka, Kunikida, Dazai! Sie alle-! „Junger Herr!!“ Dumpf vernahm er Seis Stimme, die an seine Seite eilte. „Welch Unglück! Wäre ich nur früher gekommen!“ „Was ist … mit Dazai …?“ „Sie laufen im Innern des Hauses die Treppen nach oben. Sie werden gleich da sein!“   „Hah … hah ...“ Odasaku schnaufte, während er die Treppen hinaufrannte. Dazais Gewicht auf seinem Rücken machte es nicht gerade einfacher. „Hey“, rief er ihm zu, „du musst bei Bewusstsein bleiben!“ „Jaa … ich weiß ...“ Dem schwachen Klang seiner Stimme nach zu urteilen, war Dazai kurz davor, in ein Land ohne Wiederkehr abzudriften. „Wie kann man auch nur so verrückte, hohe Häuser bauen?“ Murasaki lief keuchend hinter ihnen her. „Welcher Sinn soll dahinter stecken??“ „Wir haben es gleich geschafft … oh nein.“ Bevor Odasaku um die nächste Ecke bog, stoppte er abrupt. Seine Fähigkeit verriet ihm, dass weitere Minimonster an der letzten Treppe vor der Tür lauerten. „Nehmen Sie ihn und laufen weiter. Ich halte Ihnen die Viecher vom Leib.“ Er ließ Dazai in Murasakis Arme gleiten. „Nein … Odasaku … ich werde dich … vielleicht nie wieder ...“, hauchte Dazai mit tonloser Stimme. „Weißt du, es ist seltsam“, entgegnete Odasaku, ein flüchtiges Lächeln lächelnd, „ich habe das Gefühl, ich sollte gar nicht hier sein. Und jetzt los!!“ Er zog seine Waffe, hastete um die Ecke und schoss auf die kleinen Ungeheuer. Währenddessen krallte sich Murasaki so gut es ging den kaum noch ansprechbaren Dazai und versuchte, ihn durch das Chaos weiter nach oben zu schleppen. Haarscharf entgingen sie einem angreifenden Monster, das sich auf sie stürzen wollte, als Odasaku es mit einem Schuss traf. „Beeilt euch!!“, rief er ihnen zu, als Murasaki endlich die Tür erreichte und diese, trotz ihres zusätzlich zu tragenden Gewichtes, mit der gesamten Wucht ihres Körpers aufstieß. Das große Ungetüm bemerkte ihre Gegenwart ohne Umschweife und ließ grollend seine riesige Pranke auf die beiden hinab schnellen. Panisch schluckte Murasaki. Es gab hier auf diesem Dach keine Möglichkeit zu entkommen und mit dem schamlosen Kavalier in ihren Armen konnte sie nicht ausweichen. Plötzlich wurde die Tür ein weiteres Mal aufgestoßen und Odasaku gab einen Schuss auf das Wesen ab, das in seiner Pranke getroffen wurde. Wie zuvor erstrahlte daraufhin ein Licht und die Wunde verschwand. Da! Das war ihr Einsatz! „Fähigkeit: Prinz Genji!!“ Das Ungetüm, das seine Fähigkeit gerade eingesetzt hatte, fiel vor der auftauchenden strahlenden Gestalt mit einer großer Erschütterung in die Knie. Es schwankte und drohte auf die drei auf dem Dach Verbliebenen zu stürzen. „Schamloser Kavalier!!“, schrie sie aus vollem Hals, um Dazai aus seiner Bewusstlosigkeit zu holen. Das Monstrum fiel, doch bevor es sie mit seinem gewaltigen Körper zerquetschen konnte, hob Dazai mit letzter Kraft und in letzter Sekunde seinen rechten Arm und seine Hand berührte es, sodass es sich im nächsten Moment ins Nichts auflöste. Atsushi, der von Sei abgestützt wurde, hatte vom Boden aus, soweit es ihm von dort möglich war, das Monster beobachtet und bis gerade eben den Atem angehalten. „Es … es ist weg“, hauchte er ungläubig, ehe seine Augen sich vor Freude weiteten. „Sie haben es geschafft!!“ Wie schon mehrmals zuvor an diesem wirklich unglückseligen Tag war auch dieses Mal die Freude des Jungen von äußerst geringer Dauer. Mit einem Mal verfiel das Hochhaus rapide und zu Atsushis immensen Schrecken begann es, durchsichtig zu werden. Was war das nun wieder?? Oh nein, durchfuhr es Atsushi, war dieses Gebäude eine Anomalie? War es ein alter Wolkenkratzer, der längst abgerissen worden war? Das hieße ja … „Dazai!! Murasaki!! Ihr müsst da run-“ Sein verzweifelter Schrei kam zu spät. Das Hochhaus löste sich in Luft auf und der Junge musste hilflos mitansehen wie Murasaki und Dazai ungebremst in die Tiefe fielen. „Sie werden sterben!!“ „Nein“, sagte Sei plötzlich und seufzte, „werden sie nicht.“ Dann lächelte sie mit einem Mal. „Dieser Ranpo …. Fähigkeit: Kopfkissen!!“ „ ... Hä?“ Vor Atsushis heftig blinzelnden Augen erschien ein mehrere Meter hohes, breites und tiefes Riesenkopfkissen, in das die beiden Hinabstürzenden hineinplumpsten.   „Sind Sie verletzt … Murasaki?“ Die Dame, die ihren zupackenden Griff immer noch um Dazai geschlungen hatte, öffnete ihre Augen, nachdem sie sie beim Sturz vor Schreck geschlossen hatte. Sie sah ihn an und lächelte. „Mir geht es gut. Wie ist Euer Befinden, schamloser Kavalier?“ „Besser.“ Sachte löste sich Dazai von ihr, drehte sich auf den Rücken und blickte zu dem hell strahlenden Mond in den Nachthimmel hinauf. „Der edle Herr, der zu unserer Rettung geeilt war ...“ Murasaki setzte sich auf. „Er ist eigentlich bereits …“ „Ja. Das ist er.“ Dich noch einmal zu sehen, Odasaku, das war mehr als ich je zu hoffen gewagt habe. „Dazai!“ Seinen Namen zum wiederholten Mal so gebrüllt zu hören, ließ ihn schmunzeln. Atsushi so sehr ans Herz zu wachsen, war eigentlich nie seine Intention gewesen. Was machte er jetzt damit? Er setzte sich auf, reichte Murasaki eine Hand und rutschte mit ihr das Kopfkissen hinab auf die Erde, wo die beiden anderen warteten. „So ein Glück, euch geht es gut“, begrüßte Atsushi sie erleichtert, bevor ihm etwas anderes auffiel und ein weiterer Stein von seinem Herzen fiel. „Dazai … du ...“ Mit großen Augen wanderte der Blick des Jungen an seinem Mentor auf und ab. Der Ältere trug den ihm bekannten alten, schmuddeligen, braunen Trenchcoat. „Was ist denn, Atsushi?“, fragte Dazai, obwohl er wusste, was der Junge meinte. „Bist du wieder normal?“ Amüsiert stutzte der Angesprochene. „Ich denke, ich weiß, was Kunikida darauf antworten würde … aber ja, ich bin wieder der Alte … also, der jetzige Alte.“ „Sei“, warf derweil Murasaki ein, „ich danke dir, dass du deine Fähigkeit eingesetzt hast.“ Die andere Dame winkte ab. „Ja ja, erwähne es nicht weiter.“ „Sei, Sie hatten doch gesagt, Sie seien gar keine Befähigte“, hakte Atsushi immer noch erstaunt nach. „Nun ja“, gab diese räuspernd zu, „meine Fähigkeit ist halt nicht gerade eine leuchtende goldene Gestalt, vor der alle auf die Knie gehen und da man mir in der Regel weniger Anerkennung schenkt, verheimliche ich meine Fähigkeit gewöhnlich lieber.“ Ein Husten ließ die Gruppe aufhorchen. Ah ja, fiel es Atsushi plötzlich siedend heiß ein, Akutagawa war ja auch noch hier. Beziehungsweise wieder. Ohne etwas zu sagen, ging er an ihnen vorbei. „Akutagawa“, begann Atsushi, doch er wurde sofort von ihm abgewürgt. „Das nervt langsam, das ihr mir ständig über den Weg lauft. Beim nächsten Mal werde ich dich endlich töten, Menschentiger. Jetzt muss ich erst einmal bei der Hafen-Mafia nach dem Rechten sehen.“ Brummend ging er davon. Ein Klingeln lenkte plötzlich ihre Aufmerksamkeit auf sich. Atsushi nahm mit seiner bereits heilenden Hand sein Handy aus seiner Hosentasche, das auf wundersame Weise mit nur wenigen Kratzern den Sturz überlebt hatte. Das Display zeigte die Nummer der Detektei an. „Ja?“ „Atsushi?“ Die Stimme, die er durch das Telefon hörte, sorgte wieder für Tränen in seinen Augen. „Kyoka!“ Atsushi stellte auf Lautsprecher. „Geht es dir gut?“ „Ja. Bei mir ist alles in Ordnung. Was ist mit dir?“ „Mir geht es gut! Sehr gut! Und Dazai auch! Und den Damen auch!“ Ihm entging die Ironie seiner Worte angesichts seiner gebrochenen Knochen. Für Atsushi stimmte, was er gesagt hatte. Kyokas Stimme zu hören, ließ ihn die Schmerzen vergessen. „Anscheinend normalisiert sich in der Stadt wieder alles.“ „Was ist mit den anderen? Was ist mit Kunikida?“ „Es sind alle wieder da und Kunikida krabbelt hier herum.“ „ … Uhm … was?“ „Kyoka“, meldete sich Yosano im Hintergrund zu Wort, „du musst Atsushi sagen, dass Kunikida erst in ein paar Stunden wahrscheinlich wieder sein richtiges Alter erreicht haben wird. Der stellt sich doch jetzt sonst was vor.“ „Ach, so ist das.“ Atsushi atmete auf. Die Bilder, die sich gerade in seinem Kopf abgespielt hatten, waren nämlich mehr als verstörend gewesen. „Ah, da bin ich aber froh“, sagte Dazai und atmete übertrieben laut aus, „ich hatte schon Sorge, ich würde es verpassen wie Kunikida lernt, aufs Töpfchen zu gehen.“ Wenn es noch einen Beweis gebraucht hatte, dass Dazai wieder ganz der Alte war, stellte Atsushi erleichtert fest, so war dieser Satz alles, was er dafür hatte hören müssen. Epilog: Eine Zeit, um zu feiern ------------------------------- Auf dem Weg zur Detektei sammelten sie Wells ein, der sich immer und immer wieder für die Geschehnisse entschuldigte. Eigentlich, erzählte er ihnen, sei er nur ein Reisender, der von allen Kulturen und Epochen dieser Welt lernen wollte. Dass sein Aufenthalt in Yokohama zu einer Beinahe-Katastrophe geführt hatte, nahm ihn sichtlich mit. Niemals wieder, schwor er ihnen, würde er seine zu ihm zurückgekehrte Fähigkeit für so etwas Dummes einsetzen wollen. Dann erklärte Wells ihnen, dass er vermutlich frühestens am nächsten Tag seine Fähigkeit wieder einsetzen konnte und dies dann mit höchster Vorsicht passieren würde. Im Büro angekommen, wurden sie von einem Chef begrüßt, der zu Atsushis Staunen nur wenig größer war als er selbst und in einem üblen Stimmbruch steckte. Ob einem stolzen Mann wie ihm so etwas wohl unangenehm war? Jedenfalls half es vermutlich wenig, dass Haruno und Naomi ständig quietschten „wie niiiiiedlich“ Fukuzawa aussah. Die Felsen, die von Atsushis Herz fielen, als er sich selbst davon überzeugen konnte, dass alles wieder dabei war, normal zu werden, waren von so stattlicher Größe, dass der Junge sich mit einem Mal federleicht fühlte. Am liebsten wäre er Kyoka um den Hals gefallen und hätte sie nicht mehr losgelassen, doch seine noch gebrochenen Rippen verhinderten dies vorerst. Stattdessen nahm Kyoka von sich aus seine verheilte Hand und hielt sie eine Weile fest. „Kannst du dich daran erinnern, was mit dir passiert ist?“, fragte er das Mädchen und sie nickte. „Ich war wieder bei meiner Mutter“, sagte sie und Atsushi zuckte kurz erschrocken zusammen, ehe sie lächelte. „Das war sehr schön, aber es war ja nicht die Wirklichkeit. Ich bin froh, wieder hier bei dir in der Gegenwart zu sein.“ Atsushi erwiderte ihr Lächeln. „Ich auch, Kyoka. Ich auch.“ „Aber sie nicht heiraten wollen“, bemerkte Murasaki leise von der Seite und Sei stimmte ihr kopfschüttelnd zu. „Typisch Mann.“ Unterdessen bemerkte Dazai plötzlich, wie ihn etwas ins Bein stupste. Er sah zum Fußboden herab und grinste. Klein-Kunikida war zu ihm gekrabbelt und zog an seinem Hosenbein, während er ihn streng ansah. „Willst du mir damit sagen, dass du mich vermisst hast?“ Dazai beugte sich zu ihm hinunter. „Guh“, machte Kunikida. „Ich muss sagen, du hast dich noch nie so eloquent ausgedrückt wie gerade.“   Innerhalb weniger Stunden waren alle verschwundenen Personen und Gebäude wiedergekehrt und alle Dinge hatten wieder ihre gegenwärtige Form angenommen. Nur bei den rückwärts gealterten Menschen hatte das Ganze ein klein wenig länger gedauert. Erst sehr spät in dieser Nacht, die alle in der Detektei verbracht hatten, um sowohl die Gäste nicht allein zu lassen, als auch auf Kunikida aufpassen zu können, war Fukuzawa wieder bei seinem richtigen Alter angelangt. Und in den frühen Morgenstunden schreckte sie ein lauter Jubelschrei aus dem Schlaf, mit dem Kunikida lautstark seine Freude darüber verkündete, wieder er selbst zu sein. „Hör endlich auf zu schreien“, war alles, was Yosano schläfrig und grummelig dazu zu sagen hatte. Am Morgen teilten Naomi, Tanizaki und Haruno Kuchen an die Angestellten aus, um die Wiederherstellung der Gegenwart und den Einsatz der Gruppe um Atsushi, den beiden Frauen und Ranpo zu feiern. „Hier, ein großes Stück für dich, Kunikida.“ Tanizaki reichte dem Kollegen den Teller. „Jetzt, wo du wieder Zähne hast, kannst du es dir so richtig schmecken lassen.“ „Ich möchte bitte nie wieder daran erinnert werden“, erwiderte Kunikida bitter. „Hmm“, sagte Dazai, während er zusah, wie einer nach dem anderen Kuchen bekam, „wo ist denn mein Stück?“ „Du wolltest uns umbringen“, Ranpo hatte sich selbst ein auffallend großes Stück Kuchen auf den Teller geschoben, „dafür gibt’s keinen Kuchen.“ „Aww, wie unfair.“ Der Brünette machte ein langes Gesicht. „Du kannst etwas von meinem abhaben“, wandte Atsushi ein und Dazai reagierte übertrieben gerührt: „Danke, Atsushi! In der Not erfährt man eben, wer die wahren Freunde sind! … Da fällt mir ein ….“ Dazai nahm ein Buch, das stark nach einem Fotoalbum aussah, aus seiner Schreibtischschublade. „Ich habe noch ein Geschenk für dich, Kunikida. Ich habe die ganze Nacht daran gesessen.“ „Für mich?“ Der Brillenträger blinzelte ihn überrascht an. „Das wäre doch nicht nötig ge- ...“ Er warf einen genaueren Blick auf das Album, auf dem die Inschrift „Kunikidas Babyfotos“ prangte, samt eines eben solchen. „... DU ELENDER MISTKERL!!“ Vor Scham fast eingehend griff er sich das Fotoalbum. „Das werde ich sofort verbrennen!“ Sogleich sprang Naomi herbei und flehte ihn an: „Bitte nicht, du warst so ein süßes Baby! Es ist so schade, dass wir jetzt kein Baby mehr hier haben.“ „Ah!“, warf Tanizaki panisch und sehr, sehr blass ein. „Naomi, komm bitte nicht auf komische Gedanken!!“ Amüsiert beobachteten die altertümlichen Damen das Spektakel, während sie sich den Kuchen zu Gemüte führten. „Ich werde diese Zeit vermissen … und besonders dieses Etablissement“, sagte Murasaki. „Ja“, Sei nickte, „und diesen Kuchen!“   Atsushi, Kyoka, Dazai, Ranpo und Fukuzawa standen den beiden Damen und Wells am Pier gegenüber. Die Sonne ging bereits wieder unter und außer ihnen war glücklicherweise gerade niemand in der Nähe. „Es gibt gute und weniger gute Stellen, um ein Zeitportal zu öffnen“, erläuterte Wells. „Dies hier ist eine gute, es sollte also nichts geschehen.“ Fukuzawa nickte und wandte sich an die Frauen: „Ich danke Ihnen noch einmal für Ihre Hilfe. Ich hoffe, es versteht sich von selbst, dass Sie alles, was sich hier vorgetragen hat, für sich behalten müssen, um die Gegenwart nicht wieder durcheinander zu bringen.“ „Habt keine Angst“, antwortete Murasaki beschwichtigend, „sollten wir hiervon etwas zu Hause berichten, würde man uns nur für von Sinnen halten.“ „Es war mir eine Ehre, meine Snacks mit dir zu teilen“, sagte Ranpo zu Sei und zog seine Kappe vor ihr, worauf die Dame ihm ein großes Lächeln schenkte. „Ich werde dich nie vergessen, Ranpo.“ „Die Männer dieser Epoche“, stellte Murasaki anerkennend fest, „scheinen mir viel angenehmer zu sein, als die unserer Zeit. Das stimmt mich sehr hoffnungsvoll.“ Als wäre es sein Stichwort gewesen, gab Dazai der Dame einen weiteren Handkuss. „Ich hoffe, schamloser Kavalier“, fügte sie hinzu, „dass Ihr weiterhin Acht gebt, auf die, die Euch so sehr lieben.“ „Wie ich schon sagte: Einer schönen Frau kann ich keinen Wunsch abschlagen. Und einer zudem noch so intelligenten noch viel weniger.“ In der Zwischenzeit hatte Wells seine Fähigkeit aktiviert und es begann um ihn herum zu surren und zischen, bis die Luft an einer Stelle verschwamm. „Das Portal ist offen. Ich werde Sie nach Hause begleiten, meine Damen.“ „Lebt wohl.“ Murasaki warf ihnen ein zartes Lächeln zu, nahm die zu weinen anfangende Sei an die Hand und schritt mit ihr und Wells durch das Portal, das sich im nächsten Moment bereits wieder schloss. „Schade, dass sie weg sind.“ Atsushi blickte auf die Stelle, an der sie gerade eben noch gestanden hatten. „Sie waren so nett.“ „Sie gehören nicht in unsere Zeit“, sprach Fukuzawa, „und eine längere Anwesenheit hier könnte womöglich weiteres Durcheinander zur Folge haben.“ Er wandte sich vom Pier ab. „Lasst uns zur Detektei zurückkehren.“ „Ah, ja, es gibt ja noch so viel zu tun.“ Dazai gab sich größtmögliche Mühe, besonders mysteriös zu klingen. „Was meinst du?“, fragte Atsushi nach, der direkt angebissen hatte. „Na, wir müssen doch noch deine und Kyokas Hochzeit vorbereiten.“ Mit einem Mal wurde Atsushi sehr, sehr blass und brach in viel, viel Schweiß aus. „W-wir m-müssen … WAAAS??“ „Oder hab ich da was falsch verstanden?“ Während Atsushi so wild fuchtelte, dass er kurz vor dem Kollabieren stand, errötete Kyoka lächelnd im Licht der Abendsonne. 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