Die Wölfe 3 ~Der Pianist des Paten~ von Enrico (Teil III) ================================================================================ Kapitel 19: ~Die Wahrheit~ -------------------------- Als ich vor der Tür des Anwesens stehe, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Meine Hände sind so feucht und kalt, dass ich das Gefühl bekomme, dass sie kein Teil meines Körpers mehr sind. Selbst meine Beine scheinen nicht mehr zu mir zu gehören. Keine Ahnung wie sie es schaffen mein Gewicht zu tragen, zittern sie doch so sehr, dass ich meine sie sind zu Wackelpudding geworden. Die große schwarze Tür, direkt vor mir, mit den silbernen Aufschlägen und dem Knauf in Form eines Löwen, erscheint mir heute wie das Tor zur Hölle. Das letzte Mal, habe ich mich bei ihrem Anblick so gefühlt, als Robin mich das erste Mal hier hergebracht hat. Schritte kommen die wenigen Stufen herauf, die bis zur Tür führen, jemand bleibt neben mir stehen. Die Hand, die meine Finger greift, ist eben so kalt. Der Arm, der sie führt, zittert. Als ich zur Seite schaue, betrachten mich Judys rehbraune Augen dennoch entschlossen. „Bereit?“, will sie von mir wissen. „Nein!“, antworte ich ehrlich. Ein süßes Lächeln huscht ihr in die Mundwinkel. „Ich auch nicht!“, gesteht sie. Das auch sie sich so unsicher fühlt und das, wo es ihr Vater ist, dem wir nun gleich gegenüberstehen werden, lässt mich ebenfalls lächeln. Wir sitzen im selben Boot, fühlen die selbe Angst vor der Zukunft und haben die gleichen Feinde. Mal abgesehen von Toni habe ich mich noch nie jemanden so verbunden gefühlt, wie ich es jetzt gerade mit ihr spüren kann. Egal wie Aaron reagieren wird, sie wird mich sicher nicht hängen lassen. Das macht mir Mut. Ich greife ihre Finger fest und trete näher an die Tür heran. Aus meiner Hosentasche krame ich den Schlüssel und schließe mit ihm auf. Als wir eintreten, ist der Flur dunkel. Ich muss erst den Lichtschalter betätigen, damit wir etwas sehen können. Gespenstige Stille erwartet uns. „Aber Vaters Limousine steht doch vor der Tür“, gibt Judy zu bedenken und sieht dabei hinaus. Tatsächlich ist das weiße Automobil auf dem Kiesweg vor der Villa geparkt. „Er ist sicher in seinem Büro!“, vermute ich, als sich uns Schritte nähern. „Junge Lady?“, fragt die kratzig, raue Stimme Jesters und jagt mir einen Schauer den Rücken hinab. Judy scheint es ebenso zu gehen, denn sie wird für einen Moment ganz steif, dann dreht sie sich langsam um. Ein tiefer Atemzug geht in ihre Lunge, dann entspannt sie sich langsam wieder. „Hallo Jester! Lange nicht gesehen“, begrüßt sie den Butler. Jester huscht ein flüchtiges Lächeln in die Mundwinkeln. „Ist dem so?“, fragt er spitzfindig und spielt damit sicher auf den Abend an, als Judy der Einladung ihres Vaters gefolgt ist und sich unter die Gäste gemischt hat. „Ich weiß nicht, was du meinst“, entgegnet Judy mit einem warmherzigen Lächeln. Die beiden tauschen vertraute Blicke, dann ist es wieder Judy, die zu sprechen beginnt: „Ist Vater da? Wir haben ihm etwas zu sagen.“ Erst jetzt betrachtet Jester auch mich. Von oben bis unten mustert er mich. Seine freundliche Miene verschwindet dabei. Er betrachtet mich als würde er gedanklich bereits eine Waffe auf mich richten. Trotzdem tritt er an die Seite, um uns Platz zu machen. „Der Master ist in seinem Büro und er hat sehr schlechte Laune“, erklärt er uns. Was Aaron die Stimmung verdorben hat, kann ich mir sehr gut vorstellen. Vincent, dieser Mistkerl! Er war sicher schon hier. Vielleicht ist er es auch immer noch? Allein bei dem Gedanken, dem Mistkerl wieder über den Weg zu laufen, stellt sich mir jedes Haar am Körper auf. Brechreiz steigt mir in die Kehle, den ich nur mit aller Gewalt zu unterdrücken vermag. Judy wirft mir einen aufmunternden Blick zu, dann gilt ihre Aufmerksamkeit Jester. „Dann ist es ja umso besser, dass wir ihm eine freudige Nachricht überbringen.“ Jesters Blick wird fragend, besonders intensiv mustert er mich. Ich schlucke schwer und bemühe mich vergebens mein Pokerface wieder zu finden. So wie der Butler mich ansieht, habe ich fast das Gefühl, als wüsste er bereits über die Schwangerschaft bescheid. Wenn dem so ist, verlasse ich dieses Haus auf jeden Fall als toter Mann. „Würdest du uns ankündigen, so wie es sich gehört?“, fragt Judy und unterbricht damit Jesters prüfenden Blick auf mich. Der Butler wendet sich wieder ihr zu. Er verbeugt sich leicht. „Gewiss junge Lady!“, sagt er und geht an uns vorbei. Dabei bleibt er ganz nah bei mir stehen und packt mich fest an der Schulter. Ich zucke merklich zusammen, als mich ein jäher Schmerz durchfährt. Es gibt fast keine Stelle an meinem Körper, die beim Kampf gegen Vincent keinen Schaden genommen hat. Auch meine Schulter ist unter dem Stoff tiefblau. So ist der Griff des Buttlers kaum auszuhalten. Ich muss mir auf die Unterlippe beißen, um nicht aufzuschreien. Jester scheint das zu spüren, sein Griff wird lockerer, dafür beugt er sich an mein Ohr und flüstert mir zu: „Du wirst eine gute Ausrede brauchen!“ Ich seufze, weiß ich doch nur zu gut, wie recht er hat. Keine Ahnung, ob ich Aaron noch einmal für mich gewinnen kann. Meine Worte muss ich mir auf jeden Fall gut überlegen. Jester geht an mir vorbei und voraus. Wir folgen ihm in einem Schritt Abstand. Judy läuft dabei ganz nah an meiner Seite. „Was wirst du ihm erzählen?“, will sie dabei flüsternd von mir wissen. Diese Frage stelle ich mir schon, seit wir auf dem Weg zu Aaron sind. Eine glaubhafte Ausrede habe ich bisher nicht gefunden. Nur einen Trumpf habe ich noch und der funkelt an Judys Finger. Ich fahre über den Diamanten, während ich ihre Hand halte. „Tut mir leid, aber du wirst meine Ausrede sein“, gestehe ich ihr. Judys Blick wandert auf unsere Hände und auf den Ring, schließlich schaut sie mir wieder ins Gesicht. Sie lächelt mich an. „Das ist in Ordnung“, bestätigt sie. Ich ringe mich ebenfalls zu einem Lächeln durch. Wenigstens mit ihr habe ich mal Glück gehabt. Vielleicht reicht es ja, um den heutigen Tag zu überleben. Das muss es einfach! Jester führt uns die Treppe hinauf. Als wir oben angekommen sind, beschleunigt er seine Schritte, um uns wie gefordert bei Aaron anzukündigen. So können wir sehen, wie er in der Ferne im Büro verschwindet und die Tür nach ihm ins Schloss fällt. Kurz darauf ist Aarons laute Stimme zu hören: „Wie kann er es wagen?“, schalt sie bis zu uns. Ich bleibe augenblicklich stehen und auch Judy hält inne. Wir greifen beide die Hand des anderen fest. Die Tür zum Büro fliegt auf und knallt an die gegenüberliegende Wand. Schritte stampfen heraus. Aarons imposante Erscheinung tritt in den Flur. Unsere Blicke treffen sich mit seinem, doch als er seine Tochter erkennt, ist er es, der zur Salzsäule erstarrt. Einen Moment verharren wir alle drei in dem letzten Schritt, den wir getan haben. Das Aarons Wut auf mich jedoch beim Anblick seiner Tochter im Keim erstickt, gibt mir neuen Mut. Auch wenn ich jeder Ader im Körper pulsieren spüren kann und mir das Herz bis an den Hals schlägt, trete ich nach vorn und hebe unsere ineinander verschränkten Hände. „Wir… wir müssen dir etwas mitteilen!“, berichte ich ihm. Einen quälend langen Moment bewegt sich nichts in Aaron, seine Augen mustern nur unablässig Judy und landen schließlich bei unseren Händen. Von ihnen wandert sein Blick langsam auf mich und wird wieder finster. „Das ist nicht dass, worum ich dich gebeten habe!“, knurrt er. Was genau er damit meint, erschließt sich mir nicht. Er wollte doch immer das ich Judy heirate und in den Schoß der Familie zurückbringe. Das kann es also nicht sein, was ihn stört. Ob er seinen Auftrag an mich meint, auf Vincents Party Klavier zu spielen? Kein Thema das ich anschneiden will. Verbissen halte ich an meinem Plan fest Judy als Grund für alles Fehlverhalten zu nutzen. Unsere Hände lasse ich wieder sinken und betrachte sie liebevoll, als ich mich an ihn richte: „Aber sie hat ja gesagt!“ „Was?“, fragt Aaron. Als ich mich wieder ihm zuwende, weicht seine grimmige Miene auf. Judy tritt neben mich. Sie atmet tief durch, dann ergreift sie das Wort: „Ich wollte nie, dass du mir einen Mann aussuchst. Das war auch ein Grund, warum ich gegangen bin. Aber…“ Judy sieht mich an. Als sie fortfährt, betrachtet sie mich verliebt. „… bei dem hier, konnte ich nicht wiederstehen!“ Ihre Worte lassen mich betreten zu Boden schauen, während meine Wangen immer heißer werden, geht mir doch durch den Kopf, was wir schon alles getan haben und auch was in ihrem Bauch wächst. Unwillkürlich muss ich ihr auf diesen schauen. Vater werden ist für mich noch immer nicht greifbar. Doch gerade ist noch nicht mal sicher, ob ich lange genug leben werde, um bei der Geburt anwesend zu sein. Nur zögerlich lasse ich meine Aufmerksamkeit auf Aaron zurück wandern. In den Augen des Paten stehen Tränen, seine Stimme ist brüchig, als er fragt: „Also kommst du nach Hause zurück?“ „Ich werde da wohnen, wo mein Mann lebt!“, sagt Judy. Überrascht betrachte ich sie. Also in unserer Fabrik? Die kennt sie ja noch gar nicht! Oh man, wie sollen wir da ein Kind großziehen? Neben unseren Räumlichkeiten entsteht gerade ein Bordell. Fuck! Ich beiße mir auf der Unterlippe herum. „Er… er wohnt hier!“, verkündet Aaron schnell. Judys Blick richtet sich fragend auf mich. Irritation liegt darin, gepaart mit einer stummen Abwehr. Gar nicht gut. Gerade muss eindeutig ihr meine Loyalität gehören, denn noch sind wir nicht verheiratet. „Das war nur vorrübergehend! Bis mein Bein verheilt ist. Mir gehört eine Fabrik an den Docks, die haben wir zur Wohnung ausgebaut“, berichte ich rasch. „Unterstehe dich meine Tochter in diese Absteige zu entführen!“, faucht Aaron. „Dann gib mir endlich die Erlaubnis was Anständiges daraus zu machen und bau nicht auch noch ein Bordell nebenan!“, halte ich dagegen. Judy macht einen Schritt weg von mir und löst ihre Hand aus meiner. „Was?“, fragt sie aufgebracht. Na großartig! Das mit dem Bordell hätte ich verschweigen sollen. Ich deute auf Aaron und sage verteidigend: „Das war seine Idee, nicht meine!“ Ich überlege kurz und füge dann an: „Na gut eigentlich war es die Idee von diesem Diego, dein Vater hat nur sein Okay gegeben.“ Judy verschränkt die Arme vor der Brust und betrachtet mich kritisch. „Ich dachte du bist Pianist!“, schimpft sie. Oh man, das läuft nicht so wie geplant. Dabei bin ich mir sicher ihr gesagt zu haben, dass ich nur ein Straßenkind bin. Ich will gerade etwas erwidern, als Judy fragend anfügt: „Du hängst in seinen Geschäften also richtig tief mit drin, oder?“ Sie klingt nicht so, als wenn sie damit einverstanden wäre, so geht mein Blick ratsuchend zu Aaron. Ist es eine gute Idee ihr die Wahrheit zu sagen? Der Pate reibt sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel und seufzt gottergeben. Den anderen Arm streckt er aus und deutet in sein Büro. „Los rein da! Wir haben zu reden!“, verlangt er und sieht mich dabei streng an. Ich seufze und lasse die Schultern hängen, während ich auf ihn zuhalte. „Gib mir wenigstens die Gnade eines Kopfschusses, damit ich es schnell hinter mir habe!“, bitte ich, als ich an ihm vorbei schleiche. Judys Schritte kommen mir nach. „Glaubt ja nicht, dass ihr das unter euch ausmachen könnt! Das betrifft mich ja wohl auch!“, schimpft sie und kommt mit ins Büro. Ihre Anwesenheit lässt mich aufatmen. Wenn sie dabei ist, wird er mich wohl kaum über den Haufen schießen. Aaron sagt nichts zu all dem, er kommt uns mit langsamen Schritten nach. Als wir das Büro betreten, deutet er in den rechten Teil neben der Tür. „Aufs Sofa!“, ordnet er an. Ich bin schon so oft hier gewesen, doch dass hier ein Sofa steht, fällt mir erst jetzt auf. Es ist mit dunkelbraunem Leder überzogen. Der Rahmen ist aus schwarzlackiertem Holz gearbeitet. Sicher kann man davon gut Blut abwischen. Ich seufze und lasse mich dennoch darauf nieder. Judy tut es mir in einigem Abstand gleich. Sie nimmt die Seite ganz links außen und verschränkt die Arme vor der Brust, während sie mich keines Blickes würdigt. Das sie sauer ist, ist offensichtlich, nur warum genau kann ich nicht einschätzen. Doch es wird mir sicher nicht gegen die Wut ihres Vaters helfen. Meine feuchten Hände wische ich mir an meinen Hosenbeinen ab, dann lege ich die Unterarme auf die Oberschenkel und falte meine Finger ineinander, um mich an irgendwas festhalten zu können. Aaron holt sich den schmucklosen Holzstuhl, der immer vor seinem Schreibtisch steht und kommt damit zu uns. Er platziert ihn direkt vor uns und lässt sich dann auf ihm nieder. Auch er verschränkt die Hände ineinander und legt sie auf seinen Oberschenkeln ab, dann beugt er sich nach vorn und mustert uns streng. „Okay ihr zwei, was genau soll das hier werden?“, will er wissen. Ich werfe einen verstohlenen Blick auf Judy, doch sie vermeidet es noch immer mich anzusehen und eine Antwort auf Aarons Frage, die mich in einem guten Licht dastehen lässt habe ich nicht, also schweige ich. „Ist es euch wirklich ernst mit einer Hochzeit oder ist das nur ein Schachzug gegen Vincent?“, will Aaron wissen und betrachtet mich eindringlich. Auch Judys Blick richtet sich nun fragend auf mich. Großartig! Ich bin so was von fällig. Wenn nicht Aaron mich erledigt, dann wird es Judy tun. Aber es bringt alles nichts, da muss ich jetzt durch. Offen betrachte ich Aaron und behalte Judys Reaktion im Augenwinkel im Blick, als ich antworte: „Ich mag deine Tochter wirklich. Sie ist ein großartiger Mensch. Obwohl sie mich kaum kennt, wollte sie mir ganz selbstlos helfen. Ich will sie wirklich heiraten, wenn du mich lässt.“ Einen flüchtigen Blick richte ich auf Judys Bauch. Damit lasse ich sie nicht hängen, das habe ich ihr versprochen und werde ich auch halten. Bei meinen Worten löst Judy die Verschränkung ihrer Arme, ihre Augen werden wieder sanft. Na wenigstens sie konnte ich damit etwas besänftigen. Ihr Vater aber schaut mich noch immer ungläubig an. So fahre ich weiter fort: „Aber ja, sie ist auch eine List gegen Vincent.“ „Was ist denn nur dein Problem mit ihm? Du solltest doch lediglich auf seiner Party Klavier spielen! Wieso bist du nicht einfach hingegangen?“, verlangt Aaron zu wissen. Er legt mir seine rechte Hand auf die Schulter und gräbt seine Finger tief hinein. Ein höllischer Schmerz jagt von seinem Griff ausgehend in meinen ganzen Oberkörper und lässt mich zusammenfahren. Er treibt mir die Tränen in die Augen und lässt mich laut aufschreien. Aaron gibt meine Schulter augenblicklich frei und betrachtet mich ratlos. Angespannt wartet er auf eine Erklärung. Mir kommt noch immer keine passende Ausrede in den Sinn und so langsam kann ich diese ganze Scharade nicht mehr ertragen. Während ich mir an die schmerzende Schulter fasse und sie stütze, lasse ich meine Tränen einfach fließen. „Aber ich war doch bei ihm und dabei habe ich dich so oft angefleht, es nicht tun zu müssen. Glaubst du wirklich ich bin in der Position gegen deinen ausdrücklichen Befehl zu handeln? Ich habe versucht es dir zu erklären, aber du glaubst mir ja nicht. Du kennst deine eigenen Capos nicht! Seit dieser Sache mit dem Angriff von Toni auf Vincent, will der mich schon loswerden. Ich hätte auch diesen Besuch fast mit dem Leben bezahlt“, berichte ich ihm wahrheitsgemäß. Aaron betrachtet mich noch immer ungläubig, so beginne ich mir das Hemd aufzuknöpfen. „Hey Junger, was soll das werden? Zieh dich gefälligst wieder an!“, knurrt er und lehnt sich zurück, um Abstand zwischen uns zu bringen. Doch ich denke gar nicht daran jetzt aufzuhören. Das alles lastet schon so lange auf mir und ich habe es satt zu lügen, nur damit mir geglaubt wird. „Nein! Du wirst dir das jetzt ansehen“, sage ich und stehe auf. Während ich weiter mein Hemd öffne, erhebe ich mich. Als der letzte Knopf meinen Bemühungen erliegt, streife ich es mir vom Oberkörper. Die unzähligen blauen Flecke und Schürfwunden sind deutlich sichtbar. Besonders meine Schulter ist fast schwarz. Aarons Augen fahren die Verletzungen ab, sein Mund öffnet sich, ohne dass ihm Worte entkommen, also fahre ich einfach in meinem Bericht fort: „Toni hat er versucht zu vergiften und als er mit mir fertig war, landeten wir beide in der Schrottpresse auf irgendeinem Hinterhof. Wäre mein Leibwächter nicht von den Drachen gegen etliche Gifte immunisiert wurden, wären wir jetzt beide Tod.“ Im Augenwinkel kann ich sehen, wie Judy immer bleicher wird, sie schlägt sich die Hände an den Mund und wirkt geschockt. Ins Detail zu dem was passiert ist, bin ich ihr gegenüber nicht gegangen, doch gerade kann ich mich nicht mehr zügeln. Ich will diesen ganzen Dreck endlich zur Sprache bringen, damit er mir nicht mehr die Seele zerfrisst. Aaron betrachtet mich prüfend, schließlich will er ernst wissen: „Warum erzählst du das erst jetzt? Wieso nicht nach dem ersten Vorfall?“ Wut steigt mir siedend heiß in den Magen, meine Hände balle ich zu Fäusten, während ich ihn anschreie: „Wir haben es dir erzählt! Toni hat es dir erzählt! Aber du hast uns nicht geglaubt, also habe ich mir was ausgedacht, was du glaubhafter findest, damit wir aus deinem Büro lebend wieder rauskommen. Du willst die Wahrheit doch gar nicht hören. Deswegen weißt du auch nicht, welcher deiner Capos dir nach dem Leben trachtet. Du siehst nur das, was in deine Vorstellung von der Welt passt. Ich bin mir sicher, dass Vincent nicht der Einzige ist, der hinter deinem Rücken gegen deine Interessen agiert.“ „Ich… ich kann das nicht… wieder…“, murmelt Judy hinter uns. Ihre Hände liegen nun in ihrem ganzen Gesicht, während sie die Nase hochzieht. Sie erhebt sich und geht langsam ein paar Schritte Richtung Tür. Doch mit jedem weiteren wird sie schneller, bis sie schließlich rennt. An der Tür muss sie kurz halt machen, um diese zu öffnen, dann verschwindet sie eilig auf dem Flur. „Großartig!“, murre ich und ziehe mir mein Hemd wieder über. Was auch immer Judy damals zum Weglaufen bewogen hat, es scheint mir so, als wenn sie genau das wieder tut. Eilig schließe ich die Knöpfe und will ihr nachgehen, als Aaron mich an der Schulter festhält. „Enrico!“, sagt er während sein Griff dieses Mal sanft ist, trotzdem schüttele ich seine Finger ab. „Nein, ich muss meiner Frau hinterher, bevor den beiden noch was passiert!“, rutscht mir raus, dann laufe ich Judy hinterher. Als ich den Flur betrete, folgen mir keine Schritte, dafür hat Judy bereits die Treppe ins Erdgeschoss erreicht. „Judy, warte, bitte!“, rufe ich ihr nach und beeile mich sie einzuholen, doch sie ist verdammt schnell. Als ich die Treppe erreiche, ist sie bereits auf der letzten Stufe angekommen. „Judy! Bitte warte!“, rufe ich wieder, doch sie dreht sich nicht mal um und mein schmerzender Körper erlaubt es mir nicht, noch schneller zu laufen. Auch die Treppenstufen sind eine einzige Qual. So ist sie längst durch die Haustür verschwunden, eh ich unten angekommen bin. Dafür bewegen sich Schritte im Erdgeschoss und halten plötzlich inne. „Aaron wir müssen und noch mal über… Enrico?“, fragt eine Stimme, die mir durch Mark und Bein geht. Auch ich halte abrupt inne. Übelkeit frisst sich in meinen Magen, ebenso wie Furcht und unbändige Wut. Als ich mich nach der Stimme umdrehe, steht Vincent vor der Tür zum Salon. Er hält ein Glas Rotwein in der Hand und betrachtet mich, als wenn er einen Geist vor sich hätte. Dieser verfluchte Mistkerl! Er war bestimmt hier, um sich bei Aaron zu beschweren, dass ich nicht aufgetaucht bin. Das war sicher auch sein Alibi für den Mordversuch an mir und Toni, wären wir nicht wieder aufgetaucht. Schritte sind im ersten Stock zu hören, ich muss nicht mal hinsehen, um zu wissen, dass Aaron oben an der Treppe steht und uns zusieht. Noch ein Grund mehr hier jetzt nicht kleinbeizugeben. Ich schiebe alle Gefühle bis auf die Wut beiseite und gebe dieser allen Raum in meinem Kopf, das gibt mir die Kraft auf den Mistkerl zuzuhalten. Das Vincent dabei weiß anläuft wie eine Kalkwand, gibt mir noch mehr Mut. Als ich ihn erreiche, packe ich ihn an seiner Krawatte und ziehe ihn auf meine Größe herab. „Komm mir nie wieder in die Quere, sonst lege ich dich um, oder er tut es.“ Einen kurzen Blick wende ich hinauf zur Treppe, wo tatsächlich Aaron steht. Meinen Worten verleihe ich mehr Lautstärke und Kraft, als ich fortfahre: „Denn wenn du noch mal Hand an mich legst, hast du den Schwiegersohn des Paten auf dem Gewissen und ich schwöre bei Gott, dass ich Judy heute noch ein Kind mache, dann hast du auch noch den Vater seines Enkelkindes auf dem Gewissen. Mal sehen ob er dir das auch verzeihen kann!“ Damit stoße ich den Kerl von mir und laufe Judy nach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)