Die Wölfe 3 ~Der Pianist des Paten~ von Enrico (Teil III) ================================================================================ Kapitel 16: ~Der Zusammenbruch~ ------------------------------- „Na sieh mal einer an, wen haben wir denn da? Mut hier aufzukreuzen habt ihr ja!“, werden wir von einer vertrauten Frauenstimme angesprochen. Ich schrecke aus dem Halbschlaf hoch und sehe direkt in Robins wütendes Gesicht. Sie hat sich mit dem Oberkörper nach vorn gelehnt, die Arme in die Seiten gestemmt und sieht uns mahnend an. „Ihr habt ganz schön Ärger am Hals!“, sagt sie viel zu laut. In meinem Kopf scheint ihre Stimme von allen Seiten wieder zu hallen und ihn dabei zum Platzen zu bringen. Ich lege meine Hand an die Stirn und atme gequält aus. „Robin, bitte… wir“, versucht Toni sie zu beschwichtigen. Auch er sieht bleich aus und kneift die Augen zusammen, als wenn er ebenfalls mächtige Kopfschmerzen hat. „Nix da mit Robin! Ich bin viel zu gutherzig mit euch beiden. Vater ist stink sauer, weil ihr nicht bei Vincent wart. Der Capo kann euch nun noch weniger leiden als zuvor und von Judy fange ich mal gar nicht erst an.“ Vincent behauptet also, wir wären nicht bei ihm gewesen? Ich lächle bitter und wünsche ihm einmal mehr eine Kugel zwischen die Augen. Aber logisch, so kann er behaupten mit meinem Verschwinden nichts zu tun zu haben. „Und stinken tut ihr auch noch, als wenn ihr von der Müllhalte kommt! Wo habt ihr euch schon wieder rumgetrieben, um euch zu vergnügen? Ihr steht vor Dreck! Das ist ja abartig!“, knurrt Robin und zieht uns die Decke weg. „Und dann nehmt ihr noch meine gute Decke…“, keift sie weiter, doch als ihr Blick auf uns zurückfällt und sie sieht das ich keine Hose trage und mein Körper schon wieder übel zugerichtet wurde, hält sie inne und betrachtet mich einfach nur von oben bis unten. Ich nehme die Hand aus dem Gesicht und sehe durch meine strähnigen Haare zu ihr auf. „Wir waren bei Vincent…“ Ein abfälliges Lachen entkommt mir, bevor ich anfüge, „… und hätten das fast mit dem Leben bezahlt!“ Robins ratsuchender Blick geht zu Toni. Der atmet erschwert aus. „Er hat mich mit Gift außer Gefecht gesetzt und dann hat er…“ Toni sieht zu mir, er betrachtet mich einen Moment lang, dann seufzt er und bringt es nicht mehr über sich, seinen Satz zu beenden. Robins Schultern heben sich unter einem tiefen Atemzug. Sie scheint etwas sagen zu wollen, lässt es aber im letzten Moment sein. Bei dem Gedanken an die letzten Stunden steigen mir Tränen in die Augen, während die Wut in meinem Bauch wächst. „Ich habe euch so angebettelt nicht dahin zu müssen, weil ich genau wusste, was mich erwartet.“ Mein Blick wandert zu Toni. Der Moment als er neben mir zusammengebrochen ist, kämpft sich in mein Bewusstsein. „Was uns erwartet!“, füge ich an, dann richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Robin. „Wenn die Drachen Toni nicht gegen verschiedene Gifte immunisiert hätten, er wäre jetzt tot und ich auch, weil mich dann keiner aus der Schrottpresse gezogen hätte, in der Vincent uns entsorgen wollte. Aber was solls, wir sind ja nur zwei Straßenköter, warum sollte man denen Glauben schenken? Wir haben unsere Seele an den Alten verkauft, weil er uns Schutz versprochen hat, aber einen Scheiß haben wir dafür bekommen. Er hat uns weder vor den Drachen beschützt, noch hat er seine eigenen Leute im Griff. Der Einzige, der mich seit diese ganze Scheiße angefangen hat beschützt, ist Antonio. Also verzeih, wenn mir ziemlich egal ist, dass dein Vater sauer ist. Von mir aus kann deine ganze Sippe zur Hölle fahren!“ Finster sehe ich Robin an, ganz gleich wie viele Tränen mir auch von den Wangen laufen, die Wut in mir ist viel zu stark, um mich und meine Worte zu zügeln. Robin schlägt die Augen nieder. Kleinlaut sagt sie: „Du wirst aus dieser Familie aber nicht mehr entkommen können… zumindest jetzt nicht mehr!“ „Was meinst du damit?“, will Toni wissen. Robin atmet schwer aus, sie kramt ihren Schlüssel aus dem Säckchen, das sie als Tasche bei sich trägt und schließt die Tür auf. „Kommt erst mal rein! Geht Duschen, dann versorgen wir eure Wunden und reden darüber, wie wir euch noch retten können.“ Duschen hört sich tatsächlich großartig an. Ich will Vincents Gestank und seine Überreste endlich loswerden. Am besten ziehe ich gleich unter der Dusche ein, habe ich doch jetzt schon das Gefühl, als könnte ich nie wieder richtig sauber werden. Toni atmet langanhaltend aus. „Ich hatte echt genug schlechte Neuigkeiten für heute…“, murmelt er und steht auf. Ich kann seinem Gedanken nur zustimmen. Mir reicht das Problem, das wir mit Vincent und Aaron haben, doch Robins Andeutungen nach zu urteilen, gibt es da noch mehr. Großartig! Während Toni ihr bereits ins Haus folgt, brauche ich noch zwei Anläufe, um aufzustehen. Mehr schlecht als recht schleiche ich den Beiden nach. Toni nimmt gleich das erste Zimmer links im Flur, das wir meistens nutzen, wenn wir bei Robin zu Gast sind. Das Schlafzimmer hat ein angrenzendes Badezimmer, auf das Toni geradewegs zuhält. Ich folge ihm dahin und ziehe mir auf dem Weg bereits sein Hemd aus. Toni entledigt sich seiner Hose, den Socken und der Unterhose, dann steigt er in die Dusche. Mein Blick fällt auf sein Bein, es ist stark gerötet und angeschwollen, aber zumindest blutet sie nicht mehr. Wir müssen die Wunde gründlich ausspülen und dann desinfizieren. Während ich gedanklich schon dabei bin, das noch einmal anzusprechen, schiebt sich Tonis Hand in mein Blickfeld. Als ich die Dusche erreiche, reicht er sie mir, um mir über die Erhöhung hinweg in die Kabine zu helfen. Ich nehme sie dankbar an und steige zu ihm. Dicht trete ich an ihn heran und suche seine Nähe. Meine Arme winkle ich an und lege sie auf seinem Oberkörper ab, meine Hände vergrabe ich in seiner Brustmuskulatur. Das Wasser wird sicher in meinen unzähligen Wunden brennen, so schließe ich in Erwartung des Schmerzes die Augen. Toni legt mir einen Arm in den Rücken und zieht mich daran fest an sich, mit der andren Hand dreht er das Wasser auf. Es ist erst kalt und lässt mich erschaudern, wird dann aber zunehmend wärmer. Wir lassen es einfach eine Weile über unsere Haut laufen, ohne uns voneinander zu trennen oder den Dreck abzuschrubben. Ich genieße seine Nähe und den Halt seines Körpers. Wenn Robin keinen Plan hat Vincent auszuschalten, ist es vielleicht das letzte Mal, dass ich ihm nah sein werde. „Sag mal…“, beginnt Toni leise zu sprechen, „… hast du das vorhin ernst gemeint? Dass ich der Einzige bin, der dich beschützen kann?“ Ich öffne die Augen und sehe ihn mit einem warmherzigen Lächeln an, als ich antworte: „Du hast mir auf dem Schrottplatz das Leben gerettet…“ Ich mache eine bedeutungsschwere Pause, bevor ich anfüge, „… schon wieder!“ Eng schmiege ich mich an ihn. Als ich weiterspreche, spüre ich erneut Tränen in mir aufsteigen: „Du bist der Einzige, dem ich mein Leben anvertraue, aber was mache ich denn, wenn dich das irgendwann mal umbringt? Ich habe so Angst, dass du noch vor mir stirbst!“, gestehe ich und kann nicht aufhören zu heulen. Toni schließt mich fester in seine Arme. „Ich habe auch eine scheiß Angst, irgendwann ohne dich in dieser Hölle zurückbleiben zu müssen“, sagt er mit Verzweiflung in der Stimme, doch als er weiterspricht, mischt sich dennoch Zuversicht in sie, „Aber heute leben wir beide noch. Wir sind diesem Schwein entkommen und ich habe noch einen Tag mit dir!“ Seine Arme lockern sich um mich, er greift mir ans Kinn und hebt meinen Blick zu sich hinauf. Als ich ihm ins Gesicht sehen kann, liegt dort ein warmherziges Lächeln, das sich unweigerlich auch in meine Mundwinkel schleicht, je länger er mich so ansieht. Er hat recht, diesen Tag habe ich noch mit ihm und ich habe mir geschworen, jeden einzelnen so zu leben, als wenn es mein letzter wäre. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um zu ihm hinaufzureichen und küsse ihn. Toni schließt die Augen und erwidert den Kuss, er öffnet seinen Mund dabei und lädt mich mit seiner Zunge ein. Die leidenschaftlichere Liebkosung erwidere ich nur zu gern, doch als seine Hand streichelnd über meinen Rücken geht, jagt ein heftiger Schmerz durch meinen Körper, der mich den Kuss unterbrechen lässt, um mir mit einem Schrei Luft zu machen. Toni zuckt zusammen und nimmt seine Hand aus meinem Rücken, dafür dreht er mich an der Schulter um. „Zeig her!“, sagt er. Seine Finger wandern an meiner Wirbelsäule hinab. Der Schmerz da ist noch spürbar, aber scheint um ein paar Zentimeter verlagert zu sein. Scheinbar streicht er neben der Wunde hinab. „Das ist echt tief, dass muss genäht werden. Das ist sicher von dem beschissenen Zaun gewesen“, sagt er. Ich seufze tief. Auch das noch, wo ich Nadeln doch auf den Tod nicht ausstehen kann. Um mich davon abzulenken, sehe ich an mir vorbei zu dem Bein meines Freundes. Ich deute darauf, als ich sage: „Das müssen wir auch versorgen!“ Toni bleibt stumm, seine Hand wandert tiefer hinab und landet schließlich mittig auf meinen Pobacken. Ich fahre erschrocken zusammen. Den Schmerz da habe ich die ganze Zeit versucht zu verdrängen, doch so geht das nicht mehr. Es pulsiert in meinem inneren und das Wasser brennt in meiner Ritze. „Darf ich?“, will Toni wissen und fügt an, „Das muss auch sauber gemacht werden!“ Ich atme erschwert aus, dass er recht hat, weiß ich und so wie es sich anfühlt, wird die Verletzung wohl eine ganze Weile Probleme machen und mich an diesen beschissenen Tag erinnern. Mit Toni habe ich es ja auch schon ab und an mal übertrieben, aber so wie jetzt hat es sich nie angefühlt. Seine warmen Hände legen sich auf meine Schultern. „Enrico?“, fragt er vorsichtig an, da ich ihm noch keine Antwort gegeben habe. Wenn überhaupt sich das Elend jemand ansehen darf, dann er. „Ja, ist gut, mach nur!“, sage ich mit einem Seufzer. Tonis Hände fahren meine Flanken hinab, während er hinter mir auf die Knie geht. Meine Beine schiebt er etwas auseinander und legt dann seine Hände auf meine Pobacken, um meine Mitte zu öffnen. Ein fieser Schmerz sticht sich in meinen Schließmuskel, als er sich dabei dehnt. Ich ziehe die Luft scharf ein und beiße mir auf die Unterlippe, um mich auf ein anderes Gefühl zu konzentrieren. „Und? Wie schlimm ist es?“, will ich wissen. Toni seufzt, dann erhebt er sich und greift nach dem Kopf der Duschbrause, um ihn aus seiner Halterung zu lösen. Eine Hand legt er mir dabei auf die Schulter und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Das heilt wieder!“, sagt er nur. „So schlimm, ja?“, schlussfolgere ich. Tonis Finger graben sich in meine Schulter. „Wenn ich den Kerl das nächste Mal sehe, bringe ich ihn um“, sagt er leise. „Vergiss es!“, entgegne ich mit dunkler Stimme. „Du darfst ihm gern die Kniescheiben wegschießen, damit er nicht mehr abhauen kann, aber umlegen werde ich ihn!“ All meine wirren Gefühle wandeln sich in abgrundtiefen Hass. Mir egal was Aaron sagt, den Kerl werden wir loswerden und ich will ihm dabei in die Augen sehen, wenn er sein Leben aushaucht. Toni geht hinter mir wieder in die Hocke. Das er sanft meinen Anus reinigt, versuche ich auszublenden. Der wachsende Schmerz schürt den Hass und die Bilder von Vincents möglichen Ablebens in mir noch. Das dieses Schwein es überhaupt wagt, seinen dreckigen Schwanz da… Es darf nur einer mich dort überhaupt berühren. Schlimm genug das ich gezwungen bin mit Frauen zu schlafen, aber diese eine Sache die… die gehört nur Toni und mir. Ich sehe an meinen Beinen vorbei hinter mich zu ihm. Die Erkenntnis, was Vincent mir da aufgezwungen hat, frisst sich mit dem Schmerz, den Tonis Berührungen dort verursachen in meine Seele. Je länger ich ihn ansehe und seinen hasserfüllten Blick, den er beim Betrachten meiner Wunden aufgesetzt hat, umso mehr sticht es in meinem Herzen. Die verrückte Idee seine Wut könnte mir gelten, verseucht meine Gedanken und lässt Tränen in mir aufsteigen. Ich musste ihm doch schon untreu sein und habe mir geschworen, dass er zumindest der einzige Mann bleibt… aber… aber nun… Immer mehr Tränen rollen mir über die Wangen und fallen bedeutungslos in das Nass der Duschkabine. „Es… es tut mir leid!“, presse ich heraus und spüre, wie mir das Erlebte langsam aber sicher den Halt nimmt. Meine Beine geben einfach nach und knicken ein. Vor Toni falle ich auf die Knie und stütze mich mit den Händen auf. Während ich einfach nur hemmungslos heule, schaffe ich es nicht mal mehr ihn anzusehen. „Niemand… niemand darf das… das mit mir machen… das darfst nur du! Ich wollte das nicht! Ich wollte das nicht!“, sage ich schluchzend immer wieder und bekomme mich nicht mehr unter Kontrolle. Mein ganzer Körper zittert vor Scham und Ekel. Toni sagt nichts zu alle dem, dass lässt mich nur noch mehr wimmern. Er rückt nah an mich heran, seinen Oberkörper kann ich im Rücken spüren, seine Arme schlingen sich um mich, während er seine Stirn an meine Schulter lehnt. „Es ist doch nicht deine Schuld!“, flüstert er mir auf die nackte Haut, während ich warm seine Tränen auf mir spüren kann. „Ich hätte dich beschützen müssen und konnte es wieder nicht!“ Seine Stimme verliert sich zunehmend und löst sich ebenso in Schluchzen auf. Na toll, jetzt hocken wir beide hier heulend und geben uns die Schuld für etwas, was Vincent angerichtet hat. Meine Hände balle ich zu Fäusten und starre das Blut an, das an meinen Beinen hinab läuft und im Abfluss versickert. Ich will diese Schuld nicht und ich will diese Machtlosigkeit nicht, aber die Rache, die will ich und wenn es das letzte ist, was ich tue. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)