Die Wölfe 3 ~Der Pianist des Paten~ von Enrico (Teil III) ================================================================================ Kapitel 8: ~Der Verlobte~ ------------------------- Das ist also das Zimmer eines Mädchens? Bisher war ich noch nie bei einem zu Hause. Mal von Robin abgesehen, deren sündige Villa allerdings keinen passenden Vergleich abgibt. Ich schaue mich neugierig um. Hier ist es auf jeden Fall ordentlicher als in meinen vier Wänden. Auf dem Schminktisch stehen kleine Fläschchen, dazwischen eine Haarbürste. Das Bett ist gerichtet, ein weißes Nachthemd liegt ausgebreitet auf der blaugeblümten Decke. Blumen auf der Bettwäsche – typisch Mädchen. Ich schmunzle vor mich hin. Judy geht zu einer Kommode die reich mit Ornamenten verziert ist, sie öffnet die unterste Schublade und holt zwei Handtücher heraus. Sie wirft mir eines zu, während ein belustigtes Lächeln ihr Tun begleitet. „Du solltest die Hose endlich ausziehen“, sagt sie. Ich schaue an mir herab. Meine Kleidung ist hauteng, an den Beinen und meinen Schuhen klebt Sand, aus dem geöffneten Schritt hängt noch immer mein Glied heraus. Ein Glück ist es dunkel gewesen und Susens Villa gleich um die Ecke. Ich streife mir den nassen Stoff von den Schenkeln und steige aus den Schuhen, mein offenes Hemd ziehe ich aus. Eine große Wasserpfütze bildet sich unter mir und verteilt sich auf dem Parkettfußboden. Obwohl im Kamin in der rechten Hälfte des Zimmers ein knisterndes Feuer lodert, ist mir eiskalt. Zu dieser Jahreszeit im Meer zu Baden, ist eine scheiß Idee gewesen. Ich reibe mich mit dem Handtuch ab. Auch Judy trocknet ihren Körper, dann bindet sie ihre langen Haare in das Handtuch und wickelt es sich wie einen Turban um den Kopf, langsamen Schrittes hält sie auf mich zu. Ihr Blick gleitet an mir hinab, bis er auf Höhe meines rechten Oberschenkels hängen bleibt. Kritisch betrachtet sie die lange Narbe die sich Quer darüber erstreckt. Einige der Wundränder nässen schon wieder. Diese verdammte Wunde will einfach nicht heilen. Immer wenn ich sie sehe, komme ich mir vor wie ein Krüppel. Noch vor ein paar Tagen konnte ich nicht mal ohne Krücken laufen. Ihr Körper ist so makellos und meiner? Ich schaue betreten zur Seite weg. Sie bleibt direkt vor mir stehen, ihre Hand legt sie mir um die rechte Wange und sucht meinen Blick. „Du hast eine harte Zeit hinter dir, was? Deine Musik war auch schon so voller Leid“, sagt sie. Ihre Stimme ist sanft und vertrauensvoll. Ich muss schwer an mich halten nicht in Tränen auszubrechen. Das letzte Jahr war das härteste meines ganzen Lebens, doch bisher hat keiner wirklich Anteilnahme gezeigt, und mal von Toni abgesehen, hat keiner gefragt, wie ich damit zurechtkomme. Ein fetter Kloss presst sich mir in den Hals, mir steigen unwillkürlich die Tränen in die Augen. Bevor ich die Fassung gänzlich verliere, winke ich schnell ab. „Halb so schlimm!“, belüge ich mich selbst mehr als sie. Ich atme tief und blinzle die Tränen weg. Sie lächelt wissend, ihre Stimme ist noch immer sanft, als sie sagt: „Du bist ein schlechter Lügner!“ Wie ein Stich fahren mir ihre Worte ins Herz. Hat sie mich tatsächlich durchschaut? Ich bin doch so gut darin geworden, meine Gefühle nach außen zu verstecken. Weder Aaron noch das Dienstpersonal haben mich je danach gefragt, wie es mir geht, und auch mein Bruder und die restlichen Wölfe fragen nicht nach. Ob es ihnen einfach egal ist? Eine tonnenschwere Last scheint mich zu erdrücken, ich lasse die Schultern hängen und seufze schwer. Den Kampf gegen die Tränen verliere ich, warm rollen sie mir über die kalten Wangen. Ich schaue weg und wische mir mit dem Handrücken über das Gesicht. Jetzt bin ich nicht nur ein Krüppel, sondern auch noch eine Heulsuse. So viel zu meinem guten ersten Eindruck von eben. „Ich weiß, was gegen schlimme Erinnerungen hilft“, sagt sie. Ach wirklich? Es gibt etwas, das dagegen hilft? Bisher habe ich nichts gefunden. Ratsuchend schaue ich sie an. Wieder liegt ein warmherziges Lächeln auf ihren vollen Lippen. Sie kommt meinem Gesicht ganz nah. Ihr Blumenduft erfüllt meine Atemluft, ihre Lippen legt sie auf meine. Ehrlich? Sie will immer noch mit mir rummachen, obwohl ich ein körperliches und seelisches Wrack bin? Was stimmt denn nicht mit ihr? Ihr Körper ist angenehm warm, ihre Brüste weich wie Kissen. Wie es sich wohl anfühlt meinen Penis zwischen sie zu legen? Der Gedanke richtet mein Glied erneut auf. Judys rechte Hand wandert über meine Brust, hinab über meinen Bauch in meinen Schritt, immer tiefer, bis zu meinen Hoden. Ich erschaudere. Will sie wirklich noch mal? Wieso nur hat sie so einen Narren an mir gefressen? Ich habe doch gar nichts dafür getan. Ihre Zunge sucht nach meiner, ich erwidere ihren Kuss. Mit ihrem ganzen Körper drängt sie mich rückwärts zu gehen, Schritt um Schritt, bis ich mit den Waden an das Holz des Bettgestells stoße. Judys Augen bekommen einen herausfordernden Glanz. Sie lässt von meinen Hoden ab und stößt mir hart gegen den Brustkorb. Ich verliere den Halt und falle rückwärts auf ihr Bett. Erschrocken schaue ich sie an. Sie lacht keck und steigt über mir auf das Bett. „Ich will es noch einmal spüren“, säuselt sie und führt sich meinen Penis selbst ein. Ich tauche in ihre Hitze. Von dem Gefühl überwältigt werfe ich den Kopf zurück und atme gegen die Lust an, die mir in den Unterleib schießt. Das vergangene Jahr verschwindet tatsächlich aus meinen Gedanken. Da ist nur noch dieses geile Gefühl, das mein Herz antreibt und meinen Atem beschleunigt. Vielleicht ist Sex ja wirklich eine gute Idee für die Zukunft. Mit dem Rausch in meinen Adern spüre ich nicht mal den Schmerz in meinem Bein. Judy stemmt die Knie in die Matratze rechts und links neben mir. Sie bemüht sich meinen Oberschenkel zu meiden und rutscht weiter nach vorn. Langsam beginnt sie sich auf mir zu bewegen, ihr Körper senkt sich, sie erhebt sich, senkt sich wieder. Das ist so herrlich aufregend. Nach hinten streckt sie sich durch und stützt sich mit den Armen ab, das Handtuch gleitet ihr vom Kopf und entfaltet ihre langen schwarzen Haare. Ihre seidige Haut glänzt im flackernden Licht des Kaminfeuers, vereinzelt sind noch immer Perlen des Meerwassers auf ihr zu sehen. Sie ist so wunderschön. Die runden Brüste, die im Takt ihrer Bewegungen hüpfen, die warme weiche Haut, ihre Haare die das ebenmäßige Gesicht rahmen. Ich greife nach ihren Brüsten und richte meinen Oberkörper auf. Steil stehen ihre Nippel ab, verführerisch schauen sie mich an. Ich küsse erst den Linken dann den Rechten. Mit der Zunge fahre ich sie abwechselnd ab, lege meine Lippen fest um sie und sauge an ihnen. Judy stöhnt auf, sie reckt mir ihren Körper entgegen, ihr Becken lässt sie kreisen. Es ist nicht so überwältigend wie beim ersten Mal. Jetzt, wo ich vor einigen Minuten schon einmal gekommen bin, steigt die Lust deutlich langsamer in mir an. Ich muss mich nicht bemühen mich zurückzuhalten. Energisch komme ich ihrem Körper entgegen. So schön heiß und eng. Ihre Nässe verteilt sich in meinem Schoß. Unsere Gerüche vermischen sich miteinander und steigen mir wohlig in die Nase. Es schürt mein Verlangen nach ihr. Sie beugt sich weiter nach hinten, hebt und senkt ihr Becken auf mir. Ihr heißes Loch schmiegt sich eng an mein Glied. Ich kann nicht genug von dieser innigen Umarmung bekommen. Ihrer Hitze komme ich entgegen, will tiefer und tiefer in ihr versinken. Im gleichen Rhythmus bewegen wir uns durch diese Nacht. Sie beugt sich zu mir, in ihren Augen funkelt die Gier nach. Ihre Arme schlingt sie um meinen Hals und atmet mir wild ins Gesicht. „Ja! Genauso“, stöhnt sie und küsst mich. Ihre Zunge spielt mit meiner. Ich muss nichts tun als einfach zu genießen. Ihr rhythmisches Auf und Ab treibt mir mehr und mehr Lust ins Glied. Es ist so hart und prall, während es in ihr pulsiert. Ich strecke mich ihr entgegen. Sie wird immer schneller, ihre Finger krallt sie in meinen Rücken. Schmerz breitet sich aus, je tiefer ihre Fingernägel sich in meinen Rücken bohren, doch mir ist es ganz gleich. Nach Luft ringend unterbricht sie unseren Kuss, die Stirn lehnt sie an meine und atmet mir ins Gesicht. Ihre Augen strahlen mich an, als wenn sie einen Schatz betrachten würden und auch ich kann nicht anders als zu lächeln. …~*~… Was immer sie vorher mit Sam gehabt hat, das konnte kein Sex gewesen sein. Nie hat sich Judy so mit Jemandem verbunden gefühlt, wie in diesem Moment, noch nie eine solche Lust empfunden. Das Flattern in ihrem Herzen, ergreift von ihrem ganzen Körper Besitz. Dem Takt einer tonlosen Musik folgend, bewegen sich ihre Körper in einem nicht enden wollenden Tanz. Egal wie schnell sie auch ist, sein Penis erschlafft nicht. Sie kann es genießen, dieses Gefühl der Fülle, das Auf und Ab in ihrem Inneren. Hitze flutet jeden Zentimeter ihres Leibes. Da ist es wieder, diese intensive Empfindung, dieses Erschaudern ihres Unterleibs und das Kribbeln unter ihrer Haut, das immer mehr wird. Wellenförmig erfüllt es sie, lässt immer mehr Nässe zwischen sie fließen. Warum nur hat sie sich das all die Jahre entgehen lassen? Gierig schaut sie in die eisblauen Augen, stöhnt in sein rotes Gesicht. Auch sein Atem geht schnell. Sein Körper ist so heiß, dabei mag sie überhaupt keine Wärme, aber bei ihm ist es anders. Obwohl sie beide völlig verschwitzt sind, ist es ihr nicht unangenehm, selbst der Duft seines Schweißes erscheint ihr wie ein wohlriechendes Parfüm. Sie möchte ganz darin versinken. Sein Becken kommt dem ihren entgegen, er wird immer schneller. Jeder Muskel in seinem Körper spannt sich an. Vorfreudig erwartet sie seinen Höhepunkt. Sie will es noch einmal spüren, diese Wärme, die sie flutet, während das aufregende neue Glücksgefühl durch ihre Adern strömt. Er stöhnt sie laut an, sein Körper beginnt zu zittern. Ein heißer Strom flutet ihr Inneres. Wohlig empfängt sie seine Lust und spürt ihm nach. Da ist noch immer dieser harte Penis, noch immer dieses beflügelnde Gefühl in ihrem Herzen. Lange schaut sie ihm in die Augen, in dieses tiefe blau. Ihr ist, als würde sie in einen Abgrund schauen, in dem es so verloren aussieht, wie sie sich selbst oft fühlt - doch ganz tief dort unten lodert ein unbändiges Feuer, das sie wie magisch anzieht. Unmerklich beruhigt sich ihr Atem, das Herz schlägt langsamer in ihrer Brust. Wohlige Erschöpfung ergreift von ihr Besitz. Enricos Glied verliert an Härte, er verlässt sie und sinkt ins Kissen. Auf seinen Lippen liegt ein verträumtes Lächeln, während seine Augen und Hände ihren Körper abfahren. „Du bist wunderschön“, sagt er. Dieses Kompliment hat Judy schon oft gehört, doch nie konnte sie es wirklich glauben. Sie sieht ihr Spiegelbild in seinen Augen. Das Handtuch muss sie irgendwann während ihres Liebespiels verloren haben. Ihre Haare verteilen sich auf ihrer nassen Haut, ihre Augen sind heute so voller Leben. Er hat Recht, sie ist wirklich wunderschön, doch nicht nur sie, auch das Zimmer, der Kamin einfach alles erscheint ihr viel bunter und lebendiger. Sie steigt von ihm und legt sich auf die freie Hälfte ihres Bettes. Eng schmiegt sie sich an seinen warmen Körper. Den Kopf legt sie auf seinen Brustkorb. Er hebt und senkt sich schnell. Judy lauscht dem Rhythmus seines Herzschlages. Sie kann es sich nicht erklären, aber der Klang beruhigt sie. Er legt seinen Arm um sie und gibt ihr einen Kuss auf die Stirn. Sacht streichelt seine Hand ihren Rücken. Judy fühlt sich sicher und geborgen wie lange nicht mehr, dabei kennt sie den Kerl nicht mal. Warum nur kommt ihr dann alles so vertraut vor? Sie schließt die Augen, atmet seinen Duft und lauscht seinem Atem. Er wird zunehmend gleichmäßiger. „Lass uns die ganze Nacht so liegenbleiben, ja?“ Er antwortet nicht, stattdessen angelt er mit dem Fuß die Decke am Bettende und legt sie über sich und Judy. Mit dem knisternden Kaminfeuer im Hintergrund, in seinem Armen und eingewickelt in ihre Decke, ist ihr herrlich warm. Frieden erfüllt sie, ohne es zu merken gleitet sie in einen tiefen Schlaf. …~*~… Ich liege noch lange wach und versuche mich selbst zu ergründen. Warum nur hat mir das mit ihr so gut gefallen? Ich bin wirklich ein widerlicher Mensch geworden. Nicht nur das ich schon Menschen auf Aarons Befehl über den Haufen geschossen habe, jetzt betrüge ich auch noch den, den ich liebe. Wenn ich es doch wenigstens mit Aarons Drohung rechtfertigen könnte, aber das wäre gelogen. Wieso nur bin ich so? Toni sieht nie eine Frau an, auch keinen anderen Kerl und ich wäre stink sauer auf ihn, wenn er getan hätte, was ich gerade getan habe. Warum gefallen mir Frauen überhaupt? Ich liebe doch nur ihn. Mein Blick landet auf Judy. Ihr Atem ist gleichmäßig, sie bewegt sich schon eine ganze Weile nicht mehr. Ob sie wohl eingeschlafen ist? Verrücktes Mädchen! Steigt mit einem Wildfremden in die Kiste und nimmt ihn dann noch mit zu sich nach Hause. Nur ein einziger Blick und sie hatte mich durchschaut. Irgendwie unheimlich und befreiend zugleich. Hätte sie das Thema vertieft, ich hätte meine Fassade nicht länger aufrecht halten können und sicher geheult, wie ein kleines Kind. Auch jetzt ist mir nach Heulen zumute. All diese wirren Gefühle und Gedanken toben in mir und ich kann sie nicht ordnen. Unruhig schaue ich mich im Zimmer um. An der Decke tanzen Schatten, die das Kaminfeuer erzeugt. Ich glaube in jedem von ihnen Toni zu sehen, wie er mich tieftraurig anschaut. Von Schuldgefühlen zerfressen beiße ich auf meiner Unterlippe herum. Egal was ich tue, es wird am Ende falsch sein. Selbst fest mit Judy zusammen zu kommen ist keine Option, dann werde ich sie für immer belügen müssen, denn auch wenn sie aufregend und wunderschön ist, wird ihr mein Herz niemals gehören. Das ist ihr gegenüber genauso unfair, wie bei Toni. Ich seufze ergeben, während sich die immer gleichen Gedanken durch mein Hirn fressen. Kein Zukunftsszenario, das ich mir ausmalen kann, endet positiv. Ich fahre mir durch die klammen Haare. Mir ist danach die Flucht zu ergreifen und mich für immer vor der Welt und mir selbst zu verstecken. Ich befreie meinen Arm ganz vorsichtig. Judy dreht sich im Schlaf weg von mir, auf die andere Seite. Erleichtert atme ich aus und stehe auf. So leise wie möglich schleiche ich mich zu dem dunklen Wäscheberg, den ich am Boden zurück gelassen habe. Die Sachen sind noch klitsch nass und voller Sand. So kann ich auf keinen Fall zu Aaron zurückkehren. Ob mein Bruder wohl ein paar Klamotten bei Susen hat? Immerhin wohnt er ja schon fast hier. Ich beschließe nachzusehen und ziehe mir lediglich meine Unterhose an. Noch einmal schaue ich zurück zum Bett. Judy liegt noch genauso im Kissen, wie ich sie zurück ließ. Wenn sie morgen früh aufwacht und ich einfach verschwunden bin, wird das keinen guten Eindruck hinterlassen. Was Aaron dazu sagen wird, will ich mir gar nicht ausmalen. Meinen Plan verwerfe ich, doch länger in diesem Zimmer halte ich es auch nicht aus. Außerdem ist mein Mund trocken und mein Magen knurrt entsetzlich. Es ist bereits der zweite Tag, an dem ich nichts Essbares herunter bekommen habe. Vielleicht sollte ich in Susens Küche gehen und wenigstens etwas trinken. Langsam schleiche ich zur Zimmertür, peinlich darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen. Die Klinke drücke ich vorsichtig und schlüpfe in den Flur. Noch einmal schaue ich zurück. Judy rührt sich nicht, ihr Atem geht gleichmäßig. Um nicht doch noch gehört zu werden, lasse ich die Tür offen und laufe die Wendeltreppe hinab. Auf der letzten Stufe bleibe ich stehen und schaue mich im Dunkeln um. Wo war gleich noch mal die Küche? Ach ja, links gleich neben der Haustür. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss, die Eingangstür öffnet sich. Mir bleibt das Herz stehen. Ein leises Klicken ertönt. Die Deckenlampe flackert auf, sie erhellt das ganze Wohnzimmer. Das grelle Licht lässt mich blinzeln, ich brauche einen Moment bis sich der schemenhafte Umriss vor mir in einen Menschen wandelt. Ich sehe mich einem jungen Mann gegenüber. Er trägt einen großen Blumenstrauß in der Hand, der seinen ganzen linken Arm und eine Gesichtshälfte verdeckt. In der anderen trägt er ein Päckchen mit einer roten Schleife. Er wirft die Tür hinter sich ins Schloss und ruft in den Raum: „Judy! Tut mir Leid, ich bin etwas spät, aber im Kontor war wieder die Hölle los. Ich…“ Sein Blick trifft sich mit meinem. Mir wird schlagartig klar, das muss Judys Verlobter sein? Seine Gesichtszüge entgleisen ihm, von oben bis unten mustert er mich. Dass ich noch immer auf der letzten Stufe der Wendeltreppe stehe und bis auf meine Unterhose nackt bin, erklärt sicher mehr als gut für mich ist. Das obere Stockwerk gehört Judy allein. Ich kann also nur ihr Gast gewesen sein. Ganz schlechtes Timing Enrico… Wäre ich doch nur eine Minute schneller gewesen, dann stände ich jetzt in der Küche. Ich atme durch und straffe meine Haltung. Es ist zu spät um Unschuld vorzutäuschen. Mit festem Blick sage ich: „Judy schläft bereits. Du solltest morgen wiederkommen.“ Sein Mund öffnet sich ein Stück weiter, Blumen und Geschenk lässt er sinken. Alle Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen. „Was? Wer? Wie?“, stammelt er mit fassungsloser Stimme. Er braucht einen Moment sich zu fangen, dann wird er deutlich lauter: „Wer bist du überhaupt?“ „Judys Verlobter!“, kommt mir spontan über die Lippen. Seine Wangen gewinnen an Farbe, die Schlagader an seinem Hals bläht sich auf. Wütend brüllt er: „Ich bin ihr Verlobter!“ „Was du nicht sagst. Dann haben wir wohl jetzt ein Problem miteinander“, sage ich unbeeindruckt und gehe die letzte Stufe hinunter. Sein Blick verfinstert sich zusehends. Ich mache mich auf einen Angriff gefasst. Instinktiv wird meine Haltung aufrechter um größer zu erscheinen, alle Muskeln in meinem Körper spanne ich an. Er ist einen halben Kopf größer als ich und seine Statur deutlich kräftiger. Dem kann ich höchstens mit Schnelligkeit zuvor kommen. Er lässt Blumen und Geschenk fallen, sein Blick geht an mir vorbei die Treppe hinauf. Er setzt sich in Bewegung und kommt auf mich zu gerannt. Ich erwarte seinen Erstschlag, doch er ballt nicht mal die Faust. Anstatt zuzuschlagen schubst er mich beiseite und stürmt die Treppe hinauf. Irritiert schaue ich ihm hinterher. Ist er denn gar nicht sauer auf mich? Immerhin habe ich gerade mit seiner Verlobten geschlafen. Er nimmt gleich zwei Treppen auf einmal und ist in wenigen Atemzügen oben. Die halb geöffnete Tür schlägt er mit Schwung auf. Sie knallt an die gegenüberliegende Wand. „Judy! Ist das dein verdammter Ernst?“ Brüllt er in den Raum hinein. Ich Idiot! Warum habe ich ihn auch so provozieren müssen. Jetzt bekommt sie alles ab. Eilig laufe ich die Treppe hinauf. Als ich das Zimmer Judys erreiche, steht er bereits vor ihrem Bett. Wie vom Donner gerührt schaut Judy ihn an, noch ganz verschlafen sind ihre Augen, die Haare zerzaust, stützt sie sich auf die Arme. Die Decke ist ihr vom Oberkörper gerutscht und hat ihren nackten Oberkörper enthüllt. Ich beschleunige meine Schritte. Der Kerl hebt den Arm, die Hand, mit der er ausholt, zittert. Judy zieht schützend die Arme vors Gesicht. …~*~… Lautes Geschrei weckt Judy aus ihrem wunderschönen Traum. Sie war gerade noch von seine starken Armen gehalten und wurde von ihm geküsst. Wo kommt da auf einmal dieses Gebrüll her? Als sie die Augen öffnet und sich umsieht, steht da ein großer schwarzer Schatten vor ihr. Er brüllt etwas, dass sie nicht sofort versteht, doch seine Haltung ist eindeutig. Der Arm hoch erhoben, das Gesicht zu einer wütenden Fratze verzogen. Der Kerl will sie schlagen! Judy zieht schützend die Arme vors Gesicht. Unwillkürlich löst sich ein Schrei aus ihrer Kehle, hell und angsterfüllt hallt er durch den Raum. Sie wartet auf den Schmerz, wartet auf noch mehr Geschrei, doch nichts passiert. Vorsichtig schaut sie auf. Der dunkle Schatten ist Sam, sein Gesicht ist rot vor Zorn in seinen Augen spiegelt sich der blanke Hass. Den Arm hat er noch immer hoch erhoben, die Hand weit geöffnet, doch er schlägt nicht zu, er kann es nicht - Jemand hält sein Handgelenk fest. „Ein Edelmann schlägt seine Frau nicht! Wenn du dich mit jemanden prügeln willst, dann gefälligst mit mir!“ Enrico steht hinter ihrem Verlobten, Sams Arm dreht er ihm auf den Rücken und zieht ihn von ihrem Bett weg. Hecktisch atmet Judy die Furcht in ihrem Herzen weg. Die erste Gefahr scheint gebannt, doch im selben Moment wird ihr klar, was vor sich geht. Sam hat sie erwischt, er ist schlau genug um eins und eins zusammen zu zählen. Erschrocken über sich selbst, wartet Judy auf das passende Schuldgefühl, doch es stellt sich nicht ein. Stattdessen ist sie erleichtert. Vorbei das Versteckspiel und die Liebe, die sie ihm vorspielen musste. Es ist auch nicht das erste Mal, dass er seine Hand gegen sie erhoben hat und nur die Tatsache, dass sie die Tochter eines Paten ist, hat ihn bisher gestoppt. Doch eben hätte er sich sicher nicht zurückgehalten. Immer schon ist er so leicht aufzubringen gewesen. Sie hat es satt. Judy greift sich ihre Decke, sie wickelt sich darin ein, dann steht sie auf. Hocherhobenen Hauptes geht sie auf die beiden Männer zu. Sam windet sich aus dem Griff Enricos und entfernt sich einige Schritte von ihnen. Wütend sieht er sie nun beide an. Judy bleibt nah bei Enrico stehen, sie nimmt seine Hand. Sams Blick wird noch wütender. „Ist das euer verdammter ernst?“, fragt er aufgebracht. Judy atmet tief durch, sie sammelt ihre Gedanken, dann sagt sie ruhig aber bestimmt: „Ich hätte es dir schon lange sagen müssen Sam, aber ich wusste nicht wie. Du bist immer für mich da gewesen, hast mich selbst begleitet, als ich von daheim weggelaufen bin. Ich habe es wirklich versucht, aber ich kann dich nicht lieben. Das mit uns hat noch nie gepasst.“ „Ach und das mit ihm schon, oder was?“, faucht er. Judy sieht den jungen Mann an ihrer Seite an. Seine Hand greift ihre ganz fest, sein Blick fixiert Sam, bereit noch einmal einzuschreiten, sollte es nötig sein, und das, obwohl sie sich gerade mal einen Abend lang kennen. Ja, sie ist sich sicher. Eine Mischung aus Traurigkeit und Erleichterung ergreift von ihr Besitz. Während sie sich Sam zuwendet, sagt sie mit bitterer Stimme: „Bitte geh einfach! Dann vergesse ich vielleicht, dass du mich dieses Mal wirklich geschlagen hättest!“ Sams Haltung fällt in sich zusammen, Judy kann ganz deutlich in seinen Augen lesen, dass ihm sein Verhalten augenblicklich Leid tut. Er setzt schon an, will sich wie so oft entschuldigen, doch Judy schüttelt mit dem Kopf. „Geh!“, sagt sie und deutet auf die Tür. Die Erkenntnis, die schon so lange in ihr ruhte, ist nun Gewissheit geworden. Ihn will sie auf gar keinen Fall heiraten! Sams Augen bitten sie noch immer um Entschuldigung, doch Judy spürt kein Mitgefühl mehr, wieder schüttelt sie mit dem Kopf. Sam atmet hörbar aus, er wendet sich zum Gehen, sein Blick bleibt an Enrico hängen. Finster, einer Drohung gleich, mustert er ihn. Beide tauschen feindselige Blicke, dann geht Sam. Er verschwindet über die Treppe, kaum einen Moment später knallt die Haustür. Erst jetzt fällt die Anspannung von ihr ab. Sie geht rückwärts laufend zu ihrem Bett und lässt sich darauf sinken. Den Kopf stützt sie mit den Händen und schaut nachdenklich vor sich hin. Ob es wirklich eine gute Idee war, Sam so vor den Kopf zu stoßen? Mal abgesehen von seiner aufbrausenden Art, hat er ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, war ihr stets treuer geben. Nach Rat suchend sieht sie sich um und bleibt an Enrico hängen. Er steht noch immer nah der Tür und schaut die Treppe hinab, als wenn er Sams Rückkehr erwarten würde. Ein bisschen wie ein Wachhund. Judy schmunzelt. „Nur keine Sorge, der kommt so schnell nicht wieder“, sagt sie. „Seltsamer Kerl“, sagt Enrico und wendet sich ihr zu, „Ich hätte schwören können, dein Verlobter würde eher mich, als dich verprügeln. So hätte ich es zumindest gemacht.“ Judy seufzt. „Naja, ich habe ja auch Schuld daran, nicht nur du“, räumt sie ein. „Stimmt schon, aber trotzdem…“ Sie streckt ihre Hand nach ihm aus. „Komm zu mir!“ Enrico geht die wenigen Schritte, die sie trennen, und vor ihr in die Knie. Fest schaut er ihr in die Augen. „Bist du dir sicher, dass du das nicht bereuen wirst?“ Judys Aufmerksamkeit wird von den eisblauen Augen Enricos eingefangen. Er hat sie gerade beschützt, der Sex mit ihm war wundervoll, in seinen Armen konnte sie selig schlafen, sein Lächeln ist bezaubernd. Es ist sicher verrückt nach einer einzigen Nacht, aber…: „Ja ich bin mir sicher!“, sagt sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)