Gleipnir von Flordelis ================================================================================ Prolog: Prolog: Alle warten schon --------------------------------- [LEFT]Leiser Gesang erfüllte den Raum. Es war wieder dieses Lied, das mich schon seit Jahren begleitete. Ich verstand die Worte nicht, sie ergaben keinen Sinn für mich – doch allein die angenehme dunkle Stimme der Sängerin vermittelte mir Vertrauen und ein Gefühl von Zugehörigkeit.[/LEFT] [LEFT]Auf dem Boden liegend, die Augen geschlossen, genoss ich einfach nur diesen Moment, in dem jemand mir sanft durch das Haar strich.[/LEFT] [LEFT]Der Moment endete abrupt, als Schritte den Gesang unterbrachen und dann die Stimme eines Mannes erklang: »Es wird langsam Zeit. Alle warten schon.«[/LEFT] [LEFT]Nur widerwillig öffnete ich meine Augen. Meine Umgebung war unscharf, als blicke ich durch ein beschlagenes Glas. Zumindest konnte ich erkennen, dass der Mann – der Störenfried – groß war und dunkle Kleidung trug. Während die neben mir sitzende Frau helle Kleidung trug, ihr langes schwarzes Haar fiel ihr über die Schultern.[/LEFT] [LEFT]»In Ordnung.« Ihre melodische Stimme klang selbst während sie normal sprach angenehm in meinen Ohren.[/LEFT] [LEFT]Sie stand auf und wollte an dem Mann vorbeigehen, doch er hielt sie auf und deutete auf mich: »Nimm sie mit. Man will sie sehen.«[/LEFT] [LEFT]Die Frau schien etwas zu erwidern, aber plötzlich befand ich mich bereits in einem anderen Raum, an einem Tisch sitzend. Die darauf ausgebreitete Karte entzog sich meinem Blick, indem alle Angaben wie Insekten auseinanderschwärmten, sobald ich sie zu lange ansah.[/LEFT] [LEFT]»Man kann in Träumen nicht lesen«, sagte Sakaki. »Kurios, nicht wahr?«[/LEFT] [LEFT]Ich hielt nach ihm Ausschau, doch zwischen all diesen verschwommenen Gestalten, die diesen Raum bevölkerten, war er nicht auszumachen. Vielleicht war er ja sogar einer von ihnen.[/LEFT] [LEFT]Ein Wirbel von Farben beförderte mich in die Kanalisation, gegenüber La Llorona, deren Kern freigelegt war. Ich bewegte mich von allein, rammte das Aragami meines God Arc in Richtung des Kerns, um diesen zu verschlingen – aber statt dessen riss La Llorona mir meine Waffe aus der Hand. Vollkommen fassungslos beobachtete ich, wie sie den God Arc verschlang, worauf ihr Schwanz nun die Form einer Sense annahm – und diese direkt auf mich zuschoss.[/LEFT] [LEFT]»Willst du unbedingt gefressen werden?!«, fragte Soma, als alles um mich herum sich rot färbte und ich zu Boden stürzte.[/LEFT] [LEFT]Dann lag ich in einem Bett der Krankenstation der Fenrir-Fernost-Abteilung. Soma saß auf einem Stuhl neben mir, die Arme vor der Brust verschränkt. »Du hast wirklich Fieber.«[/LEFT] [LEFT]Ich wollte mich entschuldigen, doch ich konnte nicht einmal meinen Mund öffnen, mein gesamter Körper verweigerte mir seinen Dienst. So konnte ich auch nur zusehen, wie plötzlich eine Gestalt hinter Soma auftauchte. Blitzende Zähne kamen aus der Dunkelheit und rissen ihn fort – Soma verzog nicht einmal eine Miene. Lediglich seine Stimme hallte noch zu mir: »Bist du jetzt stolz auf dich?«[/LEFT] [LEFT]Und bevor ich das wirklich verarbeiten konnte, lag ich wieder im ersten Raum, mit einer Hand, die durch mein Haar strich, und einer Stimme, die für mich sang, bis ich schließlich erwachte.[/LEFT] [LEFT]Wie oft hatte ich genau diesen Traum bereits durchlebt? Aber noch immer ergab er derart wenig Sinn für mich. Das einzige, was ich verstand, war die Tatsache, dass einiges davon Erinnerungen an ein Leben vor Fenrir sein mussten. Sie kehrten verschwommen zu mir zurück als wollte sie mich locken, mich auffordern, sie zu ergründen, und auch wenn ich im Grunde nichts vermisste, war ich bereit dazu – selbst wenn es nur dafür war, diese Träume endlich loszuwerden.[/LEFT] [LEFT]Deswegen sehnte ich jenem Tag entgegen, an dem ich endlich die Krankenstation verlassen durfte, um herauszufinden, woran ich mich nicht mehr erinnerte.[/LEFT] [LEFT]Ich ahnte damals noch nicht, welche Probleme damit für mich beginnen würden.[/LEFT] Kapitel 1: Verfolgst du mich etwa? ---------------------------------- [LEFT]»Mit Gehirnerschütterungen ist nicht zu spaßen.« Sakaki musterte mich durch kaum geöffnete Augen, auf seinen Lippen immer noch dieses Dauerlächeln, das nur in Notzeiten verschwand.[/LEFT] [LEFT]Ich stand in seinem Büro, vor dem großen Schreibtisch, der einmal Johannes von Schicksal als Arbeitsplatz gedient hatte. Manchmal wirkte Sakaki dahinter noch immer verloren, fast als gehöre er da nicht hin, doch bislang konnte sich keiner von uns über ihn als Direktor beschweren. Er achtete auf unsere Gesundheit – und bislang sah es nicht danach aus, als arbeite er intensiv daran, uns alle für irgendetwas zu opfern.[/LEFT] [LEFT]»Und die Infektion«, führte er weiter aus, »sah auch schlimm aus. Auf zukünftigen Missionen musst du wirklich mehr Vorsicht walten lassen. Auch die Erholungspillen können nicht alles auffangen. Und kein God Eater ist unkaputtbar.«[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß«, sagte ich, bemühte mich dabei, nicht zu seufzen, obwohl ich diese Predigt in den letzten Wochen bereits oft genug gehört hatte.[/LEFT] [LEFT]Schließlich hatte ich die Nachwirkungen von allem erlebt, die Übelkeit, die Schwindelanfälle und auch die eigenartigen Träume. Dass alles erst aufgetreten war, nachdem ich nach der Rückkehr von der Mission aus dem Schlaf erwacht war, konnte ich nur als Glück bezeichnen. Wahrscheinlich hatte Soma recht und ich besaß davon mehr als Verstand.[/LEFT] [LEFT]»Ich bin jedenfalls froh, dass du dich so gut erholt hast«, fuhr Sakaki fort. »Du darfst die Basis damit wieder verlassen – aber diese Woche wird es noch keine Missionen für dich geben.«[/LEFT] [LEFT]Im Grunde passte das gut in meine Pläne, doch ich war noch unwillig: »Ist das auch kein Problem für meine Einheit? Ich könnte mich nicht ausruhen, wenn ich wüsste, dass sie mich brauchen.«[/LEFT] [LEFT]Sakaki wischte den Einwand direkt beiseite: »Mach dir darum keine Sorgen. Aktuell sind keine Deusphage aktiv, und die kleinen Aragami sind keine Herausforderung.«[/LEFT] [LEFT]Genau wie Alisa und Kota mir berichtet hatten. Mir war dennoch wichtig gewesen, es auch von Sakaki zu hören. Schließlich war es denkbar, dass die beiden logen, um mich zu beruhigen. Dasselbe galt aber nicht für den Direktor.[/LEFT] [LEFT]»Gut, dann nutze ich die Gelegenheit eben zum Training«, sagte ich. »Natürlich vorsichtig.«[/LEFT] [LEFT]Er nickte. »Sehr gut. Ach ja, falls du dich fragst, wie wir mit der Analyse des Kerns vorankommen, dessen eigensinnige Beschaffung dich fast getötet hätte …«[/LEFT] [LEFT]Diesmal hielt ich mich nicht zurück und seufzte schwer. »Ich habe verstanden, das war echt dumm. Es kommt bestimmt nie wieder vor.«[/LEFT] [LEFT]Sakakis Lächeln schien für einen kurzen Augenblick einen geradezu sadistischen Hauch zu bekommen. Doch ehe ich meinen Unmut darüber verkünden konnte, war er wieder der Alte und fuhr fort: »Die Analyse läuft hervorragend. Es ist ein wirklich interessanter Kern, allerdings bin ich mir noch nicht sicher, ob wir ihn künstlich nachahmen können.«[/LEFT] [LEFT]Dann wäre meine dumme Tat auch noch umsonst gewesen. Super.[/LEFT] [LEFT]»Aber zumindest Verbesserungen für das ein oder andere God Arc könnten möglich sein.«[/LEFT] [LEFT]Ich glaubte, dass er mir zuzwinkerte, aber das war bei ihm nicht sonderlich einfach zu sagen.[/LEFT] [LEFT]Bei Gelegenheit würde ich mit Licca über diese Verbesserungen sprechen, aber eine zu große Änderung würde ich nur ungern mitmachen. Meine Wandlungssense war eine Erinnerung an Shio, die wollte ich nicht einfach aufgeben.[/LEFT] [LEFT]»Verstanden.«[/LEFT] [LEFT]»Ich frage mich ja, was ein Aragami dazu geführt hat, sich so zu entwickeln, dass es andere abstößt.« Sakaki neigte den Kopf zur Seite. Der Wissenschaftler in seinem Inneren musste gerade vor Freude über dieses Mysterium durchdrehen. »Soma hat den Verdacht geäußert, dass es eine fehlerhafte Evolution war, eine sogenannte Sackgasse der Evolution.«[/LEFT] [LEFT]An Soma wollte ich gerade eigentlich nicht denken. Es erinnerte mich nicht nur an meine seltsamen Träume, sondern auch an dessen Vorhaltungen und mein schlechtes Gewissen. Wenigstens konnte ich mich damit trösten, dass er mit der Forschung beschäftigt gewesen war.[/LEFT] [LEFT]»Ich kenne mich nicht sonderlich mit der Wissenschaft aus«, erwiderte ich. »Also …«[/LEFT] [LEFT]Sakaki sah mich an, einen Moment ratlos, als wüsste er gar nicht, warum ich noch da war. Doch plötzlich schien es ihm wieder einzufallen. »Oh ja. Dann entlasse ich dich hiermit in deine Freizeit. Und denk daran, dich ein wenig zu schonen.«[/LEFT] [LEFT]Ich salutierte, ehe ich das Büro verließ. Natürlich wartete niemand auf mich, ich war darauf bedacht gewesen, nicht zu erwähnen, wann ich die Krankenstation verlassen dürfte. Niemand sollte mich aufhalten, wenn ich endlich die Basis verlassen konnte.[/LEFT] [LEFT]Mit dem Aufzug fuhr ich in den Eingangsbereich. Dort standen ein paar God Eater – spontan erkannte ich Kota und auch Kanon – auf der unteren Ebene direkt vor dem großen Bildschirm, der gerade eine Nachrichtensendung übertrug. Damit niemand mich sehen könnte, huschte ich rasch zum anderen Aufzug, der nach draußen führte. Seufzend stellte ich fest, dass er gerade auf einer anderen Etage war, und ich warten müsste.[/LEFT] [LEFT]»... wurde ein weiterer Fenrir-Transporter als vermisst gemeldet«, sagte die Nachrichtensprecherin. »Damit ist dies in diesem Monat bereits der dritte Transporter, der zwischen der Fenrir-Produktionsstätte und der Fernost-Abteilung verschwunden ist. Ein Sprecher erklärte, die Einwirkung von Aragami könne nicht ausgeschlossen werden, doch das Fehlen jeglicher Spuren weise nicht aktiv darauf hin. Die Namen der betroffenen Fahrer wollte Fenrir nicht preisgeben. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.«[/LEFT] [LEFT]Ich rollte mit den Augen. Was, außer einem Aragami, könnte denn einen kompletten Transporter – den dritten sogar schon – verschwinden lassen? Vielleicht war es eine Art, die wir bislang noch nicht kannten und die Löcher im Untergrund schuf – möglicherweise sogar La Llorona. Wir würden es wohl nur erfahren, wenn man uns irgendwann einmal zur Untersuchung hinschickte.[/LEFT] [LEFT]Die Fahrstuhltüren öffneten sich endlich, noch bevor jemand auf mich aufmerksam wurde, aber die Person in der Kabine, die mich mit einem Grinsen begrüßte, ließ meine Laune sinken.[/LEFT] [LEFT]»Na, sieh mal einer an, wer wieder-«[/LEFT] [LEFT]Ich unterbrach ihn rasch, indem ich ihn zurückdrängte, ebenfalls einstieg und den Knopf für eine der unteren Etage drückte. Erst als die Türen sich wieder schlossen, atmete ich auf.[/LEFT] [LEFT]»Versuchst du, inkognito zu bleiben?« Lindow neigte den Kopf ein wenig. »Die anderen freuen sich bestimmt, wenn der Captain wieder fit ist.«[/LEFT] [LEFT]»So richtig fit bin ich noch nicht. Sakaki lässt mich nur die Krankenstation verlassen, und ich habe etwas vor, bevor ich mit allen anderen reden will.«[/LEFT] [LEFT]Nachdem ich das gesagt hatte, bemerkte ich, dass noch eine Person im Aufzug stand. Sie schwieg schmunzelnd, weswegen sie mir nicht aufgefallen war. Aber nun ging ich lächelnd zu ihr hinüber. »Hey, Sakuya~. Wart ihr gerade auf Mission?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, aber es war nicht weiter erwähnenswert. Wir waren sogar nur zu zweit unterwegs.«[/LEFT] [LEFT]»Ein echtes Kinderspiel«, bestätigte Lindow und klopfte sich mit der rechten Hand gegen die Brust.[/LEFT] [LEFT]Für einen kurzen Moment musste ich diesen Aragami-Arm wieder anstarren. Manchmal fiel es mir immer noch schwer zu glauben, dass es mir gelungen war, ihn davon abzuhalten, zu einem vollständigen Aragami zu werden – und dass weder ihn noch Sakuya dieser Arm störte.[/LEFT] [LEFT]Die Tür öffnete sich wieder in einer der unteren Etagen durch die ich in die Stadt kommen könnte. Es sah ein wenig aus wie eine Bahnhofshalle, mit Bänken, die für Wartende gemacht worden waren, allerdings dienten sie eher dem Komfort der Zivilisten als dem der God Eater.[/LEFT] [LEFT]Ich trat hinaus, um die beiden nicht aufzuhalten, doch Lindow lehnte sich zwischen die Türen, so dass sie sich nicht mehr schließen konnten. »Hey, warum hat Soma uns eigentlich nicht gesagt, dass du heute wieder Freilauf bekommst?«[/LEFT] [LEFT]»Weil er es nicht weiß«, antwortete ich. »Ich hab es selbst erst vorhin erfahren.«[/LEFT] [LEFT]Lindow schielte kurz über meine Schulter, dann sah er mich wieder direkt an. »Ist das so? Na dann kümmer dich mal um deinen Kram, Captain. Aber heute Abend wird erst mal gefeiert, dass du deinen letzten Einsatz überlebt hast. Keine Ausreden!«[/LEFT] [LEFT]Ich setzte zum Widerspruch an, doch Sakuya schnitt mir das Wort ab: »Ich koche auch extra was, also lass uns ja nicht hängen.«[/LEFT] [LEFT]Bei so viel Einsatz konnte ich schlecht nein sagen, deswegen stimmte ich dem zu. Erst dann beugte sich Lindow zufrieden zurück. »Also bis später, Captain.«[/LEFT] [LEFT]Er grinste, während Sakuya mir zuwinkte. Die Türen schlossen sich endlich, so dass ich allein war. Wenigstens hatten sie nicht wissen wollen, wo ich hinging.[/LEFT] [LEFT]Ich fuhr herum und durchschritt die Halle, in der sich gerade nur einige Zivilisten aufhielten. Unter anderem entdeckte ich Erina, die kleine Schwester von Eric, der bei einem meiner ersten Einsätze vor meinen Augen von einem Ogerschweif gefressen worden war. Im Moment unterhielt sie sich mit einigen anderen Kindern, von denen manche einfach nur kamen, weil sie God Eater so cool fanden. Mit mächtigen Waffen gegen Aragami zu kämpfen musste für manche von ihnen wie das Wirken eines Superhelden scheinen – aber mir wäre es lieber, sie suchten sich andere Vorbilder. Da ich selbst God Eater war, mochte das eine Doppelmoral widerspiegeln, aber meiner Meinung nach zeigte das nur deutlich, dass ich genau wusste, wovon ich sprach, und dass es kein Job war, den man verherrlichen sollte.[/LEFT] [LEFT]Draußen stand direkt ein Bus an der Station bereit, da es sich um eine Endhaltestelle handelte; er brachte Menschen aus der Stadt in unsere Abteilung und auch wieder zurück. Deswegen fuhren sie häufig genug, um eine komfortable Reisemöglichkeit zu sein. Im Moment saßen auch schon ein paar Personen darin, die in verschiedenen Abteilungen arbeiteten, bei denen nicht erforderlich war, dass sie rund um die Uhr für die Firma verfügbar waren.[/LEFT] [LEFT]Ich ließ mich auf einen der hinteren Sitze sinken und schloss die Augen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich mich vorher bei meinem Zielort gemeldet hätte, aber es erschien mir angemessen, alles von Angesicht zu Angesicht zu erklären. Außerdem erinnerte man sich vielleicht besser an mich, wenn ich persönlich vorbeikam.[/LEFT] [LEFT]Der Bus setzte sich rumpelnd in Bewegung. Aufgrund der Aragami-Angriffe, die es notwendig machten, den Wall zu warten und gegebenenfalls schnell zu reparieren, nahm man sich keine Zeit, hier Straßen zu erbauen. Deswegen fuhren Busse oder Autos auf dem Erdboden, was den Federungen über kurz oder lang arg zusetzte und man gut durchgeschüttelt wurde. Für manche hatte das auch eine einschläfernde Wirkung, mich erinnerte es lediglich an die Schwindelanfälle meiner Gehirnerschütterung, deswegen zog ich es vor, die Augen geschlossen zu halten.[/LEFT] [LEFT]Mir kam der Gedanke, dass ich Soma eine Nachricht hätte hinterlassen können, damit er sich keine Sorgen machte. Am Ende würde er noch glauben, Sakaki habe mich bereits wieder auf Mission geschickt – und ich dürfte mir dann die nächste Standpauke anhören.[/LEFT] [LEFT]»Wann wolltest du mir sagen, dass du aus der Krankenstation raus bist?«[/LEFT] [LEFT]Da, ich hörte schon seine vorwurfsvolle Stimme in meinem Kopf. Jedenfalls glaubte ich das, bis jemand mir einen leichten Stoß gegen die Schulter versetzte. Ich öffnete die Augen – und sah direkt in Somas ernstes Gesicht. Seine gerunzelte Stirn verriet mir, dass ich Ärger erwarten durfte. Dennoch übersprang mein Herz einige Schläge.[/LEFT] [LEFT]»Oh … ähm, ich hätte es dir gesagt, wenn ich wieder zurück bin.«[/LEFT] [LEFT]Er hob eine Augenbraue. Es war offensichtlich, dass er mir nicht glaubte. Ich gab ihm keine Gelegenheit, sich eine weitere Frage auszudenken, weil ich ihm zuvorkam: »Verfolgst du mich etwa?«[/LEFT] [LEFT]Er schnaubte. »Natürlich nicht! Es war reiner Zufall, dass ich dich gesehen habe.«[/LEFT] [LEFT]Ich erinnerte mich an Lindows Blick über meine Schulter, sicher hatte er Soma da bereits entdeckt – und mir nichts gesagt! Verdammter Lindow.[/LEFT] [LEFT]»Und dann musste ich sichergehen, dass du nicht direkt in den Tod rennst.«[/LEFT] [LEFT]Deswegen war er hier. Einerseits empfand ich das als nette Geste, aber andererseits ärgerte es mich auch ein wenig. »Ich habe so viele Missionen erfolgreich bestritten, dann in einer Mist gebaut, und die ist plötzlich die einzige, die du als Maßstab nimmst, um mich zu bewerten?«[/LEFT] [LEFT]»Eric hat auch nur in einer Mission versagt«, erwiderte er tonlos, er ballte eine auf den Knien ruhende Hand zur Faust. »Eine Mission reicht vollkommen, um zu sterben.«[/LEFT] [LEFT]Bedrückt senkte ich den Blick. An ihn hatte ich auch schon gedacht, deswegen tat es mir direkt wieder leid, mich überhaupt beklagt zu haben. Ich entschuldigte mich bei ihm. Er sagte dazu nichts mehr und stellte mir eine andere Frage: »Zurück von wo eigentlich?«[/LEFT] [LEFT]Jeden anderen hätte ich problemlos anlügen oder darauf hinweisen können, dass es ihn nichts anging, aber bei Soma nicht. Bei ihm wollte ich möglichst ehrlich sein, nach allem, was er in der Vergangenheit durchgemacht hatte, deswegen antwortete ich ihm: »Ich besuche eine Klinik in der Stadt. Dort bin ich aufgewacht, bevor ich God Eater wurde.«[/LEFT] [LEFT]In seinen blauen Augen flackerte Verwirrung. »Wenn du dich weiterhin nicht gut fühlst, warum lässt du dich dann nicht in der Basis untersuchen? Da sind sicher bessere Ärzte.«[/LEFT] [LEFT]Das stimmte durchaus. Gute Ärzte waren stets in Fenrir zu finden. Aber das war nicht der Grund meines Besuchs, wie ich ihm gleich erklärte. »Ich habe seit Beginn meiner Arbeit nicht darüber gesprochen, aber eigentlich erinnere ich mich nicht an mein Leben bevor ich God Eater wurde.«[/LEFT] [LEFT]Somas Augen weiteten sich. »Warum hast du das nie jemandem erzählt?«[/LEFT] [LEFT]»Weil es unwichtig war. Für mich jedenfalls. Und ich habe nie etwas vermisst. Für mich war nur das Leben bei Fenrir wichtig.«[/LEFT] [LEFT]Und er, aber das sagte ich lieber nicht laut. So wie ich ihn kannte, würde er das als dumme Idee abtun oder sogar als Scherz sehen. Dabei hatte ich ihm bereits gesagt, dass ich seine Augen für wunderschön hielt (sogar die schönsten der Welt) – das war mein Ernst gewesen, aber er hatte das als wirres Gerede im Delirium eingestuft, wie er mir im Anschluss berichtete.[/LEFT] [LEFT]»Was hat sich jetzt geändert?«, fragte Soma. »Du gehst doch bestimmt nicht nur deswegen hin, um dort in Erinnerungen zu schwelgen, oder?«[/LEFT] [LEFT]In möglichst wenig Worten erzählte ich ihm von den eigenartigen Träumen, die ich seit meinem Sturz in das Loch und dem Fieber hatte. »Ich glaube, das sind Erinnerungen an früher, und ich hoffe, in der Klinik gibt es irgendwelche Hinweise. Vielleicht trug ich irgendetwas bei mir, dem man damals keine Bedeutung beigemessen hat, oder man kann mir sagen, wo genau ich gefunden wurde – und vielleicht gibt es dort dann Hinweise.«[/LEFT] [LEFT]Soma verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum ist es jetzt wichtig?«[/LEFT] [LEFT]Es wirkte ein wenig als schmolle er – das war fast schon niedlich. Am liebsten hätte ich ihn dafür umarmt, aber er hasste solche Gefühlsbekundungen. Darum überging ich das. »Kennst du dieses Gefühl, wenn du glaubst, etwas ganz Wichtiges vergessen zu haben? So geht es mir dabei. Ich möchte einfach nur herausfinden, worum es sich handelt.«[/LEFT] [LEFT]»Verstehe.«[/LEFT] [LEFT]Dennoch wirkte Soma weiterhin verstimmt, als hätte ich irgendetwas gesagt, um ihn zu verletzen. Vorsichtig stieß ich mit meiner Schulter gegen seine und blieb derart angeschmiegt sitzen, er wehrte sich auch nicht dagegen, das war das höchste Maß an Körperkontakt, das er zuließ.[/LEFT] [LEFT]»Es ist okay, wenn dir der Gedanke nicht gefällt. Das tut mir auch leid. Aber ich tue es wirklich nur um sicherzugehen.«[/LEFT] [LEFT]»Das hat nichts mit mir zu tun«, erwiderte er schroff. »Tu, was du nicht lassen kannst – aber ich werde dir folgen, damit du nicht doch noch von etwas gefressen wirst.«[/LEFT] [LEFT]»Mitten in der Stadt?«[/LEFT] [LEFT]Er warf mir einen Seitenblick zu, den ich nur aus den Augenwinkeln wahrnahm. »Dir würde ich zutrauen, sogar in der Basis selbst gefressen zu werden.«[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte. Auch wenn er es nie zugeben würde, aber das war eben seine Art, zu zeigen, dass er sich um mich sorgte. Ich mochte das irgendwie, denn so kannte ich ihn – aber manchmal wäre es vielleicht doch ganz schön, es von ihm direkt zu hören.[/LEFT] [LEFT]Ein kurzer Blick nach draußen zeigte mir, dass wir bereits in der Nähe der Klinik waren. Als der Bus hielt, stand ich wortlos auf, Soma folgte mir.[/LEFT] [LEFT]Die Fernost-Abteilung war der Mittelpunkt einer großen Siedlung, die von einem Anti-Aragami-Wall geschützt war. Aufgrund der Umstände war keines der Häuser ein Neubau, sondern lediglich die reparierte Form eines Gebäudes, das zuvor in Mitleidenschaft gezogen worden war; manchmal musste es reines Glück gewesen sein, dass es den Angriff überstanden hatte, denn manchmal entdeckte man dazwischen ausgebrannte Ruinen. Immerhin war es aber besser als die aus Schrott zusammengebastelten Häuser, die im äußeren Ghetto für die arme Bevölkerung üblich waren.[/LEFT] [LEFT]Die Klinik befand sich in einem Gebäude, das früher einmal demselben Zweck gedient haben musste. Im Gegensatz zu den Häusern in der Umgebung sah dieses hier sogar noch ziemlich gut aus, lediglich etwas Putz war abgeblättert, und einige Ziegel waren ersetzt worden, so dass sie nun wie dunkle Flecken zwischen den üblichen roten herausstachen.[/LEFT] [LEFT]An der Tür blieb ich noch einmal stehen und wandte mich Soma zu. »Du kommst auch mit rein, oder?«[/LEFT] [LEFT]Ich traute ihm zu, draußen warten zu wollen, wenn er glaubte, ich benötigte Privatsphäre. Doch zu meiner Überraschung runzelte er wieder die Stirn. »Natürlich. Ich sagte doch, ich folge dir.«[/LEFT] [LEFT]Dachte er wirklich, in einer gesicherten Umgebung würde sich auf einmal ein Aragami auf mich stürzen? Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass er nicht einmal seinen God Arc mit sich führte. Aber ich bezweifelte, dass es hilfreich wäre, ihn darauf hinzuweisen. Also nickte ich nur und betrat die Klinik. Schon der Geruch der Rezeption erinnerte mich wieder an die Zeit, als ich das erste Mal aufgewacht war, verwirrt und allein, mit einem eigenartigen roten Zeichen auf meinem Arm, das mich als kompatibel für God Arcs auszeichnete.[/LEFT] [LEFT]Hinter der weißen Theke stand eine junge Frau, die mich freundlich anlächelte. »Hallo. Wie kann ich Ihnen helfen?«[/LEFT] [LEFT]Bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, hörte ich bereits eine weitere Stimme hinter mir: »Frea, Liebes! Was führt dich denn wieder hierher?«[/LEFT] [LEFT]Ich wandte mich der anderen Person zu und lächelte unwillkürlich. Es war eine ältere Frau, deren graues Haar wie üblich zu einem Knoten hochfrisiert worden war. Ihr Lächeln ließ selbst ihre dunklen Augen aufleuchten. »Wie schön, dass du uns besuchen kommst. Wir haben schon gehört, dass du ein sehr erfolgreicher God Eater geworden bist und dachten, du hättest deswegen keine Zeit mehr für uns.«[/LEFT] [LEFT]Die Frau hinter der Theke sah aufgeregt zwischen uns hin und her. Offenbar hatte man tatsächlich über mich geredet. Ob es andere God Eater gab, die von hier aus gestartet waren?[/LEFT] [LEFT]»Hallo, Kaori«, sagte ich. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, bis ich mal wieder vorbeikam. Ich war ziemlich beschäftigt.«[/LEFT] [LEFT]Kaori winkte rasch ab. »Ach, Liebes, mach dir da keine Gedanken, wir verstehen das. Hättest du Lust auf eine Tasse Tee? Möchte dein Freund vielleicht auch eine?«[/LEFT] [LEFT]Ich sah zu Soma, der mit den Schultern zuckte. Also blieb mir die Antwort überlassen: »Sicher, wir hätten gerne beide etwas Tee.«[/LEFT] [LEFT]Kaori führte uns in ein kleines gemütliches Büro, in dem sogar ein kleines Sofa stand, auf dem wir Platz nahmen. Aus einer Schublade förderte sie eine Packung mit Crackern aus der Rationszuteilung zutage, die sie für uns auf den Tisch legte. Ich knabberte an einem, um zu zeigen, dass ich die Mühe zu schätzen wusste. Während sie den Wasserkocher aufsetzte, stellte ich Soma vor, erklärte, weswegen er hier war, dann erzählte ich ihr ein wenig von dem Leben in der Basis und wie man als God Eater arbeitete. Soma saß neben mir, die Arme die ganze Zeit vor der Brust verschränkt, den Kopf leicht gesenkt.[/LEFT] [LEFT]»Das klingt ziemlich gefährlich«, kommentierte Kaori, als sie das Tee-Geschirr auf den Tisch stellte. »Wie schaffst du das alles nur?«[/LEFT] [LEFT]»Ich möchte helfen – und meine Freunde beschützen. Dafür ist das eben notwendig. Also tue ich es, ohne darüber nachzudenken.« Zu meinem Glück war ich bislang auch von irgendwelchen Folgen verschont geblieben, wenn ich von den Schuldgefühlen bezüglich Erics Tod absah.[/LEFT] [LEFT]Kaori seufzte schwer. »Das ist wirklich besorgniserregend.«[/LEFT] [LEFT]Als sie sich abwandte, warf Soma mir einen triumphierenden Blick zu. Ich hob ein wenig die Schultern und lächelte entschuldigend. Er senkte den Kopf wieder.[/LEFT] [LEFT]Nachdem der Tee fertig und eingeschenkt war, ließ Kaori sich auf einen Sessel uns gegenüber sinken. Soma und ich bedankten uns, wobei es bei ihm nur ein sehr leises und mürrisches »Danke« war. Kaori blieb auf mich konzentriert. »Also, Frea, du bist bestimmt nicht nur gekommen, um mir zu erzählen, wie du deine Arbeit findest, oder?«[/LEFT] [LEFT]Gut, so blieb mir ein unangenehmer Themenwechsel erspart und ich konnte direkt auf den Punkt kommen: »Genau genommen wollte ich dir Fragen zu meinen Umständen damals stellen.«[/LEFT] [LEFT]»Nur zu. Ich werde dir sagen, was ich noch weiß.«[/LEFT] [LEFT]Ich dachte an den damaligen Tag zurück, wie ich aufgewacht war, mich an nichts erinnern konnte – und dann verschwamm alles in einem Strudel von neuen Informationen und Änderungen, die mein neues Leben bilden sollten. Die einzige Konstante darin war Kaoris liebevolle Pflege gewesen, dank der ich mich schnell hatte erholen können.[/LEFT] [LEFT]Ich beschloss, am Anfang zu beginnen: »Wie kam ich hierher?«[/LEFT] [LEFT]»Wachmänner von Fenrir brachten dich zu uns. Sie sagten, sie hätten dich bewusstlos am Wall gefunden, nachdem mehrere Explosionen zu hören gewesen waren. Anscheinend lagst du in einer Blutlache zwischen toten Aragami.«[/LEFT] [LEFT]Soma sah mich wieder an. »Wie kann das sein?«[/LEFT] [LEFT]Ich zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, ich erinnere mich nicht. Aber ich hatte diesen Armreif früher nicht, also kann es kein God Arc gewesen sein.«[/LEFT] [LEFT]Dabei blickte ich auf den roten Reif an meinem rechten Handgelenk, der mich als God Eater auswies und mir erlaubte, einen God Arc zu führen. Die Technologie gehörte Fenrir, man konnte sie außerhalb des Walls oder ohne die Firma nicht erlangen.[/LEFT] [LEFT]»Die Wachen machten einen Test«, fuhr Kaori fort, »und erkannten, dass du kompatibel bist, nur deswegen brachten sie dich hierher.«[/LEFT] [LEFT]Zu Beginn mochte es anders gewesen sein, doch inzwischen waren nur noch Beschäftigte bei Fenrir und deren Blutsverwandte innerhalb des Walls erlaubt. Auch wenn es im Hinblick auf die begrenzten Vorräte logisch erschien, war es aus humanistischer Sicht grausam, Flüchtlinge abzuweisen. Ich machte mir selten Gedanken darum, weil es bedrückend war, stattdessen konzentrierte ich mich lieber darauf, mit dem, was ich konnte, für alle eine bessere Welt zu erschaffen.[/LEFT] [LEFT]»Mehr weiß keiner von uns.« Kaori trank einen Schluck Tee, um das Ende ihrer Worte zu unterstreichen.[/LEFT] [LEFT]Sogar Soma griff nun nach seiner Tasse. An seinem Gesicht erkannte ich, dass er bereits ins Grübeln gekommen war. Leider konnte ich ihm dabei nicht helfen, denn ich besaß keine Antwort für die toten Aragami, schließlich erinnerte ich mich nicht einmal an diese. Wie an so vieles nicht.[/LEFT] [LEFT]»Was ist mit meinem Namen?«, fragte ich weiter. »Trug ich etwas bei mir, das darauf hinwies?«[/LEFT] [LEFT]Kaori lächelte nachsichtig. »Das war kurz nach deinem Erwachen, deswegen erinnerst du dich wohl nicht. Als wir dich fragten, hast du dich nicht gewusst, wer du bist, deswegen haben wir dich vorläufig benannt.«[/LEFT] [LEFT]Also brachte mich das schon einmal nicht weiter. Dennoch freute es mich, dass man sich die Mühe dafür gemacht hatte. Meine Zuneigung für Kaori wuchs weiter an, genau wie mein schlechtes Gewissen, dass ich so lange nicht zu Besuch gekommen war.[/LEFT] [LEFT]»Frea ist ein ungewöhnlicher Name«, bemerkte Soma plötzlich. »Wie kamt ihr darauf?«[/LEFT] [LEFT]»Nun, Fenrir ist eine Gestalt der nordischen Mythologie, also dachten wir, es wäre nett, wenn wir einem zukünftigen God Eater auch einen solchen Namen geben – und das war derjenige, der uns am besten gefallen hat.«[/LEFT] [LEFT]Und er war kurz genug, dass bislang jeder ihn sich hatte merken können – und ich benötigte keinen speziellen Codenamen für die Kommunikation auf dem Schlachtfeld. Das war nun aber auch keine Hilfe, vielmehr sah es bislang so aus als ob ich in einer Sackgasse gelandet wäre.[/LEFT] [LEFT]Meine Enttäuschung und Frustration musste mir anzusehen sein, denn plötzlich legte Kaori eine Hand an ihr Kinn und blickte nachdenklich an die Decke. »Hmm, da fällt mir ein, dass ich dir schon eine Weile etwas geben wollte.«[/LEFT] [LEFT]Sie stand auf und kehrte an den Schrank in der Ecke zurück, um darin nach etwas zu suchen. »Du wurdest so plötzlich abgeholt und zur Basis gebracht, dass wir ganz vergessen haben, dir deine Sachen zu geben.«[/LEFT] [LEFT]Stimmt, als ich aufwachte war meine Kleidung bereits Eigentum von Fenrir gewesen; erst der Pyjama der Klinik, dann die Uniform der God Eater. Mir war dabei nie in den Sinn gekommen, dass ich davor auch schon etwas getragen haben musste.[/LEFT] [LEFT]»Wir wollten dich dann in deinem neuen Leben nicht mit alten Dingen belasten, solange sie dich nicht zu interessieren scheinen. Aber wenn du jetzt schon wieder da bist …«[/LEFT] [LEFT]Endlich fand sie das Gesuchte, zog es aus dem Schrank und legte es vorsichtig auf dem Tisch ab. Ich beugte mich vor. Die sorgsam zusammengefaltete Kleidung bestand aus einem einfachen schwarzen Oberteil und den dazu passenden Hosen, offensichtlich waren sie mindestens einmal geflickt worden, dennoch: nichts daran gab mir einen Hinweis. Anders sah es da mit etwas anderem aus, das dabei lag: an einer einfachen Kette hing ein kleiner runder Anhänger. Darauf war ein Wappen geprägt, das Wurzeln zeigte, die etwas in sich einschlossen. Jedenfalls sah es für mich auf den ersten Blick so aus. Die Rückseite zeigte eine Karte von Japan, zwei Zahlenfolgen bildeten eine kreisförmige Inschrift.[/LEFT] [LEFT]»Hilft dir das weiter?«, fragte Soma. Er hatte sich ein wenig zu mir gebeugt, um sich den Anhänger ebenfalls anzusehen.[/LEFT] [LEFT]»Gerade noch nicht. Aber vielleicht trägt es dazu bei, wenn ich es eine Weile behalte.«[/LEFT] [LEFT]Das schien nun erst einmal meine einzige Hoffnung zu sein. Vielleicht fiel mir sogar wieder ein, was die Zahlen zu bedeuten hatten.[/LEFT] [LEFT]»Das sind alles deine Sachen«, sagte Kaori, »also nimm sie ruhig alle mit dir. Ich hoffe, sie werden dir helfen, besonders nachdem du so viel für Fenrir und die Menschheit getan hast.«[/LEFT] [LEFT]»Ich habe nur meinen Job gemacht«, erwiderte ich.[/LEFT] [LEFT]Eigentlich war es der kleinen Shio zu verdanken, dass wir überhaupt noch lebten. Ich hatte nur ein wenig nachgeholfen, und das auch nur mit Hilfe der anderen God Eater, insbesondere Soma.[/LEFT] [LEFT]»Nun, in den Nachrichten sah das ganz anders aus.«[/LEFT] [LEFT]Ich schüttelte lächelnd mit dem Kopf. »Ohne die anderen wäre ich wahrscheinlich nicht einmal mehr hier, das Hauptquartier übertreibt nur.«[/LEFT] [LEFT]Was nicht das erste Mal war, wie Lindow mir versichert hatte. Ihn hatten sie in der Vergangenheit auch mit Lobhudeleien überschüttet, da half nur, das zu ignorieren und sich auf den Job zu konzentrieren.[/LEFT] [LEFT]Soma stieß ein fast lautloses spöttisches Lachen aus, das ich nur bemerkte, weil seine Schultern zuckten. Er warf mir ein halbes Lächeln zu, das ich genauso erwiderte. Dann sah er sofort wieder auf den Boden und kehrte in seine passive Rolle zurück.[/LEFT] [LEFT]Ich sah wieder Kaori an. »Jetzt habe ich so viel von mir erzählt, da bist du mal dran. Was hat sich bislang so ereignet, während ich nicht mehr hier war?«[/LEFT] [LEFT]Sie lächelte mir sanft entgegen, genau wie damals, als ich sie nach dem Aufwachen das erste Mal gesehen hatte. »Oh, weißt du, hier passiert nicht mehr sehr viel. Aber vor einer Weile haben wir hier tatsächlich das erste Mal seit Monaten mal wieder eine Entbindung miterlebt. Und das war eine ziemlich lustige Sache, denn zu unserer Überraschung kamen zwei Männer als potentielle Väter dazu, und die erfuhren hier das erste Mal voneinander. Daraufhin hat die werdende Mutter …«[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Fast eine Stunde (und eine Geschichte über eine neue Männerfreundschaft) später waren Soma und ich bereits auf dem Weg zurück zur Basis. Kaori hatte mir eine Tasche für die Sachen gegeben, die ich nun locker an meiner Seite trug, während wir zur Bushaltestelle liefen.[/LEFT] [LEFT]Noch immer war ich mir nicht sicher, was mir dieser Besuch genutzt hatte. Die Kleidung war nichtssagend, der Anhänger vielleicht nur einfacher Schmuck. Die Umstände meines Auffindens waren fragwürdig und vage. Ich verstand nichts davon. Und anscheinend ging es nicht nur mir so.[/LEFT] [LEFT]Seit seiner einsilbigen Verabschiedung hatte Soma kein Wort mehr gesagt. Bei einem Seitenblick stellte ich fest, dass seine Stirn gerunzelt war. Ich schmunzelte. »Einen Fenrir-Credit für deine Gedanken~.«[/LEFT] [LEFT]»Du würdest dich nur ärgern, dass du dein Geld verschwendet hast.«[/LEFT] [LEFT]»Das beurteile ich selbst.« Ich lächelte ihn an. »Immerhin hast du aber wieder etwas gesagt. Also, was beschäftigt dich?«[/LEFT] [LEFT]Er deutete ein Kopfschütteln an. »Es ist nicht weiter wichtig. Aber du lässt sowieso nicht locker, bis ich dir antworte, oder?«[/LEFT] [LEFT]»Du kennst mich zu gut~.« Außerdem würde ich es ja nicht tun, wenn ich nicht wüsste, dass er sich danach stets besser fühlte.[/LEFT] [LEFT]»Ich denke nur immer noch darüber nach, wie du zwischen toten Aragami gefunden werden konntest. Und ob es mit den Explosionen zusammenhängt.«[/LEFT] [LEFT]Mir erschloss sich das auch noch nicht so wirklich. Aber ich wollte Soma ein wenig von den schweren Gedanken ablenken, weswegen ich grinsend eine Vermutung äußerte: »Vielleicht bin ich Kanon begegnet, sie hat die Aragami und mich ausgeknockt und ist dann panisch abgehauen.«[/LEFT] [LEFT]Er dankte mir diesen Scherz mit einem Lächeln. »Das ergibt erschreckend viel Sinn.«[/LEFT] [LEFT]Nachdem ich ihn derart beruhigt hatte, versuchte ich es mit einer weiteren vernünftigen Aussage: »Ich werde Hibari darum bitten, zu recherchieren, was in Fenrirs Akten zu meinem Auffinden steht. Vielleicht wissen wir ein wenig mehr, wenn die Details klarer sind.«[/LEFT] [LEFT]Nachdem er sich das hatte durch den Kopf gehen lassen, nickte er. »Ja, vielleicht.«[/LEFT] [LEFT]Damit schwieg er wieder, genau wie ich.[/LEFT] [LEFT]Selbst wenn der Tag für Informationen über meine Vergangenheit nicht gut verlaufen war, hatte es sich dennoch gelohnt, Zeit mit Soma zu verbringen.[/LEFT] [LEFT]Als die Haltestelle in Sicht kam, fiel mir auch noch etwas ein: »Ach ja, Soma, hast du vielleicht Lust, heute Abend mit Lindow, Sakuya und mir zu feiern?«[/LEFT] [LEFT]Er runzelte die Stirn. »Sehe ich aus als wäre ich wahnsinnig?«[/LEFT] [LEFT]»Ein bisschen?«[/LEFT] [LEFT]Dafür antwortete er mir mit einem Schnauben. Ich lächelte entschuldigend. Er schüttelte darauf mit dem Kopf. »Ich hab jedenfalls kein Interesse daran – und ich denke, ich kann es den beiden überlassen, auf dich aufzupassen.«[/LEFT] [LEFT]»Darf ich ihnen das sagen?«[/LEFT] [LEFT]»Sie wissen schon, dass ich viel von ihren Fähigkeiten halte.«[/LEFT] [LEFT]Ich lachte. »Nein, ich meinte, dass du auf mich aufpassen willst.«[/LEFT] [LEFT]Mit einem genervten Stöhnen zog er die Kapuze tiefer in sein Gesicht, so dass ich es nicht mehr sehen konnte. »Manchmal frage ich mich, warum ich mir überhaupt eine solche Mühe mache.«[/LEFT] [LEFT]»Weil du mich magst~«, erwiderte ich. »Oder weil ich dein Captain bin.«[/LEFT] [LEFT]»Ja«, sagte er nach kurzem Zögern, »das wird es wohl sein.«[/LEFT] [LEFT]Danach schwieg er wirklich für den restlichen Weg zur Basis – und ich war kein bisschen schlauer als vorher, was seine Beweggründe anging.[/LEFT] Kapitel 2: Hast du uns belauscht? --------------------------------- [LEFT]Soma blieb seinem Wort treu und tauchte nicht bei der kleinen Party auf. So waren es nur Lindow, Sakuya und ich – und Kota und Alisa. Es war Lindow (oder Sakuya) anscheinend ein Bedürfnis gewesen, sie auch einzuladen, da sie an meiner letzten Mission beteiligt gewesen waren. Mich störte das nicht, dadurch hatten wir noch ein wenig mehr Leben in Sakuyas Zimmer, das sie sich inzwischen mit ihrem Mann Lindow teilte – und es hinderte sie beide daran, mich wegen Soma oder sonstigen Dingen auszufragen. Während Sakuya und Alisa sich dem Essen widmeten, hatte Lindow meiner Erzählung gelauscht, dass ich Soma auf dem Weg in die Stadt begegnet war und zu meinem Schutz von ihm verfolgt worden war, und schmunzelte nun. »Ooooh~. Dann hat er dich also gesehen, wer hätte das gedacht?«[/LEFT] [LEFT]Anklagend deutete ich auf ihn. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass er da ist? Dann hätte ich mich besser rausgeschlichen!«[/LEFT] [LEFT]Der neben Lindow sitzende Kota neigte den Kopf. »Glaubst du, das wäre möglich gewesen?«[/LEFT] [LEFT]Alisa und Sakuya standen an der kleinen Küchenzeile, um zu kochen (wobei Sakuya kochte, während Alisa danebenstand und ihr hochkonzentriert dabei zusah), so dass keine der beiden mich unterstützen konnte, ich musste meinen Kampf allein ausfechten.[/LEFT] [LEFT]»Wahrscheinlich nicht«, gab ich entmutigt zu. »Aber ich hätte es versuchen können.«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht hätte ich gewartet, bis eine Gruppe von Besuchern oder Angestellten hinausgegangen wäre, um mich unter diese zu mischen. So wie ich ihn kannte, wäre Soma darauf aber nicht hereingefallen.[/LEFT] [LEFT]Lindow öffnete bereits seine zweite Dose Bier, trank aber noch nicht. »War es denn schlimm, dass du ihm begegnet bist?«[/LEFT] [LEFT]»Na ja …« Eigentlich war es sehr schön gewesen, Zeit mit Soma zu verbringen und ihm auch etwas von mir erzählen zu können, aber es ging ums Prinzip. »Nein, aber es wäre nett gewesen, wenn du mir zumindest einen kleinen Hinweis gegeben hättest, damit ich vorbereitet bin.«[/LEFT] [LEFT]»Ich dachte eben, ein wenig Spontanität kann nicht schaden.« Grinsend hob Lindow endlich seine Bierdose und trank davon.[/LEFT] [LEFT]Auf mein Schnauben hin übernahm Kota das Gespräch: »Warum solltest du vorbereitet sein wollen?Es ist eigenartig, dass Soma irgendwem aus der Basis hinaus folgt, aber es ist doch nicht schlimm.«[/LEFT] [LEFT]Ich wollte Kota nicht erklären, warum ich gern darauf vorbereitet war, Soma gegenüberzustehen, deswegen griff ich zur ersten Ausrede, die mir einfiel: »Ich habe die letzten Wochen viele Standpauken von ihm erhalten, da konnte ich auf weitere verzichten.«[/LEFT] [LEFT]Was in gewisser Weise stimmte, also war es nicht vollends gelogen.[/LEFT] [LEFT]»Du solltest dir Somas Vorwürfe nicht zu Herzen nehmen, Frea«, fuhr Kota fort. »Ich glaube, sein alter Spitzname hängt ihm noch nach. Natürlich will er da nicht, dass wieder jemand in seiner Gruppe stirbt.«[/LEFT] [LEFT]Das war verständlich, sogar für mich. Deswegen nahm ich ihm das auch nicht übel, außerdem entsprach es der Wahrheit, dass ich Soma ebenfalls einen Vortrag über Verantwortung gehalten hatte, als er einmal schwer verletzt worden war. Aber das war nicht der Punkt.[/LEFT] [LEFT]»Es stört mich auch nicht, dass er mir überhaupt Vorwürfe macht. Schließlich habe ich wirklich blöd gehandelt.« Und das vermutlich nur für ein verbessertes God Arc, statt die Menschheit voranzubringen.[/LEFT] [LEFT]Kota schien weiterhin verwirrt. »Worum geht es dann? Ich meine, Soma wäre sicher auch wütend geworden, wenn Alisa oder ich sich so verhalten hätten.«[/LEFT] [LEFT]Das besserte meine Laune nicht wirklich. Ich runzelte meine Stirn, sagte aber nichts mehr. Das übernahm Lindow aber auch für mich: »Das verstehst du einfach nicht, Kota.«[/LEFT] [LEFT]»Warum erklärst du es mir nicht, wenn du es so viel besser verstehst?«[/LEFT] [LEFT]Diesmal grinste Lindow so breit, dass seine Eckzähne hervorblitzten. »Wo bliebe da der Spaß?«[/LEFT] [LEFT]Bevor das Gespräch noch peinlicher werden konnte, kamen Alisa und Sakuya zu meiner Rettung und stellten sich neben den Tisch. Alisa schüttelte mit dem Kopf. »Müsst ihr wirklich über dieses Thema reden?«[/LEFT] [LEFT]»Ja«, bekräftigte Sakuya sie, »wir wollten doch feiern, dass unser Captain noch lebt, nicht irgendwelche Gerüchte in die Welt setzen.«[/LEFT] [LEFT]Bei diesen Worten bedachte sie Lindow mit einem vielsagenden Blick auf den er nur schmunzelnd die Schultern zuckte. Kota bemerkte das zwar, aber sein Gesicht blieb verwirrt, was mir nur recht war; ich konnte darauf verzichten, dass der Rest der Basis auch noch über mein Gefühlsleben theoretisierte.[/LEFT] [LEFT]»Dann sollten wir einen Toast auf Frea sprechen«, schlug Alisa vor, sie hob bereits ein Glas.[/LEFT] [LEFT]Wir machten es ihr nach, wobei Lindow seine Bierdose benutzte. Glücklicherweise übernahm Sakuya den Toast: »Auf unsere Captain Frea-«[/LEFT] [LEFT]»-die Aragami niedermetzelt und von ihnen niedergeknüppelt wird«, warf Lindow ein.[/LEFT] [LEFT]»-die Glück und Können vereint«, fuhr Sakuya unbeirrt fort, »und uns allen hoffentlich noch lange erhalten bleibt.«[/LEFT] [LEFT]»Auf Frea!«, stimmten Kota und Alisa zu.[/LEFT] [LEFT]Die Gläser klirrten leise, als wir zusammen anstießen – die Bierdose gab einen hohlen Ton von sich –, dann tranken wir alle einen Schluck. Wieder einmal wurde mir bewusst, wie angenehm es war, Teil einer Gemeinschaft zu sein, selbst wenn es manchmal zu kleineren Reibereien führte. Dadurch kam ich nicht umhin, mich zu fragen, wie mein Leben damals gewesen war. Laut meinen Träumen hatte es auch an meinem alten Wohnort eine Gemeinschaft gegeben, aber wie war sie gewesen? Aus welchen Personen zusammengesetzt? Hatte ich mich dort auch so wohlgefühlt? Oder war ich wegen ihnen zur Fenrir-Fernost-Abteilung gekommen?[/LEFT] [LEFT]Es gab so viele Dinge, die ich nicht mehr wusste, mich aber dennoch interessierten. Nicht weil ich hier weg wollte (wie Soma vielleicht befürchtete), sondern um mehr über mich selbst und meine bisherige Entwicklung zu erfahren. Bei der nächsten Gelegenheit sollte ich ihm das erklären.[/LEFT] [LEFT]Sakuya riss mich schließlich aus meinen Überlegungen: »Okay, ich hoffe, ihr habt Hunger, Leute, das Essen ist nämlich so gut wie fertig.«[/LEFT] [LEFT]»Ich bin schon so gespannt, wie es schmecken wird«, sagte Kota. »Die Rationen von Fenrir sind jedenfalls nicht sehr lecker.«[/LEFT] [LEFT]»Aber glaub bloß nicht, du kannst dich hier jederzeit einladen«, drohte Lindow scherzhaft, »das hier ist kein Restaurant.«[/LEFT] [LEFT]Sakuya schlug ihm sacht gegen die Schulter. »Sagt gerade derjenige, der hier keinen Finger rührt.«[/LEFT] [LEFT]Die beiden lachten sich gegenseitig an, was so ansteckend war, dass auch Kota und Alisa miteinstimmten. Ich dagegen lächelte nur andächtig, während in meinem Inneren eine Sehnsucht nach genau dieser Art von Intimität erwachte. Eines Tages, so hoffte ich, würde ich auch eine solche Beziehung mit jemandem führen – und das würde, wenn es nach mir ginge, mit Soma sein, selbst wenn vorher erst noch ein Wunder geschehen müsste.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Nach dem – wie Lindow versprochen hatte – köstlichen Essen von Sakuya (wie auch immer es ihr gelang, aus den zugeteilten Lebensmitteln so gute Pasta zu kreieren, sie musste eine Zauberin sein) saßen wir alle einfach nur am Tisch und unterhielten uns über die unterschiedlichsten Themen. Angefangen mit dem alten Alltag von Lindow und Sakuya in ihrer Heimat, über Kotas Familie und Alisas Erzählungen über das Leben in Russland, kamen wir natürlich auch auf Aragami zu sprechen. Wir redeten über die Arten, die wir kannten, Arten, die vielleicht nur einige von uns gesehen hatten, und Arten, die es laut Berichten aus anderen Ländern ebenfalls gab.[/LEFT] [LEFT]So verflog die Zeit in der wir mehr und mehr tranken, auch Lindow, der um Mitternacht herum schließlich Probleme damit zeigte, sich wachzuhalten. Auch seine Zunge war, zu meiner Überraschung, immer träger geworden, so dass er irgendwann nur noch nickte, während jemand ihm etwas erzählte. Hauptsächlich übernahm Kota dies, der uns lebhaft Details über seine Lieblingsserie schilderte.[/LEFT] [LEFT]Um ein Uhr schlief Alisa fast vornübergebeugt auf dem Tisch ein, was Sakuya zu dem Entschluss führte, die kleine Feier zu beenden. Einerseits freute mich das, weil ich ebenfalls müde zu werden begann, andererseits fand ich es auch schade, denn selbst zu dieser Zeit genoss ich das Zusammensein mit den anderen.[/LEFT] [LEFT]Kota versprach, Alisa sicher in ihr Zimmer zu bringen, als Sakuya die beiden hinausscheuchte, mich aber davon abhielt, ebenfalls zu gehen. So saß ich noch immer am Tisch, als die Tür sich hinter den beiden schloss. Mit einem zufriedenen Seufzen ließ Sakuya sich auf den Platz mir gegenüber sinken. »Wir sind jetzt erst einmal allein.«[/LEFT] [LEFT]Lindow war seit über zehn Minuten im Bad, dem leise hallenden Schnarchen nach zu urteilen, das von dort erklang, war er wohl eingeschlafen. Da Sakuya sich keine Sorgen machte, ging ich davon aus, dass das öfter geschah.[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte. »Willst du mich dazu überreden, mit dir durchzubrennen?«[/LEFT] [LEFT]»Awww, hättest du mich doch vor meiner Hochzeit gefragt, vielleicht wäre etwas daraus geworden.«[/LEFT] [LEFT]Wir lachten beide für einen kurzen Moment, dann wurden wir wieder ernst genug, damit sie weiterreden konnte: »Was hast du heute eigentlich in der Stadt gemacht?«[/LEFT] [LEFT]Es überraschte mich, dass sie mich erst jetzt danach fragte. Ihr wollte ich nicht die gesamte Geschichte in allen Details erzählen, deswegen blieb ich bei einer einfachen Version: »Ich habe nur ein paar Leute besucht, die ich kannte, bevor ich in die Basis kam. Das wurde einmal Zeit.«[/LEFT] [LEFT]»Und Soma war immer dabei?«[/LEFT] [LEFT]»Da er befürchtete, dass ich von einem Aragami gefressen werde, ja.«[/LEFT] [LEFT]Sakuya schüttelte lächelnd den Kopf über diese Aussage. »Lindow und ich kennen Soma schon ein wenig länger als ihr alle.«[/LEFT] [LEFT]»Kunststück«, murmelte ich.[/LEFT] [LEFT]Sie überging das galant: »Deswegen kann ich dir mit Sicherheit sagen, dass er sich nicht um jeden so sorgen würde wie um dich. Und schon gar nicht wäre er einfach so bereit, einen Nachmittag in der Stadt zu verbringen, statt sich seinen Forschungen zu widmen.«[/LEFT] [LEFT]Ich sagte darauf nichts. Dass Soma mich in irgendeiner Art und Weise mochte, war mir klar. Ich hatte beobachtet, wie er mit Shio umgegangen war, die für ihn einer kleinen Schwester gleichgekommen war. Und ein wenig befürchtete ich, dass er mich genauso sah – nur ein wenig nerviger vielleicht. Das war immer noch besser als seine ablehnende Haltung zu Beginn, aber nicht das, was ich wollte.[/LEFT] [LEFT]»Weißt du, Soma hat noch immer diese Einstellung, dass er nicht liebenswert sei.«[/LEFT] [LEFT]»Ist mir aufgefallen.« Deswegen wehrte er auch jegliches Kompliment ab, das ich ihm in meinem Delirium gemacht hatte, egal, wie ernst gemeint sie gewesen waren.[/LEFT] [LEFT]Ich machte ihm keine Vorwürfe deswegen; wenn man jahrelang im Glauben gewesen war, für den Tod der eigenen Mutter bei der Geburt verantwortlich zu sein, dann lernte man nicht zwingend, sich selbst zu lieben oder zuzulassen, dass andere einen liebten. Die unterkühlte Art seines Vaters musste ihr Übriges dazu getan haben. Soma war von klein auf kaputt gewesen, und gewohnt, so behandelt zu werden; ich konnte nicht erwarten, dass er mich ernst nahm.[/LEFT] [LEFT]»Aber das bedeutet nur, dass du ein wenig offensiver vorgehen musst.« Sakuya lächelte mich aufmunternd an. »Soma muss man zu seinem Glück zwingen.«[/LEFT] [LEFT]Es gab eine reelle Chance, dass er mir zwar glauben würde, aber er mich dann endgültig wissen ließ, dass ich das vergessen sollte, wenn ich einen Fehler machte. Darüber würde ich also erst eindringlich nachdenken müssen.[/LEFT] [LEFT]Sakuya bemerkte mein Zögern. »Denke dir immer, dass er dich einfach ignorieren würde, falls er kein Interesse an dir hätte. Also darfst du ihn auch ein wenig nerven, solange du es nicht übertreibst.«[/LEFT] [LEFT]»Ich werde mir das durch den Kopf gehen lassen«, sagte ich. »Aber ob ich das hinbekomme ist eine andere Sache. Abgesehen von den Kämpfen gegen Aragami bin ich keine wirkliche Draufgängerin.«[/LEFT] [LEFT]Sie klopfte mir auf die Schulter. »Dann wirst du das irgendwann ändern müssen. Wenn du darauf wartest, dass Soma den ersten Schritt macht, wirst du nämlich sehr lange warten. Sehr, sehr lange.«[/LEFT] [LEFT]»Das denke ich mir.«[/LEFT] [LEFT]»Ich bin sicher, dass du es schaffen wirst«, sagte Sakuya lächelnd. »Du hast schon ganz andere Dinge gemeistert, da wird das ein Kinderspiel.«[/LEFT] [LEFT]Daran zweifelte ich noch. Aragami ließen sich auf immer dieselbe Art und Weise erledigen, selbst wenn sie zäher waren als andere: man zerfetzt sie, bis sie nicht mehr atmen. So war es aber unmöglich, Liebe und Zuneigung zu gewinnen. Ich müsste das Problem also anders angehen und erst einmal den Mut dafür finden, Soma meine Gefühle zu gestehen, wenn ich ohnehin im Vorfeld fest damit rechnete, dass er sie abwies.[/LEFT] [LEFT]»So.« Sakuya stand auf. »Jetzt wird es erst einmal Zeit, ins Bett zu gehen.«[/LEFT] [LEFT]Ich erhob mich ebenfalls und nickte in Richtung Bad. »Soll ich dir mit Lindow helfen?«[/LEFT] [LEFT]»Das bekomme ich schon hin. Das ist nicht das erste Mal, dass ich ihn wecken muss.«[/LEFT] [LEFT]Es war eindrucksvoll, wie sie ihn derart verstehen und mit ihm umgehen konnte. Anderen wäre das vermutlich nicht einmal halb so elegant gelungen.[/LEFT] [LEFT]Da sie meine Hilfe wirklich nicht benötigte, verabschiedete ich mich von ihr und verließ den Raum. Mein Zimmer befand sich direkt links daneben, gähnend ging ich darauf zu – nur um innezuhalten, als sich plötzlich eine andere Tür öffnete.[/LEFT] [LEFT]Ich wandte den Kopf und entdeckte Soma, der gerade auf den Gang trat. Er trug seine Jacke nicht, was ein ungewohnter Anblick war, der mein Herz ein paar Schläge überspringen ließ.[/LEFT] [LEFT]»Du schläfst ja noch gar nicht«, entfuhr es mir, ehe ich darüber nachdenken konnte, ob das wirklich eine gute Wortwahl war.[/LEFT] [LEFT]»Du auch nicht«, erwiderte er trocken. »Ich wollte mir etwas zu trinken holen.«[/LEFT] [LEFT]»Und ich bin gerade auf dem Weg ins Bett.«[/LEFT] [LEFT]Sein Blick wanderte zu Sakuyas geschlossener Tür, dann zurück zu mir. »Ihr seid also fertig mit feiern?«[/LEFT] [LEFT]Ich nickte. Etwas in seinem Gesicht zuckte nervös, als wisse er nicht, welche Miene er aufsetzen oder wie er ein Thema anschneiden sollte. Bevor ich zu einem Ergebnis kam, wie ich ihm dabei helfen könnte, stellte er bereits eine Frage: »Warum habt ihr so viel über mich geredet?«[/LEFT] [LEFT]Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, ich blinzelte dagegen. »Hast du uns belauscht?«[/LEFT] [LEFT]»Nein! Ich … wollte mir etwas zu trinken holen, da habe ich meinen Name gehört.«[/LEFT] [LEFT]Ich war mir nicht sicher, ob ich das glauben sollte. Sicher, wir waren schon am Anfang etwas lauter geworden, aber eigentlich waren die Wände und Türen dick genug, um es einem nicht zu ermöglichen, zufällig etwas mitanzuhören. Viel eher war ich überzeugt, dass er absichtlich gelauscht hatte – auch wenn mir nicht klar war, weswegen.[/LEFT] [LEFT]Er wartete immer noch auf eine Antwort, ich sah keinen Grund, sie ihm nicht zu liefern, also erklärte ich, dass ich den anderen nur erzählt hatte, dass wir zusammen in der Stadt gewesen waren. »Das war schon alles. Kota glaubte, ich sei wegen deinen Standpauken frustriert, deswegen wollte er mich aufmuntern, nur darum kam dein Name öfter vor.«[/LEFT] [LEFT]»Bist du deswegen frustriert?«[/LEFT] [LEFT]Toll, nun glaubte er auch noch, dass es mich störte, wenn er mich mahnte, Sicherheit walten zu lassen, dabei war gerade das doch das offensichtlichste Mittel seiner Fürsorge. Ich schüttelte rasch mit dem Kopf. »Nein, bin ich nicht. Immerhin hast du recht.«[/LEFT] [LEFT]»Okay.«[/LEFT] [LEFT]Wir sahen uns schweigend an, beide möglicherweise mit Dingen beschäftigt, die wir dem jeweils anderen sagen wollten und dann doch nicht taten – bei mir zumindest war das so. Und wenn ich seinen ausweichenden Blick korrekt deutete, ging es ihm ebenso.[/LEFT] [LEFT]Soma wandte sich gerade in Richtung des Getränkeautomats, als ich ihn noch einmal aufhielt: »Warum warst du eigentlich in der Stadt?«[/LEFT] [LEFT]Fragend sah er mich über die Schulter hinweg an. Ich führte den Gedanken weiter aus: »Durch diese Eingangshalle kommt man nur zur Siedlung, nicht zu den Helis oder Autos, nicht auf die andere Seite des Walls. Also musst du in der Stadt gewesen sein, bevor du mich gesehen hast.«[/LEFT] [LEFT]Ein Schmunzeln glitt über sein Gesicht. »Ich war tatsächlich dort.«[/LEFT] [LEFT]Warum erklärte er jedoch nicht. Ich wollte auch nicht zu sehr nachhaken, um ihn nicht doch noch zu verschrecken. Deswegen deutete ich über meine eigene Schulter. »Ich denke, ich gehe dann mal ins Bett. Wir sehen uns morgen.«[/LEFT] [LEFT]Er zögerte kurz, als wolle er noch etwas sagen, dann deutete er ein Nicken an. »Schlaf gut.«[/LEFT] [LEFT]Ohne jedes weitere Wort strebte er in Richtung Automat davon. Ich dagegen betrat mein Zimmer, nur um drinnen direkt leise zu seufzen. Warum war es so schwer, ihm einfach direkt zu sagen, was ich über ihn dachte oder für ihn empfand? Selbst der Kampf gegen einen Bahamut erschien mir da leichter – und erfolgversprechender.[/LEFT] [LEFT]Ich raufte mir die Haare und warf mich mit einem lauten Seufzen auf mein Bett. »Warum ist das alles so ein verdammter Mist?!«[/LEFT] [LEFT]Wenn es nur jeder andere God Eater gewesen wäre, hätte alles so unkompliziert sein können. Selbst bei Lindow wäre ein klärendes Gespräch – bei dem wir sehr viel gescherzt und gelacht hätten – als Abschluss in Frage gekommen. Aber nein, ich hatte mich ausgerechnet in Soma Schicksal, den früheren Todesengel und immer noch unterkühlten God Eater Veteranen verliebt – verflucht seien menschliche Gefühle, die einem immer in die Quere kommen mussten![/LEFT] [LEFT]Frustriert brummte ich in mein Kissen hinein.[/LEFT] [LEFT]Ob meine Eltern mir irgendeinen Rat hätten geben können? Hatte mein früheres Ich sich über so etwas je den Kopf zerbrechen müssen oder waren andere Probleme im Vordergrund gestanden?[/LEFT] [LEFT]Wenn ich mehr über mich wüsste, fände ich vielleicht auch den notwendigen Mut, mit Soma zu sprechen, direkt, ohne irgendwelche dämlichen Andeutungen oder Scherze. Immerhin war das ein weiterer Grund, mehr über meine Vergangenheit herauszufinden, noch dazu ein sehr guter. Irgendwann könnte ich Soma das auf seine Frage antworten, warum es jetzt wichtig geworden war.[/LEFT] [LEFT]Aber erst einmal wollte ich schlafen, um für den morgigen Tag fit zu sein und mein Bestes beim Training geben zu können. Deswegen stand ich wieder auf, um mich umzuziehen, während ich unwillkürlich leise jenes Lied summte, das diese Frau in meinem Traum immer sang.[/LEFT] Kapitel 3: Ich dachte, ich könnte das ------------------------------------- [LEFT]Das riesige Auge der Zygote starrte mich direkt an. Bevor sie auf mich reagieren konnte, holte ich mit der Sense aus und riss das Aragami regelrecht in zwei. Mit dem Schwung dieser Bewegung fuhr ich herum, traf einen Ogerschweif mit der stumpfen Seite meiner Klinge und schleuderte ihn zu Boden. Ich sprang zurück; spitze Nadeln bohrten sich in den Grund, wo ich eben noch gestanden hatte – es gab also mindestens noch einen zweiten Ogerschweif.[/LEFT] [LEFT]Bevor der erste wieder aufstehen konnte, fuhr ich mein Aragami aus, um den Kern zu verschlingen. Sofort durchflutete mich Energie, damit wirbelte ich um meine eigene Achse, spießte den anderen Ogerschweif mit der Spitze meiner Sense auf und brachte ihn damit ebenfalls zu Fall. Ich fühlte mich gut, zufrieden, stolz, wieder zurück in Form, bereit für den Einsatz.[/LEFT] [LEFT]Doch meine Siegessicherheit wich sofort einem brennenden Schmerz: Etwas traf meinen Oberkörper und warf mich durch die Luft. Meine Schulter knackte bei dem Zusammenprall mit dem Boden (ich stellte mir bereits Somas missbilligendes Gesicht vor, sobald er davon erfuhr).[/LEFT] [LEFT]Das Brüllen eines Vajra zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Er stand nicht weit entfernt, die Bänder auf seinem Rücken ausgebreitet, als er zum Angriff ansetzte und sprang. Reflexartig riss ich mein God Arc hoch, obwohl ich immer noch auf dem Boden lag und jeder Versuch einer Verteidigung damit zum Scheitern verurteilt wäre.[/LEFT] [LEFT]Ich bereitete meinen Körper auf den Aufprall des Vajra vor – als das Aragami plötzlich in der Luft erstarrte, flackerte und dann verschwand, gemeinsam mit den kleineren Wesen.[/LEFT] [LEFT]Etwas frustriert stieß ich Luft durch meine geschlossenen Lippen. Normalerweise wurden die simulierten Trainingseinheiten nur beendet, wenn die Feinde tot waren oder die Niederlage des God Eater absolut sicher war. In meinem Fall traf nichts davon zu, deswegen wusste ich, was folgen musste. Und ich behielt recht: Tsubakis Stimme erklang durch die Sprechanlage: »Melde dich sofort in meinem Büro, Frea!«[/LEFT] [LEFT]Prima, nun bekam ich von ihr Ärger, und das auch noch verdient. Deswegen konnte ich nicht einmal sauer sein auf die anderen, nur auf mich. Warum war ich so unvorsichtig geworden? Trotz allem, was geschehen war, könnte ich meine Fähigkeiten doch nicht einfach verloren haben. Oder ich hatte bislang wirklich nur eine unwahrscheinliche Glückssträhne durchlebt, die nun an ihrem Ende angekommen war. In diesem Fall könnte ich nicht weiterarbeiten, was mein ganzes bisheriges Leben auf den Kopf stellen würde. Vielleicht wäre dieser Gedanke weniger schlimm, wenn ich wenigstens etwas über früher wüsste. Wie ich es auch drehte und wendete, aktuell hing so vieles davon ab, was vor meinem Beitritt zu Fenrir gewesen war. Hoffentlich würde Hibari irgendwelche Hinweise in den Unterlagen finden, die mir weiterhalfen.[/LEFT] [LEFT]Solche Gedanken beschäftigten mich, während ich meinen God Arc wieder an die Techniker übergab, und dann zu Tsubakis Büro ging. Mir war selbst bewusst, dass ich gerade alles zu sehr dramatisierte, aber mir fehlte einfach der tägliche Ausgleich der Kämpfe gegen Aragami, deswegen musste ich alles so schwarz sehen.[/LEFT] [LEFT]Vor Tsubakis Büro hielt ich noch einmal inne und räusperte mich. Ich betrat den Raum mit einem äußerst unguten Gefühl im Inneren, und ihr strenger Blick, der mich begrüßte, bestätigte mich auch darin. Noch dazu saß sie nicht, sie stand, so dass sie etwas größer war und auf mich herabblicken konnte. Eine Hand in ihre Hüfte gestemmt, wirkte sie derart furchteinflößend, dass ich überzeugt war, sogar Aragami würden vor ihr kampflos klein beigeben.[/LEFT] [LEFT]Vor ihrem Schreibtisch blieb ich wieder stehen. »Du wolltest mich sprechen?«[/LEFT] [LEFT]»Was war das für ein Auftritt beim Training?«[/LEFT] [LEFT]Autsch! Direkt zum Punkt, wie immer. Sie war wirklich unbarmherzig. Doch sie ließ mich nicht einmal antworten: »Sakaki sagte, du sollst dich in dieser Woche noch nicht anstrengen. Und so wie ich das sehe, hat er damit recht. Wie konntest du den Vajra nicht bemerken?«[/LEFT] [LEFT]Eine berechtigte Frage, schließlich waren sie riesige Raubkatzen. Ich war nicht einmal wirklich abgelenkt gewesen, nur ein wenig zu hochmütig. Vielleicht war das auch der Grund, weswegen ich mich überhaupt an ein Training mit einem derartigen Aragami gewagt hatte. Oder die Befürchtung, mich bei kleineren Feinden zu langweilen. Zählte das nicht noch zu Hochmut dazu?[/LEFT] [LEFT]Tsubakis Blick verfinsterte sich noch weiter, während ich nachdenklich schwieg.[/LEFT] [LEFT]»Ich verstehe, dass du möglichst schnell in den Einsatz zurück willst«, sagte sie, »aber nachdem du derart lange krank warst, ist es wichtiger, dass du es langsam angehen lässt. Ich werde eine Eingabe machen, damit du diese Woche im Simulator keine Kämpfe gegen große Aragami mehr bekommst.«[/LEFT] [LEFT]Instinktiv wollte ich widersprechen, dass ich kein Kind mehr war und deswegen keine solchen Vorkehrungen benötigte. Doch ich wusste auch, dass ich mich nicht an irgendwelche Regeln halten würde, einmal hatte ich immerhin schon gegen sie verstoßen. Ich war einfach zu unruhig, wenn es nichts zu tun gab und die anderen in Einsätzen waren, wenn die Lobby vollkommen verlassen war und ich allein auf der Bank saß, den Aufzug anstarrend, darauf wartend, dass jemand zurückkäme.[/LEFT] [LEFT]»Es tut mir leid. Ich dachte, ich wäre schon wieder fit genug. Das wird nicht wieder vorkommen.«[/LEFT] [LEFT]»Natürlich nicht«, sagte Tsubaki unbarmherzig. »Ab sofort wirst du nur noch gegen Ogerschweife, Zygoten und Kokonjungfern kämpfen. Bis ich zufrieden mit deiner Darbietung bin.«[/LEFT] [LEFT]Das war nur fair. Fehler konnten jederzeit den Tod bedeuten. Wenn ich Somas Sorge akzeptierte, musste ich das auch von anderen, wie in diesem Fall Tsubaki. Aber ich wollte nicht wieder untätig sein: »Gibt es vielleicht irgendetwas anderes, das ich tun kann? Wobei ich mich nicht verausgabe?«[/LEFT] [LEFT]Tsubaki überlegte einen Moment. Ihre Stirn war gerunzelt, ich war mir sicher, dass sie mich gleich wegschicken würde. Aber sie überraschte mich: »Wenn du mir versprichst, dass du dich diese Woche ausruhst, werde ich dich ab Montag ein wenig im Lager aushelfen lassen.«[/LEFT] [LEFT]Das wären nur fünf Tage, an denen ich nichts tun könnte, so viele sollten auszuhalten sein. Deswegen nickte ich rasch, bevor sie das Angebot noch zurücknähme. »Ich verspreche es.«[/LEFT] [LEFT]»Dann wäre das geklärt. Geh jetzt in dein Zimmer und ruhe dich aus. Ich will keine Beschwerden von irgendjemandem hören.«[/LEFT] [LEFT]Ich salutierte hastig und verließ das Büro, bevor ihr noch etwas einfiel, das sie kritisieren könnte; genug Dinge dafür gab es ja. Vor der Tür atmete ich erst einmal auf. Niemand ging gern in Tsubakis Büro – außer vielleicht Lindow, der immerhin ihr Bruder war –, denn sie verließ selten ihre Rolle als Ausbilderin, die sie besonders streng erfüllte. Im Endeffekt war es vernünftig, dass jemand derart mit uns umging, damit wir uns keine Fehler erlaubten, aber niemand wurde gern gerügt, oder? Ich glaubte aber, ihr ging es umgekehrt ähnlich, sie wollte nicht so streng sein, wir ließen ihr nur keine Wahl. Dummerweise gehörte ich zu diesen Unruhestiftern.[/LEFT] [LEFT]Ich rief den Aufzug, um damit in die Lobby zu fahren. Wenn ich schon unterwegs war, könnte ich Hibari direkt fragen, ob sie bereits etwas herausgefunden hatte – außerdem sehnte ich mich nach mehr Interaktion. Tsubaki hatte mich zwar in mein Zimmer geschickt, doch solange ich nichts Gefährliches machte, dürfte sie kaum ein Problem damit haben.[/LEFT] [LEFT]Als sich die Aufzugtüren öffneten, erwartete ich fast, wieder Lindow zu sehen, aber diesmal war es jemand anderes, der mir entgegenlächelte. »Hey, Frea.«[/LEFT] [LEFT]»Tatsumi, schön dich zu sehen~.« Ich betrat die Fahrstuhlkabine und stellte sicher, dass der Knopf für die Lobby gedrückt war.[/LEFT] [LEFT]Er warf derweil einen Blick in den leeren Gang. »Warst du bei Tsubaki? Wolltest du dich in eine Mission schleichen und wurdest dabei erwischt?«[/LEFT] [LEFT]»Nicht wirklich.« Die Türen schlossen sich. »Ich habe es nur beim Training übertrieben und dafür eben Ärger bekommen. Nichts Seltsames also.«[/LEFT] [LEFT]Der Aufzug setzte sich in Bewegung.[/LEFT] [LEFT]»Ist es schräg, wenn ich sage, dass man von dir nichts anderes erwartet hätte?«[/LEFT] [LEFT]Wahrscheinlich war wirklich jeder hier überzeugt, dass ich unfähig war, mir Ruhe zu gönnen, deswegen achteten sie alle dreimal so gut auf mich. Unter anderen Umständen hätte mich das gerührt, aber im Moment war ich eher genervt – besonders weil sie alle recht hatten.[/LEFT] [LEFT]»Nein«, sagte ich seufzend, »ist es nicht.«[/LEFT] [LEFT]Während der Aufzug uns weiter nach oben transportierte, kam mir der Gedanke, dass Tatsumi genau die richtige Person sein könnte, über mein persönliches Problem zu sprechen. »Hey, Tatsumi, kann ich dich was fragen?«[/LEFT] [LEFT]»Klar, schieß los.«[/LEFT] [LEFT]Mir blieb nur zu hoffen, dass er sich nicht angegriffen fühlte, sondern sein derzeitiges Lächeln beibehielt. Ich räusperte mich. »Ist es nicht furchtbar, so oft abgewiesen zu werden?«[/LEFT] [LEFT]Jeder wusste, dass Tatsumi für Hibari schwärmte, ihr am laufenden Band Komplimente machte und sie regelmäßig auf Dates einlud, die sie ständig ablehnte. Ich hatte Soma noch nie direkt eine Liebeserklärung gemacht, ihn noch nie zu irgendetwas eingeladen, aber ich wusste, dass ich ohnehin nur mit Zurückweisung zu rechnen hatte. Vielleicht fände ich aber mehr Mut zu einem Versuch, wenn auch Tatsumi es konnte.[/LEFT] [LEFT]Wie ich gehofft hatte, lächelte er weiterhin, in seinen braunen Augen schien eine leidenschaftliche Flamme zu flackern. »Ah, darum geht es. Ich finde es jedenfalls nicht so schlimm. Wenn ich es nicht versuche, wird auch nie etwas passieren. Und wenn Hibari mich abweist, ist das auch nicht schmerzhafter als ein Angriff von einem Aragami.«[/LEFT] [LEFT]»Aber woher nimmst du diesen Mut dazu?«[/LEFT] [LEFT]Sein Lächeln wich einem überraschten Ausdruck, den ich nicht verstehen konnte. Erst nachdem ich ihn eine ganze Weile fragend ansah, erklärte er mir seine Verwirrung: »Du bist mutig genug, riesige Aragami zu bekämpfen, aber nicht, jemandem deine Gefühle zu gestehen?«[/LEFT] [LEFT]»Wenn du es so formulierst, klingt es echt lächerlich.«[/LEFT] [LEFT]Er klopfte mir auf die Schulter. »Weil es das ist. Du solltest dir wirklich nicht zu viele Gedanken machen. Wer immer dein Auserwählter ist, kann dich nicht mehr verletzen als ein Aragami. Also lade ihn einfach ein, dann wird alles gut.«[/LEFT] [LEFT]In gewisser Weise war das ironisch. Soma selbst hatte sich bis vor kurzem noch eher als Aragami denn als Mensch gesehen, vielleicht konnte er also das erste davon werden, das mich auch psychisch verletzte. Allerdings wollte ich das auch nicht. Deswegen sagte ich auch nichts und gab mich lieber der Illusion hin, dass Soma mir irgendwann von selbst seine Liebe gestehen würde – auch wenn Sakuya mir bereits klar gemacht hatte, dass ich damit nicht rechnen dürfte.[/LEFT] [LEFT]»Außer«, fuhr Tatsumi fort, »du hast dich in mich verliebt, dann muss ich dir direkt sagen, dass du dir keine Hoffnung machen musst. Für mich gibt es nur Hibari.«[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß.« Ich lachte unwillkürlich. »Also keine Sorge, ich werde nicht versuchen, dich von ihr loszueisen. Diese Aufgabe wäre sogar für mich zu schwer.«[/LEFT] [LEFT]Er stimmte mir mit einem Nicken und einem Lachen zu.[/LEFT] [LEFT]Der Aufzug hielt wieder, die Türen öffneten sich. Tatsumi und ich traten in die Lobby, in der Brendan und Kanon bereits vor dem Fahrstuhl nach draußen standen. Sie begrüßten mich beide, Kanon lächelte dabei strahlend. Als ich sie das erste Mal gesehen hatte, war ich vollkommen von ihrem rosa Haar fasziniert gewesen. Inzwischen hatte sich diese Begeisterung gelegt, nicht zuletzt weil ich mehrmals von ihr verbrannt, vereist oder auch geschockt worden war während der Missionen. Sie verfügte über ein außergewöhnliches Potential – aber einfach kein Talent zum Zielen. Wobei Soma mir mehrmals gesagt hatte, dass ich mich nicht beschweren dürfte, schließlich wäre er auch oft genug ein Opfer meiner Sprengwaffe geworden.[/LEFT] [LEFT]»Wir haben schon gehört, dass du diese Woche Urlaub hast«, sagte Brendan, der ruhigste und vernünftigste der drei, der mir immer wieder wegen seiner hellen Haare und seiner blauen Augen auffiel – die von Soma gefielen mir dennoch besser.[/LEFT] [LEFT]»Eher ein verlängerter Krankheitsausfall«, erwiderte ich. »Sakaki und Tsubaki bestehen darauf, dass ich mich noch eine Weile ausruhe.«[/LEFT] [LEFT]Dass mein Training eher peinlich ausgefallen war, verschwieg ich, schließlich hatte ich einen Ruf zu bewahren. Die drei gehörten zwar nicht zu meiner Einheit, aber man unterhielt sich hier miteinander, und Gerüchte verbreiteten sich schnell.[/LEFT] [LEFT]»Echt schade für deine Einheit«, meinte Tatsumi. »Ich habe gehört, Soma ist ein bisschen härter zu ihnen als du.«[/LEFT] [LEFT]»Bestimmt nur aus Sorge«, sagte Brendan. »Niemand möchte, dass jemand aus seiner Einheit verletzt wird. Besonders nicht, wenn der eigentliche Captain gerade außer Gefecht ist.«[/LEFT] [LEFT]Kanon stimmte dem mit einem Nicken zu. »Ich backe für die Erste Einheit Kekse, dann fühlen sie sich bestimmt besser.«[/LEFT] [LEFT]Ich bezweifelte, dass Soma das zu schätzen wüsste, aber ich widersprach ihr auch nicht – schon allein, weil ihre Kekse absolut köstlich waren. »Bring mir dann bitte auch wieder welche. Vielleicht werde ich dann schneller gesund~.«[/LEFT] [LEFT]»Klar!« Ihre Augen strahlten, sie war wieder einmal voller Energie. »Ich mache mich nach dieser Mission sofort ans Backen.«[/LEFT] [LEFT]Sie konnte vielleicht nicht zielen, aber backen war ihre Kunst, und sie war ein herzensguter Mensch. In einer anderen Welt, ohne Aragami, wäre sie vielleicht eine großartige Bäckerin geworden.[/LEFT] [LEFT]Die Türen des großen Aufzugs öffneten sich. Ich verabschiedete mich von den dreien, wünschte ihnen viel Erfolg und wartete, bis sie nicht mehr zu sehen waren.[/LEFT] [LEFT]Erst dann stieg ich die Stufen auf die untere Ebene der Lobby hinab. Die Anweiser befanden sich während ihrer Arbeitszeit stets hier, hinter ihrem Tresen mit den Computern und Monitoren, die sie überblickten und bedienten als besäßen sie zig Augen und Finger. Ich war mir nicht sicher, ob ich diesen Job machen könnte – vor allem weil ich doch lieber auf dem Schlachtfeld unterwegs war, wo ich direkt eingreifen konnte, statt nur verbale Warnungen auszusprechen.[/LEFT] [LEFT]Hibari fixierte einen den Monitore, während sie die Tastatur bediente. Da sie gerade schwieg, gab es wohl nicht viel zu den Einheiten im Dienst zu sagen.[/LEFT] [LEFT]Erst als ich sie grüßte, schien ihr bewusst zu werden, dass ich auch hier war. Sie hob den Blick, musterte mich für einen kurzen Moment, als müsste sie sich erst entsinnen, wer ich war, dann lächelte sie jedoch. »Hallo, Frea. Ich habe dir gerade eine Mail geschickt.«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht hätte ich doch erst das Terminal checken sollen. Aber nun war ich schon hier und hatte Hibari bei ihrer Arbeit unterbrochen. »Oh, tut mir leid. Ich habe noch nicht nachgesehen.«[/LEFT] [LEFT]Sie deutete ein Kopfschütteln an. »Schon okay. Wenn du willst, fasse ich dir die Ergebnisse einfach kurz zusammen? In deiner Mail hast du dann den vollständigen Bericht.«[/LEFT] [LEFT]Vermutlich war das nur ein Vorwand, weil sie mit mir über das Gelesene sprechen wollte, ohne dabei zu neugierig zu wirken. Mir machte das jedenfalls nichts aus. »Das wäre großartig.«[/LEFT] [LEFT]Hibari nickte. »Okay, mal nachdenken. Wie du bereits gestern angemerkt hast, stand nichts davon unter Geheimhaltung. Die Firma empfand es also offenbar nicht als weiter beachtenswert, entsprechend kurz ist der Eintrag auch. Die Wachmänner, die dich fanden, sagten aus, sie seien dem Geräusch von zwei Explosionen gefolgt. In der Nähe des Walls fand man dich bewusstlos vor, neben dir lagen die Körper zweier Ogerschweife. Weil du nicht ansprechbar warst, brachten sie dich in die Klinik. Davor testeten sie dich noch auf deine God-Arc-Kompabilität, die positiv ausfiel, wie du ja weißt.«[/LEFT] [LEFT]Im Grunde klang es genau wie das, was Kaori mir erzählt hatte. Aber etwas an Hibaris Betonung ließ mich aufhorchen. »Stimmte etwas nicht mit diesen … Körpern?«[/LEFT] [LEFT]Hibari neigte ein wenig den Kopf, als wolle sie nicken, wäre sich aber nicht ganz sicher. »Na ja, laut dem Bericht fanden sich eindeutig die Felle zweier Ogerschweife. Aber da taten sich für mich viele Fragen auf. Zum einen, wie es sein konnte, dass die Aragami von etwas zerstört worden waren, das kein God Arc war, und warum die Felle so gut erhalten waren, abgesehen von dem Blut und einigen Brandspuren daran.«[/LEFT] [LEFT]Stimmt, das war seltsam. Aragami wurden besiegt, indem man ihre Orakelzellenbindung zerstörte. So waren die Zellen nicht länger in der Lage, sich zu einem Körper zu manifestieren, sie lösten sich auf und setzten sich irgendwo anders wieder zusammen. Materialien von ihnen erhielt man lediglich, indem man ihren Kern mit einem God Arc verschlang. Wie genau das dann funktionierte wusste ich jedoch nicht, das war eine Sache der Techniker.[/LEFT] [LEFT]Eine einfache Explosion könnte also unmöglich Ogerschweife getötet, geschweige denn ihre Felle zurückgelassen haben.[/LEFT] [LEFT]Ich musste eine Weile grüblerisch dagestanden haben, als Hibari sich hörbar räusperte. »Im Bericht stehen noch einige Details mehr, die dir vielleicht helfen. Lies ihn dir am besten durch und denk darüber nach.«[/LEFT] [LEFT]Aber nicht hier. Das sagte sie zwar nicht, aber ich war sicher, dass sie ihrer Arbeit weiter nachgehen wollte und ich sie dabei gerade nur störte, schon allein weil ich auch nicht in der Lage war, ihre Neugier zu befriedigen, also gab es keine Entschuldigung mehr für ihre kleine Pause. Deswegen dankte ich ihr noch einmal, verabschiedete mich von ihr und strebte wieder zum Aufzug, um zu meinem Zimmer zurückzukehren und dort meine Mails zu lesen. Ich hoffte, der Bericht würde mir endlich weiterhelfen, statt mich nur mit mehr Fragen zurückzulassen – was er letztendlich tat.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Einsatzdatum: 21. Januar 2071[/LEFT] [LEFT]Beteiligte Dienstnummern: #62443, #66623[/LEFT] [LEFT]Art des Einsatzes: Sicherheitsfeststellung[/LEFT] [LEFT]Grund (wo erforderlich): 2 deutlich hörbare Explosionen am Nordwall[/LEFT] [LEFT]Ergebnis: Wall unbeschädigt, möglicher God-Arc-Kandidat (weiblich) gefunden, 2 Ogerschweif-Felle (intakt) gefunden[/LEFT] [LEFT]Beschreibung:[/LEFT] [LEFT]Am 21. Januar 2071, 10:43 Uhr, waren zwei (2) Explosionen am Nordwall hörbar. Die diensthabenden Wachen #62443 und #66623 gingen den Spuren außerhalb des Walls nach. Am Punkt A#3323 fanden die Wachen die Überreste von zwei (2) Ogerschweifen, bei genauerer Betrachtung stellten sich diese als intakte Rückenfelle heraus, inklusive eines ausgehöhlten Kopfteils und des Schwanzes, Blut und Brandspuren wurden daran festgestellt. (Die Felle wurden dem Forschungsteam der Fernost-Abteilung übergeben.)[/LEFT] [LEFT]Neben den Fellen wurden diverse Fleischfetzen sichergestellt. (Ebenfalls dem Forschungsteam übergeben.)[/LEFT] [LEFT]Eine (1) Frau, Nationalität unbekannt, bewusstlos, wurde aufgefunden, Verdacht auf immensen Blutverlust. Da das Verlassen der Basis für Zivilisten nur unter Sonderbedingungen gestattet ist, und eine solche derzeit für niemanden ausgestellt ist, konnte ausgeschlossen werden, dass es sich um eine Bewohnerin handelt.[/LEFT] [LEFT]#62443 führte einen Kompatibilitätstest durch, stellte dabei fest, dass sie keine (0) Verletzungen erlitten hatte. Test positiv. Unbekannte Zivilistin (UZ) wurde in die Basis gebracht, zur Behandlung der Klinik Kenzou übergeben.[/LEFT] [LEFT]UPDATE 24. Januar 2071: Forschungsteam bestätigt, dass es sich bei den Fleischfetzen um menschliche DNA handelt. Ursprung dieser, sowie der Felle ungeklärt.[/LEFT] [LEFT]UPDATE 25. Januar 2071: UZ hat Bewusstsein wiedererlangt, Identität aufgrund retrograder Amnesie nicht feststellbar. Befragung aufgrund des genannten Zustandes ergebnislos.[/LEFT] [LEFT]UPDATE 29. Januar 2071: UZ hat zugestimmt, God Eater zu werden. Vorübergehende Identität, bis zur Wiederherstellung ihres Gedächtnisses: Frea.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Das Lesen dieses Berichts brachte mir tatsächlich keine Antworten, nur mehr Fragen. Deswegen lief ich den Großteil des Tages unruhig in meinem Zimmer auf und ab und wartete auf die einzige Person, die mir helfen könnte. Kaum hörte ich, dass er von seiner Mission zurückgekehrt war, stürmte ich auf den Gang und klopfte solange an seine Tür, bis ein genervter Soma mir öffnete. Mittels einer Entschuldigung verschaffte ich mir Zugang zu seinem Zimmer, erklärte ihm knapp, worum es mir ging und reichte ihm mein Tablet, damit er den Bericht selbst lesen könnte. Zu meiner Erleichterung – und meiner Freude – wehrte er sich nicht einmal dagegen, sondern nahm das einfach hin.[/LEFT] [LEFT]So saß ich nun auf der Bank in seinem Zimmer und beobachtete ihn, wie er auf mein Tablet starrte. Er hatte seine Brille aufgesetzt, die ihn noch schlauer aussehen ließ, seine Augen bewegten sich über die Zeilen, seine Miene änderte sich dabei kein Stück, so konnte ich nicht einmal erahnen, was er gerade dachte. Dafür war ich mir umso bewusster, wie heftig mein Herz schlug, wie sehr meine Gedanken nur darum kreisten, was wohl durch seinen Kopf ging, und wie sehr ich mir wünschte, er würde das Tablet einfach weglegen und mich in die Arme nehmen. Das war natürlich ein sinnloser Wunsch, denn er war immer noch Soma – und eigentlich war ich ja hier, damit ich mit ihm über all das sprechen konnte, was in diesem Bericht stand.[/LEFT] [LEFT]Schließlich senkte er das Tablet und hob den Blick ein wenig, um an die Wand zu sehen. »Hm.«[/LEFT] [LEFT]Ich wusste nicht, womit ich zu rechnen hatte, aber bestimmt nicht mit diesem Laut. »Das heißt?«[/LEFT] [LEFT]Er sah mich an. Durch die Brillengläser brach sich das Licht, so dass seine Augen zu glitzern schienen. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein hingerissenes Seufzen. Ob meine Brille diesen Effekt auch erzielte? Ob er auf so etwas achtete?[/LEFT] [LEFT]»Das heißt, wir können davon ausgehen, dass niemand Aragami in die Luft gejagt hat.« Er gab mir das Tablet zurück. »Wie es aussieht, war mindestens eine Person bei dir.«[/LEFT] [LEFT]»Und der ist einfach explodiert?« Ich führte die Hände auseinander, um das zu symbolisieren.[/LEFT] [LEFT]»Ich war nicht dabei«, erwiderte er. »Vielleicht hatte er Sprengstoff bei sich.«[/LEFT] [LEFT]Ich runzelte die Stirn. »Warum sollte jemand so etwas herbringen?«[/LEFT] [LEFT]»Vielleicht war es eine Lieferung für Fenrir. Oder er hatte es als Verteidigung bei sich. Am Wahrscheinlichsten ist aber, dass er eine Abneigung gegen Fenrir hegt und einen Anschlag plante.«[/LEFT] [LEFT]Das verstand ich noch weniger. Fenrir bekämpfte die Aragami, die eine Gefahr für alle Menschen darstellte. Sicher, nicht jeder Zivilist durfte in den Basen leben, aber war das schon ein Grund, es für alle, die glücklich genug waren, zu verderben?[/LEFT] [LEFT]»Man merkt, dass du nicht viel Ahnung von der Welt außerhalb hast«, sagte Soma, nachdem ich meiner Verwirrung Ausdruck verliehen hatte. »Menschen, die nicht in den Basen leben, sind in ständiger Gefahr angegriffen zu werden. Und wenn nicht das, dann müssen sie gegen Hunger ankämpfen, von Krankheiten ganz zu schweigen. Manchmal kommt es auch zu Plünderungen anderer Menschen, die zu überleben versuchen. Niemand von Fenrir kommt ihnen zu Hilfe, also entwickeln sie einen besonderen Hass auf uns.«[/LEFT] [LEFT]Dass die Menschen außerhalb es so schwer hatten, verdrängte ich immer wieder. Aber ich verstand, was Soma mir sagen wollte: Wenn es einem so schlecht ging, war es egal, wer unter seinem gerechten Zorn leiden musste.[/LEFT] [LEFT]Mir blieb allerdings keine Gelegenheit, das zu sagen, denn Soma fuhr bereits mit einem anderen Gedanken fort: »Ich frage mich allerdings, wie du in diese Sache hineinpasst. Du bist kompatibel, also hättest du mit deinen Blutsverwandten in der Basis leben können. Warst du deswegen am Wall und bist nur zufällig in diese Explosion geraten? Oder steckte da ein anderer Plan dahinter, an dem du beteiligt warst?«[/LEFT] [LEFT]Schweigend blickte ich auf die Tischplatte hinab. Wenn ich mich an etwas erinnern könnte, hätte ich ihm sofort davon erzählt. Aber mein Gedächtnis weigerte sich nach wie vor, mir meine Vergangenheit offenzulegen. Auch mit diesen neuen Informationen.[/LEFT] [LEFT]Soma interpretierte meine Stille offenbar falsch: »Das heißt nicht, dass ich dir misstraue. Du hast inzwischen so oft dein Leben für uns alle riskiert, dass du wahnsinnig wärst, das als Langzeitplan für irgendeinen Anschlag zu verfolgen.«[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte schwach. »Danke, Soma.«[/LEFT] [LEFT]Seine Mundwinkel zuckten kurz nach oben, dann sah er wieder ein wenig missmutig drein. »Die Ogerschweif-Felle habe ich übrigens bereits gesehen.«[/LEFT] [LEFT]Seit dem Aegis-Vorfall war er ebenfalls in der Forschung beschäftigt, deswegen wunderte mich das nicht wirklich, schließlich musste er sich irgendwann einen Überblick über alles verschafft haben.[/LEFT] [LEFT]»Was denkst du darüber?«, fragte ich.[/LEFT] [LEFT]»Sie scheinen echt zu sein. Ich weiß nicht, wie das möglich sein kann, aber wer immer sie angefertigt hat, beherrscht eine Technik, die Orakelzellen dazu bringt, nicht vollkommen zu zerfallen. Mit konventionellen Methoden lassen sich diese Felle nicht auseinandernehmen, sie reagieren auch jetzt nur auf God Arcs.«[/LEFT] [LEFT]»Also haben die Felle, hinter denen Technik steht, die wir nicht kennen, vielleicht etwas mit mir zu tun, vielleicht aber auch nicht.«[/LEFT] [LEFT]Im Endeffekt brachte es mich also nicht weiter. Die Hoffnung die ich in diesen Bericht gelegt hatte, war nicht erfüllt worden. Ich wollte nicht zu enttäuscht darüber sein, aber wirklich verhindern konnte ich es dennoch nicht.[/LEFT] [LEFT]Soma wandte seinen Blick ein wenig ab. »Wie willst du jetzt weiter vorgehen?«[/LEFT] [LEFT]Ich strich eine schwarze Strähne zurück, die sich aus meiner Frisur gelöst hatte, vermutlich als ich mir irgendwann das Haar gerauft hatte. »Ich weiß noch nicht. Vielleicht habe ich ja Glück und ich träume mal ein wenig mehr über meine Vergangenheit.«[/LEFT] [LEFT]Mein kläglicher Versuch eines Lachens, das sogar für mich hohl und leblos klang, war nicht sehr überzeugend. Ich war im Moment einfach zu frustriert.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe aber auch eine Menge Zeit, um darüber nachzudenken.«[/LEFT] [LEFT]Das schien Soma auf etwas zu bringen, denn plötzlich sah er mich wieder direkt an – und das nicht sehr freundlich. »Ach ja, Tsubaki hat mir erzählt, dass du heute gegen einen Vajra trainiert hast.«[/LEFT] [LEFT]Warum erzählte sie ihm so etwas?[/LEFT] [LEFT]»Ich dachte, ich könnte das«, verteidigte ich mich. »Ich habe eingesehen, dass es nicht funktioniert hat. Das mache ich auch nicht mehr, jedenfalls diese Woche.«[/LEFT] [LEFT]»Das will ich für dich hoffen. Wir brauchen dich noch eine Weile.«[/LEFT] [LEFT]Als God Eater oder noch mehr? Ich hätte das gern gefragt, doch gleichzeitig glaubte ich, die Antwort lieber nicht hören zu wollen.[/LEFT] [LEFT]»Es ist nur so furchtbar, nicht nützlich sein zu können«, sagte ich. »Und es ist langweilig.«[/LEFT] [LEFT]Er stöhnte genervt, schloss die Augen und nahm seine Brille ab. »Ich verstehe das ja. Also, wie wäre es damit: Damit du dich nicht langweilst, kannst du ja mit mir Zeit verbringen und mir vielleicht bei meinen Forschungen helfen – falls dich das nicht noch mehr langweilt.«[/LEFT] [LEFT]Innerlich wäre ich vor lauter Glück fast explodiert. Nach außen bemühte ich mich, ruhig zu bleiben. »Das wäre nett von dir. Ich hoffe, ich störe auch nicht.«[/LEFT] [LEFT]»Wenn du störst, fliegst du einfach raus.«[/LEFT] [LEFT]»Klingt fair.« Ich lachte leise. »Danke, Soma. Ich weiß wirklich zu schätzen, was du dir für Umstände mit mir machst.«[/LEFT] [LEFT]Er sah mich nicht an, zeigte jedoch den Hauch eines Lächelns, das mein Herz wieder schneller schlagen ließ, genau wie seine folgenden Worte: »Das ist das Mindeste, was ich für meinen Captain tun kann.«[/LEFT] Kapitel 4: Was soll ich für dich erledigen? ------------------------------------------- [LEFT]»Gute Arbeit, Leute. Kommt sicher zurück.«[/LEFT] [LEFT]Hibari tippte auf der Tastatur, ließ den Blick über die drei Monitore schweifen, sagte aber nichts mehr. Die Mission war vorbei und es gab keine neue Gefahr, ihr Job war erst einmal erledigt.[/LEFT] [LEFT]Ich saß auf dem Ledersofa auf der höheren Ebene der Lobby, in Richtung von Hibari gedreht und beobachtete diese. Bis Soma von seiner Mission zurückkam, dürfte ich nicht an seine Forschungsunterlagen, also musste ich warten – und mir war dabei furchtbar langweilig. Nichts hatte mich bislang irgendwie weitergebracht, was meine Vergangenheit anging, arbeiten durfte ich auch noch nicht (und nach dem Training vom Tag zuvor hatte Hibari mir ein heutiges verwehrt), also gab es für mich nichts zu tun. Hibari zu beobachten war daher das einzige, was ich tun wollte. Tatsächlich störte sie sich nicht einmal an mir, bediente ihre Computer gelassen und gab souverän Anweisungen an das aktuelle Team unter ihrer Führung.[/LEFT] [LEFT]Nun war die Mission aber geschafft, deswegen konnte Hibari sich endlich entspannen und wohl auch bemerken, was um sie herum vorging; sie sah nicht einmal über die Schulter, als sie mich ansprach: »Wird dir nicht langsam langweilig, Frea?«[/LEFT] [LEFT]Unwillkürlich setzte ich mich aufrichtig hin. »Wie kommst du denn darauf?«[/LEFT] [LEFT]Sie tippte ungestört weiter. Ob sie gerade ihren Bericht schrieb, während sie mit mir sprach? Falls ja, war das beeindruckend. »Die Arbeit eines Anweisers ist nicht immer spannend, und heute besonders nicht. Also könntest du etwas tun, das interessanter für dich ist.«[/LEFT] [LEFT]Endlich drehte sie den Oberkörper in meine Richtung, damit sie mich ansehen konnte, sie lächelte. »Mich stört es nicht, dass du da bist, ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass es heute nicht spannender werden wird.«[/LEFT] [LEFT]Das konnte sie eigentlich nicht wissen, aber das sprach ich lieber nicht aus. »Ich finde, dein Job ist es wert, mal begutachtet zu werden. Sonst bekomme ich immer nur passiv mit, was du tust.«[/LEFT] [LEFT]Und weil dabei das Tippen fehlte, war es nur halb so eindrucksvoll. Allerdings war es durchaus bemerkenswert, wie sie während der Einsätze stets souverän blieb, selbst wenn unvorhergesehene Aragami plötzlich auf dem Radar auftauchten.[/LEFT] [LEFT]»Hauptsächlich«, fuhr ich fort, »frage ich mich aber tatsächlich, wann Soma endlich zurückkommt. Er hat versprochen, dass ich ihm helfen darf.«[/LEFT] [LEFT]Hibari schüttelte immer noch lächelnd mit dem Kopf. »Wusste ich doch, dass da noch mehr dahintersteckt.«[/LEFT] [LEFT]Sie sah wieder auf ihre Monitore, ehe sie mir eine Antwort lieferte: »Es dauert nicht mehr lange, sie sind schon im Hubschrauber, und die Mission war nicht weit von hier.«[/LEFT] [LEFT]Ich seufzte lautlos, worauf Hibari leise lachte. Meinen strengen Blick bemerkend wandte sie sich ab und beschäftigte sich wieder mit den Bildschirmen – aber da sie nicht tippte und ihre Schultern dafür zuckten, wusste ich, dass sie nicht arbeitete. Als sie dann aber schließlich fortfuhr, nachdem sie sich beruhigt hatte, schwieg sie, was mir verriet, dass sie nun wirklich ihren Bericht erstellte. Das war wirklich der langweiligste Teil der Arbeit, und dass ich gerade keine schreiben musste, war der einzige Vorteil meiner Zwangspause. Hoffentlich verdonnerte Soma mich nicht einfach dazu, seine Berichte für ihn zu schreiben, obwohl ich nicht einmal dabei gewesen war.[/LEFT] [LEFT]Ich wollte mich gerade von Hibari abwenden, als der Kartenbildschirm in der Lobby sich umschaltete, was bedeutete, dass es sich um News über Fenrir handelte. Auf dem Monitor war eine Nachrichtensprecherin zu sehen, die aufgeregt in ihr Mikrofon sprach: »Soeben wurde uns von Fenrir gemeldet, dass ein weiterer Transporter – der vierte inzwischen – auf dem Weg zur Fernost-Abteilung verschwunden ist. Dank eines daran angebrachten GPS-Geräts konnte die ungefähre Lage ermittelt werden.«[/LEFT] [LEFT]Neben ihr wurde eine Karte angezeigt, die all die wichtigste Orte von Fernost kennzeichneten. Etwa in der Mitte von Japan markierte ein Punkt die letzte bekannte Position des Transporters. Ich tippte immer noch auf Aragami, wurde jedoch von den folgenden Worten der Sprecherin überrascht: »Der Repräsentant von Fenrir berichtet, dass vor dem Verschwinden noch Kommunikation mit den Fahrern des Transporters stattgefunden hat. Dieser sagte aus, dass Menschen das Fahrzeug beobachten, kurz bevor die Verbindung abbrach. Fenrir untersucht das Ereignis nun genauer.«[/LEFT] [LEFT]Damit wurde der Bericht beendet, der Monitor schaltete wieder auf die bekannte Karte zurück.[/LEFT] [LEFT]»Das ist eigenartig«, bemerkte Hibari.[/LEFT] [LEFT]Innerlich gab ich ihr recht. Warum sollte jemand außerhalb der sicheren Zonen einen Transporter beobachten? Wer würde sich dafür derart in Gefahr bringen? Andererseits beinhaltete eine solche Lieferung kostbares Essen und vielleicht sogar Medizin. Gerade jene, die nicht von Fenrir aufgenommen wurden, könnten das gebrauchen, ganz zu schweigen von der Wut, die sich auf die Organisation angestaut hatte und ein Ventil benötigte.[/LEFT] [LEFT]»Glaubst du«, begann ich, »dass es keine Aragami, sondern diese Menschen waren, die den Transporter gestohlen haben?«[/LEFT] [LEFT]»Ich wüsste nicht, wie sie das schaffen sollten.« Hibari tippte sich nachdenklich an die Wange. »Die Transporter sind normalerweise gut genug ausgerüstet, um sogar Aragami-Angriffen standzuhalten.«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht verfügten diese Menschen über Mittel und Wege, die uns unbegreiflich waren. Wir konzentrierten uns so sehr auf Fenrir, dass wir manchmal vergaßen, dass auch andere Gruppierungen etwas zu ihrem Vorteil erfinden oder nutzen könnten. Ich kam noch dazu selten in Kontakt mit Menschen außerhalb der Firma.[/LEFT] [LEFT]»Jetzt wissen sie ja zumindest ungefähr, wo sich die möglichen Plünderer befinden«, sagte ich. »Bestimmt wird dieses Verschwinden bald aufhören.«[/LEFT] [LEFT]Auch wenn ich nicht wusste, wie Fenrir mit einem menschlichen Feind umgehen würde – und eigentlich wollte ich es auch gar nicht wissen.[/LEFT] [LEFT]Hibari nickte und wandte sich wieder ihrem Bericht zu. »Ich hoffe, das wird bald geklärt.«[/LEFT] [LEFT]Dann tippte sie weiter.[/LEFT] [LEFT]Da nun jede Ablenkung vorbei war, lehnte ich mich auf den Tisch vor mir und starrte in dieser Position auf den Aufzug, der nach draußen führte. Es dürfte nicht mehr lange dauern, hatte sie gesagt, dann müssten sich die Türen öffnen und ich bekäme endlich Abwechslung.[/LEFT] [LEFT]Doch bevor das geschehen konnte, erreichte der interne Fahrstuhl die Lobby. Ich hob den Kopf und entdeckte die drei Mitglieder der Reserveeinheit, die gerade aus dem Aufzug traten. Unwillkürlich dachte ich daran, wie ich Shun vor knapp einem Jahr das erste Mal gesehen hatte, mit seiner Baseball-Mütze und der limonengrünen Jacke; ich erinnerte mich daran, dass ich der Überzeugung gewesen war, er sei nur irgendein Besucher, kein God Eater – und der Blick aus seinen rötlich funkelnden Augen verriet mir, dass er sich ebenfalls erinnerte.[/LEFT] [LEFT]»Sieh mal einer an, wer hier einfach nur herumsitzt«, sagte er. »Ist das eine Art, seinen Urlaub auszukosten?«[/LEFT] [LEFT]Gina, die ich immer noch nicht nach dem Grund für ihre Augenklappe gefragt hatte, kicherte verspielt. »Oh, ich bin sicher, dass sie auf jemand Bestimmtes wartet. Das ist total romantisch.«[/LEFT] [LEFT]Als Shun sie verständnislos ansah, seufzte sie. »Du verstehst das einfach nicht.«[/LEFT] [LEFT]»Außerdem«, sagte ich, »warte ich hier nur, weil mir versprochen wurde, dass ich dann etwas zu tun bekomme.«[/LEFT] [LEFT]Karel warf sein blondes Haar zurück, blieb mit seinem Blick aber auf seinem Handy. »Hast du wenigstens eine Bezahlung dafür ausgehandelt? Nein? Hmpf, typisch. Aber zumindest bist du erst einmal aus dem Weg, so dass wir auch wieder gut bezahlte Aufträge bekommen.«[/LEFT] [LEFT]»Ich hab euch nicht alle Jobs geklaut.«[/LEFT] [LEFT]Mit passiver Aggression steckte er das Handy schließlich ein, er betrachtete mich nur abschätzig. »Es waren aber genug. Ich habe genau festgehalten, wie hoch die Unterschiede gerade sind.«[/LEFT] [LEFT]So ganz verstand ich nach wie vor nicht, warum Karel so viel Wert darauf legte, derart viel Geld zu verdienen. Doch im Prinzip war es nicht meine Angelegenheit, und ich gab mir schon Mühe, ihm dabei nicht zu sehr im Weg zu stehen. Allerdings war es auch nachvollziehbar, dass man besonders bei unbekannten Aragami lieber einen New-Type entsandte, statt einen Old-Type.[/LEFT] [LEFT]»Es ist schön, dass ihr gerade so viel verdient«, sagte ich. »Vielleicht kann Shun dann ja endlich seine Schulden bei dir abbezahlen, Karel.«[/LEFT] [LEFT]Shun zuckte zusammen, er sah zu seinem Teamkameraden hinüber, der nachdenklich die Stirn runzelte und den Blick erwiderte. »Ja, das könnte wirklich ein Vorteil sein.«[/LEFT] [LEFT]»H-hey!«, protestierte Shun. »Jetzt verbünde dich nicht auch noch mit ihr!«[/LEFT] [LEFT]Karel wandte sich wieder von ihm ab. »Ich verbünde mich mit niemandem, ich denke nur an meine Interessen und vertrete sie auch.«[/LEFT] [LEFT]»Dumme Ausrede!«[/LEFT] [LEFT]Lachend sah Gina wieder zu mir. »Die beiden sind wirklich aufregend. Aber manchmal wäre mir etwas Ruhe lieber. Also erhole dich bitte schnell, ja?«[/LEFT] [LEFT]»Ich gebe mir Mühe«, versprach ich. »Sei du solange draußen vorsichtig.«[/LEFT] [LEFT]Sie nickte und ging in Richtung des anderen Aufzugs davon. Shun folgte ihr sofort, um ihr eine Frage zu stellen: »Hey, warum ist sie zu dir immer so nett?!«[/LEFT] [LEFT]Ich hörte sie nur noch lachen, ihre Antwort war zu sanft, um sie zu verstehen.[/LEFT] [LEFT]Karel schüttelte dafür mit dem Kopf. »Womit habe ich die beiden als Partner verdient?«[/LEFT] [LEFT]Ich hätte ihm sagen können, dass jeder das bekam, was er verdiente, aber stattdessen hob ich die Schultern. »Wer weiß das schon? Außer die Person, die unsere Einheiten mal zusammengestellt hat.«[/LEFT] [LEFT]Wahrscheinlich war es von Tsubaki veranlasst worden, ich erinnerte mich kaum noch. In diesem Moment erschien es mir wie eine Ewigkeit her, seit ich hier angefangen hatte. Aber es war auch der Anfang meines neuen Lebens gewesen, daher war das wohl verständlich.[/LEFT] [LEFT]»Wie auch immer.« Karel schüttelte mit dem Kopf. »Wir sehen uns.«[/LEFT] [LEFT]Damit wandte er sich ab und ging ebenfalls zum Aufzug hinüber, der sich in diesem Moment öffnete. Sofort herrschte eine laute Lebendigkeit, als Kota, Lindow und Sakuya mit den anderen Grüße austauschten. Karel und Shun schienen über dieses Treffen allerdings wesentlich weniger erfreut als Gina und die anderen drei. Besonders von einer Person im Aufzug war Gina angetan: »Oh, Soma~. Jemand wartet schon sehnsüchtig auf dich~.«[/LEFT] [LEFT]Ich horchte sofort auf. Tatsächlich drängte sich Soma durch die anderen hindurch, dabei murmelte er eine Antwort für Gina, die ich allerdings nicht hören konnte. Als sein Blick auf mich fiel, hielt er inne, die Stirn gerunzelt. Ausgehend von seiner Reaktion war es wirklich eine schlechte Idee gewesen, hier zu warten, aber nun war es zu spät. Deswegen hob ich die Hand, um ein wenig zu winken und die Spannung zu zerstreuen.[/LEFT] [LEFT]Die Reservetruppe verschwand hinter den sich schließenden Aufzugtüren, während die Angekommenen mich musterten – Lindow und Sakuya schmunzelten dabei natürlich, während Kota einfach nur freundlich war, Soma verschränkte derweil die Arme vor der Brust.[/LEFT] [LEFT]Lindow klopfte mir zur Begrüßung auf die Schulter. »Dann wollen wir aber auch gar nicht weiter stören, was? Stellt nicht zu viel Unfug an.«[/LEFT] [LEFT]Sakuya schloss sich ihm lachend an, als er zum internen Fahrstuhl hinüberging. Kota musterte mich mit geneigtem Kopf. »Was meint er denn? Ihr arbeitet heute doch nur zusammen, oder?«[/LEFT] [LEFT]»Natürlich machen wir das«, sagte Soma genervt, ehe er sich an mich wandte: »Und es gibt viel zu tun, also steh endlich auf.«[/LEFT] [LEFT]»Jawohl, Boss!« Ich stand auf; viel zu enthusiastisch, aber die Gerüchte existierten ohnehin bereits, also musste ich es nicht wirklich verstecken – vielleicht begriff Soma es dann auch mal.[/LEFT] [LEFT]Bislang wirkte es aber eher so, als wäre er genervt, denn er rollte mit den Augen und wandte sich von mir ab. Ich tauschte einen Blick mit Kota und hob lächelnd die Schultern, er neigte allerdings nur den Kopf: »Was meinte Lindow denn?«[/LEFT] [LEFT]»Vielleicht bekommst du von ihm ja eine Antwort«, sagte ich und ging zum Fahrstuhl hinüber.[/LEFT] [LEFT]Kota blieb verwirrt zurück, während Soma und ich in den eben zurückgekehrten Aufzug stiegen, um zur Laborebene zu kommen. Kaum schlossen sich die Türen, ließ Soma mit einem Seufzen wieder die Arme sinken. »Du hast nicht ernsthaft die ganze Zeit in der Lobby auf mich gewartet, oder?«[/LEFT] [LEFT]»Nicht die ganze Zeit«, antwortete ich. »Aber einen Großteil davon doch, ja.«[/LEFT] [LEFT]Soma musterte mich mit einem Blick, den ich nicht zu deuten verstand. »Du hast wirklich absolut nichts zu tun, was?«[/LEFT] [LEFT]»Nicht wirklich.« Ich zuckte mit den Schultern.[/LEFT] [LEFT]Außerdem wollte ich Zeit mit ihm verbringen, was ich nun nicht mehr mittels der Kämpfe und unserer Hubschrauberflüge kompensieren konnte. Ich hoffte nur, ihm damit nicht zu sehr auf die Nerven zu gehen.[/LEFT] [LEFT]Abrupt wandte er den Blick von mir ab. »Gut, denn du wirst einiges zu tun haben.«[/LEFT] [LEFT]Im richtigen Stockwerk angekommen stürmte er sofort aus dem Fahrstuhl. Ich folgte ihm bis zum Labor am Ende des Ganges. Früher war Sakaki immer hier gewesen, hatte unablässig geforscht und auch versucht, sein Wissen an neue God Eater weiterzugeben; ich erinnerte mich noch gut an eine seiner Lektionen, während der er uns die Grundzüge der Aragami und der Orakelzellen selbst erklärt hatte. Inzwischen arbeitete Soma auch oft in diesem Labor, um seine Aktionen mit dem Team, das Novas Überreste beseitigen sollte, zu koordinieren. Aber als ich eintrat und erst einmal einen Stapel Bücher auf dem niedrigen Gästetisch liegen sah, wurde mir klar, dass auch er diesen Raum zum Forschen und Weiterbilden benutzte. Der oberste Band – dessen massiven Seitenumfang dem Rest in der Reihe in nichts nachstand – auf den mein Blick sofort fiel, war eine Untersuchung zur Abwehr von Orakelzellen, geschrieben von Johannes von Schicksal, Somas Vater.[/LEFT] [LEFT]Statt ihn darauf anzusprechen, klatschte ich in die Hände und sah mich um. »Also, was soll ich für dich erledigen? Staub wischen? Die Computer aktualisieren?«[/LEFT] [LEFT]Soma setzte sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch. Umgeben von diesen drei Bildschirmen wirkte er wie der Chef einer Kommandozentrale. Er runzelte seine Stirn und nickte zum Bücherstapel hinüber. »Da liegt eine Liste mit Themen an denen ich arbeite auf dem Tisch. Du sollst die Bücher durchgehen und die relevanten Seitenzahlen notieren.«[/LEFT] [LEFT]»Klar, das kann ich.« Auch wenn es nicht das war, was ich gern tat.[/LEFT] [LEFT]Unbeeindruckt hob er eine Augenbraue. »Ich hoffe doch, dass du lesen kannst.«[/LEFT] [LEFT]Ich schnitt ihm eine Grimasse, dann setzte ich mich auf das Sofa und nahm mir das erste Buch. »Du wirst schon sehen, wie gut ich lesen kann.«[/LEFT] [LEFT]Derart entschlossen schlug ich die Abhandlung auf und vertiefte mich direkt in den Inhalt, noch bevor ich überhaupt einen Blick auf die Liste geworfen hatte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Soma ein Kopfschütteln andeutete, ehe er sich selbst an die Arbeit machte. Ich unterdrückte ein Lachen und vertiefte mich wieder in das Lesen, genau wie ich es versprochen hatte.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Vier Stunden später war ich bei der Hälfte des ersten Buches. Ich war nicht wirklich versiert in diesen wissenschaftlichen Texten, deswegen verstand ich nur etwa die Hälfte davon. Aber es genügte, um festzustellen, ob es für die Themen auf der Liste geeignet war.[/LEFT] [LEFT]Als Soma beschloss, dass wir erst einmal Feierabend machen sollten, war ich erleichtert und auch enttäuscht. Wir hatten nicht miteinander gesprochen, doch es war angenehm gewesen, einfach nur im selben Raum mit ihm zu sein, hin und wieder den Blick zu heben und ihn kurz dabei zu beobachten, wie er vollkommen in seine Arbeit vertieft war.[/LEFT] [LEFT]Ich legte das Buch beiseite, nachdem ich ein Lesezeichen zwischen den Seiten befestigt hatte, und stand auf. Soma dagegen tippte weiter auf der Tastatur. »Ich muss hier noch etwas fertigmachen. Geh ruhig schon mal vor. Und morgen musst du nicht in der Lobby warten, ich kann dich auch in deinem Zimmer abholen.«[/LEFT] [LEFT]»Sollte ich dir nicht lieber den Weg ersparen?«[/LEFT] [LEFT]Er sah mich schmunzelnd an. »Das wird mich schon nicht umbringen.«[/LEFT] [LEFT]»Okay, ich nehme dich beim Wort.«[/LEFT] [LEFT]Mit einer einfachen Handbewegung bedeutete er mir, endlich zu verschwinden. Ich verließ das Labor ohne weitere Worte, um seine Geduld nicht zu überstrapazieren.[/LEFT] [LEFT]Auf dem Weg zurück in mein Zimmer fehlte er mir bereits. Ich hätte gern noch ein bisschen mehr Zeit mit ihm verbracht, selbst wenn ich ihn nur beim Arbeiten beobachten könnte. Aber sicher war das viel zu unangenehm für ihn, was ich durchaus verstand. Vielleicht störten ihn sogar die Gerüchte, doch dann wiederum verbrachte er freiwillig Zeit mit mir. Oder lag das daran, weil ich sein Captain war?[/LEFT] [LEFT]Am liebsten hätte ich meine Haare gerauft. Warum hinterließ Soma immer mehr Fragen als Antworten in mir? Warum fragte ich ihn nicht einfach direkt? Warum war das so schwer?[/LEFT] [LEFT]Unzufrieden kehrte ich in mein Zimmer zurück, entschlossen, mich selbst abzulenken. Nachdem ich etwas gearbeitet hatte, fühlte ich mich schon ein wenig besser, aber wissenschaftliche Bücher zu lesen war eben doch etwas ganz anderes als zu kämpfen. Wie sollte ich nun diese überschüssige Energie loswerden und gleichzeitig nicht an Soma denken?[/LEFT] [LEFT]Mein Blick fiel auf das schwarze Oberteil, das Kaori mir mitgegeben hatte. Nachdem ich aus der Stadt zurückgekommen war, hatte ich es einfach auf meinen Tisch gelegt und nicht mehr beachtet. Der Anhänger ruhte auf dem Kleidungsstück, ebenso ignoriert. Da nichts von beidem mir weiterzuhelfen schien, war es für mich auch nicht wichtig gewesen.[/LEFT] [LEFT]Aber nun hatte ich wieder Zeit und noch viel zu viel Energie, also könnte ich einen genaueren Blick auf das Oberteil werfen, vielleicht käme mir dann eine Erleuchtung oder zumindest eine Erinnerung. Inzwischen wäre ich selbst für eine Kleinigkeit dankbar.[/LEFT] [LEFT]Ich setzte mich an den Tisch und zog die Sachen näher zu mir. Den Anhänger betrachte ich noch einmal kurz von beiden Seiten, dann legte ich ihn neben meinen Arm. Ich faltete das Oberteil auseinander. Dabei fielen mir wieder die Stellen auf, an denen Risse genäht worden waren – und diesmal wurde mir auch bewusst, dass die Reparaturen von unterschiedlichen Personen stammten. Die dunklen Nähte, so fein, dass sie kaum auffielen, mussten von Kaoris geschickter Hand stammen. Dann waren da aber noch grobe Stiche, als wären sie mit einer zu großen Nadel durchgeführt worden, die umso mehr auffielen, da das hierfür genutzte Garn rot war. Andächtig fuhr ich mit den Fingern darüber. Für einen kurzen Moment glaubte ich, eine Szene vor mir zu sehen, sie wirklich verarbeiten und zu einer Erinnerung machen zu können – doch sie zerfiel zu zahllosen Splittern, die sich in Asche verwandelten und vom Winde verweht wurden.[/LEFT] [LEFT]In einem hoffnungsvollen Versuch, dieses Gefühl noch einmal zu erleben, suchte ich nach anderen roten Stichen, strich mit allen Fingern darüber, nur um wiederholt erneut enttäuscht zu werden. An der letzten Stelle wurde ich dafür überrascht: etwas Hartes war direkt unterhalb der Naht spürbar.[/LEFT] [LEFT]Ich griff nach einer Schere, die in der Nähe lag, und schnitt die Fäden möglichst vorsichtig durch. Darunter kam ein schmales Glasröhrchen zum Vorschein, gerade mal halb so groß wie mein kleiner Finger. Eine bläuliche Flüssigkeit schwappte im Inneren hin und her, während ich es bewegte.[/LEFT] [LEFT]Was war das? Und warum war es in mein Oberteil eingenäht gewesen?[/LEFT] [LEFT]Mit mehr Erinnerungen hätte ich es mir vielleicht denken können, aber ohne diesen Luxus blieb mir nur eine Wahl: Ich entkorkte das Röhrchen und brachte es näher an meine Nase.[/LEFT] [LEFT]Ich bereute es sofort.[/LEFT] [LEFT]Der stechende Geruch trieb mir die Tränen in die Augen. Es besserte sich erst wieder, als ich dieses Zeug von meinem Gesicht entfernte. Ich wusste immer noch nicht, was es war, aber zumindest konnte ich mir nun sicher sein, dass es nicht zum Trinken gedacht war. Dafür roch es zu ungenießbar, sogar giftig.[/LEFT] [LEFT]Doch durch dieses Stechen, das nun in meiner Nase festsaß, wurde etwas in meinen Erinnerungen angeregt. Es war keine Szene, die ich hätte beschreiben können, nicht einmal eine Erklärung für das, was mir als Idee kam, doch für mich war es ein neuer Ansatz. Ich legte den Anhänger direkt vor mich auf dem Tisch, mit dem eigenartigen Wappen nach oben. Dann träufelte ich etwas von dieser Flüssigkeit darauf. Es gab keine herausragende chemische Reaktion, keinen Rauch oder sonst etwas, weswegen ich fast schon enttäuscht war. Doch statt einfach aufzugeben, rieb ich mit dem Oberteil über den Anhänger – ich wollte diese Flüssigkeit nicht berühren, war aber auch zu ungeduldig ein Handtuch zu holen. Die Aufregung in meinem Inneren wuchs, als sich Farbe von dem Metall löste. Ich fuhr solange damit fort, bis der Stoff in meiner Hand sich grau gefärbt hatte, ein großer Fleck inmitten der Schwärze. Dafür war endlich die vollständige Version des Wappens zu sehen: das, was ich für ein Wurzelgeflecht gehalten hatte, waren in Wahrheit vier Ketten, die einen sich aufbäumenden Wolf gefangen hielten.[/LEFT] [LEFT]Ich erinnerte mich, es schon einmal gesehen zu haben, auf einem großen Banner sogar. Aber wo?[/LEFT] [LEFT]Statt mich mit dieser Frage weiter aufzuhalten, drehte ich den Anhänger um und schüttete den Rest der Flüssigkeit auf die Karte Japans und die eigenartigen Zahlenfolgen. Geradezu besessen wischte ich mit dem Oberteil über das Metall, ohne Rücksicht auf das Stoffstück, das mir ohnehin nichts bedeutete. Ich war einer Antwort so nahe wie nie zuvor, da konnte ich nicht darauf achten, was darunter leiden musste.[/LEFT] [LEFT]Schließlich blickte ich auf das, was ich nun freigelegt hatte: auf der Karte war eine Position markiert, so weit nördlich der Fernost-Abteilung, dass wir dort noch nie eine Mission ausgeführt hatten. Deswegen war es unmöglich, mir vorzustellen, was sich dort befinden mochte. Noch dazu wäre eine Suche – nach was auch immer – rein aufgrund eines ungenauen Punktes auf einer Karte ein Ding der Unmöglichkeit.[/LEFT] [LEFT]Dieses Vorhaben verdrängte ich daher sofort.[/LEFT] [LEFT]Ich sah mir wieder die Zahlenfolgen an, die sich ebenfalls verändert hatten. Neue Zeichen waren hinzugekommen, waren in die Leerstellen hinter manche Nummern gesetzt worden und vervollständigten das Bild. Damit ergaben sie endlich einen Sinn: es waren Koordinaten, die einen Ort in Japan markierten, zu dem dieser Anhänger gehörte – und damit auch ich.[/LEFT] Kapitel 5: Sollte ich etwas vorhaben? ------------------------------------- [LEFT]Die Koordinaten zeigten einen Ort im nördlichen Japan. Selbst vor der Katastrophe war er offenbar unbewohnt gewesen, wie ich auf alten Satellitenbildern sehen konnte. Inzwischen gab es derartigen Luxus nicht mehr, wir waren nicht in der Lage, eine Verbindung zu irgendeinem Satellit aufzunehmen, aber ich bezweifelte, dass es nun ein Dorf oder so etwas dort gab. Aragami suchten alles heim, was erreichbar war, fielen wie Heuschrecken darüber her und verschlangen es, machten es zu einem Teil von sich selbst, um sich weiterzuentwickeln. Gab es vielleicht die Möglichkeit, dass, wer auch immer dort noch lebte, das im Untergrund tat? An einem Ort, den Aragami nicht erreichen konnten?[/LEFT] [LEFT]Ich zermürbte mir den Kopf darüber, versuchte mich zu erinnern, doch ich kam zu keiner Antwort, erntete keinen plötzlichen Geistesblitz. Mein Gedächtnis benahm sich so, als wäre früher nie etwas geschehen, auch meine Träume wurde nicht ausführlicher. Jede Nacht hoffte ich, dass mehr dazukam, doch es blieb bei dieser Frau, die für mich sang, und bei dem Mann, der mich von ihr wegholte, weil jemand mich sehen wollte.[/LEFT] [LEFT]Der Drang, Soma zu fragen, wurde immer stärker, besonders da ich ihn immer noch bei seiner Arbeit unterstützte. Gleichzeitig sagte ich mir aber auch, dass es ihn sicher nicht interessierte. Er hatte hier dringendere Dinge zu tun, Projekte zu beaufsichtigen, Forschungsarbeiten zu schreiben, Aragami zu jagen, was ich ihm durch meine Abwesenheit auch noch schwerer machte, da blieb ihm sicher keine Zeit, sich um irgendwelche Koordinaten und nichts-sagende Satellitenbilder zu kümmern. Deswegen blieb ich mit meinen Gedanken allein.[/LEFT] [LEFT]So vergingen die Tage, bis Tsubaki mich wirklich im Lager arbeiten ließ. Meine Aufgabe bestand hauptsächlich darin, Schachteln mit Selektionsfaktoren (bereit zum Verabreichen) zu sortieren, sowie Rationen noch auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen und gegebenenfalls auszusortieren; die einfachen Aufgaben eben, die man jemandem geben konnte, der keine Erfahrung damit hatte. Ich beschwerte mich nicht, immerhin ging es mir nur darum, mich gebraucht zu fühlen, während ich nicht auf Missionen durfte.[/LEFT] [LEFT]Das Training kam gut voran, selbst wenn ich es weiterhin allein durchführte. Ich beschränkte mich auf die einfachen Aragami, die mir schon bald nichts mehr entgegenzusetzen wussten, genau wie früher. Dennoch traute ich mich noch nicht so recht es wieder mit höheren Aragami aufzunehmen, jedenfalls nicht ohne Erlaubnis oder mit Begleitung. Tsubakis Zorn wollte ich mir nicht noch einmal zuziehen.[/LEFT] [LEFT]Schließlich war es eine Woche her, seit ich von den Koordinaten Kenntnis genommen hatte. Es war inzwischen zu einem Ritual geworden, dass ich nach meiner Arbeit im Lager ins Labor ging, um dort noch für Soma die Bücher durchzugehen. Doch als ich an diesem Tag den Raum betrat, begrüßte mich kein geschäftiges Klappern der Tastatur, kein Bücherstapel auf dem Tisch, stattdessen standen zwei Tassen mit dampfenden Tee darauf. Soma stand vor mir, die Kapuze ausnahmsweise zurückgeschlagen, und hob leicht die Schultern, als ich ihn fragend ansah.[/LEFT] [LEFT]»Du bist fertig mit den Büchern«, sagte er. »Das ist dir gestern nicht aufgefallen, oder?«[/LEFT] [LEFT]Nun, da er es erwähnte, erinnerte ich mich deutlich, dass ich die letzte Abhandlung am Vorabend beendet und zur Seite gelegt hatte. Ich musste so sehr meinen Gedanken nachgehangen haben, dass mir das nicht einmal wirklich bewusst geworden war. Damit war meine Aufgabe hier dann wohl aber beendet.[/LEFT] [LEFT]»Oh …« Ich deutete über meine Schulter. »Dann sollte ich vielleicht wieder gehen.«[/LEFT] [LEFT]Soma nickte jedoch zum Sofa hinüber. »Denkst du, ich trinke mit mir allein zwei Tassen Tee? Setz dich.« Nach einem kurzen Moment fügte er noch ein brummelndes »Bitte« hinzu.[/LEFT] [LEFT]Wenn er schon von sich aus Zeit mit mir verbringen wollte, käme mir nicht einmal im Traum der Gedanke, ihm zu widersprechen, deswegen setzte ich mich dankend. Der Tee verströmte einen angenehmen Duft, dem ich nicht widerstehen konnte. Ich nahm die Tasse in beide Hände, hob sie an mein Gesicht und sog zufrieden den Geruch ein. Für einen Moment beruhigte er all meine Gedanken, die sich so stetig im Kreis drehten. Vielleicht sollte ich öfter Tee trinken – oder mir mal ein paar Dosen Bier von Lindow ausleihen.[/LEFT] [LEFT]Soma setzte sich nicht neben mich, sondern auf die angrenzende Ecke des Sofas, behielt mich dabei aber im Auge. Grundsätzlich störte mich das nicht, an diesem Tag allerdings schon.[/LEFT] [LEFT]»Willst du mir Vorwürfe machen?«, fragte ich. »Habe ich etwas falsch gemacht?«[/LEFT] [LEFT]»Bin ich so schlimm, dass du glaubst, ich will dich nur kritisieren?« Er klang amüsiert, dabei war es ausnahmsweise mein Ernst gewesen.[/LEFT] [LEFT]»Nein, natürlich nicht. Ich war in der letzten Zeit nur so abwesend, da hätte ich das verstanden.«[/LEFT] [LEFT]Er hob eine Augenbraue. »Also ist es dir aufgefallen. Ich dachte schon, ich müsste dir das erst erklären.«[/LEFT] [LEFT]Dann schwieg er wieder.[/LEFT] [LEFT]Wir nahmen beide je einen Schluck Tee. Die Flüssigkeit floss wohltuend meine Kehle hinab und wärmte mich von innen heraus. Ich hätte glücklich seufzen können, wäre ich allein gewesen.[/LEFT] [LEFT]Soma starrte zu den Monitoren hinüber, nahm noch einen Schluck, dann setzte er zu einem erneuten Versuch an: »Ich wollte eigentlich fragen, was dich so sehr beschäftigt. Ist es immer noch deine Vergangenheit? Dass du damit nicht weiterkommst?«[/LEFT] [LEFT]Dachte er hin und wieder vielleicht auch über mich nach? Das war jedenfalls der einzige Grund, der mir einfiel, warum er das Thema anschnitt, statt es zu vergessen.[/LEFT] [LEFT]Ich schielte zu ihm hinüber. »Willst du das wirklich wissen?«[/LEFT] [LEFT]»Sonst würde ich dich nicht fragen.« Er sah mich direkt an. »Du bist mein Captain, ich mache mir Gedanken um dich, schon vergessen?«[/LEFT] [LEFT]Nur weil ich sein Captain war? Das klang für mich irgendwie traurig. Selbst Lindow bezeichnete mich zumindest als Freundin … wenn er mich nicht gerade ärgern wollte.[/LEFT] [LEFT]Vielleicht war das aber das einzige, was ich von jemandem wie Soma erwarten konnte, und ich wollte es nicht direkt wieder verspielen. Solange ich nur bei ihm war, sollte mir das recht sein.[/LEFT] [LEFT]Ich erzählte ihm von dem Anhänger, den Koordinaten, den herausgesuchten Bildern. Ohne mich zu unterbrechen lauschte er aufmerksam, daran hätte ich mich glatt gewöhnen können.[/LEFT] [LEFT]Als ich am Ende angekommen war, runzelte er seine Stirn. »Was hast du nun vor?«[/LEFT] [LEFT]»Sollte ich etwas vorhaben?«[/LEFT] [LEFT]»Du hast doch nach einem Hinweis auf deine Vergangenheit gesucht. Jetzt wird er dir schon direkt vor die Füße gelegt und du willst ihm nicht einmal nachgehen?«[/LEFT] [LEFT]Ich seufzte. »Der Ort ist zu weit im Norden. Unsere Einsätze sind nicht einmal ansatzweise in der Nähe – und ich kann wohl schlecht zu Sakaki gehen und ihn darum bitten, mich da absetzen zu lassen.«[/LEFT] [LEFT]Am besten noch mit Rationen, meinem God Arc und genug Selektionsfaktor, dass ich eine Weile dort bleiben und Nachforschungen anstellen konnte. Sakaki war ein verständnisvoller und netter Vorgesetzter, aber nicht einmal er würde so etwas zustimmen.[/LEFT] [LEFT]»So funktioniert das natürlich nicht«, sagte Soma. »Der alte Mann ist nicht verrückt genug dafür. Bei meinem Vater hättest du mit so etwas mehr Erfolg gehabt.«[/LEFT] [LEFT]Johannes von Schicksal war sehr freigiebig gewesen, wenn es um sich um derartige Sonderwünsche gehandelt hatte, sofern er einen loswerden wollte. Damals waren wir jedoch davon ausgegangen, dass er uns einfach nur für unsere Arbeit mit seinem Vertrauen belohnen wollte. Inzwischen wussten wir es natürlich besser – jedenfalls einige von uns.[/LEFT] [LEFT]»Hast du denn einen anderen Vorschlag?«[/LEFT] [LEFT]Soma stand auf und bedeutete mir, ihm zum Schreibtisch zu folgen. Dort setzte er sich wieder und tippte etwas auf der Tastatur ein. Ich blieb neben ihm stehen, beobachtete, wie einer der Monitore zu einer Karte von Fernost wechselte, übersät mit Informationen zu den einzelnen Einsatzorten. Er schaltete diese zusätzlichen Texte mit einem Knopfdruck aus. »Kannst du mir zeigen, wo es ungefähr ist?«[/LEFT] [LEFT]In der letzten Woche hatte ich so oft auf die Karte auf meinem Terminal gestarrt, dass ich nicht einmal darüber nachdenken musste. Ich deutete auf die Stelle – und stellte dabei fest, dass irgendeine Markierung bereits in der Nähe davon war. »Was ist das?«[/LEFT] [LEFT]Soma aktivierte die Information für diesen Punkt. »Hm, dort ist der letzte Fenrir-Transporter verschwunden.«[/LEFT] [LEFT]Wie hatte ich das nur vergessen können? Ich hatte den Bericht zusammen mit Hibari in der Lobby gesehen, aber dem keine Bedeutung mehr beigemessen, als das mit dem Anhänger geschehen war.[/LEFT] [LEFT]»Denkst du«, fragte ich, »dass beides zusammenhängt?«[/LEFT] [LEFT]»Es wäre jedenfalls ein großer Zufall, wenn nicht.« Soma runzelte wieder die Stirn.[/LEFT] [LEFT]Am liebsten hätte ich ihn darauf hingewiesen, dass er davon noch Falten bekäme, aber angesichts der Umstände wollte ich ihn nicht necken. Ich war verwirrt, er wollte helfen – das sollte ich nicht mit einem blöden Spruch kaputt machen.[/LEFT] [LEFT]Er schwieg nachdenklich, deswegen machte ich einen Vorschlag: »Glaubst du, Sakaki lässt mich gehen, wenn ich dem nachgehen will?«[/LEFT] [LEFT]Dabei war ich selbst davon überzeugt, dass er das ablehnen würde. Ginge es um Aragami, wäre das eine Sache, aber inzwischen wusste man, dass es sich höchstwahrscheinlich um menschliche Täter handelte, dafür waren wir nicht zuständig.[/LEFT] [LEFT]Das bestätigte mir Soma auch sofort. »Wir können keinesfalls damit rechnen, dass der alte Mann uns das erlaubt. Wir müssen da etwas geschickter vorgehen.«[/LEFT] [LEFT]Ich nickte – dann stutzte ich. »Warte mal. Wir?«[/LEFT] [LEFT]Er sah mich an, einer seiner Mundwinkel war zu einem schrägen Lächeln hochgezogen. »Auf deiner letzten Mission hättest du dir fast das Rückgrat gebrochen und wärst beinahe von einem Aragami gefressen worden. Denkst du wirklich, da lasse ich dich allein irgendwohin?«[/LEFT] [LEFT]Ich dachte nicht gern an beide Ereignisse zurück, aber die letzte Mission war wirklich viel zu knapp für mich geworden. Ohne Soma wäre ich nicht wieder zurückgekommen. Dennoch …[/LEFT] [LEFT]»Das könnte gefährlich werden«, wandte ich ein. »Man braucht dich hier doch.«[/LEFT] [LEFT]»Dich auch«, erwiderte er. »Außerdem sagte ich dir bereits, dass du für viele Leute wichtig bist. Da ist es das Mindeste, dass ich auf dich achte.«[/LEFT] [LEFT]Ich wollte wirklich, dass er mich begleitete, dass er bei mir war, dass er dabei vielleicht endlich bemerkte, was ich für ihn empfand, wie ernst es mir mit ihm war. Außerdem war ich seit meinem Erwachen in der Klinik vor einem Jahr nicht mehr allein unterwegs gewesen – und wenn ich ehrlich war, fürchtete ich mich davor, die sicheren Mauern zu verlassen, ohne jemanden, der mir den Rücken stärkte.[/LEFT] [LEFT]Ich legte eine Hand auf mein viel zu schnell schlagendes Herz. »Danke, Soma.«[/LEFT] [LEFT]Er wandte rasch den Blick ab. »Eh, wie gesagt, ich will nur verhindern, dass du dir aus Versehen den Hals brichst.«[/LEFT] [LEFT]Die Worte waren harsch, doch ich glaubte, ein wenig Verlegenheit herauszuhören. Das genügte mir.[/LEFT] [LEFT]»Gut«, sagte ich, um auf das Thema zurückzukommen, »wie wollen wir es also anstellen?«[/LEFT] [LEFT]Er verschränkte die Arme vor der Brust, während er darüber nachdachte. Ich blickte derweil auf meinen Armreif hinab. Fenrir nutzte diesen nicht nur, um uns den Selektionsfaktor zu verabreichen, damit überwachten sie auch unsere Vitalwerte und lokalisierten uns. Selbst wenn wir also versuchten, heimlich dorthin zu gehen, wäre Hibari in der Lage, uns zu orten – und würde uns vermutlich auffordern, sofort zurückzukehren. Ganz zu schweigen von dem Ärger, den wir dann mit Sakaki bekämen …[/LEFT] [LEFT]Plötzlich nickte Soma, ehe er wieder etwas sagte: »Wir brauchen insgesamt vier Dinge. Rationen, genug Selektionsfaktor für dich, eine Mission, die nah genug ist, dass wir mit einem Wagen hinfahren können – und jemanden, der keine Probleme damit hat, Fenrir anzulügen, um uns Zeit zu verschaffen.«[/LEFT] [LEFT]Zumindest für letzteres wusste ich sofort jemand Passendes: »Lindow wäre ideal, oder?«[/LEFT] [LEFT]Soma stieß ein amüsiertes Schnauben aus. »Dem ist sogar zuzutrauen, dass er dabei mitmacht.«[/LEFT] [LEFT]Und in einem solchen Fall wäre auch Sakuya mit an Bord. Fehlte nur noch der Rest, aber selbst da fiel mir etwas ein: »Ich arbeite aktuell im Lager, also kann ich das mit den Rationen und dem Selektionsfaktor hinbekommen. Auch wenn es mir ein wenig schwer fallen wird, Fenrir zu bestehlen.«[/LEFT] [LEFT]»Typisch für dich.« Er klang amüsiert. »Sie werden es dir verzeihen, wenn du es Sakaki im Nachhinein erklärst.«[/LEFT] [LEFT]Im Prinzip standen die Chancen dafür wirklich gut. Ich hatte immerhin einige Erfolge vorzuweisen – und eine Dummheit, die aber nur mich geschädigt hatte – da sollte man mir eine eigenmächtige Entscheidung verzeihen können.[/LEFT] [LEFT]»Eine Sache aber noch.« Soma tippte wieder etwas, auf dem rechten Monitor erschien eine Tabelle. Er betrachtete diese für einen Moment. »Ich möchte, dass du dein Training etwas erweiterst.«[/LEFT] [LEFT]Bei einem genaueren Blick erkannte ich auch, dass es sich um eine Statistik meiner letzten Einheiten im Simulator handelte. Ehe ich etwas einwerfen konnte, fuhr er fort: »Frag Alisa oder Kota, ob sie dir dabei helfen möchten.«[/LEFT] [LEFT]»Wäre es nicht besser, wenn ich mit dir trainiere?«[/LEFT] [LEFT]»Im Prinzip schon, aber ich befürchte, dass man dann sofort merken könnte, dass wir das geplant haben, wenn wir es wirklich angehen.«[/LEFT] [LEFT]Er dachte wirklich an alles. Ich konnte mich glücklich schätzen, ihn auf meiner Seite zu wissen. Dafür hätte ich ihn am liebsten umarmt, aber ich wollte ihn nicht noch verschrecken.[/LEFT] [LEFT]Da ich schwieg, sah er mich wieder an. »Geht es dir jetzt besser?«[/LEFT] [LEFT]Ich nickte lächelnd. »Danke, Soma. Wirklich.«[/LEFT] [LEFT]»Ich tue das nur, damit du dir nicht den Hals brichst oder Aragami-Futter wirst oder-«[/LEFT] [LEFT]»Schon verstanden, du vertraust mir nicht.«[/LEFT] [LEFT]Er stieß ein knappes Lachen aus. »Nach dem, was ich letztes Mal gesehen habe … Nur weil endlich etwas Ruhe eingekehrt ist, bedeutet das nicht, dass du deine Verteidigung vernachlässigen kannst.«[/LEFT] [LEFT]Ich musste ihm recht geben. Seit der großen Schlacht gegen Arius Nova war ich fahrlässig geworden, ein wenig zu selbstsicher. Es konnte nicht schaden, wieder mehr Vorsicht walten zu lassen.[/LEFT] [LEFT]»Ich kümmere mich darum«, versprach ich. »Du wirst mich nicht mehr beaufsichtigen müssen.«[/LEFT] [LEFT]Er zeigte mir ein zufriedenes Lächeln. »Gut, wenn wir das besprochen haben, sollten wir zu unserem Tee zurückkehren. Er wird sowieso schon kalt sein.«[/LEFT] [LEFT]Was mich natürlich nicht störte. Soma hatte ihn für mich gekocht, also würde ich ihn selbst jetzt noch genießen, genau wie meine restliche Zeit mit Soma. Dazu entschlossen kehrte ich zum Sofa zurück, wieder einmal glücklich darüber, derart großartige Verbündete und Freunde zu besitzen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]In einem Moment strich die singende Frau mir in meinem Traum noch durch das Haar, im nächsten stand ich vor einem großen Schreibtisch. Jemand saß in dem Sessel dahinter. Doch meine Sicht war verschwommen, alles war undeutlich, so auch die Person, die ich nur als schwarzen Schemen wahrnahm – abgesehen von seinem linken Auge, das rot leuchtete. Es war ein furchteinflößender Anblick, aber dennoch fühlte ich mich vollkommen sicher, behütet sogar.[/LEFT] [LEFT]»Ich bin sicher, dass du erfolgreich zurückkehren wirst«, sagte der Schatten mit tiefer Stimme, »und falls nicht, bin ich dennoch stolz, dass du diese Mission übernommen hast.«[/LEFT] [LEFT]Ich erinnerte mich an diese Worte – jedenfalls, als ich sie während La Lloronas Hypnose gehört hatte. Was für eine Mission war hiermit gemeint?[/LEFT] [LEFT]Mein Traum-Ich neigte ein wenig den Oberkörper. »Ich werde dich nicht enttäuschen.«[/LEFT] [LEFT]Mit einer Hand bedeutete er mir, zu verschwinden. »Dann geh. Deine Mutter will dich bestimmt noch einmal sehen, bevor du losgehst.«[/LEFT] [LEFT]Die Szenerie flatterte wie unzählige winzige Insekten, flog auseinander und setzte sich neu zusammen. Ich saß wieder in dem mir bekannten Raum, zusammen mit der schwarzhaarigen Frau, die mich nun besorgt ansah, ihre braunen Augen leuchteten im elektrischen Licht. Mit ihrem feinen Gesicht hätte ich sie wesentlich jünger geschätzt, aber offenbar war sie meine Mutter – jedenfalls wenn mein Traum mich wirklich zu ihr geführt hatte. Ich war mir nicht sicher, denn obwohl ich mich so genau an sie erinnerte, ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Wärme, fehlte mir die Verbindung. Doch dass sie voller Sorge war, ließ auch mein Herz schwer werden.[/LEFT] [LEFT]»Bist du sicher, dass du das tun willst?«, fragte sie. »Diese Mission ist gefährlich.«[/LEFT] [LEFT]»Nur keine Sorge, ich schaffe das schon, dafür habe ich trainiert.« Ich klang selbstsicher, aber nicht so wie ich es inzwischen von mir kannte. Hier war viel mehr Stolz in meiner Stimme. »Bevor der Monat vorbei ist, komme ich mit einem von ihnen zurück.«[/LEFT] [LEFT]Mit einem von ihnen? Wovon sprach ich da nur? Warum konnte ich mich nicht erinnern?[/LEFT] [LEFT]Meine Mutter seufzte. »Sei einfach nur vorsichtig. Die Welt da draußen ist ein schlimmer Ort.«[/LEFT] [LEFT]Ich versicherte ihr, dass ich besonders auf mich achten würde, und wiederholte, dass ich bald zurück sein werde. Aus diesem bald war inzwischen über ein Jahr geworden. Machte sie sich immer noch Sorgen oder wusste sie, dass ich am Leben war, weil man in Fernost über mich sprach und berichtete? Das hätte ich zu gern gewusst. Fände ich es heraus, wenn ich dorthin ging?[/LEFT] [LEFT]Es gab jedenfalls nur eine Möglichkeit, das zu ergründen: Mit der Hilfe von Soma würde ich den Ort aufsuchen, den der Anhänger mir zeigte – und hoffentlich würde ich dort auch auf meine Mutter treffen.[/LEFT] Kapitel 6: Ich passe ja auf mich auf ------------------------------------ [LEFT]Nach einem letzten Aufbäumen und lauten Brüllen, stürzte der Vajra zu Boden. Ich betrachtete ihn angespannt. Er atmete nicht mehr, aber das musste nicht zwingend etwas bedeuten, schon gar nicht im Simulator. Doch schließlich verschwand die Projektion des Aragami. Zufrieden mit diesem Ergebnis lockerte ich den Griff um meine Sense und atmete durch.[/LEFT] [LEFT]»Das lief wirklich gut«, sagte Kota hinter mir.[/LEFT] [LEFT]Die neben mir stehende Alisa stimmte dem zu: »Du dürftest fast dein altes Niveau wieder erreicht haben.«[/LEFT] [LEFT]Ich verbeugte mich vor den beiden. »Danke, dass ihr mir die letzte Woche geholfen habt.«[/LEFT] [LEFT]Nur mit ihnen beiden hatte ich Tsubaki davon überzeugen können, mich wieder schwerere Kämpfe annehmen zu lassen, und diese auch siegreich zu bestehen. Inzwischen fühlte ich mich gut und sicher genug, um wieder auf richtige Missionen zu gehen, selbst mit größeren Feinden. Das bedeutete auch, dass ich bereit war, mit Soma aufzubrechen. Sakaki müsste nur noch sein Einverständnis geben.[/LEFT] [LEFT]»Ich freue mich schon, wenn wir wieder zusammen Aragami jagen gehen können«, sagte Kota, während wir gemeinsam in Richtung Tür liefen. »Das wird wie früher.«[/LEFT] [LEFT]»Du tust so, als seien wir zuletzt vor einer Ewigkeit zusammen unterwegs gewesen«, erwiderte Alisa. »Es waren nur ein paar Wochen.«[/LEFT] [LEFT]Kota seufzte theatralisch. »Aber es fühlte sich wie eine Ewigkeit an!«[/LEFT] [LEFT]Mir schien, dass Alisa noch etwas dazu sagen wollte, doch ich kam ihr zuvor: »Für mich war das auch so. Ich dachte schon, meine Karriere als God Eater wäre vorbei.«[/LEFT] [LEFT]Offenbar glücklich über diese Zustimmung nickte Kota enthusiastisch. »Nicht wahr?«[/LEFT] [LEFT]Mühelos hielt Alisa ihr God Arc mit einer Hand, während sie mit der anderen mit einer ihrer blonden Strähnen spielte. »Immerhin wäre es eine kurze, aber glorreiche Karriere gewesen.«[/LEFT] [LEFT]Was mich nicht unbedingt tröstete, aber zum Glück war es ja noch nicht vorbei für mich. Besonders in der letzten Woche, in der ich regelmäßig trainiert hatte, war mir bewusst geworden, wie sehr mir das Gewicht meiner Sense fehlte, wenn ich sie nicht hielt. Falls ich den Beruf irgendwann nicht mehr ausüben könnte, wäre ein wichtiger Teil von mir fort – besonders wenn unvermeidbar der Tag käme, an dem Fenrir jemand anderes fände, der meine Waffe führen könnte.[/LEFT] [LEFT]Als wir das God Arc Lager erreichten, wurden wir von einer lächelnden Licca begrüßt. Wie üblich war ihr Gesicht mit schwarzem Öl verschmiert, sie störte das allerdings nicht, immerhin liebte sie ihren Job, wie wir alle wussten. Warum sollte es sie da stören, wenn ihre Haut nicht makellos war? Außerdem waren ihre strahlenden Augen stets wertvoller als unsichtbare Poren.[/LEFT] [LEFT]»Sieht aus, als wäre euer Training erfolgreich gewesen«, sagte sie.[/LEFT] [LEFT]»Oh ja, das war es.« Stolz streckte Kota die Brust raus.[/LEFT] [LEFT]Ich verstand ihn, denn ich teilte dieses Gefühl, vor allem nach dieser langen Zeit. Der Vajra mochte nicht das stärkste Aragami sein, aber wer mit seiner Geschwindigkeit mithalten konnte, dürfte kaum noch etwas zu befürchten haben.[/LEFT] [LEFT]Licca nahm uns die God Arcs ab und verstaute sie sicher auf den dafür vorgesehenen Halterungen. Nach einem Training musste nicht viel gewartet werden, also dürften sie bald wieder einsatzbereit sein. Ich wollte jederzeit in der Lage sein, loszuziehen, wenn die passende Mission rief. Aber es gab eine Sache, die ich davor noch erledigt haben wollte: »Licca, ist die Analyse des La Llorona Kerns schon abgeschlossen?«[/LEFT] [LEFT]Ihre Augen weiteten sich vor Begeisterung noch weiter. »Oh ja, deswegen wollte ich noch mit dir reden. Doktor Sakaki hat dir vermutlich schon gesagt, dass wir ihn nicht nachbilden können. Aber ich kann damit dein God Arc verbessern, wenn du es willst.«[/LEFT] [LEFT]»Das wäre großartig. Kannst du mir daraus einen neuen Schild machen?«[/LEFT] [LEFT]Ich hatte die letzte Woche darüber nachgedacht. Ein Kern, der andere Orakelzellen abstieß, war nicht als Schneide geeignet, auch nicht als Gewehr, nein, es musste ein Schild sein, der mich vor Angriffen schützte. So konnte ich mir auch weiterhin die weiß-lila Form meiner Sense erhalten, das letzte Erinnerungsstück an die kleine Shio – was auch ein Grund war, warum ich diese Sense niemals an einen anderen God Eater abgeben wollte.[/LEFT] [LEFT]Licca zwinkerte mir zu. »Kein Problem. Das habe ich im Nu erledigt.«[/LEFT] [LEFT]Sie hatte mich noch nie enttäuscht, also vertraute ich ihr auch in diesem Moment und bedankte mich schon einmal.[/LEFT] [LEFT]Alisa deutete derweil ein Kopfschütteln an. »Ich schwanke immer noch zwischen Wut und Bewunderung, dass du den Kern in deinem Zustand geborgen hast.«[/LEFT] [LEFT]Kota fand dagegen direktere Worte: »Es war aber echt ganz schön dumm.«[/LEFT] [LEFT]»Und wenn sogar Kota das sagt ...« Alisa wickelte eine Strähne um ihren Finger.[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß doch. Das haben mir alle die ganze Zeit gesagt. So was mache ich auch nie wieder.«[/LEFT] [LEFT]Schon allein deswegen, weil ich hoffte, nie wieder einer La Llorona zu begegnen. Dieses Aragami war ein wenig zu außergewöhnlich für mich; ein Feind, der nicht nur fähig war, Orakelzellen abzustoßen, sondern einen God Eater auch noch zu hypnotisieren, war viel zu gefährlich.[/LEFT] [LEFT]»Darfst du denn schon wieder auf Mission gehen?«, fragte Licca mich.[/LEFT] [LEFT]»Ich werde mit Doktor Sakaki reden. Aber nach der letzten Trainingsmission sollte dem nichts mehr im Wege stehen. Solange ich nicht allein gehe.«[/LEFT] [LEFT]Und das hatte ich natürlich nicht vor.[/LEFT] [LEFT]»Lass es aber ruhig angehen«, bat Licca. »Wir wollen nicht, dass du noch einmal ausfällst.«[/LEFT] [LEFT]»Ich passe ja auf mich auf, versprochen.«[/LEFT] [LEFT]Nachdem ich in der Vergangenheit dumme Entscheidungen getroffen hatte, selbst mit den besten Absichten, war es wohl normal, dass ich mir das weiterhin anhören durfte. Mir blieb offenbar nur, zukünftig zu beweisen, dass ich es besser konnte.[/LEFT] [LEFT]Licca versicherte mir, Bescheid zu sagen, sobald sie mit der Verbesserung fertig wäre, dann verließen Alisa, Kota und ich die Werkstatt wieder.[/LEFT] [LEFT]Auf dem Gang wandte Alisa sich mir zu. »Ich nehme an, du willst sofort mit dem Direktor sprechen.«[/LEFT] [LEFT]»Ja, je schneller ich das erledige, desto besser. Aber wir können uns zum Abendessen treffen, wenn ihr wollt. Wäre das was?«[/LEFT] [LEFT]Kota strahlte sofort. »Oh, gute Idee! Dann kann ich euch erzählen, wie es in Bugarally weitergeht.«[/LEFT] [LEFT]Obwohl Alisa seufzte, lächelte sie ebenfalls. »Trotz dieser Aussicht freue ich mich auch darauf.«[/LEFT] [LEFT]Damit gingen wir erst einmal auseinander. Ich strebte in Richtung von Sakakis Büro. In Gedanken ging ich dabei die Vorbereitungen durch, die wir in der letzten Woche getroffen hatten: Lindow und Sakuya waren bereit, uns auf einer Mission zu begleiten, und uns dann ein Alibi zu verschaffen, wenn wir uns weiter nach Norden bewegten. Lindow wirkte mir allerdings ein wenig zu enthusiastisch, was diese Aussicht anging. Abgesehen davon hatte ich einige Vorräte und Einheiten von Selektionsfaktoren aus dem Lager schmuggeln können, genau wie ein Erste-Hilfe-Set, nur für den Fall der Fälle. Sie lagerten nun in meinem Zimmer, versteckt natürlich, aber trotzdem glaubte ich jedes Mal, wenn ich daran vorbeilief, dass etwas mich vorwurfsvoll anstarrte. Ich sagte mir immer wieder, dass der Zweck die Mittel heiligte, dass ich mich dafür entschuldigen und alles erklären würde, dann fühlte ich mich stets ein wenig besser, besonders je näher die mögliche Abreise rückte. Sobald Licca meinen Schild aufgewertet hatte, war ich bereit.[/LEFT] [LEFT]An Sakakis Tür angekommen klopfte ich, wartete auf seine Aufforderung und trat dann ein. Wie üblich saß er hinter seinem Schreibtisch und ging seine Dokumente durch, doch er lächelte, als er mich sah. »Ah, Frea, schön, dich zu sehen. Was führt dich zu mir?«[/LEFT] [LEFT]Ich erwiderte seine Begrüßung und kam sofort zu meinem Anliegen: »Ich möchte beantragen, wieder für Missionen zugelassen zu werden. Meine letzten Trainingseinheiten verliefen erfolgreich und ohne größere Probleme. Es gibt also keinen Grund mehr, mich nicht auf echte Missionen zu schicken.«[/LEFT] [LEFT]Sakaki betrachtete mich schweigend, dafür aber mit ernstem Gesicht. Ich blieb so fest wie möglich stehen und wartete. Ich würde nicht zurückweichen, bis ich bekam, was ich wollte, obwohl ich nervös war. Wie sollte ich ihn schon überzeugen, wenn er ablehnte? Im Endeffekt war er nach wie vor mein Vorgesetzter – aber diese Sache war zu wichtig für mich![/LEFT] [LEFT]Schließlich kräuselten sich seine Lippen wieder zu einem Lächeln. »Du denkst also, du seist bereit.«[/LEFT] [LEFT]Im Moment fiel es mir schwer, einzuschätzen, was er dachte, deswegen nickte ich wortlos.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe mir die Daten deines Trainings angesehen«, fuhr er fort, ehe er eine Pause machte, scheinbar um mich weiter auf die Folter zu spannen – doch schlussendlich erlöste er mich: »Das sieht wirklich gut aus. Aber ich kann dich nur unter einer Bedingung da rauslassen.«[/LEFT] [LEFT]Aufgeregt spitzte ich die Ohren und beugte mich ein wenig vor.[/LEFT] [LEFT]»Du wirst nur gemeinsam mit Soma auf Mission gehen.«[/LEFT] [LEFT]Innerlich jubelte ich. Das war fast schon zu perfekt. So würden wir nicht einmal Verdacht erregen, wenn wir uns wirklich gemeinsam für eine anmeldeten – und auch nicht, wenn wir uns zusammen absetzen würden, jedenfalls nicht am Anfang.[/LEFT] [LEFT]Nach außen bemühte ich mich um best-mögliche Gelassenheit. »Darf ich fragen warum?«[/LEFT] [LEFT]»Laut Somas Bericht zu eurer letzten Mission-«[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß, dass ich Mist gebaut hatte«, unterbrach ich ihn.[/LEFT] [LEFT]Sakakis Lächeln schwankte nicht einmal im Mindesten. »Das wollte ich gar nicht sagen, aber schön, dass du es noch einmal für mich zusammenfasst.«[/LEFT] [LEFT]Ich presste die Zähne aufeinander, statt zu seufzen. Wenn er glaubte, ich sei psychisch instabil, diente ihm das am Ende vielleicht noch als Argument dafür, mich weiter hier zu behalten.[/LEFT] [LEFT]»Jedenfalls kam es mir so vor, als ob Soma gute Arbeit darin geleistet hat, dich zu beschützen. Außerdem scheinst du auf die meisten seiner Anweisungen gehört zu haben.«[/LEFT] [LEFT]Welche Wahl blieb mir denn? Soma verstand es, sich gegen mich durchzusetzen. Ich besaß nun einmal eine schwache Seite für ihn, aber das musste ich ja niemandem erklären.[/LEFT] [LEFT]»Ich befürchte, andere God Eater wären nicht bereit, dir Befehle zu geben, selbst wenn es dabei um deine Gesundheit geht.«[/LEFT] [LEFT]Das konnte ich mir tatsächlich auch nicht vorstellen – abgesehen von Shun und Gina. Aber ersterem würde ich nicht zuhören und letztere würde mir mit süßlicher Stimme Gewalt androhen, damit ich tat, was sie wollte. Ich verzichtete gern auf beides.[/LEFT] [LEFT]»Okay, ich habe verstanden. Ich werde immer mit Soma auf Mission gehen.«[/LEFT] [LEFT]Sakaki nickte und vermerkte sich etwas auf einem Dokument vor ihm. »Gut, gut, dann werde ich Tsubaki anweisen, dich im System wieder freizuschalten. Übernimm dich trotzdem nicht. Wir brauchen dich noch eine Weile.«[/LEFT] [LEFT]»Keine Sorge. Soma wird mich bestimmt eigenhändig vom Schlachtfeld zerren, wenn ich auch nur den Hauch von Schwäche zeige.«[/LEFT] [LEFT]Sakakis Lachen verriet mir, dass er das ebenfalls glaubte. Ob Soma mir dann immer noch erklären würde, dass es die anderen waren, denen ich viel bedeutete? Was brauchte es, um ihn ehrlich werden zu lassen?[/LEFT] [LEFT]»Das war jedenfalls alles«, sagte ich. »Danke, Dr. Sakaki.«[/LEFT] [LEFT]Ich fuhr herum, ging zur Tür – und hielt mit ausgestreckter Hand vor dem Türöffner wieder inne.[/LEFT] [LEFT]Alles war vorbereitet, geradezu perfekt, wir müssten nur noch auf die richtige Mission warten. Doch ein kleiner Funken in meinem Inneren erinnerte mich daran, wie dankbar ich Fenrir sein musste. Man hatte mich aufgenommen, mir ein Ziel gegeben, als ich mich an nichts mehr erinnern konnte. Außerdem war ich so vielen neuen Freunden begegnet, sowie Soma. Wollte ich eben dieser Organisation wirklich derart in den Rücken fallen? Würde Sakaki meinen Wunsch tatsächlich ablehnen? Oder meine Entschuldigung im Nachhinein akzeptieren?[/LEFT] [LEFT]Soma war der Meinung, man würde mir das natürlich verzeihen, wenn ich es später erklärte (und ich ging grundsätzlich auch davon aus, abgesehen von solchen kurzen Momenten des Zweifels), aber wäre es nicht besser, das im Vorfeld zu machen?[/LEFT] [LEFT]Doch dann wiederum war alles so perfekt! Wollte ich das kaputt machen, nur weil mein Gewissen mich gerade zwickte?[/LEFT] [LEFT]Sakaki räusperte sich. »Gibt es noch irgendetwas?«[/LEFT] [LEFT]Das war meine letzte Chance. Wenn ich Fenrir meine Loyalität beweisen wollte, dann jetzt.[/LEFT] [LEFT]Ich sah über meine Schulter. Sakaki musterte mich mit gerunzelter Stirn, als wäre er besorgt.[/LEFT] [LEFT]»Nein«, sagte ich, »es gibt nichts mehr.«[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Lustlos stocherte Kota in seinem Essen herum. »Was soll das hier eigentlich sein?«[/LEFT] [LEFT]Ich betrachtete die gelbliche Masse, die auch auf meinem Teller lag. Die leicht schleimige Konsistenz erschwerte es, den Geschmack festzustellen, besonders weil man es nicht zu lange im Mund behalten wollte.[/LEFT] [LEFT]»Ich glaube«, sagte Alisa, »dass es Rührei sein soll.«[/LEFT] [LEFT]Kota rümpfte darüber die Nase. »Das ist eine Beleidigung für jedes Ei. Nächstes Mal sollten wir lieber wieder bei Sakuya essen. Oder bei meiner Mutter.«[/LEFT] [LEFT]Beides wäre eigentlich eine gute Idee gewesen. Lediglich bei ersterem hätte die Befürchtung bestanden, dass Lindow oder Sakuya etwas von unseren bevorstehenden Plänen verrieten, nicht einmal absichtlich, man musste sich schließlich nur einmal gedankenlos verplappern. Bei Kotas Mutter wäre meine Sorge dagegen, dass wir uns ihr aufdrängten – gerade bei Bewohnern des äußeren Ghettos wäre mir das unangenehm.[/LEFT] [LEFT]Alisa gingen wohl ähnliche Gedanken durch den Kopf, denn sie brachte einen weiteren Vorschlag ein: »Oder Frea lernt, wie man kocht.«[/LEFT] [LEFT]Ein erster Impuls wollte mich ablehnen lassen, doch bevor ich etwas sagen konnte, fiel mein Blick wieder auf das, was vermutlich ein Rührei darstellen sollte. Oder vielleicht doch Pudding?[/LEFT] [LEFT]»Eigentlich eine gute Idee, die Rationen sind wirklich …« Ich konnte nur seufzen.[/LEFT] [LEFT]»Was denken die sich eigentlich?«, klagte Kota. »Wir riskieren hier unser Leben, da sollte man uns wesentlich besseres Essen zur Verfügung stellen.«[/LEFT] [LEFT]Eine allzu bekannte Beschwerde unter Fenrir-Personal, die wohl nie verstummen würde. Da wäre es wirklich vorteilhaft, wenn ich selbst kochen lernte – am besten fragte ich Sakuya danach, sobald ich von dieser Reise zurück war. Es stand für mich außer Frage, dass ich zu Fenrir zurückkäme.[/LEFT] [LEFT]Vollkommen von den geschmacklosen Rationen entmutigt legte Kota die Gabel beiseite. Als er mich nun ansah, wirkte er schon ein wenig besser gelaunt. »Ich habe gehört, du hast Sakaki überzeugen können und darfst wieder raus.«[/LEFT] [LEFT]»Mit einer Bedingung, aber ja, ich darf wieder auf die Jagd gehen. Ich bin schon gespannt, wie ich mich da draußen schlagen werde.«[/LEFT] [LEFT]Kota versicherte mir, dass ich mich bestimmt immer noch gut machte, Alisa hakte derweil nach: »Was für eine Bedingung gibt es denn?«[/LEFT] [LEFT]Möglichst gelassen erklärte ich die Sache mit Soma, worauf beide überraschend große Augen bekamen. Ratlos sah ich zwischen den beiden hin und her. »Was ist denn los?«[/LEFT] [LEFT]»Na ja.« Kota zog die Brauen zusammen und kratzte sich verlegen an der Wange. »Ist das wirklich eine gute Idee? Letztes Mal war Soma ziemlich sauer auf dich.«[/LEFT] [LEFT]Ich winkte sofort ab. »Das war ja auch meine Schuld, oder? Ihr habt doch selbst gesagt, dass ich da unvorsichtig war. Wenn ich besser aufpasse, muss er auch nicht mehr wütend werden.«[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß nicht so recht.« Alisa zerrieb eine Strähne zwischen ihren Fingern. »So wie Soma inzwischen ist, wird er wohl eher verhindern, dass du kämpfst. Wahrscheinlich wird er dich darum bitten, dass du immer hinter ihm bleibst.«[/LEFT] [LEFT]Kota nickte, als hätte Alisa eine tiefergehende Weisheit ausgesprochen.[/LEFT] [LEFT]Ich dagegen verstand das Problem nicht, schließlich klang das sogar irgendwie … süß. Es passte dazu, dass Soma von seinem Todesengel-Image wegkam und er nun die wenigsten Todesfälle in seinen Einheiten aufzuweisen hatte. So konnte er sich hoffentlich endlich selbst zu schätzen lernen.[/LEFT] [LEFT]»Wir meinen ja nur«, fuhr Alisa fort, »dass du vielleicht unzufrieden sein könntest, wenn du mit ihm zusammen auf Mission gehst. Aus vielen Gründen.«[/LEFT] [LEFT]Ein erneutes Nicken von Kota.[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte beide an. »Danke, dass ihr euch solche Gedanken um mich macht, aber das ist wirklich nicht notwendig. Ich weiß genau, was ich mache.«[/LEFT] [LEFT]Ich würde Fenrir hintergehen, wenn auch nur kurzzeitig, um eine Verbindung zu meiner Vergangenheit herzustellen. Und ich würde Soma mit hineinziehen. Dafür hatte ich mich entschieden – ohne zu wissen, ob es das Richtige war. Aber wie konnte man sich dessen auch je sicher sein?[/LEFT] [LEFT]Alisa sah zögerlich zwischen Kota und mir hin und her. »Okay, wenn du denkst, dass alles gut ausgehen wird, dann vertraue ich dir.«[/LEFT] [LEFT]Auch jetzt nickte er noch ergeben.[/LEFT] [LEFT]Ich fragte mich, ob die beiden sich nur zufällig einig waren, ob Kota verstand, worum es ging, oder ob sie über mich (und Soma) gesprochen hatten und so zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen waren. Wie auch immer die Antwort letztendlich war, im Grunde wollte ich das lieber nicht wissen. Deswegen hob ich meine Flasche mit Mineralwasser, hoffend, dass ich damit das Thema ändern könnte. »Wollen wir nicht lieber darauf anstoßen, dass wir bald wieder zusammen unterwegs sind?«[/LEFT] [LEFT]Zu meiner Erleichterung reagierten sie darauf, indem sie ebenfalls ihre Getränke hoben. Das Plastik klickte leise, als wir die Flaschen zusammenführten. Es schmerzte mich ein wenig, dass ich auch ihnen die Wahrheit nicht anvertrauen konnte, um sie nicht darin zu verwickeln. Aber ich würde ja nicht allein sein, also wäre das in Ordnung – und am Ende würden sie es verstehen. Ganz sicher.[/LEFT] Kapitel 7: Das ist zu auffällig ------------------------------- [LEFT]Es war eine Weile her, seit ich zuletzt mit einem der gepanzerten Wägen von Fenrir gefahren war, aber ich war überzeugt, dass es eigentlich nicht derartig ruckeln sollte. Lindow raste über die Steppe jenseits der Fernost-Abteilung, als wäre ein Aragami hinter uns her. Da er dabei allerdings immer wieder lachte, und ich nichts hinter uns sehen konnte, war das nicht der Fall.[/LEFT] [LEFT]Soma saß auf dem Rücksitz neben mir, und auch wenn ich ihn nicht genauer betrachten konnte, war ich sicher, dass auch er seine Geduld langsam verlor. Wir waren angeschnallt, aber dennoch wurden wir so sehr durchgeschleudert, dass mein Magen bereits zu rebellieren begann und ich bereute nicht auf das Frühstück verzichtet zu haben.[/LEFT] [LEFT]Sakuya, auf dem Beifahrersitz, kümmerte sich gar nicht darum. Sie sah lächelnd aus dem Fenster, kommentierte manchmal etwas besonders Außergewöhnliches – »Seht euch mal diesen riesigen Quadriga an!« – und wirkte dabei vollkommen entspannt. Wie oft war sie mit Lindow unterwegs gewesen, um daran bereits gewöhnt zu sein?[/LEFT] [LEFT]Mit voller Geschwindigkeit rumpelte der Wagen über die Hindernisse auf unserem Weg. Früher waren das einmal sorgsam gepflegte Straßen gewesen, doch mit den Jahren waren sie vollkommen zerfallen. Aufgrund der Aragami war niemand hier draußen gewesen, um entstehende Risse zu schließen. So hatte sich Regenwasser in Pfützen unter dem Asphalt gesammelt. Im Winter waren diese dann gefroren und die Volumenausbreitung hatte den Straßenbelag regelrecht gesprengt. Jedenfalls war mir das so beigebracht worden. Ich wusste zwar nicht mehr von wem, aber mein Gehirn hatte es sich dennoch gemerkt.[/LEFT] [LEFT]Ein besonders großes Schlagloch brachte das Auto zum Hüpfen – und sorgte dafür, dass Somas Kopf eine sichtbar unsanfte Begegnung mit dem Dach erlebte. Er fluchte und rieb sich brummend die verletzte Stelle. »Kannst du nicht vorsichtiger fahren?«[/LEFT] [LEFT]Lindow lachte darauf. »Warum denn? So ist es viel besser. Und wir kommen schneller an.«[/LEFT] [LEFT]»Oder wir sterben schneller.«[/LEFT] [LEFT]Ich bezweifelte, dass Lindow das kümmerte, schließlich war er dem Tod bereits einmal von der Schippe gesprungen. Außerdem waren wir God Eater – wir starben nicht bei Autounfällen.[/LEFT] [LEFT]Lindow ging nicht mehr weiter auf das Thema ein und freute sich stattdessen über die Fahrt an sich. Ich warf einen Blick zu Soma hinüber, doch er achtete im Moment nicht auf mich, deswegen sah ich nicht mehr als seine Kapuze. Worüber er wohl gerade nachdachte?[/LEFT] [LEFT]Sakuya beugte sich vor und deutete durch die Windschutzscheibe auf einen Punkt in der Entfernung. »Da vorne sollte es sein. In der Nähe müsste der Sariel sein.«[/LEFT] [LEFT]»Schafft ihr das wirklich allein?« Wenn ihnen irgendetwas geschah, weil ich diesen Alleingang durchziehen wollte, könnte ich mir das nie verzeihen.[/LEFT] [LEFT]Sakuya lehnte sich wieder zurück, sah über die Schulter und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mach dir darüber keine Gedanken, wir kriegen das hin. Ihr seid die beiden, die vorsichtig sein sollten.«[/LEFT] [LEFT]Ich machte mir wenig Sorgen deswegen. Soma und ich hatten uns darauf geeinigt, möglichst viele Aragami zu umgehen, dafür führten wir sogar Tarnstoff mit uns. Und selbst wenn es zu einem Kampf käme, fühlte ich mich gut geschützt durch das neue Schild, das Licca mir angefertigt hatte.[/LEFT] [LEFT]Lindow bremste so abrupt, dass trotz des Gurtes meine Stirn gegen Sakuyas Sitz stieß. Ich brummte nur leise, um keine Diskussion auszulösen.[/LEFT] [LEFT]»Wir sind da«, verkündete Lindow überflüssigerweise. »Alle aussteigen!«[/LEFT] [LEFT]Soma verließ den Wagen so schnell, dass er bereits die Ladeluke öffnete, als ich auch endlich draußen war. In der Entfernung standen die Ruinen einer kleinen Stadt, dort musste der Sariel sich herumtreiben, auf der Suche nach etwas Essbarem, umgeben von kaltem Stahl und Beton, der vor langer Zeit die Heimat von jemandem gewesen war; nun rottete er nutzlos vor sich hin, sofern Fenrir-Mitarbeiter ihn nicht als nutzbar einstuften und abbauten.[/LEFT] [LEFT]Ich wandte mich davon ab und ging zu Soma hinüber. Er wartete bereits mit einem Rucksack in der Hand, darin waren Decken und Rationen, den ich mir auf den Rücken schnallte. Er selbst nahm sich den mit Medizin und Selektionsfaktor, der deswegen wesentlich schwerer war. Danach reichte er mir noch den Koffer, in dem mein God Arc für die Reise verstaut war. In dieser Form waren sie besser transportierbar, außerdem konnte auch jemand anderes als der Besitzer sie so tragen, ohne vom Aragami des God Arcs verschlungen zu werden.[/LEFT] [LEFT]Soma stellte seinen eigenen Koffer ab, dann breitete er eine Karte Japans auf der Seite des Wagens aus, die wir extra hierfür besorgt hatten. Ich hielt sie fest, während er noch einen Kompass aus der Tasche kramte. Er deutete auf einen Punkt. »Wir sind jetzt hier.«[/LEFT] [LEFT]Unser Ziel war bereits markiert, ich betrachtete die Strecke und presste die Lippen aufeinander. Es sah aus, als müssten wir mehrere Tage laufen, bevor wir auch nur in die Nähe kamen. Das war mir immer klar gewesen, aber erst in diesem Moment wurde mir wirklich bewusst, wie weit die Strecke war – und wir mussten die ganze Zeit mit Angriffen von Aragami rechnen, egal wie vorsichtig wir waren, schließlich würden wir in Bereiche vordringen, die von der Fernost-Abteilung noch nicht gesäubert worden war. Wäre Soma nicht bei mir gewesen, hätte ich nun direkt aufgegeben. Seine Anwesenheit wäre dieser Sache verlieh mir allerdings die nötige Sicherheit, das durchzuziehen.[/LEFT] [LEFT]Lindow und Sakuya betrachteten uns mit ernsten Gesichtsausdrücken. Seit der Sache mit Arius Nova hatte ich sie nicht mehr so gesehen, weswegen ich ihren Blick mit geneigtem Kopf erwiderte.[/LEFT] [LEFT]»Das ist ganz schön weit«, sagte Sakuya. »Wollt ihr wirklich nicht den Wagen haben? Wir kommen von hier aus problemlos zurück.«[/LEFT] [LEFT]Soma schüttelte mit dem Kopf. »Das ist zu auffällig. Wir wollen den Aragami aus dem Weg gehen, nicht sie auf uns aufmerksam machen. Wisst ihr noch, was ihr sagen sollt?«[/LEFT] [LEFT]»Ja ja.« Lindow zündete sich eine Zigarette an. »Ihr habt die Signatur eines unbekannten Aragamis gesehen und wolltet das auschecken, wir warten hier auf euch, um den Wagen zu beschützen.«[/LEFT] [LEFT]Hibaris Radar dürfte nicht weit genug reichen, um etwas abseits des Einsatzortes festzustellen. Wir dagegen hatten einen tragbaren Radar bei uns, der unsere Umgebung scannte, also war es nicht aus der Luft gegriffen.[/LEFT] [LEFT]»Und wenn es dunkel wird, geht ihr nach Hause«, ergänze ich für ihn. »Wir werden unseren Status per Funk durchgeben und erklären, dass wir dem Aragami weiter folgen.«[/LEFT] [LEFT]»Das werden sie nicht gern hören«, gab Sakuya zu bedenken.[/LEFT] [LEFT]Soma zuckte mit den Schultern. »Was sollen sie machen? Uns feuern?«[/LEFT] [LEFT]Nach all unseren Erfolgen würde die Firma das kaum wagen, besonders da Soma der Sohn des früheren Fernost-Direktors war. Zumindest in diesem Bereich war ich kaum besorgt. Ein wenig Arrest stand bei unserer Rückkehr aber durchaus auf dem Plan.[/LEFT] [LEFT]»Da wir das geklärt haben, sollten wir eine Verbindung zu Hibari aufbauen.« Soma zog die Headsets, die bequem in ein Ohr passten, aus dem Ladebereich und gab jedem eines.[/LEFT] [LEFT]Mit geübten Handgriffen brachten wir sie an und aktivierten sie. Es dauerte nur einen kurzen Moment, dann hörten wir Hibaris Stimme: »Ihr seid am Einsatzort angekommen?«[/LEFT] [LEFT]Ich bestätigte das. »Allerdings schlage ich als Teamleiter eine Änderung vor.«[/LEFT] [LEFT]Hibari war eine Sekunde lang still. Als sie wieder sprach, klang sie zurückhaltend: »Worin genau soll diese bestehen?«[/LEFT] [LEFT]»Wir haben in der Nähe die Signatur eines unbekannten Aragami entdeckt, Soma und ich möchten dem nachgehen. Natürlich vorsichtig. Lindow und Sakuya beenden den ursprünglichen Auftrag.«[/LEFT] [LEFT]Ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie Hibari nervös auf ihrem Stuhl rutschte. »Eigentlich müsste ich das erst von Tsubaki oder Dr. Sakaki autorisieren lassen.«[/LEFT] [LEFT]Lindow nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette und atmete den Rauch aus, ehe er seinen Trumpf anbrachte: »Nicht nötig. Ich hab meine Schwester schon darüber in Kenntnis gesetzt. Sie hat zugestimmt, solange der Captain nicht allein unterwegs ist. Soma soll darauf achten, dass sie nicht wieder Schwachsinn macht.«[/LEFT] [LEFT]Das Manöver war riskant, mein Puls beschleunigte sich mit jeder Sekunde, in der Hibari schwieg, mehr. Wir hatten beschlossen, dennoch zu gehen, selbst wenn Hibari darauf bestand, im Vorfeld mit jemandem zu sprechen, aber ich hoffte, es wäre nicht notwendig. Ich wollte es nicht aussehen lassen, als desertiere ich. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe – und spürte plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Ich sah zur Seite, Soma nickte mir zu, formte mit den Lippen die Worte Ganz ruhig. Wenn meine Vitalwerte zu sehr verrückt spielten, könnte sie merken, dass wir logen, er hatte recht. Ich atmete tief durch, um mich wieder zu beruhigen, dabei starrte ich direkt in Somas Augen, die gerade dunkler als sonst wirkten – er musste auch angespannt sein, selbst wenn er es nicht so sehr zeigte.[/LEFT] [LEFT]»In Ordnung«, sagte Hibari schließlich. »Ich werde eine Notiz deswegen im System hinterlassen.«[/LEFT] [LEFT]Lindow vollführte eine Bewegung, die wohl Seht ihr bedeuten sollte. »Danke, Hibari. Dann werden Frea und Soma jetzt die Spur des Aragami aufnehmen.«[/LEFT] [LEFT]Sakuya scheuchte uns davon. Wir nickten den beiden noch einmal dankbar zu, dann eilten wir in eine andere Richtung, um unsere Reise zu beginnen. Als ich zurück blickte, hatten die beiden sich ebenfalls auf dem Weg gemacht, um den Sariel zu besiegen. Ich hoffte, dass es nicht das letzte Mal war, dass wir zusammen auf Mission gegangen waren, obwohl ein Engegefühl in meiner Brust mir genau das mitzuteilen versuchte. Ich atmete noch einmal tief durch, was durch dieses seltsame Gefühl nur schwer war, und schloss mich dem vorangegangenen Soma an. Die Reise würde schwer genug werden, da musste ich nicht auch noch zurückfallen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Als God Eater war man einem Aragami näher als einem Menschen, so gelang es uns, pausenlos für mehrere Stunden zu laufen. Da wir uns noch in einer Gegend befanden, die regelmäßig von uns bereinigt wurde, trafen wir nicht viele Aragami. Manchmal huschten Ogerschweife in der Entfernung vorbei, doch sie bemerkten uns nicht oder ignorierten uns.[/LEFT] [LEFT]Wir umgingen Ruinen, um nicht auf eventuelle Überlebende zu treffen oder auf Barrikaden zu treffen, die wir erklettern müssten, selbst wenn das bereits an diesem Tag einen Umweg von etwa zwei Stunden bedeutete.[/LEFT] [LEFT]Keine Hubschrauber flogen über uns hinweg, also waren keine neuen Missionen in dieser Gegend hereingekommen, was uns nur recht sein konnte. So wurden wir von niemandem entdeckt und doch noch aufgehalten. Aufgrund des anhaltenden Hungers der Aragami gab es nämlich kaum noch Wälder in denen wir uns hätten vor fremden Blicken verstecken können. Während ihnen Metall und Gestein nicht sonderlich zu schmecken schien, weswegen sie von Gebäuden oder Maschinen oft nur einen Bissen nahmen, Pflanzen aber geradewegs verschlangen, genau wie Tiere oder Menschen.[/LEFT] [LEFT]Den Funk hatten wir erst einmal deaktiviert, mit der Option, uns dennoch anfunken zu können. Wir wollten nicht mitanhören, wie Lindow und Sakuya kämpften, sondern uns voll auf unsere Umgebung konzentrieren.[/LEFT] [LEFT]Die Sonne ging bereits unter, als Soma das erste Mal stehenblieb. Neben uns ragten die Überreste eines Strommeilers in die Höhe. Die Kabel waren vor langer Zeit abgerissen, doch der Pfeiler sah noch gut genug zum Ersteigen aus. Soma beschäftigte das wohl ebenfalls, denn er stellte seinen God Arc Koffer ab, den Blick weiterhin nach oben gerichtet.[/LEFT] [LEFT]»Wir müssen uns langsam einen sicheren Platz für die Nacht suchen«, erklärte er. »Ich werde von dort oben mal nachsehen.«[/LEFT] [LEFT]Damit streifte er auch seinen Rucksack ab, fischte noch ein Fernglas heraus und begann dann bereits den Aufstieg, ohne auf meine Antwort zu warten. Ich hatte ohnehin nichts zu sagen.[/LEFT] [LEFT]Das Engegefühl in meiner Brust kehrte wieder, während ich ihn beim Klettern beobachtete. Er müsste nur abrutschen oder eine der Sprossen lose sein, dann würde er abstürzen und-[/LEFT] [LEFT]Ich konnte den Gedanken nicht beenden, weil mein Herz wieder zu rasen begann. Er kletterte immer noch, rief ich mir in Erinnerung, alles war gut, ihm würde nichts geschehen.[/LEFT] [LEFT]Bevor er die Spitze erreichte, hielt er inne und setzte das Fernglas an. Er sah in verschiedene Richtungen, ließ sich jeweils mehrere Sekunden Zeit; mir kam es wie eine Ewigkeit vor, in der ich mir weiter vorstellte, was ihm da oben alles geschehen könnte.[/LEFT] [LEFT]Erst als er wieder herunterkletterte und ab einer gewissen Höhe einfach sprang, nur um neben mir wieder zum Stehen zu kommen, war ich erleichtert. Er deutete in eine bestimmte Richtung. »Dort hinten liegt ein abgestürzter Militärhubschrauber. Das ist das einzige, was uns in der Nähe Schutz bieten könnte.«[/LEFT] [LEFT]Es war auf jeden Fall besser als im Freien zu übernachten. Nicht nur wegen der Aragami, die Temperaturen sanken bereits, sobald die Sonne ganz weg war, dürfte es zu kalt werden, um die Nacht draußen zu verbringen – und ein Feuer würde nur Aragami oder Menschen anlocken.[/LEFT] [LEFT]Das Hubschrauber-Wrack lag verlassen da. Soweit ich sehen konnte, waren lediglich die Rotoren und die Glasscheiben des Cockpits zerstört. Der Ladebereich war mit Kratzern und Dellen übersät, ansonsten aber unbeschädigt. Das Fenrir-Logo fehlte, er musste also schon sehr lange hier liegen.[/LEFT] [LEFT]Soma versuchte, die Ladetür zu öffnen. Ein mechanisches Knarzen antwortete ihm.[/LEFT] [LEFT]»Ich glaube, wir sollten versuchen, durch die Cockpitscheibe reinzuklettern«, sagte ich. »So wie sich das anhört, machst du die Tür eher kaputt.«[/LEFT] [LEFT]Schnaubend ließ Soma wieder los. Dann ging er um die Maschine herum, bis er dort war, wo einst Glas gewesen war. Wir knieten uns zusammen hin und starrten in das dunkle Innere. Ich nahm keinerlei Bewegung war, auch von Aragami gab es keine Spur.[/LEFT] [LEFT]Soma verließ sich allerdings nicht auf sein Gefühl. Er nahm einen nahegelegenen kleinen Stein und warf ihn in die Maschine hinein. Das einzige, was wir hörten, war das blecherne Hallen, als er irgendwo aufschlug. Nichts geschah.[/LEFT] [LEFT]Nachdem Soma überzeugt war, dass da drinnen nicht der Tod auf uns lauerte, nickte er mir zu. »Ich werde noch Lindow und Sakuya anfunken. Geh du solange schon mal rein.«[/LEFT] [LEFT]Ich warf einen Blick umher. Nirgends waren Anzeichen von kürzlich vorbeigezogenen Aragami zu sehen, hier draußen dürfte also keine Gefahr für ihn lauern. Nur deswegen stimmte ich zu, fügte aber noch ein »Sei vorsichtig« dazu. Sein Mundwinkel hob sich ein wenig, was ich als Zustimmung wertete.[/LEFT] [LEFT]Ich streifte den Rucksack ab, und schob ihn gemeinsam mit dem God Arc Koffer vor mir her, während ich auf allen Vieren ins Innere kroch. Glasscherben klirrten unter mir, eine davon stach in mein Knie und hinterließ ein Brennen. Doch ich hielt erst inne, als ich im Heck des Hubschraubers angekommen war und mich aufsetzte. Durch das letzte Tageslicht, das mich gerade noch erreichte, sah ich den Riss in meiner Hose und das Blut einer offenen Wunde auf meinem Knie. Ich wischte mit einem sauberen Tuch darüber, bis ein dunkler Schatten auf mich fiel.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe Lindow Bescheid gesagt.« Soma kroch herein, so wie ich zuvor. »Er kann Tsubaki jetzt erklären, was los ist – sofern er Lust darauf hat.«[/LEFT] [LEFT]Erst als er sich neben mich setzte, fiel ihm meine Verletzung auf. Er seufzte und kramte in seinem Rucksack. »Wir sind erst seit ein paar Stunden unterwegs.«[/LEFT] [LEFT]»Es ist nur ein kleiner Kratzer.«[/LEFT] [LEFT]»Der sich selbst bei einem God Eater entzünden kann.« Er zog eine Flasche Desinfektionsmittel hervor und ein weiteres Tuch »Beiß jetzt einfach die Zähne zusammen.«[/LEFT] [LEFT]Als er das Mittel auftrug, schien Feuer durch mein gesamtes Bein zu wüten. Ich sog scharf die Luft ein, während er behutsam die Wunde säuberte und dann einen Wundverband auftrug.[/LEFT] [LEFT]»Damit es sich nicht heute Nacht wieder verschlimmert«, erklärte er. »Aber morgen sollte es verheilt sein.«[/LEFT] [LEFT]»Danke.« Vorsichtig winkelte ich das Bein an.[/LEFT] [LEFT]Da dies erledigt war, holte ich aus meinem Rucksack die zwei mitgebrachten Decken, um an die Rationen darunter zu kommen. Soma holte währenddessen eine Spritze mit einer Dosis Selektionsfaktor aus seinem Gepäck. Er streckte bereits die freie Hand nach meinem Armreif aus, zuckte dann jedoch plötzlich zurück. »Ähm … kannst du mir kurz deinen Arm reichen?«[/LEFT] [LEFT]Ich unterdrückte ein Kichern und folgte der Bitte. Es war kaum zu sehen, aber ich hätte schwören können, dass sich ein rosa Schimmer auf sein Gesicht legte, als er meine Hand festhielt und mir den Selektionsfaktor durch den Port meines Armreifs spritzte. Kaum war das geschehen, ließ er mich sofort wieder los und zeigte sich besonders geschäftig damit, die nun leere Spritze sicher zu verstauen.[/LEFT] [LEFT]Zum Dank reichte ich ihm wortlos eine der Rationen, ein kleines Plastikablett, fest verpackt in Alufolie unter der sich eine geschmacklose Masse in kleinen Schalen verbarg. Lediglich die Farben in diesen Schalen unterschieden sich voneinander, doch worum es sich letztendlich handeln mochte, hatte bislang keiner von uns herausfinden können.[/LEFT] [LEFT]Wir aßen schweigend, während die Dunkelheit uns langsam endgültig einhüllte. Langsam realisierte ich, dass diese Reise auch bedeutete, dass Soma und ich uns hier einen Schlafplatz teilten, ohne jemand anderen von unserem Team auch nur in der Nähe. Wir waren hier vollkommen allein. Mein Gesicht erhitzte sich bei diesem Gedanken, wofür ich mich selbst verfluchte. Ich war nur froh, dass er mich im Dunkeln ohnehin nicht mehr richtig sehen konnte.[/LEFT] [LEFT]Als ich mit meiner Ration fertig war, verpackte ich den entstandenen Müll, so gut ich das in der Finsternis konnte. Außerdem fiel mir etwas ein, worüber wir bislang nicht gesprochen hatten: »Sollen wir eigentlich Wachen ausmachen?«[/LEFT] [LEFT]In den Fenrir-Camps war das nicht notwendig, da wir ständig von Operatoren beobachtet wurden, die uns jederzeit warnen konnten, sobald Aragami auf uns zuhielten. Aber hier waren wir auf uns gestellt.[/LEFT] [LEFT]Zuerst reagierte Soma nicht. Ich nahm seine Umrisse wahr, nur deswegen war ich mir sicher, dass er noch hier und nicht einfach verschwunden war.[/LEFT] [LEFT]»Ich denke nicht, dass das notwendig ist«, sagte er schließlich. »Einer von uns wird schon bemerken, wenn Aragami in der Nähe sind. Dasselbe mit Fremden.«[/LEFT] [LEFT]»Was macht dich da so sicher?«[/LEFT] [LEFT]Seine Kleidung raschelte, als er sich bewegte. »Ich habe einen sehr leichten Schlaf. Also mach dir keine Sorgen.«[/LEFT] [LEFT]Ich wollte das hinterfragen, doch sagte mir, dass das sinnlos war. Ich war mit Soma auf diese Reise gegangen, also sollte ich ihm vertrauen, und ihm das auch zeigen. Deswegen nickte ich. »Okay.«[/LEFT] [LEFT]Das stellte ihn zufrieden. »Dann sollten wir jetzt schlafen, morgen müssen wir früh aufstehen.«[/LEFT] [LEFT]Soma schien im Dunkeln weniger Probleme zu haben als ich. Er zog seine Jacke aus und legte sie beiseite, ehe er sich die Decke griff, die er zuvor abgelegt hatte. Ich spürte seine Bewegungen mehr als dass ich sie sah, während ich nach meiner eigenen tastete. Als ich sie endlich gefunden hatte, hüllte ich mich direkt darin ein.[/LEFT] [LEFT]»Das wird eine unbequeme Nacht«, murmelte ich.[/LEFT] [LEFT]Ich wollte mich nicht beschweren, deswegen versuchte ich leise zu bleiben – aber Soma hörte mich natürlich dennoch und erwiderte darauf sogar etwas: »Damit müssen wir erst einmal klarkommen. Du gewöhnst dich bestimmt bald daran.«[/LEFT] [LEFT]Wieder schoss mir die Hitze ins Gesicht, diesmal aus reiner Verlegenheit. »Äh, ja, sicher.«[/LEFT] [LEFT]Ich rollte mich zusammen, so gut ich konnte, um die wärmende Decke vollständig auszukosten. Dann wünschte ich Soma eine gute Nacht und schloss meine Augen. Ein Windhauch zog über uns hinweg, ließ das alternde Metall ächzen, doch ich hörte darin nur wieder das Lied, das die Frau – meine vermeintliche Mutter – in meinen Träumen so oft sang. Sanft wiegte es mich in einen tiefen und traumlosen Schlaf, der mich für den nächsten Tag vorbereiten sollte.[/LEFT] Kapitel 8: Ich vertraue dir --------------------------- [LEFT]Über Nacht war die Kälte in meine Glieder gekrochen, hatte es sich dort gemütlich gemacht und dachte nicht einmal im Mindesten daran, wieder zu verschwinden, obwohl der Tag warm zu werden versprach. Entsprechend schmerzhaft war jede Bewegung, die über das Laufen hinausging. Wenigstens schienen Aragami keinerlei Interesse an uns oder auch nur dieser Gegend zu haben, wir begegneten zumindest keinem, hörten nicht einmal Schreie in der Ferne. Außer uns schien es absolut nichts mehr zu geben – und dieser Gedanke war überraschend schön. Ich fragte mich, ob es Soma ebenfalls so ging, doch so wie ich ihn kannte, konzentrierte er sich lediglich darauf, die Karte richtig zu lesen und unseren Weg zu planen. Nun, ich sollte ihm übel nehmen, schließlich gab mir das die Gelegenheit, über andere Dinge nachzudenken.[/LEFT] [LEFT]Wir liefen den ganzen Vormittag, schweigend, immer einen Fuß vor den anderen. Pausen gab es lediglich, wenn Soma unsere Route überprüfte. Manchmal korrigierte er unsere Richtung, um größeren Ruinen auszuweichen, wie er mir erklärte. Diese zu durchqueren wäre zu anstrengend und gefährlich. Nach meinen Erfahrungen bei unserer letzten Mission stimmte das.[/LEFT] [LEFT]Die Sonne erreichte ihren Zenit, als wir an den Überreste einer Siedlung ankamen. Einst musste sie sich gemütlich an die Hügel hinter sich geschmiegt haben, doch nun war das Holz der Hütten verrottet, Dächer waren eingestürzt, in einem kleinen Schrein, an dem die Einwohner früher zu den Göttern gebetet hatten, lebte nun eine kleine Familie von Marderhunden, die uns anknurrten, als wir ihnen zu nahe kamen. (Tatsächlich hielt ich sie erst für Waschbären, bis Soma mich verbesserte – selbst so etwas wusste er.)[/LEFT] [LEFT]Wir setzten uns auf eine Veranda unter den Überreste eines stabilen Daches, um zu essen. Immer wieder fiel mir dabei auf, dass einer der Marderhunde uns immer noch aufmerksam beobachtete.[/LEFT] [LEFT]»Es ist erstaunlich«, sagte ich, »dass sie immer noch leben, nicht?«[/LEFT] [LEFT]Soma folgte meinem Blick. »Vermutlich sind sie schnell genug, um Aragami zu entwischen – oder so klein, dass sie uninteressant sind.«[/LEFT] [LEFT]»Glaubst du, es wird jemals Aragami geben, die so groß sind, dass sogar wir kein Interesse in ihm wecken, außer wir greifen es an?«[/LEFT] [LEFT]Er runzelte seine Stirn. Statt einer Antwort stocherte er in dem bräunlichen Brei herum, der bei unserem Mittagessen dabei war. Ich rätselte noch ein wenig, worum es sich dabei handelte; ihm ging es wohl ähnlich, denn schließlich widmete er sich doch lieber den roten Stücken, die ich als Tomate einordnete. Sein Blick war finster, entschlossen. »Ich werde alles tun, um zu verhindern, dass es soweit kommt.«[/LEFT] [LEFT]In diesem Moment gab es für mich keinen Zweifel, dass er das schaffen würde. Ich wusste nicht, wie er das hinbekäme oder wann, aber er konnte das, besonders wenn er diese Ambitionen wirklich hegte, sie nie wieder losließ – und zu einer solchen Person hatte er sich im letzten Jahr entwickelt. Deswegen konnte ich ohne jeden Zweifel nicken. »Dann mache ich mir keine Sorgen.«[/LEFT] [LEFT]Er sah mich an, eine Augenbraue hochgezogen. Ich fuhr lächelnd fort: »Ich vertraue dir.«[/LEFT] [LEFT]Ich erwartete, dass er sich verlegen abwenden und mir erwidern würde, dass ich kein Idiot sein sollte, doch er überraschte mich: Einer seiner Mundwinkel hob sich ein wenig. »Danke.«[/LEFT] [LEFT]Es war kein vollständiges Lächeln, doch es genügte, um mein Herz schneller schlagen zu lassen. Mit erhitztem Gesicht wandte ich mich diesmal ab. »Wir sind jetzt so lange ein Team, ich weiß so viel über dich, da ist es doch nur natürlich, dass ich dir vertraue.«[/LEFT] [LEFT]»Müsste ich dir dann nicht misstrauen?«, fragte er. »Immerhin weiß ich nicht viel über dich. Was deine Vergangenheit angeht, meine ich.«[/LEFT] [LEFT]Seufzend stellte ich die Schale mit dem restlichen Essen zur Seite, und sah nach oben in den Himmel. »Na ja, mir geht es auch so. Ich weiß so wenig über mich selbst, dass es ein wenig gruselig ist.«[/LEFT] [LEFT]Darauf sagte er nichts mehr. Ich spürte seinen Blick auf mir, genau wie den des Marderhundes. Die Atmosphäre war plötzlich derart angespannt, dass meine Nackenhaare sich aufstellten. Ich wollte das nicht, deswegen lenkte ich das Gespräch auf ein anderes Thema: »Glaubst du, dieses Dorf wurde von den Aragami ausgelöscht?«[/LEFT] [LEFT]Das war unsere Arbeit, darüber konnten wir reden, egal wie die Stimmung war.[/LEFT] [LEFT]Soma akzeptierte diesen Themenwechsel: »Wahrscheinlich. Es kann noch nicht so lange her sein, dass es passiert ist.«[/LEFT] [LEFT]Er deutete zu einer der Hütten hinüber. Zwischen umgestürzten Balken lag ein Schlafsack, bei genauerem Hinsehen wurde deutlich, dass etwas Teile davon zerrissen hatte.[/LEFT] [LEFT]»Vermutlich haben sich in der Zwischenzeit auch Überlebende hier für eine Weile niedergelassen«, erklärte Soma. »Bis sie eben erwischt wurden.«[/LEFT] [LEFT]»Es ist traurig, dass Fenrir nicht allen helfen kann.«[/LEFT] [LEFT]Er sagte dazu nichts. Als Sohn des ehemaligen Direktors hatte er nie dort draußen gewohnt, nie versuchen müssen zu überleben, in einem Kampf gegen die Elemente, Krankheiten, Hunger und Monster, gegen die man nichts auszurichten verstand. Vielleicht konnte er es einfach nicht nachvollziehen.[/LEFT] [LEFT]Eine plötzliche Bewegung riss mich aus meinen Gedanken. Die Marderhund-Familie verließ ihren Beobachtungsposten und zog sich tiefer in den Schrein zurück. Somas Aufmerksamkeit wandte sich dem Pfad zu auf dem wir hergekommen waren. Seine Anspannung ging auf mich über, so dass ich nach meinem God-Arc-Koffer griff.[/LEFT] [LEFT]In einer fließenden Bewegung erhob Soma sich und griff nach seiner eigenen Ausrüstung. »Wir sollten uns verstecken und abwarten, welches Aragami es ist.«[/LEFT] [LEFT]»Wenn es ein kleines ist«, führte ich den Gedanken weiter aus, »erledigen wir es lautlos.«[/LEFT] [LEFT]Er nickte mir zu. »Bei einem großen verschwinden wir möglichst unauffällig.«[/LEFT] [LEFT]Ich erwiderte seine Geste, dann sprinteten wir ohne weitere Besprechung auseinander, um uns hinter verschiedenen Gebäuden zu verstecken. Möglichst lautlos öffnete ich meinen Koffer und entnahm meinen God Arc. Zwecks der einfacheren Transportierbarkeit war er gerade in seiner Sprengwaffenform. Ich beließ es vorerst dabei und wartete, lauschte nach jedem Geräusch.[/LEFT] [LEFT]Eine derartige Situation erlebte ich nicht zum ersten Mal, deswegen wunderte ich mich, warum mein Puls schneller raste als sonst. Nur deswegen, weil wir allein unterwegs waren? Weil Hilfe weit entfernt wäre?[/LEFT] [LEFT]Aber wir brauchen keine Hilfe!, rief ich mich selbst zur Ordnung. Wir schaffen das zu zweit![/LEFT] [LEFT]Lautlos schwebte eine harmlose Zygote in mein Blickfeld; der weiße Körper, der an eine Meerjungfrau erinnerte, bewegte sich sacht als wäre sie unter Wasser, steuerte subtil die Richtung, in die sie sich fortbewegen wollte. Lediglich der weit aufgerissene Mund und der braune sack-ähnliche Tumor, der wie ein Parasit an ihrem Rücken zu hängen schien, störte den Anblick. Das einzige riesige Auge war flammend rot, die längliche Pupille flitzte in alle Richtungen, um mögliche Fressquellen zu finden. Ich war fast erleichtert genug, um aufzulachen, ließ es aber bleiben; noch hatte das Aragami mich nicht entdeckt, diesen Vorteil wollte ich nicht verspielen. Ich richtete meine Waffe auf die Zygote, atmete tief durch und bestätigte den Abzug. Eine Stichflamme schoss aus der Mündung. Vom Feuer erfasst raste die Pupille regelrecht, während der Körper sich in einem stillen Todeskampf wand. Innerhalb von nur zwei Sekunden war es vorbei: die Zygote sank zu Boden, das Auge schloss sich endgültig.[/LEFT] [LEFT]Ich ließ den Abzug los, die Flamme erlosch sofort.[/LEFT] [LEFT]Sollte ich nachsehen, ob noch mehr von ihnen da waren? Normalerweise waren Zygoten nie allein unterwegs, sie jagten in Rudeln oder brachten zumindest Ogerschweife mit sich, die das fremde Ausblicktalent nutzten, um selbst Beute zu finden.[/LEFT] [LEFT]Bevor ich mich entschieden hatte, kam Soma um die Ecke. Er registrierte das tote Aragami kaum, stattdessen nickte er in die andere Richtung. »Wir sollten los. Ein Zygotenschwarm nähert sich dem Dorf.«[/LEFT] [LEFT]Also mussten wir uns beeilen.[/LEFT] [LEFT]Ich verstaute das God Arc wieder in seinem Koffer, dann schloss ich mich Soma an. Als wir an dem kleinen, nun verlassenen Schrein, vorbeikamen, hielt ich noch einmal inne. Würde es der Marderhund-Familie gutgehen? Bislang waren sie zurechtgekommen, aber das bedeutete nicht zwangsläufig, dass es so blieb. Ich konnte jedoch nichts für sie tun. Mir blieb wohl nur, es zu hoffen.[/LEFT] [LEFT]Somas ungeduldiger Blick trieb mich weiter an. Ich folgte ihm aus dem Dorf hinaus, weiter in das unbekannte Gebiet hinein, das einmal voller Leben gewesen war.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Die Sonne ging bereits unter, als wir an unserem neuen Lagerplatz ankamen. Es war eine kleine abgelegene Hütte auf einer Klippe, Soma hatte sie entdeckt, als wir in der Nähe eine Brücke überquert hatten. Das Gebäude war verlassen, die Tür klemmte, das Dach war undicht, ein Teil des Bodens daher vom Niederschlag der Jahre verrottet, der Wind pfiff durch die zerbrochenen Fenster – aber es gab keinerlei Spuren von Gewalt, kein Blut, keine verwesenden Leichen, sogar das Bett war in einem einigermaßen guten Zustand (es war trocken, frei von Insekten und noch nicht kaputt).[/LEFT] [LEFT]Wir legten unsere Rucksäcke an einer trockenen Stelle ab und setzten uns auf den Boden. Wie am Tag zuvor verlangte Soma nach meiner Hand, um mir den Selektionsfaktor zu verabreichen. Er runzelte seine Stirn, als er meine Haut berührte. »Du fühlst dich kälter an als gestern.«[/LEFT] [LEFT]Mir war nicht einmal bewusst gewesen, dass er so etwas bemerken konnte. Während er die Spritze in eine Öffnung des Reifs gab, sah er mich an. »Geht es dir nicht gut?«[/LEFT] [LEFT]Ich spielte mit dem Gedanken, ihn anzulügen, aber kam direkt davon ab. Soma vertraute mir, das wollte ich nicht belasten oder zerstören. »Mir ist ein wenig kalt. Improvisierte Schlafquartiere bin ich einfach nicht gewohnt.«[/LEFT] [LEFT]Als er sich in der dunkler werdenden Hütte umsah, glaubte ich fast, seine Gedanken rasen zu hören. Vielleicht war das aber auch nur sein leises Murmeln dabei: »Wir dürfen hier kein Feuer anzünden, das könnte Aragami anlocken. Vielleicht hätten wir Thermodecken mitnehmen sollen …«[/LEFT] [LEFT]Mir spukte die Vorstellung im Kopf, dass wir einfach näher beieinander schlafen sollten, aber ich sprach es nicht aus. Vermutlich hätte er mich ohnehin nicht ernst genommen oder sich nur darüber geärgert, dass ich ihn verspotte. Nach unserem Gespräch im Dorf war mir nicht danach, ihn wütend auf mich zu machen.[/LEFT] [LEFT]Sein Blick ging zum Bett hinüber. »Dann solltest du heute Nacht darauf schlafen. Wenn du krank wirst, können wir diese ganze Mission vergessen.«[/LEFT] [LEFT]Außerdem wäre ich ihm dann eine Last, die ihn in Gefahr brachte, so fern von zu Hause. So weit wollte ich es nicht kommen lassen, so kam keine Diskussion in Frage. »Wenn du darauf bestehst.«[/LEFT] [LEFT]Er nickte, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen – na ja, ein Mundwinkel war nur ein wenig gehoben, aber es genügte mir.[/LEFT] [LEFT]Nachdem er mit der Injektion fertig war, gab es wieder Essen. Es gab keinerlei Grund, sich auf die geschmacklosen Rationen zu konzentrieren, deswegen stellte ich Soma lieber eine unverfängliche Frage: »Hast du eigentlich schon mal etwas anderes als dieses Zeug gegessen?«[/LEFT] [LEFT]Er warf mir einen irritierten Blick zu. »Früher, ja. Bevor ich ein God Eater wurde. Damals haben mein Vater und ich manchmal noch zusammen gegessen.«[/LEFT] [LEFT]Soma war bereits mit elf Jahren ein God Eater geworden, diese Zeit lag also lange zurück. Wie mochte ein kleiner Soma ausgesehen, gedacht und geredet haben? War er damals schon derart negativ gewesen?[/LEFT] [LEFT]»Die meiste Zeit war er in seine Arbeit vertieft gewesen«, fuhr Soma fort. »Deswegen war es sehr selten, dass er die Gelegenheit dafür fand, mit mir zu essen.«[/LEFT] [LEFT]Seine Stimme, sonst so hart, wenn es um seinen Vater ging, wurde plötzlich weich, fast melancholisch. »Wir redeten so gut wie nie miteinander, aber ich fand es immer … schön, wenn er da war. In diesen Momenten konnte ich mir einreden, dass wir eine Familie waren.«[/LEFT] [LEFT]Ich wollte ihn so viel fragen, solange er in dieser Stimmung war, mich nach seinen Wünschen und genauen Zukunftsvorstellungen erkunden. Aber ich tat nichts davon. Stattdessen legte ich meine Hand auf seinen Arm, soweit ich ihn in der Dunkelheit noch sehen konnte.[/LEFT] [LEFT]Er schüttelte mich nicht ab, sondern lachte nur leise, bitter. »Ich sollte nicht so viel über die Vergangenheit nachdenken. Jetzt kann ich sie ohnehin nicht mehr ändern.«[/LEFT] [LEFT]»Das musst du auch nicht.« Ich lächelte ihn an. »Solange du uns hilfst, die Zukunft zu beeinflussen, muss deine Vergangenheit dich nicht mehr belasten.«[/LEFT] [LEFT]Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens schmunzelte er. »Sagt gerade die richtige.«[/LEFT] [LEFT]Ich nahm meine Hand von seinem Arm. »Ja ja, schon klar, das habe ich verdient. Aber um auf meine ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ich habe nur überlegt, ob ich vielleicht mal etwas für uns kochen soll, wenn wir zurück sind. Sakuya hat mir ein paar Rezepte beigebracht.«[/LEFT] [LEFT]»Ich wusste gar nicht, dass du dich für so etwas interessierst.«[/LEFT] [LEFT]»Tue ich auch nicht.« Ich wollte nur etwas Gutes für ihn schaffen. »Aber wenn man immer dieses Zeug vorgesetzt bekommt, muss man irgendwann Alternativen finden.«[/LEFT] [LEFT]Da er mir nicht zustimmte, schien das Essen für ihn kein Problem zu sein. Vermutlich lag das auch in seiner Vergangenheit und den Selbstvorwürfen, in denen er sich so sehr ertränkt hatte. Wenn man die Freude an allem verlor, weil man glaubte, ein Monster zu sein, musste auch jeglicher Geschmack sich verabschieden.[/LEFT] [LEFT]»Du hast doch jetzt diese hohe Stelle«, lenkte ich davon ab, dass er mir nicht sagte, ob er mein Essen probieren wollte, »kannst du nicht Sakaki fragen, ob wir bessere Verpflegung bekommen könnten? Die anderen wären dann sicher auch motivierter.«[/LEFT] [LEFT]Für ihn musste das ein unnötiges Unterfangen sein, deswegen schwieg er so lange. Doch schließlich seufzte er. »Okay, ich mache das. Aber nur, wenn du jetzt isst und dich dann hinlegst. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«[/LEFT] [LEFT]Ich machte mich sofort über meine Ration her und aß sie komplett auf ohne darüber nachzudenken, woraus sie bestehen könnte. Nachdem ich dann sichergestellt hatte, dass ich keinen Müll zurückließ, legte ich mich mit meiner Decke auf das Bett. Ein leicht fauliger Geruch ging von der Matratze aus, störte mich aber nicht weiter. Bleierne Müdigkeit überfiel mich, kaum, dass ich lag. Ich schloss meine Augen, in der Hoffnung, dass ich am nächsten Tag erholter wäre.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]In dieser Nacht wurde ich nicht von dem Lied meiner vermeintlichen Mutter in den Traum begleitet. Ohnehin war dieser ohnehin sehr kurz und inhaltslos. Ich sah mich lediglich in dieser Hütte, gemeinsam mit zwei fremden Männern. Beide schlangen ihre Ogerschweiffelle dichter um sich, damit sie sich vor der vorherrschenden Kälte schützen könnten. Wir sprachen nicht, die Atmosphäre war angespannt, grimmige Entschlossenheit sprach aus den mir unbekannten Gesichtern.[/LEFT] [LEFT]Ehe mein Gedächtnis sich an irgendetwas Greifbares erinnern konnte, schwand der Traum. Ein Gefühl von unerwarteter Wärme weckte mich, ich blinzelte irritiert. Es war immer noch dunkel, abgesehen von dem Licht des Vollmondes, das durch die Fenster schien. So erkannte ich, dass Soma gegenüber auf dem Boden saß, ohne seine Decke. Diese lag zusätzlich zu meiner eigenen auf mir, was die Wärme erklärte. Ich wagte nicht, mich zu bewegen, damit er weiter glaubte, ich schlafe.[/LEFT] [LEFT]Erst einen Moment später fiel mir auf, dass er nicht einmal in meine Richtung sah. Sein sehnsuchtsvoller Blick galt einzig dem Mond, nein, Shio. Sie war die erste Person, der er es erlaubt hatte, seine emotionale Mauer einzureißen, die erste, die eine richtige Familie für ihn gewesen war.[/LEFT] [LEFT]Wie sehr wünschte ich auch in diesem Moment wieder, ihm all diese traurigen Gedanken und Gefühle einfach abnehmen zu können. Schon zu helfen, das alles zu ertragen wäre für mich in Ordnung gewesen. Sobald wir wieder zu Hause waren und unseren sicher unausweichlichen Arrest abgesessen hätten, würde ich es versuchen und ihm das alles endlich erklären.[/LEFT] [LEFT]Mit diesem Vorhaben schloss ich meine müden Augen wieder, um weiterzuschlafen. Wir hatten noch viel Weg vor uns und ich wollte ihm dabei keine weiteren Sorgen bereiten.[/LEFT] Kapitel 9: Ich kann noch kämpfen! --------------------------------- [LEFT]Die nächsten zwei Tage verliefen ereignislos. Wir redeten kaum miteinander, wanderten nur durch das Land, wichen Aragami-Schwärmen aus und schliefen in unsicher aussehenden Unterkünften, die wir unterwegs fanden. Mehr als einmal mussten wir unsere geplante Route ändern, weil sich Hindernisse vor uns auftaten, die wir nicht vorhergesehen hatten, oder weil große Aragami direkt auf unserem Weg lauerten.[/LEFT] [LEFT]Inzwischen mussten alle in der Fernost-Abteilung wissen, dass wir ausgerissen waren, um auf eigene Faust zu erkunden. Wahrscheinlich war man bereits damit beschäftigt, sich Strafen für uns auszudenken – falls wir jemals zurückkamen. Erst auf der Reise wurde mir bewusst, dass ich mir nie überlegt hatte, ob wir den Heimweg überhaupt schaffen könnten. Soma schien es gutzugehen, meine Beine waren dagegen so schwer wie noch nie zuvor, und meine Füße wollten einfach nur noch hochgelegt werden. Dabei sollte ich wegen meines veränderten Status eigentlich mehr Ausdauer besitzen als ein normaler Mensch – aber vielleicht hatte ich mich wirklich übernommen. Ich beschwerte mich nicht, weil wir ja immerhin wegen mir unterwegs waren, aber ich sehnte mich nach einem heißen Bad und meinem Bett.[/LEFT] [LEFT]Am Morgen des fünften Tages kontrollierte Soma mit der Karte und dem Kompass gerade unseren Fortschritt. Ich saß auf einem Betonblock, der einmal zu einem Haus gehört haben musste. Inzwischen war es mir zu mühselig geworden, über die Tragödien nachzudenken, die von der Ankunft der Aragami herrührten. Es waren zu viele, um sie realistisch zu verarbeiten, deswegen musste ich sie weit von mir schieben, um mich davon nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Worüber ich aber immer nachdenken musste, war die Frage, was man bei Fernost gerade tat. In einem Akt der Sehnsucht aktivierte ich das Funkgerät an meinem Ohr. Rauschen war die einzige Antwort.[/LEFT] [LEFT]»Wir sind außerhalb des Funkradius«, erklärte Soma mir, ohne von der Karte aufzusehen. »Aber dafür sind wir bald da.«[/LEFT] [LEFT]»Oh, wirklich?« Ich schaltete das Funkgerät wieder aus und ging zu ihm hinüber.[/LEFT] [LEFT]Er deutete auf eine Stelle, die sich wirklich in der Nähe unseres Ziels befand. »Wir sind gerade hier. Wenn wir keinen Hindernissen mehr begegnen, sollten wir am frühen Nachmittag ankommen.«[/LEFT] [LEFT]Ich war erleichtert – bis mir auffiel, dass wir dann erst einmal suchen müssten, wo genau sich das befand, was auch immer wir suchten. Aufgrund des gedämpften Lichts, das in meinen Träumen herrschte, und die fehlenden Fenster, ging ich davon aus, dass wir einen Bunkereingang suchen müssten. Das könnte wirklich eine Weile dauern.[/LEFT] [LEFT]Diese Furcht teilte ich aber nicht mit Soma, während er die Karte wieder einpackte.[/LEFT] [LEFT]Wir setzten den Weg fort, schweigend. Aber ich bemerkte, wie Soma mir immer wieder einen Blick zuwarf. Dabei gab ich mir schon die grüßte Mühe, normal zu laufen, statt zu humpeln. Schließlich seufzte ich. »Wenn du mir etwas sagen willst, dann sag es einfach.«[/LEFT] [LEFT]Er störte sich nicht an meinem Ton. »Ich habe mich nur gefragt, was du tun willst, wenn wir dort ankamen und niemanden finden.«[/LEFT] [LEFT]Das war auch eine Möglichkeit. Ich war seit mindestens einem Jahr nicht mehr dort gewesen. Vielleicht lebte schon niemand mehr. Vielleicht waren sie geflohen und hatten keine Hinweise hinterlassen, weil Aragami den Bunker erobert hatten. Bislang hatte ich darüber nicht nachgedacht. Aber eigentlich gab es nur eine Möglichkeit, in einem solchen Fall weiterzumachen: »Dann hake ich das Thema ab und wir gehen zurück nach Hause.«[/LEFT] [LEFT]»Denkst du, du kannst das einfach?«[/LEFT] [LEFT]Seit wann interessierte er sich so sehr für das Innenleben anderer? Vor allem meines?[/LEFT] [LEFT]»Ich werde wohl keine andere Wahl haben, oder?«[/LEFT] [LEFT]Möglicherweise klang ich ein wenig schärfer als beabsichtigt, aber immerhin bewirkte es, dass er mir keine weiteren Fragen stellte. Zufrieden wirkte er allerdings nicht.[/LEFT] [LEFT]In angespanntem Schweigen erreichten wir eine Ebene, die frei von Aragami war. In weiter Ferne entdeckte ich einige Ogerschweife, die sich um Beute zu streiten schienen. Aber wir waren weit genug entfernt, dass sie uns nicht beachteten.[/LEFT] [LEFT]Somas Blick huschte umher. Ich wusste auch ohne Worte, dass er sich darüber ärgerte, nicht mehr Möglichkeiten zur Deckung vorzufinden. Ich fragte mich, ob diese Ebene einmal als Feld verwendet worden war, bevor die Aragami kamen und alles auffraßen und vernichteten.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich erklang ein Geräusch, das ich noch nie gehört hatte und doch zu erkennen glaubte: Das Pfeifen einer Flöte tönte durch die Gegend.[/LEFT] [LEFT]Soma blieb augenblicklich stehen und sah sich alarmiert um. »Was ist das?«[/LEFT] [LEFT]Ein unbewusster Teil von mir blieb vollkommen ruhig. Aber der God Eater Instinkt sah es vollkommen anders: »Hol dein God Arc raus!«[/LEFT] [LEFT]Er hinterfragte das glücklicherweise nicht und öffnete stattdessen den Koffer, um sein Schwert an sich zu nehmen. Gleichzeitig tat ich dasselbe mit meiner Sense. Wir stellten uns Rücken an Rücken und ließen die Blicke schweifen, um möglichst alles sehen zu können.[/LEFT] [LEFT]Inzwischen waren die Ogerschweife verschwunden, wie ich feststellte – dafür rannte etwas wesentlich Größeres auf uns zu. Mein Mut sank. »Ein Dyaus Pita ...«[/LEFT] [LEFT]»Was?!« Soma warf einen Blick über die Schulter. Er fluchte, also hatte er ihn wohl ebenfalls entdeckt.[/LEFT] [LEFT]Wir hatten inzwischen schon viele wesentlich gefährlichere Aragami geschlagen, aber da waren wir immer zu viert gewesen, mit Hibari als Anweiserin. Jetzt waren wir auf uns allein gestellt und ich war noch dazu ziemlich erschöpft. Darauf konnte ich jedoch keine Rücksicht nehmen.[/LEFT] [LEFT]Wir sprangen auseinander, als der Dyaus Pita sich weiter auf uns zubewegte. Mit seinen kräftigen Hinterbeinen tat er einen riesigen Satz und landete direkt da, wo wir gerade noch gewesen waren. Dann stellte er sich so hin, dass er uns beide sehen konnte, und stieß ein Brüllen aus.[/LEFT] [LEFT]Ich riss die Sense hoch und sprang vor. Dyaus Pita holte mit seiner Tatze aus. Ich hielt sofort inne, aktivierte den Schild, der nun seinen ersten Einsatz hätte. Dann schickte ich ein kurzes Stoßgebet an den Himmel – und wurde nicht enttäuscht. Noch bevor das Aragami in direkter Berührung damit kam, zuckte es brüllend zurück. Allein dafür hatte sich der Kampf gegen La Llorona vielleicht gelohnt.[/LEFT] [LEFT]Soma hob die Klinge über seine Schulter, um Schwung zu holen und griff an, während Dyaus Pita mit mir abgelenkt war. Er traf den Schweif unseres Feindes, worauf dieser herumfuhr und mit seiner anderen Klaue nach Soma schlug. Er wurde zurückgeschleudert, aber ich konnte gerade nicht auf ihn achten. Stattdessen nutzte ich die Gelegenheit, um selbst anzugreifen. Doch Dyaus Pita drehte sich gerade rechtzeitig so, dass mein God Arc auf das helle Cape traf, das aus seinem Rücken herauswuchs. Obwohl es aussah, als müsste dies die Stelle sein, an der er empfindlich war, handelte es sich dabei genau um das Gegenteil: Meine Sense glitt an dem Cape ab, ohne auch nur den kleinsten Schaden anzurichten.[/LEFT] [LEFT]Ich wich sofort zurück, bückte mich dabei – und wurde dafür von seinem Schweif einfach beiseite gewischt. Heißer Schmerz fuhr durch meinen Rücken, als ich auf dem Boden aufkam. Mein Blick verwässerte sich ein wenig, aber ich konnte deutlich sehen, wie Soma mit einer blau glühenden Klinge erneut angriff. Diesmal traf er eines der Vorderbeine von Dyaus Pita und zerbrach dort die Verbindung der Orakelzellen. Die golden-glühenden Splitter flogen davon und verschwanden.[/LEFT] [LEFT]Soma setzte direkt mit einem weiteren Schlag auf diese neue Schwachstelle nach. Dyaus Pita schrie auf und schnappte nach ihm – doch noch im Liegen wandelte ich mein God Arc in seine Schusswaffenform und drückte ab. Lila Dampf schoss aus dem Lauf. Dyaus Pita schrie auf, obwohl ich ihn nur von der Seite traf. Aber es half, ihn von Soma abzulenken. Drohend bewegte das Aragami sich nun auf mich zu. Ich robbte ein Stück rückwärts, ehe ich es endlich schaffte, wieder aufzustehen. Eins meiner Knie schmerzte, doch ich knickte nicht wieder ein. Ich drückte noch einmal ab, zielte diesmal genau auf den Kopf des Monsters.[/LEFT] [LEFT]Der lila Dampf traf wieder – und obwohl es dem Dyaus Pita Schmerzen bereiten musste – lief er weiter auf mich zu, um mich anzugreifen.[/LEFT] [LEFT]Soma nutzte die Gelegenheit, um dem Aragami noch einmal seine Klinge in die Bruchstelle zu rammen. Gleichzeitig ließ ich den Abzug los, um Soma nicht zufällig zu treffen – wie es leider schon mehrmals geschehen war.[/LEFT] [LEFT]Dyaus Pita sprang ein wenig zurück. Soma begab sich derweil an meine Seite.[/LEFT] [LEFT]»Du kannst so nicht kämpfen!«, knurrte er mich an.[/LEFT] [LEFT]Ich versuchte, ihn anzusehen, ohne Dyaus Pita aus den Augen zu lassen. Kein leichtes Unterfangen. »Ich kann noch kämpfen! Außerdem können wir nicht fliehen.«[/LEFT] [LEFT]Dieser Dyaus Pita war noch nicht gezwungen gewesen, sie einzusetzen, aber wir beide wussten, dass sie für einen derart großen und wuchtigen Körper auch über eine enorme Geschwindigkeit verfügten. Damit gelang es ihnen selbst eine volle Gruppe von God Eatern innerhalb kürzester Zeit aus dem Weg zu räumen. Ohne jede Ablenkung war Wegrennen also keine Option, besonders auf dieser Ebene, wo es nicht mal Möglichkeiten gab, sich zu verstecken.[/LEFT] [LEFT]Dyaus Pita sprang auf uns zu. Geistesgegenwärtig verwendeten wir beide unser Schild, Soma ging ächzend in die Knie, während er sich der Klaue entgegenstemmte. Bei mir wich Dyaus Pita wieder brüllend zurück. Aufmerksam musterte es mich, statt noch einmal anzugreifen. Diese Art war auch sehr intelligent, wie ich wusste. Vermutlich dachte er gerade darüber nach, wie er mich zerfetzen könnte, während ich mich hinter diesem Schild versteckte.[/LEFT] [LEFT]»Wir haben keine Zeit zu diskutieren!«, rief Soma.[/LEFT] [LEFT]»Ich will auch nicht diskutieren! Du hast angefangen!«[/LEFT] [LEFT]Offenbar machte mein Widerspruch ihn tatsächlich wütend, denn plötzlich rannte er auf Dyaus Pita zu. In der Bewegung zog er seinen God Arc nach vorne, um das Aragami direkt am Kopf zu treffen – und plötzlich steckte seine Klinge zwischen den Zähnen von Dyaus Pita.[/LEFT] [LEFT]Schon der Anblick schmerzte mich. Soma dagegen kämpfte knurrend mit dem Aragami, um das God Arc wieder an sich zu reißen. Ich musste ihm helfen![/LEFT] [LEFT]Den Schmerz in meinem Knie ignorierend rannte ich ebenfalls nach vorne und rammte die Spitze meiner Sense genau in die Bruchstelle an dem Bein des Aragami. Dyaus Pita schrie auf und ließ Somas Klinge wieder los. Er nutzte den Schwung, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen und die Wuchtklinge mit voller Kraft in Dyaus Pitas Gesicht zu rammen. Mit geschlossenen Augen wich es noch einmal zurück, es schüttelte sich, wobei wieder kleine goldene Bruchstücke in alle Richtungen flogen.[/LEFT] [LEFT]Als es die Augen wieder öffnete, spürte ich, dass etwas anders war. Es glühte in einem bedrohlichen roten Licht, was nur bedeuten konnte, dass es sich gerade darauf vorbereitete, seine letzten Kraftreserven zu aktivieren – und wesentlich gefährlicher zu werden.[/LEFT] [LEFT]Soma stellte sich halb vor mich, nachdem wir selbst zurückgewichen waren. Ich hielt es aufgrund meines Schilds für eine bessere Idee, wenn ich vorging, um uns zu beschützen, aber gleichzeitig mochte ich diese Geste, und wir hatten keine Zeit zum Diskutieren.[/LEFT] [LEFT]Doch bevor Dyaus Pita seine Klingenschwingen ausfahren konnte, erklang erneut eine Flöte. Augenblicklich war es, als verlöre es jegliches Interesse an uns. Träge sah es über seine Schulter, dann fuhr es herum und rannte davon, ohne uns noch einmal zu beachten.[/LEFT] [LEFT]Ratlos sah ich ihm hinterher, blieb aber noch im Verteidigungsmodus. Genau wie Soma, dessen Anspannung auch nicht nachlassen wollte.[/LEFT] [LEFT]»Was war das?«, fragte er.[/LEFT] [LEFT]Ich zuckte mit den Schultern.[/LEFT] [LEFT]Dann erklang plötzlich das Geräusch einer Schusswaffe, die durchgeladen wurde. Ich fuhr herum und entdeckte einen Mann, der mit einem Ogerschweiffell verkleidet war, und der nun mit einem Gewehr auf uns zielte. Innerhalb einer Sekunde kamen weitere bewaffnete Männer scheinbar aus dem Nichts, um uns einzukesseln.[/LEFT] [LEFT]Soma fluchte noch einmal. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Wahrscheinlich würden einfache Kugeln uns nicht wirklich verletzen oder dauerhaft ausschalten, und bei dieser Formation würden sie sich eher gegenseitig erschießen. Aber wenn sie das Glück hatten, uns in den Kopf zu treffen, wäre es direkt vorbei. Außerdem, allein von den Ogerschweiffellen ging ich davon aus, dass es sich bei diesen Leuten um jene handelten, die wir gesucht hatten. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass sie uns zuerst fänden – dabei hätten wir auf dieser Ebene damit rechnen müssen. Ich schob es einfach auf den Schlafmangel und die Schmerzen, dass ich nicht daran gedacht hatte.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich trat eine weitere Person hinzu, die einzige, die nicht verkleidet war. Es war ein junger, drahtiger Mann, der mir in der Tiefe meiner Erinnerungen bekannt vorkam. Sein rotbraunes schulterlanges Haar war im Nacken zusammengebunden, auf seinem schmalen, blassen Gesicht lag ein leicht amüsierter Ausdruck, um seinen Hals war ein Verband geschlungen.[/LEFT] [LEFT]»Nehmt die Waffen runter«, sagte er tonlos zu den anderen. »Wisst ihr denn nicht, wen ihr da vor euch habt?«[/LEFT] [LEFT]»Aber Baldur«, wandte einer der Männer ein, »das sind God Eater, von Fenrir. Sie wollen uns bestimmt nur wegen der Diebstähle angreifen.«[/LEFT] [LEFT]Baldur – selbst der Name rief irgendetwas in mir wach – stieß ein schnaubendes Lachen aus. »Wenn dem so wäre, hätten sie euch schon längst aus dem Weg geräumt. Außerdem wären sie dann nicht nur zu zweit gekommen.« Er schüttelte mit dem Kopf. »Nein, du Narr. Dies ist Soma Schicksal!«[/LEFT] [LEFT]Ein Raunen ging durch die Versammelten, sie ließen ihre Waffen sinken – und gingen direkt in die Knie. Soma ließ den Blick über die Männer schweifen, ich bemerkte genau, dass er nicht wusste, was er tun sollte. So ging es mir ebenfalls, denn ich verstand nicht so recht, was hier vor sich ging.[/LEFT] [LEFT]Er fokussierte sich auf Baldur, der immerhin so etwas wie der Anführer zu sein schien. »Woher kennst du meinen Namen?«[/LEFT] [LEFT]Baldur breitete die Arme aus. »Soll das ein Scherz sein? Jeder hier kennt dich, denn wir haben nur auf dich gewartet. Du wirst unser Erlöser sein, Soma Schicksal.«[/LEFT] [LEFT]Soma runzelte die Stirn und sah mich an. Ich konnte den Blick nur verwirrt erwidern.[/LEFT] [LEFT]»Ich entschuldige mich für diesen unwirtlichen Empfang.« Baldur verneigte sich leicht, ohne uns aus den Augen zu lassen. »Hätten wir gewusst, dass du kommen würdest, wären wir dir natürlich mit einem Wagen entgegengekommen.«[/LEFT] [LEFT]»Was soll der Unsinn?«, fragte Soma. »Ich bin kein Erlöser.«[/LEFT] [LEFT]Baldur richtete sich wieder auf. »Das liegt nur daran, dass du deine Rolle noch nicht kennst. Aber keine Sorge, wir werden dir alles erklären und danach ein Festmahl abhalten.«[/LEFT] [LEFT]Soma sagte nichts mehr, aber sein Körper war dermaßen angespannt, dass er fast zu vibrieren schien. Baldurs Blick richtete sich auf mich. Er lächelte, aber es wirkte kalt und spöttisch auf mich. »Wie unhöflich von mir, dass ich dir noch keine Beachtung schenkte. Aber sei dir versichert, dass dir mein ganzer Dank gehört, da du Soma zu uns gebracht hast.«[/LEFT] [LEFT]Plötzlich spürte ich Somas Blick auf mir, er bohrte sich regelrecht in meinen verwirrten Kampf hinein. Ich deutete ein Kopfschütteln an, aber Baldur fuhr bereits fort: »Lass mich dich also als erstes willkommen heißen, Kara.«[/LEFT] [LEFT]Kara? Der Name versetzte mehrere Saiten in mir in Schwingungen. Ich erinnerte mich wieder. Das war mein Name; Kara![/LEFT] [LEFT]Baldurs Lächeln wurde so breit, dass seine Zähne zu sehen waren. »Oder sollte ich eher Schwester sagen?«[/LEFT] Kapitel 10: Ich bin genauso verwirrt wie du ------------------------------------------- [LEFT]Unter den wachsamen Augen Baldurs hatten wir unsere God Arcs wieder einpacken dürfen. Danach waren wir durch eine gut versteckten Bunkereingang geführt worden. Das Innere wurde von einem trüben gelben Licht erhellt, endlose eintönige Gänge erstreckten sich in die Ferne, bis sie irgendwann abbogen oder an Türen endeten. Teilweise standen bewaffnete Männer vor Türen, in anderen Gängen patrouillierten sie locker, und in wieder anderen war niemand zu sehen.[/LEFT] [LEFT]Ich war mir fast sicher, dass Baldur uns manchmal im Kreis führte, nur damit wir verwirrt waren, aber die Erinnerung an den Weg vermischte sich mit alten Erinnerungen, die aus den Tiefen meines Gedächtnisses nach oben gespült wurden. Am Ende wusste ich nicht einmal mehr, wie viel wir gerade wirklich gelaufen waren, und was ich nur in Gedanken erlebt hatte.[/LEFT] [LEFT]Baldur öffnete eine Tür und bedeutete uns hineinzugehen. Es war ein kleiner Raum mit einem Schreibtisch, zwei Stühle standen davor, einer dahinter.[/LEFT] [LEFT]»Setzt euch«, sagte Baldur. »Ich hole Vater, damit er mit euch reden kann.«[/LEFT] [LEFT]Er schloss die Tür wieder und drehte sogar einen Schlüssel. Dann ging er davon. Soma rüttelte an der Klinke, aber die Tür gab nicht nach. Er fluchte leise. »Das sind Stahltüren, kein Durchkommen.«[/LEFT] [LEFT]Ohne mich anzusehen ging er an mir vorbei und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Ich setzte mich neben ihn. Selbst jetzt starrte er direkt nach vorne, aufgrund seiner Kapuze konnte ich seinen Gesichtsausdruck also nicht sehen. Dabei hätte ich mir das gerade gewünscht.[/LEFT] [LEFT]Ich griff nach seinem Arm, doch er schüttelte mich grob ab.[/LEFT] [LEFT]»Hast du mich deswegen hergebracht?«, fragte er knurrend. »Weil das dein Auftrag war?«[/LEFT] [LEFT]Der Vorwurf traf mich direkt ins Herz. Glaubte er das wirklich? Was war mit dem Vertrauen, das er mir angeblich entgegenbrachte?[/LEFT] [LEFT]Statt ihm zu zeigen, dass ich verletzt war, wurde ich wütend. »Es war doch deine Idee hierherzukommen! Und du hast darauf bestanden mitzugehen!« Ich warf die Hände nach oben. »Ich weiß doch auch nicht, was hier eigentlich los ist. Ich bin genauso verwirrt wie du.«[/LEFT] [LEFT]Endlich sah er mich an – und selbst sein Blick traf mich hart. Er war nicht wütend, da war keine Verachtung, stattdessen wirkte er verletzt, seine Augen glänzten ein wenig, als müsste er sich mit aller Macht davon abhalten zu weinen. Bislang hatte ich ihn so nur gesehen, wenn es um Shio gegangen war, nie bei mir.[/LEFT] [LEFT]Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Vorsichtig legte ich meine Hände auf seine Wangen, so dass sein Blick auf mir bleiben musste. »Hör zu, ich schwöre dir, dass ich keine Ahnung habe, was los ist. Ich habe dich auch nicht absichtlich in Gefahr gebracht, nichts liegt mir ferner. Aber egal, worum es geht, ich hol dich da wieder raus.«[/LEFT] [LEFT]Er legte seine Hände auf meine Unterarme und schob diese nach unten, damit ich ihn losließ. Sein Blick verhärtete sich. »Ich will dir vertrauen, aber im Moment fällt es mir wirklich schwer. Wer sagt mir, dass es nicht nur ein lange angelegter Plan von euch war? Erst mein Vertrauen erschleichen, um mich dann dazu zu bringen, freiwillig herzukommen?«[/LEFT] [LEFT]Das wäre wirklich ein gewagter Plan, gerade bei all den Gefahren, denen ich mich ausgesetzt hatte. Zu blöd, dass ich mich nicht erinnern konnte, was das eigentliche Vorhaben gewesen war. Es verletzte mich aber, dass Soma mir so etwas zutraute, nach allem, was wir dieses Jahr erlebt hatten.[/LEFT] [LEFT]Bevor ich noch etwas sagen konnte, wurde die Tür wieder aufgeschlossen. Wir ließen beide unsere Hände sinken und sahen in Richtung des dritten Stuhls. Wer auch immer hereinkam, sollte nicht wissen, wie es um uns stand.[/LEFT] [LEFT]Die Tür öffnete sich, dann trat jemand mit selbstsicheren Schritten ein. Er machte sich nicht einmal die Mühe, wieder abzuschließen. Entweder standen Wachen auf dem Gang oder er war überzeugt, dass wir nicht versuchen würden abzuhauen.[/LEFT] [LEFT]Der Mann lief an uns vorbei, so dass ich einen Blick auf ihn erhaschen konnte. Wildes rotes Haar, eine schwarze Augenklappe über dem linken Auge, eine Narbe auf der rechten Wange und ein drahtiger Ansatz eines Kinnbarts – ich erkannte ihn sofort wieder, selbst wenn Baldur vorher nicht angekündigt hätte, seinen – unseren – Vater zu holen. Unwillkürlich spannte ich meinen Körper an.[/LEFT] [LEFT]Er setzte sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch. Sein intaktes linkes Auge war halb geschlossen, die rote Iris war dennoch erkennbar. So musterte er uns beide. Ich erwiderte seinen Blick und ballte die Hände zu Fäusten, um das Zittern zu unterdrücken.[/LEFT] [LEFT]»Soma Schicksal«, sagte er schließlich mit tiefer Stimme. »Ich heiße dich herzlich bei uns willkommen. Wie ich hörte, hast du meinen Sohn bereits getroffen, und meine Tochter kennst du ja ebenfalls schon.«[/LEFT] [LEFT]Er warf einen kurzen Blick zu mir, aber so, wie er mich ansah, hätte er gerade auch über irgendein Aragami sprechen können, das zum Abschuss freigegeben war.[/LEFT] [LEFT]»Mein Name ist Erling Vinter, ich bin der Anführer von Gleipnir.«[/LEFT] [LEFT]Soma und ich sahen uns kurz an. Sein Blick blieb hart.[/LEFT] [LEFT]»Was ist Gleipnir?«, fragte er.[/LEFT] [LEFT]Erling – ich konnte mich nicht überwinden, ihn als Vater zu bezeichnen – griff sich nachdenklich ans Kinn. »Hat Kara dir das nicht erklärt? Ich dachte, deswegen seid ihr hier.«[/LEFT] [LEFT]Tadelnd sah er mich an. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. »Das ging schlecht. Ich habe vor einem Jahr, bevor man mich bei der Fernost-Abteilung fand, mein Gedächtnis verloren. Wir sind nur hier, weil wir einem Hinweis folgen konnten.«[/LEFT] [LEFT]Ich wünschte, Somas Gedanken dazu hören zu können, aber er blieb verschlossen wie eh und je. Vielleicht hielt er auch das hier für Teil eines einstudierten Schauspiels. Gab es irgendetwas, das ihn überzeugen könnte?[/LEFT] [LEFT]Erlings Mundwinkel hoben sich, aber das Lächeln spiegelte sich nicht in seinem freudlosen Auge. »Dann ist es wohl nur ein glücklicher Zufall, dass ihr beiden jetzt hier seid. Oder Schicksal.«[/LEFT] [LEFT]War das eine unglückliche Anspielung auf Somas Nachnamen? Falls ja, so reagierte er nicht darauf.[/LEFT] [LEFT]»Was ist mit der Erklärung?« Soma ließ sich nicht so leicht abschütteln. »Was ist Gleipnir?«[/LEFT] [LEFT]»Natürlich. Wenn Kara nicht in der Lage war, es dir zu erklären, übernehme ich das gerne.« Erling lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und legte seine Fingerspitzen aneinander. »In der Mythologie ist Gleipnir das Seil, das Fenrir davon abhält, die Sonne zu verschlingen. Das ist doch der perfekte Name für eine Gruppe, die Fenrir zerschlagen wird.«[/LEFT] [LEFT]Wie lächerlich! Als ob sich eine weltweite Organisation von einer kleinen Gruppe wie dieser besiegen lassen würde. Ich war anstelle des Direktors empört, traute mich aber nicht, etwas zu sagen.[/LEFT] [LEFT]»Und das wollt ihr erreichen, indem ihr Transporter abfangt?«, fragte Soma spöttisch. »Das ist doch ein Witz.«[/LEFT] [LEFT]Erling neigte wohlwollend den Kopf. »Diese Überfälle dienten uns nur dazu, unsere Vorräte aufzufüllen. Nach einigen Jahren im Untergrund, mit mehr Menschen als gedacht, können wir uns nicht zwingend selbst versorgen.«[/LEFT] [LEFT]»Warum wollt ihr Fenrir dann vernichten?«, hakte Soma weiter nach.[/LEFT] [LEFT]Erling sah mich an, nun war ich nicht einmal mehr ein Aragami, sondern noch weniger wert. »Wenn Kara nicht ihr Gedächtnis verloren hätte, wäre diese Erklärung eigentlich ihre Aufgabe gewesen. Aber anscheinend bekam sie nicht einmal das hin.«[/LEFT] [LEFT]Ich rutschte tiefer auf meinem Stuhl. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Soma die Fäuste ballte.[/LEFT] [LEFT]»Wie auch immer«, fuhr Erling fort, »wir bereiten etwas vor, das Fenrir einen schlimmen Schlag versetzen wird. Natürlich fragst du dich, was das bringen soll, dabei ist die Antwort doch so offensichtlich. Die Aragami sind herabgestiegene Götter, die gekommen sind, um diese Welt zu reinigen.«[/LEFT] [LEFT]Soma griff sich an die Stirn. Bestimmt dachte er gerade an die Apokalypse der Verschlingung, ein Plan, den sein Vater verfolgt hatte, mit einem im Prinzip selben Ziel: Sorgsam ausgewählte Personen waren ins All geflogen, alle anderen waren zurückgeblieben, um gemeinsam mit sämtlichen Aragami von Nova verschlungen zu werden. Dann wären die Auserwählten zurückgekehrt, um ein neues Leben ohne Aragami zu beginnen. Soma hatte den Plan schon damals abgelehnt, ich bezweifelte, dass er es nun anders sah.[/LEFT] [LEFT]Es freute mich seltsamerweise, dass wir nun beide verrückte Väter hatten. Das war immerhin eine Gemeinsamkeit, die uns keiner nehmen konnte.[/LEFT] [LEFT]»Ich sehe, dass das nicht das ist, was du erwartet hast.«[/LEFT] [LEFT]»Ich habe gar nichts erwartet«, erwiderte Soma. »Ich bin hier, weil ich ihr helfen wollte, mehr über ihre Vergangenheit herauszufinden« Er nickte in meine Richtung.[/LEFT] [LEFT]»Und ich habe nicht gedacht, dass so etwas dabei herauskäme.« Ich seufzte. »Sonst wäre ich nicht zurückgekommen. An euch ist es vielleicht vorbeigegangen, aber ich bin jetzt auch ein God Eater.«[/LEFT] [LEFT]Und verdammt stolz noch dazu. Ich würde nicht zulassen, dass jemand Fenrir oder Soma schadete. Auch nicht meine sogenannte Familie.[/LEFT] [LEFT]»So etwas hat Baldur mir bereits erzählt«, meinte Erling. »Ehrlich gesagt war ich überrascht. Aber im Endeffekt beeinflusst das unseren Plan nicht.«[/LEFT] [LEFT]»Und was habe ich damit zu tun?« Somas Stimme war inzwischen über genervt hinaus.[/LEFT] [LEFT]Erling stand wieder auf. »Das zeige ich euch gerne.«[/LEFT] [LEFT]Wir wollten unsere Koffer aufheben, aber Erling winkte ab. »Lasst sie stehen. Eine der Wachen wird sie sicher verwahren.« Er schmunzelte. »Wir wollen ja nicht, dass ihr klammheimlich verschwindet, nicht wahr?«[/LEFT] [LEFT]»Die Koffer sind schwer«, gab ich zu bedenken.[/LEFT] [LEFT]Erling winkte unwirsch ab. »Das schaffen sie schon. Also kommt.«[/LEFT] [LEFT]Nur widerwillig ließen wir die Koffer zurück, um ihm zu folgen. Soma wirkte dabei schon wieder wie elektrisiert, es machte mir ein wenig Angst, während ich neben ihm lief.[/LEFT] [LEFT]Erling verzichtete darauf, uns im Kreis zu führen, vielleicht sah er auch diesmal keinen Sinn darin, weil er nicht glaubte, wir könnten entkommen – und im Prinzip hatte er recht, denn ohne unsere God Arcs kämen wir auch nirgendwo hin, selbst wenn wir den Bunker verließen. Außerdem würde ich meine Sense nicht hier lassen.[/LEFT] [LEFT]Schließlich kamen wir in eine große Lagerhalle, in der zahlreiche Fenrir-Transporter standen. Sie wirkten gut gepflegt, aber was war mit den Leuten geschehen, die sie einst gefahren hatten?[/LEFT] [LEFT]Zwischen den Fahrzeugen sah ich mehrere Männer, die Reparaturen durchführten oder sich leise miteinander unterhielten. Ich hörte dabei nicht heraus, worum es eigentlich bei jedem Einzelnen ging. Vermutlich war es aber auch egal, denn Erling führte uns einfach an ihnen vorbei.[/LEFT] [LEFT]»Sobald die Aragami die Unwürdigen ausgelöscht haben«, erklärte er dabei, »benötigen wir einen Fuhrpark, der uns hilft, uns wieder auf der Erde auszubreiten. Auch dafür haben wir Fenrir-Transporter gestohlen.«[/LEFT] [LEFT]»Es ist erstaunlich, dass euch noch niemand dabei erwischt hat.« Somas Stimme war schneidend kalt, doch Erling kümmerte das nicht, er zuckte nur mit den Schultern.[/LEFT] [LEFT]Aus den Tiefen meines Gedächtnisses glaubte ich, eine Erinnerung ziehen zu können, in der Erling der Meinung war, dass Fenrir zu sehr mit der Jagd auf Aragami beschäftigt sei, um sich auch noch um menschliche Terroristen zu kümmern. Aber heute schwieg er dazu.[/LEFT] [LEFT]Am Ende dieser Halle führte ein kurzer Gang weiter. An dessen Ende war eine einfache Tür, vor der Erling wieder stehenblieb, um sich uns zuzuwenden. »Was ihr gleich sehen werdet, ist das Ergebnis jahrelanger Bemühungen Gleipnirs. Es ist der Beweis des Siegs der Gläubigen über die Unwerten.«[/LEFT] [LEFT]Soma schnaubte abfällig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ist es ein künstliches Aragami? Falls ja, haben wir so etwas schon gesehen.«[/LEFT] [LEFT]Erling sah ihn kühl an, wie jemand, dessen große Überraschung gerade zerstört worden war. »Ach ja?«[/LEFT] [LEFT]Das hatten wir auch Johannes von Schicksal zu verdanken. Projekt Aegis war nur ein Vorwand gewesen, um Nova als ultimatives Aragami zu erschaffen. Aber woher hatte Gleipnir das Know-how dafür? Selbst die Wahrheit hinter Projekt Aegis war nur uns Beteiligten und Sakaki bekannt, also könnten sie nicht mal zufällig die Daten ergattern, weil sie den richtigen Transporter erwischten. Und wenn ich schon vor einem Jahr deswegen losgeschickt worden war, als niemand von Fenrir etwas von der Wahrheit gewusst hatte, dann wunderte mich das nur umso mehr.[/LEFT] [LEFT]Erling fing sich wieder in seiner Enttäuschung. »Ihr solltet euch unser Werk dennoch ansehen. Es ist wirklich wunderschön geworden.«[/LEFT] [LEFT]Wir hatten ja keine Wahl, deswegen antwortete ich ihm nicht. Und Soma ebenfalls nicht.[/LEFT] [LEFT]Erling öffnete die Tür und ging als erstes in den Raum hinein. Soma warf einen Blick über die Schulter. Ich stellte mir vor, dass er gerade überlegte, wie man am besten zurück zu unseren God Arcs kam, aber dann feststellte, dass es zu unsicher war. Deswegen sah er wieder nach vorne und trat schließlich in den Raum. Ich folgte ihm – und wurde von einer Welle von Erinnerung überschwemmt.[/LEFT] [LEFT]Es war eine weitere Halle, diesmal kleiner, aber vom Inhalt nicht minder eindrucksvoll. Denn inmitten von Tischen, auf denen verschiedene Teile von Aragami lagen, stand eine riesige Gestalt. Sie bestand aus dem Unterkörper eines Vajras, der dann in den muskulösen Oberkörper eines Susano'o überging, auf dessen Rücken befanden sich die rosa-roten Flügel eines Aethers.[/LEFT] [LEFT]Ein aus verschiedenen Aragami zusammengesetztes Wesen, eine Frankenstein-Kreation. Das war selbst für unsere Feinde absolut unwürdig.[/LEFT] [LEFT]Das einzig neue Element, das ich nicht zuordnen konnte, war eine eigenartige durchsichtige Kapsel, die im Oberkörper des Dings saß. Wofür war das gut?[/LEFT] [LEFT]Soma zeigte kein Interesse an dem Frankenstein-Experiment, sein Blick galt den herumliegenden Einzelteilen, die mir auch Rätsel aufwarfen. Es war immer noch dieselbe Frage wie bei den Ogerschweiffellen: wie gelang es ihnen, diese zu ergattern und dann in Form zu halten, wenn sie nicht einmal God Arcs besaßen, mit denen sie die Kerne erobern konnten?[/LEFT] [LEFT]Erling hatte offenbar eine andere Reaktion erwartet. Er beobachtete Soma mit gerunzelter Stirn. »Ich sehe, du bleibst unbeeindruckt. Lass es mich dennoch erklären, vielleicht änderst du dann deine Meinung noch.«[/LEFT] [LEFT]Mit ausgebreiteten Armen trat Erling auf das Frankenstein-Aragami zu. Er drehte sich zu uns. »Das hier ist Vidar, der mythologische Asen-Gott, der Fenrir den Kiefer auseinanderriss und ihn damit tötete. Mit ihm werden wir auch unser Fenrir-Problem bezwingen!«[/LEFT] [LEFT]Soma lachte spöttisch auf. »Sieht für mich eher nach einem Flickenteppich aus.«[/LEFT] [LEFT]Das war auch eine passende Beschreibung. Die von Johannes erschaffene Nova war hübsch gewesen, das hier war einfach nur … abartig. Man merkte eben, wer über Geld und Ressourcen für seine Arbeit verfügte und wer nicht.[/LEFT] [LEFT]Erlings Blick verdunkelte sich, aber er ließ sich nicht von seiner Erklärung abbringen: »Das einzige, was uns noch fehlt, um Vidar zum Leben zu erwecken und unsere Vision umzusetzen, ist ein Kern. Aber nicht irgendeiner!«[/LEFT] [LEFT]Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Inneren aus. Ich sah uns umgeben von zahlreichen Männern und Frauen, die Erling lauschten, ihm zujubelten und bewundernd anblickten. Niemand von ihnen war wirklich hier, aber ich erinnerte mich an sie, an die letzte Besprechung, die hier stattgefunden hatte, bevor ich aufgebrochen war.[/LEFT] [LEFT]Erling deutete mit der Handfläche auf die Kapsel in der Brust des Wesens. »Um Vidar ein konzentriertes Ziel und eine Aufgabe zu geben, darf der Kern nicht von einem Aragami kommen. Stattdessen werden wir einen God Eater als Kern einsetzen!«[/LEFT] [LEFT]Natürlich. God Eater waren den Aragami näher als den Menschen, konnten aber noch denken und eigene Entscheidungen treffen. War ich deswegen losgeschickt worden? Sollte ich einen God Eater holen, um ihn dann zu einem Teil dieses Dings zu machen?![/LEFT] [LEFT]»Eigentlich«, fuhr Erling ungetrübt fort, wie von einem inneren Feuer angetrieben, »war es uns gleichgültig gewesen, welchen God Eater Kara uns bringen würde, solange sie es schaffen würde. Aber sie hat – selbst nach dieser langen Wartezeit – unser aller Erwartungen übertroffen und uns sogar den Proto-God-Eater mitgebracht: Soma Schicksal! Mit dir als Kern ist uns der Sieg sicher!«[/LEFT] [LEFT]Ich trat kopfschüttelnd einen Schritt zurück. Soma ballte die Hände zu Fäusten. »Das werde ich bestimmt nicht machen!«[/LEFT] [LEFT]Erlings Mundwinkel zuckten belustigt. »Als ob wir dir eine Wahl ließen. Du wirst zum Kern werden, ob du willst oder nicht!«[/LEFT] [LEFT]»Niemals!« Ich war selbst überrascht, als ich mich das rufen hörte. Aber mein Körper reagierte schneller als mein Gehirn und trat einen Schritt vor, so dass ich mich halb vor Soma stellen konnte. Mein Blick blieb dabei auf Erling fokussiert. »Ich werde nicht zulassen, dass ihr Soma für solch einen Plan missbraucht! Ich werde ihn bis zuletzt verteidigen!«[/LEFT] [LEFT]Ich glaubte, Soma hinter mir etwas flüstern zu hören, aber mein Körper war derart angespannt und auf Erlings Bewegungen konzentriert, dass ich zu abgelenkt war, um ihn zu verstehen. Mein Gegenüber ließ sich allerdings nicht von mir einschüchtern. Er schnippte lediglich zweimal, worauf wir wie aus dem Nichts wieder von Männern mit Schusswaffen umkreist wurden. »Nehmt sie fest und sperrt sie ein! Bis zu unserem Festmahl sollen sie erst einmal schmoren! Und dann wollen wir sehen, wer sich hier noch widersetzen kann!«[/LEFT] Kapitel 11: Du siehst das vollkommen falsch ------------------------------------------- [LEFT]Die Zellen waren kleine Räume, gerade mal groß genug, dass man drei Schritte in jede Richtung gehen konnte. Dazu eine unbequeme Pritsche und eine einfache Stahltoilette. Die Tür war gesichert und verfügte über eine geschlossene Durchreiche für Essenstabletts, noch dazu ein vergittertes Fenster. Der Gang, auf dem sich die Zellen befanden, war dunkel und verlassen, lediglich Sicherheitslichter, angebracht auf Knöchelhöhe an den Wänden, glühten in regelmäßigen Abständen. Sie trugen nicht wirklich dazu bei irgendetwas zu erhellen, aber zumindest halfen sie mir, ein paar Dinge zu erkennen.[/LEFT] [LEFT]Ich setzte mich auf die Pritsche und lehnte mich gegen die Wand, zog die Beine an meinen Körper und schlang die Arme darum. Innerlich verfluchte ich mich selbst. Nur wegen mir war Soma in diese Situation geraten. Nur wegen mir saßen wir hier fest. Nur wegen mir …[/LEFT] [LEFT]Und es gab nichts, was ich tun konnte. Sie hatten uns unsere God Arcs und unsere Ausrüstung genommen, konnten anscheinend Aragami kontrollieren und abgesehen von diesem Gang war jeder andere bewacht. Selbst wenn wir also hier ausbrächen und unsere God Arcs fänden, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass wir ins Freie kämen geradewegs null. Aber selbst wenn, wären wir dort schnell Opfer von befehligten Aragami – oder mir würde der fehlende Selektionsfaktor das Bein brechen. Egal, wie ich darüber nachdachte, jede einzelne Situation endete nur damit, dass wir wieder geschnappt wurden oder ich mich in ein Aragami verwandelte.[/LEFT] [LEFT]Seit ich ein God Eater war hatte ich mich nicht mehr so hilflos gefühlt. Selbst bei der Rettung von Lindow oder dem Kampf gegen Arius Nova war ich immer davon überzeugt gewesen, dass alles gut ausgehen würde, dass ich es schaffen könnte. Aber nun war davon nichts übrig.[/LEFT] [LEFT]Die Verzweiflung, die sich in mir aufbaute, war zu viel für mich. Ich schluchzte, bevor ich mich selbst davon abhalten konnte. Zuletzt hatte ich geweint, als wir uns zum zweiten und letzten Mal von Shio verabschieden mussten. Aber da waren wir alle zusammen traurig gewesen, nun war ich allein, in einer dunklen Zelle, in die ich mich selbst befördert hatte.[/LEFT] [LEFT]Ich schluchzte noch einmal – und hörte plötzlich Somas Stimme: »Frea?«[/LEFT] [LEFT]Sie kam durch die Wand und war auf diese Weise sogar gut hörbar. Wahrscheinlich hatte man sich beim Bau der Zellen nicht viele Gedanken darum gemacht, sie möglichst schalldicht zu machen.[/LEFT] [LEFT]Obwohl er mich nicht sehen konnte, wischte ich mir rasch die Tränen aus dem Gesicht. »Ja?«[/LEFT] [LEFT]»Warum …« Er zögerte. »Weinst du etwa?«[/LEFT] [LEFT]Ich hatte seinen Vorwurf von vorhin noch nicht vergessen, deswegen wollte ich ihm nicht erzählen, was mit mir los war. »Selbst wenn, was würde dich das interessieren? Du glaubst doch bestimmt immer noch, dass ich dich extra hierher gebracht habe, oder?«[/LEFT] [LEFT]Passiv-Aggressivität war kein guter Charakterzug, schon gar nicht für einen Captain. Aber im Moment war ich nur eine ganz normale Gefangene in irgendeinem Bunker voller verrückter Kultisten, die angeblich meine Familie waren.[/LEFT] [LEFT]Er schwieg. Ich befürchtete, ihn endgültig verschreckt zu haben, wollte mich schon bei ihm entschuldigen und ihn anflehen, mir wieder zu vertrauen, selbst wenn ich vollkommen planlos war, aber da sagte er endlich wieder etwas: »Was ich vorhin gesagt habe, tut mir leid.«[/LEFT] [LEFT]Hatte ich gerade richtig gehört? Soma Schicksal entschuldigte sich bei mir? Das war mir im ganzen letzten Jahr noch nicht untergekommen. Wäre er bei mir gewesen, hätte ich ihn nun direkt umarmt. Aber mit der Mauer zwischen uns war das nicht möglich.[/LEFT] [LEFT]»Ich glaube nicht, dass du mich hierher gelockt hast«, fuhr er fort. »Vorhin war ich nur aufgewühlt wegen dem, was geschehen ist und ich glaube, ich wollte das einfach nur an jemandem auslassen.«[/LEFT] [LEFT]Was nur zu verständlich war. Dennoch hatte mich das verletzt. Das teilte ich ihm auch mit, worauf er sich noch einmal entschuldigte: »Das alles muss dich noch mehr belasten als mich. Du hast gedacht, hier deine Familie zu finden – und dann sind es …«[/LEFT] [LEFT]Er suchte nach Worten, die ich ihm gern lieferte: »Verrückte Kultisten? Ja, das ist Mist.«[/LEFT] [LEFT]Wobei ich meine Mutter noch nicht gesehen hatte. Zumindest in meinen Träumen hatte es ausgesehen als wäre sie nicht von diesen Plänen überzeugt. Vielleicht war sie also anders.[/LEFT] [LEFT]»Hast du deswegen geweint?«[/LEFT] [LEFT]Fragte er das, weil er mich testen wollte? Oder machte er sich wirklich Sorgen? Ich wünschte, ich könnte ihn sehen. Sein Gesicht verriet mir meist mehr als seine Stimme. Da das nicht möglich war, antwortete ich ihm einfach: »Eigentlich nicht. Ich hab eher geweint, weil ich mich so hilflos fühle. Wegen mir sind wir in dieser Situation gelandet. Ohne God Arcs. Wenn es nur ich wäre, dann wäre das nicht so schlimm, aber du …«[/LEFT] [LEFT]»Mach dich nicht lächerlich.« Zumindest an dieser Stelle hörte ich seiner Stimme an, dass er lächelte. »Wenn ich schon hier feststecke, dann mit niemandem lieber als mit dir.«[/LEFT] [LEFT]Zum Glück konnte er nicht sehen, wie rot ich gerade geworden war. »Womit hab ich das Kompliment denn verdient?«[/LEFT] [LEFT]»Du warst die erste Person, die in meiner Nähe nicht gestorben ist, oder sich von meiner schlechten Laune abschrecken ließ.«[/LEFT] [LEFT]Sein Verhalten von damals nannte er schlechte Laune? Ich bezeichnete das eher als selbstmordgefährdet und abweisend. Eine Schale, deren Aufbrechen nur Shio möglich gewesen war, und deren Risse ich dann ausgenutzt hatte, um ihn besser kennenzulernen.[/LEFT] [LEFT]»Am Anfang war ich ziemlich genervt von dir«, erwiderte ich. »Da war gerade vor meinen Augen jemand gefressen worden und du hast nichts Besseres zu tun, als dein God Arc auf mich zu richten und mir zu sagen, dass ich wahrscheinlich auch bald sterben werde. Du hast dir nicht mal meinen Namen angehört.«[/LEFT] [LEFT]Heute verstand ich sein Verhalten. Aber damals hatte ich mich wie vor den Kopf gestoßen gefühlt.[/LEFT] [LEFT]»Du hast mich ja schnell eines Besseren belehrt«, erwiderte er. »Aber vor allem hast du mir immer wieder gezeigt, was in dir steckt und dass man sich auf dich verlassen kann. Deswegen bin ich selbst jetzt überzeugt, dass du einen Weg hier raus finden wirst.«[/LEFT] [LEFT]Ich legte eine Hand auf mein Herz, das sich plötzlich viel wärmer anfühlte als normal. »Ach Soma, ich würde dich küssen, wenn wir nicht gerade eingesperrt wären.«[/LEFT] [LEFT]Das darauf sicher folgende Stirnrunzeln konnte ich mir gut vorstellen. Und dann kam eine Frage, mit der ich schon viel früher gerechnet hätte: »Warum machst du diese Scherze eigentlich immer?«[/LEFT] [LEFT]»Wieso Scherz?«, erwiderte ich unschuldig.[/LEFT] [LEFT]Er seufzte. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass du das alles ernst meinst. Also, wenn du einfach nur zu viel Zeit mit Lindow verbracht hast, dann wäre es mir recht, wenn du damit aufhören könntest.«[/LEFT] [LEFT]Glaubte er wirklich, dass ich mich über ihn lustig machte? Dass das nur daher rührte, weil ich manchmal mit Lindow und Sakuya zusammensaß?[/LEFT] [LEFT]»Du siehst das vollkommen falsch, Soma.«[/LEFT] [LEFT]»Wie ist es dann richtig?« In seiner Stimme herrschte ein Unterton, den ich noch nie gehört hatte, aber ich wusste dennoch, was er wollte: Er sah die Zeichen und verstand sie auch, glaubte aber nicht, dass ich es ernst meinte – oder vielleicht war er der Meinung, er deutete sie falsch – und wollte es nun in aller Deutlichkeit von mir hören.[/LEFT] [LEFT]So hatte ich mir eigentlich nicht vorgestellt, ihm meine Liebe zu gestehen. In meiner Fantasie war das immer auf einer Mission geschehen, nachdem wir gemeinsam einen starken Feind geplättet hatten und ich ihm vor Erleichterung in den Armen lag. Oder wenn wir danach auf der Krankenstation lagen und uns von den Strapazen erholten. Aber das Leben richtete sich nun einmal nicht nach den Vorstellungen von uns Menschen.[/LEFT] [LEFT]»Eigentlich wollte ich es dir schon lange sagen«, begann ich, mit wachsender Verlegenheit. Selbst ohne in seine wunderschönen, blauen, aber misstrauischen Augen zu sehen, war es doch ziemlich schwer, es zu sagen. »Soma, ich …«[/LEFT] [LEFT]Schritte näherten sich dem Gang. Ich verstummte augenblicklich, innerlich bereits genervt. Wachsam beobachtete ich das Fenster, während ich lauschte. Es waren nicht die schweren, entschlossenen Schritte eines Soldaten oder von Erling oder Baldur, vielmehr klangen sie unsicher, sanft, als wollte jemand nicht viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mit den Schritten näherte sich auch eine Lichtquelle, die mich neugierig machte – aber ich blieb auf der Pritsche sitzen. Wer wusste schon, was die Person von uns wollte.[/LEFT] [LEFT]Vor meiner Zelle hielt jemand an, eine elektrische Laterne wurde vor das Fenster gehalten. Geblendet kniff ich die Augen zusammen und hob gleichzeitig eine Hand vor mein Gesicht. Ich machte einen undeutlichen Schatten aus, der mich von der anderen Seite aus musterte.[/LEFT] [LEFT]»Was ist los?«, fragte ich. »Wurde das Festmahl vorgezogen?«[/LEFT] [LEFT]Ich wusste nicht einmal, wann es stattfinden sollte oder ob es wörtlich oder symbolisch gemeint war. Aber ich war auch nicht in der Gemütslage, mich mit einer der Wachen zu unterhalten.[/LEFT] [LEFT]»Du bist es also wirklich«, sagte die Person – und ihre Stimme rief eine weitere Erinnerung in mir wach. Eine angenehme, von Zweisamkeit, die wir gemeinsam in versteckten Ecken dieser Einrichtung verbrachten. Er und ich, wie wir planten, was wir nach der Apokalypse tun wollten, wie wir uns aneinanderschmiegten und … Hastig schüttelte ich diesen Gedanken ab. Dennoch war ich ratlos, wie ich das bislang nur hatte vergessen können. Was auch immer damals bei der Explosion geschehen war, musste wirklich weitreichend gewesen sein.[/LEFT] [LEFT]»Kei?« Ich stand auf und ging zur Tür.[/LEFT] [LEFT]Ein junger Mann stand im Gang. Schwarze Haare, rot-braune Augen, immer ein leichtes Schmunzeln im schmalen Gesicht, ja, ich erinnerte mich, er war Kei Seki, das Mitglied von Gleipnir, mit dem ich die meiste Zeit verbracht hatte.[/LEFT] [LEFT]Er lächelte erleichtert. »Mann, Kara, ich freue mich voll, dass du wieder da bist. Die anderen dachten schon, du hättest uns verraten, weil du jetzt ein God Eater bist. Aber ich hab immer gewusst, dass du das nicht tun würdest.«[/LEFT] [LEFT]Wenn Gleipnir die Apokalypse der Verschlingung herbeiführen wollte, waren God Eater ihre Feinde – und ich damit auch. Das war auch nichts, was ich ändern wollte. Shio hatte ihre Existenz hier aufgegeben, um uns vor einer Apokalypse zu retten, dieses Opfer würde ich für immer ehren, schon allein für Soma.[/LEFT] [LEFT]»Ich bin ein God Eater«, sagte ich mit stolzgeschwellter Brust. »Deswegen werde ich euch nicht helfen, sondern alles daran setzen, euch aufzuhalten.«[/LEFT] [LEFT]Keis Mundwinkel sanken nach unten. Schweigend sahen wir uns an, dann lachte er plötzlich. Das war ein Laut, den ich mal geliebt hatte (sagte meine Erinnerung), aber in diesem Moment verärgerte er mich.[/LEFT] [LEFT]»Was ist so lustig?«[/LEFT] [LEFT]Er beruhigte sich wieder, um mir zu antworten: »Na, letztes Jahr warst du noch sehr erpicht darauf, dass diese Apokalypse eintritt. Deswegen hast du dich freiwillig gemeldet, als es darum ging, einen Kern zu besorgen. Hast du das etwa vergessen?«[/LEFT] [LEFT]Er musterte mich prüfend. Ich erwiderte das mit gefestigtem Blick. »Ja, das habe ich. Hat man dir nicht gesagt, dass ich mein Gedächtnis verloren habe?«[/LEFT] [LEFT]Anscheinend nicht, denn diese Enthüllung ließ ihn die Augen aufreißen. »Was? Nicht im Ernst!«[/LEFT] [LEFT]Langsam fragte ich mich, ob ich im letzten Jahr einfach nur mehr gereift war als er oder ob meine Erinnerung mich bezüglich unserer Beziehung trog. Zutrauen würde ich es meinem Gedächtnis.[/LEFT] [LEFT]»Sind Shiro und Kuro deswegen nicht bei dir?«[/LEFT] [LEFT]Waren das die Namen meiner Begleiter gewesen? Selbst hier, wo alles angefangen hatte, waren viele Dinge noch hinter einer dichten Nebelwand verborgen.[/LEFT] [LEFT]»Die beiden sind tot. Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber es gab anscheinend eine Explosion, dabei sind die beiden gestorben und ich habe mein Gedächtnis verloren.«[/LEFT] [LEFT]Kei gab ein verstehendes »Hmm« von sich. Aber dann zuckte er mit den Schultern. »Na ja, ich mochte die beiden ohnehin nicht. Und Opfer sind notwendig, sagt Erling immer. Ich bin nur froh, dass du wieder hier bist. Auch wenn du … jetzt im Gefängnis sitzt.«[/LEFT] [LEFT]Er schmunzelte wieder, obwohl ich seufzte. Wahrscheinlich ahnte er nicht einmal, in welcher Gefahr ich mich befand. Oder wie sehr mir dieser ganze Plan auf die Nerven ging. Das einzig Gute, was er hervorgebracht hatte, war meine Begegnung mit Soma, der auffällig still war.[/LEFT] [LEFT]»Kei, kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte ich.[/LEFT] [LEFT]»Klar, was denn?«[/LEFT] [LEFT]»In meinem Gepäck, das man mir weggenommen hat, ist eine Tasche mit Metallspritzen. Ich brauche eine davon.«[/LEFT] [LEFT]Ich wusste sofort, dass ich das vergessen konnte, als er die Stirn runzelte.[/LEFT] [LEFT]»Tut mir leid«, sagte er zerknirscht. »Aber das würde Erling nicht zulassen. Ist das denn wichtig?«[/LEFT] [LEFT]Ich überlegte noch, wie ich ihm die Wichtigkeit erklären sollte, da hörte ich, wie Soma in der Zelle nebenan aufstand. Er schlug mit der Faust gegen seine Tür.[/LEFT] [LEFT]Kei zuckte zusammen und leuchtete mit der elektrischen Laterne zur Seite. »W-wer …?«[/LEFT] [LEFT]»Hör zu!«, forderte Soma. »Mir ist egal, wie du das machst, aber besorg ihr besser diese Spritze, wenn du nicht willst, dass sie ein Aragami wird und dich auffrisst!«[/LEFT] [LEFT]Statt das abzuwehren oder dem sofort Folge zu leisten, ging Kei ein wenig näher zu Somas Zelle hinüber. Er musterte ihn konzentriert, bis ihm wohl endlich einfiel, wer noch im Kerker sitzen müsste. »Ah! Du musst Soma Schicksal sein!«[/LEFT] [LEFT]»Könnte man endlich aufhören, immer meinen ganzen Namen zu benutzen?«, fragte Soma genervt.[/LEFT] [LEFT]Kei wandte sich mir zu. »Was meint er damit, dass du ein Aragami wirst?«[/LEFT] [LEFT]Ich hob den rechten Arm, um den roten Reif an meinem Handgelenk zu präsentieren. »Wenn ich nicht regelmäßig mit Selektionsfaktoren versorgt werde, wird dieser Reif dafür sorgen, dass ich mich in ein Aragami verwandle.«[/LEFT] [LEFT]Das stimmte so zwar nicht wirklich, aber die ausführliche Erklärung hatte ihn nicht zu interessieren – und sie war mir auch zu kompliziert. Außerdem wollte ich gar nicht daran denken, dass ich verschlungen werden könnte. Ich zweifelte daran, so viel Glück zu haben wie Lindow, dass man mich noch würde retten können. Ob Soma es zumindest versuchen würde?[/LEFT] [LEFT]»Oh nein«, hauchte Kei. Doch nur einen Moment später klärte sich sein Gesicht wieder auf. »Aber bedeutet das nicht, dass du zu etwas Besserem werden wirst? Die Aragami sind immerhin von den Göttern gesandt!«[/LEFT] [LEFT]Aus Somas Zelle kam ein Geräusch, als hätte er gerade den Kopf gegen die Tür geschlagen. Das hätte ich am liebsten auch getan, aber ich wollte mir die Schmerzen sparen.[/LEFT] [LEFT]»Hab ich den Mist wirklich mal geglaubt?« Ich war zu frustriert, um die Frage für mich zu behalten, auch wenn Kei davon regelrecht beleidigt aussah. »Kannst du dann wenigstens mit meiner Mutter reden? Vielleicht sieht sie das alles ein bisschen anders.«[/LEFT] [LEFT]Er nickte motiviert. »Das geht, kein Problem. Ich erzähl Honoka, dass du hier bist. Und diese Aragami-Sache auch. Aber bist du dir deswegen sicher? Du wärst bestimmt ein ganz außergewöhnliches Aragami~.« Seine Stimme wurde geradezu schwärmerisch, als er das sagte. »Ich bin sicher, wir würden dann alle dich anbeten, statt Vidar. Und ich wäre natürlich dein glühendster Anhänger.«[/LEFT] [LEFT]Als Glaubensobjekt wollte ich mich eigentlich nicht betrachten lassen, egal von wem. Leise seufzend griff ich mir an die Stirn. »Bitte, Kei, rede einfach mit meiner Mutter, okay?«[/LEFT] [LEFT]Er lächelte mich an und strich mir über die Wange. Eine Geste, die ich laut meiner Erinnerung vor einem Jahr noch schön gefunden hatte, mich nun aber dazu brachte, dass ich wirklich an mich halten musste, seine Hand nicht einfach wegzuschlagen.[/LEFT] [LEFT]Vielleicht bemerkte er, wie ich mich versteifte, denn als er die Hand senkte, sah er enttäuscht aus. Dennoch versprach er mir, mit meiner Mutter zu reden. Sein Blick ging noch einmal zu Soma hinüber, ehe er mich lächelnd ansah. »Ich weiß, die Pritschen sind nicht gerade gemütlich, aber versuch heute Nacht einfach zu schlafen. Erling ist morgen mit Sicherheit schon etwas gnädiger.«[/LEFT] [LEFT]Das konnte ich mir zwar nicht vorstellen, aber ich versicherte ihm, dass ich schlafen würde. Der Tag war lang gewesen und wir hatten nichts zu essen bekommen, die Erschöpfung griff deswegen schon mit gierigen Fingern nach mir.[/LEFT] [LEFT]»Gut, dann sehen wir uns morgen~.«[/LEFT] [LEFT]Er tippte sich mit zwei Fingern an die Stirn, dann ging er eilig davon, ohne sich von Soma zu verabschieden. Mich hatte er wenigstens noch angelächelt – angeblich hatte ich davon vor einem Jahr noch Herzklopfen bekommen. Nun war es seltsam bedeutungslos.[/LEFT] [LEFT]Die Person, die ich jetzt war, Frea, verband einfach nichts mit den Erinnerungen meines alten Ichs, mit Kara. Alles, was ich im letzten Jahr erlebt hatte, war so real, so greifbar, dass mir allein der Gedanke an Shio manchmal Tränen in die Augen trieb, während ich alles davor aus Distanz und mit Gleichgültigkeit betrachtete. Es war ein vollkommen anderes Leben, eine gänzlich andere Person, mit der ich nichts mehr gemein hatte, außer das Aussehen vielleicht.[/LEFT] [LEFT]Kaum war Kei weg, standen wir wieder im Halbdunkel, aber ich war froh darüber. Bei Soma war ich mir nicht so sicher.[/LEFT] [LEFT]»Wer war das?«, fragte er, in einem Ton, den ich nicht von ihm kannte.[/LEFT] [LEFT]»Kei Seki, ein alter Freund von mir. Oder so was in der Art.«[/LEFT] [LEFT]»So was in der Art?« Ein lauernder Unterton.[/LEFT] [LEFT]Ich lehnte mich gegen die Tür, um die Erschöpfung ein wenig abzuwehren. »Ich glaube, er und ich waren so etwas wie ein Paar. Aber sicher bin ich mir nicht. Ich vertraue meinem Gedächtnis immerhin noch nicht wirklich.«[/LEFT] [LEFT]Aber selbst wenn, ich hegte kein Interesse daran, eine solche Beziehung weiterzuführen. Der einzige, der für mich in Frage kam, war in der Zelle nebenan und gab einen verstehenden Laut von sich, ehe er etwas sagte: »Wie auch immer, du solltest jetzt wirklich schlafen. Falls morgen nämlich nichts passiert, müssen wir uns überlegen, wie wir an deinen Selektionsfaktor kommen.«[/LEFT] [LEFT]Er sagte noch wir, aber es klang nicht mehr so einnehmend wie zuvor. Etwas hatte sich geändert – und ich verfluchte Kei im Stillen dafür, dass er im entscheidenden Moment stören musste. Vielleicht war das aber auch besser gewesen. Wer weiß, wie Soma reagiert hätte. Gerade an diesem Ort hätte ich eine Zurückweisung schwerer ertragen als in der Fernost-Abteilung.[/LEFT] [LEFT]»Ich denke, das mache ich wirklich.«[/LEFT] [LEFT]Ich löste mich von der Tür und legte mich auf die Pritsche. Sie erschien mir jetzt noch härter als vorhin, aber zumindest war mir eine Decke gegönnt worden, unter der ich mich notdürftig zusammenrollte. Wenn nur Soma direkt hier bei mir gewesen wäre, hätte ich mich zumindest einigermaßen wohlfühlen können, er wäre ein Stück Heimat gewesen.[/LEFT] [LEFT]Aber so war er meilenweit entfernt, obwohl er direkt in der Zelle nebenan noch immer an der Tür stand. Und er verließ diesen Ort auch nicht, bis ich einschlief.[/LEFT] Kapitel 12: Könnt ihr mal aufhören zu streiten? ----------------------------------------------- [LEFT]Als ich meine Augen wieder öffnete, war meine Zelle mit einem diffusen Licht erfüllt. Ich konnte nicht sagen, woher es kam, aber viel wichtiger war für mich auch, dass die Tür weit offen stand. Ich stand auf und ging langsam hinüber. Auf dem Gang war dieses seltsame Licht noch heller, der Boden war in dichten weißen Nebel gehüllt durch den alles einen merkwürdigen Schimmer erhielt. Instinktiv wollte ich Soma fragen, was er darüber dachte und was wir tun sollten. Doch bevor ich dazu kam, erklangen tapsige Schritte auf dem Gang. Im nächsten Moment rannte jemand lachend an der offenen Tür meiner Zelle vorbei. Obwohl ich sie nur für den Bruchteil einer Sekunde sah, wusste ich sofort, wer das war.[/LEFT] [LEFT]»Shio?!«[/LEFT] [LEFT]Es war unmöglich, dass sie hier war, aber meine Vernunft weigerte sich, mich aufzuhalten, als ich ihr hinterherrannte. Es war einfach gewesen, mir zu sagen, dass sie mir nicht fehlte, während ich sie nicht gesehen hatte, aber da sie nun so nah war, brach die Sehnsucht hervor. Deswegen war es umso schlimmer, dass ich ihr nicht näher kommen konnte. Jeder meiner Schritte fühlte sich an, als müsste ich gegen einen Widerstand ankämpfen, als wäre der Nebel aus einem festen Material, das mich aufzuhalten versuchte. Shio schien dagegen keine Probleme zu haben, während sie sich immer weiter von mir entfernte.[/LEFT] [LEFT]»Shio, warte!«[/LEFT] [LEFT]Als Antwort auf meinen Ruf lachte sie nur und begann dann das Lied zu summen, das ich normalerweise von meiner Mutter in meinen Träumen hörte.[/LEFT] [LEFT]Der viel zu lange Gang endete plötzlich in einem gleißenden Licht. Ich kniff die Augen zusammen, hielt einen Arm vor mein Gesicht, um mich vor dem Blenden zu schützen – da schossen dornige Ranken aus dem Nichts heraus, wickelten sich um meine Handgelenke und zogen meine Arme auseinander. Fluchend versuchte ich mich zu befreien, doch die Ranken verkürzten sich dadurch und verstärkten den Zug an meinen Gliedmaßen.[/LEFT] [LEFT]Irgendwo im weißen Nebel lachte Shio. Ich rief noch einmal nach ihr, doch sie kam nicht zurück.[/LEFT] [LEFT]»Das ist nicht real«, flüsterte ich. »Das muss ein Traum sein, es muss.«[/LEFT] [LEFT]Ein scharfer Schmerz zuckte plötzlich durch mein rechtes Handgelenk. Direkt danach ließen die Ranken mich wieder los. Ausgehend von meinem Reif liefen schwarze Linien meinen Unterarm hinab, ich konnte regelrecht zusehen, wie meine Adern sich immer weiter verdunkelten.[/LEFT] [LEFT]Zu meinem Glück war ich noch nie in der Situation gewesen, beobachten zu müssen, wie ein God Eater zu einem Aragami wurde, aber ich war überzeugt, dass genau das gerade mit mir geschah. Mein Arm zitterte, während er sicher immer schwärzer färbte.[/LEFT] [LEFT]»Nein … nein, das darf nicht sein!«[/LEFT] [LEFT]Aus der Tiefe des weißen Nebels erklang Keis Stimme: »Du wärst bestimmt ein ganz außergewöhnliches Aragami~.«[/LEFT] [LEFT]»Nein, das will ich nicht!«[/LEFT] [LEFT]Niemals wollte ich zu einem Aragami werden, das eine Bedrohung für die Menschheit und vor allem für meine Freunde darstellte. Eher würde ich den Freitod wählen.[/LEFT] [LEFT]In diesem Fall blieb mir aber keine Wahl, denn plötzlich schälte sich Somas Gestalt aus dem Nebel, er schwang sein God Arc und ließ es auf mich niedersausen. Ich schloss die Augen, erwartete den kommenden Schmerz – und hörte plötzlich, wie jemand meinen alten Namen sagte.[/LEFT] [LEFT]»Kara? Kara, wach auf.«[/LEFT] [LEFT]Als ich meine Augen öffnete, war ich tatsächlich wieder in der Zelle. Es gab kein seltsam unwirkliches weißes Licht, keinen Nebel, nur eine grelle gelbe Glühbirne, die lediglich einen Ausschnitt erhellen konnte und die Schatten in den Ecken dafür umso dunkler werden ließ. So war es immer in diesem Bunker gewesen.[/LEFT] [LEFT]Kei stand mit einem besorgten Blick neben mir. »Hattest du einen Albtraum?«[/LEFT] [LEFT]Ich wollte lieber nicht darüber reden, schon gar nicht mit ihm. Deswegen setzte ich mich lediglich aufrecht hin. »Was ist los?«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht war er auch froh darüber, nicht über Albträume sprechen zu müssen, denn er beantwortete meine Frage: »Erling hat mir erlaubt, dich zu deiner Mutter zu bringen. Er meinte, eine Nacht reicht bestimmt, damit du weißt, wem du dich fügen musst.«[/LEFT] [LEFT]Ich hatte immer noch nicht vor, irgendwem außer meinen Chefs bei Fenrir zu gehorchen, aber die Diskussion wäre an dieser Stelle sinnlos gewesen. »Was ist mit Soma?«[/LEFT] [LEFT]Kei sah zur Wand, die unsere Zellen voneinander trennte. »Ihn hat er nicht erwähnt.«[/LEFT] [LEFT]»Ich werde jedenfalls nicht ohne Soma gehen.«[/LEFT] [LEFT]Unsicher neigte Kei den Kopf.[/LEFT] [LEFT]»Was soll schon passieren?«, sprach ich weiter. »Der Bunker ist wie ein Labyrinth und noch dazu voller Wachen, wir können ohnehin nicht abhauen.«[/LEFT] [LEFT]Entweder überzeugte ihn das oder er war nicht in der Stimmung darüber zu diskutieren; er neigte lediglich ergeben den Kopf. Gemeinsam verließen wir meine Zelle, dann schloss er die von Soma auf. Dabei behielt er einen großzügigen Abstand zwischen sich und der Tür. »Soma Schicksal, Kara möchte, dass du sie begleitest.«[/LEFT] [LEFT]Ich war vor meiner Zelle stehengeblieben und konnte deswegen nicht sehen, was bei ihm vor sich ging. Lange Zeit war aber nichts von dort zu hören. Kei beugte sich etwas vor. »Soma Schi-«[/LEFT] [LEFT]»Wenn du noch einmal meinen ganzen Namen sagst«, erklang plötzlich Somas Stimme, »sorge ich dafür, dass es das letzte ist, was du je sagen wirst.«[/LEFT] [LEFT]Im nächsten Moment stand Soma in der Tür und blickte auf den Gang. Erst als er mich sah, schien er zufrieden und verließ die Zelle. Er schloss sich mir sofort an. »Ich werde jetzt also deine Mutter kennenlernen?«[/LEFT] [LEFT]Also hatte er das Gespräch mitgehört. Das wunderte mich nicht einmal, Soma war immer aufmerksam, diese feindliche Einrichtung musste das Verhalten nur verstärken.[/LEFT] [LEFT]»Ist sie besser als dein Vater?«[/LEFT] [LEFT]»Soweit ich mich erinnere. Aber die Messlatte hängt ja nich sonderlich hoch, oder?«[/LEFT] [LEFT]Er schmunzelte ein wenig. Kei betrachtete uns beide, ehe er an uns vorbeiging, um uns zu der Wohnung zu führen, in der ich früher gewohnt hatte. Auch auf diesem Weg kamen mir die Gänge nicht im Mindesten bekannt vor. Nicht einmal die Tür, die schließlich zur Wohnung meiner Familie führte. Gewaltsam versuchte ich eine Erinnerung hervorzuzerren, in der ich hier stand, aber nichts regte sich. Ich war überzeugt, diese Tür zum ersten Mal zu sehen.[/LEFT] [LEFT]Kei klopfte. Im Inneren erklangen eilige Schritte, dann wurde die Tür geöffnet. Vor uns stand eine Frau mit einem blassen, schmalen Gesicht, das durch ihr langes schwarzes Haar nur noch bleicher wirkte. Ihre braunen Augen schienen von innen heraus zu leuchten, obwohl dunkle Schatten darunter lagen. Das war eindeutig die Frau aus meinen Träumen, nur mit Schlafmangel.[/LEFT] [LEFT]Bei meinem Anblick lächelte sie sofort erleichtert. »Kara, du bist wirklich zurück!«[/LEFT] [LEFT]Noch bevor ich antworten konnte, legte sie ihre Arme um mich und drückte mich an sich. »Ich bin so glücklich, dich endlich wiederzusehen.«[/LEFT] [LEFT]Etwas in mir sagte, dass ich die Umarmung erwidern sollte, aber das Gefühl war zu unangenehm, ich brachte es einfach nicht über mich. So ließ ich die Arme an meinen Seiten hängen, bis meine Mutter mich wieder losließ. Sie betrachtete mich noch einen Moment, dann wanderte ihr Blick zu Soma hinüber. »Oh, ist das der God Eater, den du hergebracht hast?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, das ist Soma.« Ich wandte mich ihm zu, froh darüber, jemanden sehen zu können, bei dem ich wusste, was ich denken und fühlen sollte. »Und das hier ist meine Mutter, Honoka.«[/LEFT] [LEFT]Er musterte sie prüfend, in seinem Gesicht las ich keinerlei Emotion, die mir verraten könnte, was er gerade dachte. Schließlich nickte er ihr zu. Damit schien das Thema für ihn erledigt.[/LEFT] [LEFT]»Danke, dass du auf Kara aufgepasst hast«, sagte Honoka. »Ich war immer so besorgt um sie.«[/LEFT] [LEFT]Soma runzelte die Stirn und wandte mir den Blick zu, als er antwortete: »Dafür gibt es keinen Grund, sie kann gut auf sich selbst aufpassen.«[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte ihm zu, dabei bemerkte ich aus den Augenwinkeln, dass Kei lautlos schnaubte.[/LEFT] [LEFT]Meine Mutter trat zurück und bat uns, hereinzukommen. Ich ging als erstes hinein.[/LEFT] [LEFT]Jenseits der Tür stand man direkt in einem Raum, der in einer normalen Wohnung als Wohnzimmer durchgehen könnte. Es gab drei Sofas (die einzigen im ganzen Bunker, wie ich wusste), gruppiert um einen niedrigen Tisch auf dem ein Schachspiel aufgestellt war. Ich verstand aber nicht genug davon, um zu wissen, wer in der Partie gerade führte. In einer Ecke stand ein Sessel, daneben ein Regal mit zahlreichen Büchern. Ich glaubte, mich daran erinnern zu können, wie Honoka oft dort gesessen und gelesen hatte, doch die Erinnerung war derart unklar, dass ich mir nicht sicher war, ob sie real war oder nicht.[/LEFT] [LEFT]In einer anderen Ecke entdeckte ich etwas, das mich erleichtert aufatmen ließ: unsere Rucksäcke lagen fein säuberlich nebeneinander. Soma bemerkte sie im selben Moment, ging mit raschen Schritten und hinüber und suchte darin nach dem Selektionsfaktor.[/LEFT] [LEFT]»Baldur hat sie gestern Abend hergebracht«, erklärte Honoka. »Er meinte, ihr würdet sie brauchen, sobald ihr hier ankommt.«[/LEFT] [LEFT]Kei betrachtete Soma misstrauisch, als dieser eine Spritze hervorzog. Noch bevor er sich mir zuwandte, stand ich neben ihm und hielt ihm den rechten Arm entgegen. Innerhalb weniger Sekunden war mein Selektionsfaktor aufgefrischt und ich außerhalb jeder Gefahr in dieser Richtung. Ich bedankte mich bei ihm, er nickte lediglich.[/LEFT] [LEFT]»War das dieses Zeug, das du unbedingt brauchtest?«, fragte Kei. »Das verhindert, dass du ein Aragami wirst?«[/LEFT] [LEFT]Honokas Augen weiteten sich ein wenig, aber sie hinterfragte nichts. Ausgehend davon, wie sie nervös ihre Finger knetete, war ich ihr wohl genauso fremd, wie sie mir, deswegen wusste sie nicht, was sie tun oder sagen sollte. Ähnlich ging es mir auch, nachdem das erledigt war. Soma musste derartige Situationen aber bereits von seinem eigenen Vater gewöhnt sein, denn ihn traf das überhaupt nicht. »Wenn wir schon in deiner alten Wohnung sind, könntest du mir auch mal dein Zimmer zeigen, oder?«[/LEFT] [LEFT]»Wir haben es in dem Zustand gelassen, in dem du es verlassen hast«, sagte Honoka sofort und deutete auch direkt in die Richtung, in die wir gehen mussten.[/LEFT] [LEFT]Mein altes Zimmer war ... leer. Neben einem Feldbett und einer Truhe, in der meine Kleidung verstaut war, gab es nichts. Die Wände waren nackt, bis auf eine Flagge von Gleipnir. Der einzige Unterschied zu der Zelle, in der ich die Nacht zuvor verbracht hatte, war die Tür ohne Gitter.[/LEFT] [LEFT]Ich erinnerte mich an Tage, an denen ich hier mit Kei auf dem Boden saß, wir über unsere Zukunft sprachen und es kaum erwarten konnten, dass die Menschheit von den Aragami verschlungen wurde. Sogesehen musste es allen wirklich seltsam vorkommen, wie ich zurückgekehrt war.[/LEFT] [LEFT]Soma schloss die Tür, bevor uns jemand folgen konnte. Als er sich mir mit gerunzelter Stirn zuwandte, war mir klar, dass er nicht über die fehlende Inneneinrichtung sprechen wollte.[/LEFT] [LEFT]»Hast du schon eine Idee, wie wir hier rauskommen?« Er klang ungeduldiger als gestern, was ich ihm nicht verübelte.[/LEFT] [LEFT]»Erst einmal bräuchten wir unsere God Arcs zurück. Dann könnten wir uns einfach hier rauskämpfen. Theoretisch.«[/LEFT] [LEFT]Es war eine ungeschriebene Regel, mit den God Arcs nie Menschen anzugreifen, aber hier dürfte eine Ausnahme gelten.[/LEFT] [LEFT]Soma verschränkte die Arme vor seinem Körper. »Wo würden diese Leute unsere God Arcs verstecken?«[/LEFT] [LEFT]Auch ohne meine vollständigen Erinnerungen war das eine klare Sache: »In dieser Wohnung. Erling will sie bestimmt nicht einfach aus den Augen lassen.«[/LEFT] [LEFT]Soma nickte und senkte die Stimme: »Dann lass uns zuerst mitspielen. Vielleicht schaffen wir es so, einen Ausgang zu finden, dann können wir einen vernünftigen Fluchtplan schmieden. Da draußen sind immerhin noch mehr von denen – und sie können Aragami kontrollieren.«[/LEFT] [LEFT]Das war immer noch eine Sache, die mir unbekannt vorkam. Vor einem Jahr hatten sie dieses Talent definitiv noch nicht besessen, wie waren sie dazu gekommen? Ich bezweifelte, dass mir das jemand erklären würde, also sollte ich mich davon verabschieden, das im God Eater Alltag benutzen zu können, obwohl es wirklich praktisch wäre.[/LEFT] [LEFT]»In Ordnung«, sagte ich. »Solange wir dafür sorgen, dass du nicht der Kern dieses Dings werden wirst.«[/LEFT] [LEFT]Einer seiner Mundwinkel hob sich ein wenig. »Das wird schon nicht passieren, keine Sorge.«[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte ihn zuversichtlich an.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, Kei betrachtete uns aufmerksam und schien zufrieden, dass zwischen Soma und mir ein gewisser Abstand herrschte.[/LEFT] [LEFT]»Honoka sagt, das Essen ist fertig«, teilte er uns mit.[/LEFT] [LEFT]»Oh, etwas Selbstgekochtes«, entfuhr es mir. »Das wird hoffentlich besser sein als die Rationen.«[/LEFT] [LEFT]»Ist ja wohl kein Kunststück«, murmelte Soma.[/LEFT] [LEFT]Wir unterhielten uns nicht weiter über das Grauen, das unser Essen beinhaltete, sondern verließen mein altes Zimmer und fanden uns gleich danach in einer improvisierten Küche wieder. Tisch und Stühle waren billiges Plastik, schnell zu Beginn der Aragami-Plage zusammengeschustert, um zumindest ein bisschen Komfort aufweisen zu können. Die Schränke waren nach dem Zufallsprinzip von irgendwo gestohlen und hier eingebaut worden, auf einem davon stand ein Gaskocher auf dem wiederum ein Topf stand. Das Waschbecken bestand lediglich aus einer Eisenwanne in die ein Wasserschlauch führte. Dort hatten Honoka und ich oft gestanden, um das bereits angeschlagene Geschirr zu waschen, sorgsam darauf achtend, dass wir nicht aus Versehen noch etwas kaputtmachten, was wir doch noch benötigten. Damals war das meine größte Furcht gewesen – inzwischen wünschte ich, wir hätten damals alle Teller zerschlagen.[/LEFT] [LEFT]Soma und Kei warteten, bis ich mich gesetzt hatte – die Schüsseln waren bereits mit Reis gefüllt –, dann nahmen sie jeweils neben mir Platz. Zumindest Kei warf Soma dabei einen finsteren Blick zu, den ich lediglich mit einem Augenrollen quittierte. Honoka stellte den Topf auf dem Tisch ab. »Ich hoffe, ihr mögt Curry. Erling ist leider ... kein Freund davon. Deswegen komme ich selten dazu, es zu kochen.«[/LEFT] [LEFT]Sie schöpfte uns allen etwas von dem Curry aus.[/LEFT] [LEFT]»Hieß er schon immer Erling?«, fragte Soma derweil. »Das ist doch ein eher ungewöhnlicher Name in dieser Gegend.«[/LEFT] [LEFT]Bei Fenrir waren Namen aus den unterschiedlichsten Gegenden der Welt nichts Ungewöhnliches, immerhin kamen die God Eater auch von überall. Wer in Japan geboren war und noch immer in Fernost arbeitete, war zu beneiden, denn normalerweise wurden God Eater zwischen den Abteilungen herumgeschickt, um überall Erfahrungen zu sammeln oder diese einzusetzen. Aber für Zivilisten sollte das eigentlich nicht gelten.[/LEFT] [LEFT]»Oh,nein, früher hieß er anders«, antwortete Honoka ohne zu zögern. »Aber als die Aragami kamen und Fenrir gegründet wurde, erwachte eine Obsession in ihm, die sich auf nordische Mythen bezog. Deswegen wählte er diese Änderung, und er bestand auch darauf, dass unsere Kinder nach diesem Motiv benannt werden.«[/LEFT] [LEFT]Wen wunderte es da, dass er derart verrückt genug war, zu glauben, er könnte ein künstliches Aragami dazu bringen, Fenrir – oder zumindest die Fernost-Abteilung – zu zerstören? Vielleicht funktionierte dieser Plan ja nicht einmal. Jedenfalls glaubte ich nicht, dass er das mit einem richtigen Prototypen ausprobiert hatte. Dennoch wollte ich Soma nicht opfern lassen.[/LEFT] [LEFT]Honoka setzte sich endlich, so dass wir zu essen beginnen konnten, ohne uns unhöflich zu fühlen. Das Curry schmeckte deutlich besser als die Rationen und überzeugte mich noch einmal davon, dass ich Sakuya darum bitten müsste, mir das Kochen beizubringen. Ein wenig gute Abwechslung konnte sicher nicht schaden.[/LEFT] [LEFT]In aller Stille nahmen wir das Mahl zu uns. Immer wieder glaubte ich, dass Honoka etwas sagen wollte, sich im Endeffekt dann aber doch nicht traute oder es sich aus anderen Gründen anders überlegte. Vielleicht fand sie die Situation genauso seltsam wie ich.[/LEFT] [LEFT]»Das war eine richtig unhöfliche Frage«, tadelte Kei plötzlich.[/LEFT] [LEFT]Soma sah zu ihm hinüber. »Hast du jetzt so lange darüber nachgedacht, mir das zu sagen?«[/LEFT] [LEFT]Kei erwiderte seinen Blick trotzig. »Erling sagte, wir sollen dich mit Respekt behandeln, aber ich kann das nicht einfach durchgehen lassen.«[/LEFT] [LEFT]Honokas Nervosität nahm schlagartig zu. Mit geweiteten Augen sah sie zwischen den beiden hin und her. »Bitte, ich fand es nicht unhöflich, es ist okay ...«[/LEFT] [LEFT]Doch keiner von ihnen ließ sich von ihren Worten beirren.[/LEFT] [LEFT]»Wenn du mir Respekt zollen willst«, erwiderte Soma, »wäre es angebracht, uns einen Ausgang zu zeigen. Wir haben nämlich nicht vor, bei euren Versuchen mitzumachen.«[/LEFT] [LEFT]Kei presste die Lippen aufeinander. Sein Blick huschte zu mir, ich deutete ein Nicken an. Ich war immer noch derselben Meinung wie in der Nacht zuvor, deswegen sagte ich nichts. Schließlich schüttelte Kei mit dem Kopf. »Ihr könnt nicht mehr weg. Wir sind so nahe dran, unseren Plan zu erfüllen, unser Ziel zur Welterneuerung. Du solltest es dir wirklich überlegen.«[/LEFT] [LEFT]Honokas Gesicht verdüsterte sich, als Kei das erwähnte. Sie seufzte lautlos.[/LEFT] [LEFT]»Ich muss mir das nicht überlegen«, konterte Soma. »Mein Entschluss steht bereits.«[/LEFT] [LEFT]»Erling hatte unrecht, wir hätten euch nicht aus den Zellen lassen sollen.«[/LEFT] [LEFT]Bevor Soma noch etwas sagen konnte, schaltete ich mich dazwischen: »Könnt ihr mal aufhören zu streiten? Das nervt wirklich.«[/LEFT] [LEFT]Und brachte ohnehin niemanden weiter. Wir würden Kei nicht von der Falschheit der ganzen Sache überzeugen können, genauso wenig wie er uns von ihrem Plan. Dazu waren die Fronten ohnehin zu verhärtet.[/LEFT] [LEFT]Kei grummelte leise, aß aber ohne jedes Wort weiter. Soma tat dasselbe, nur ohne zu grummeln. Honoka sah mich erleichtert an und nickte mir zu. Ich erwiderte das mit einem kurzen Lächeln. Noch vertraute ich ihr nicht vollends, ich würde erst mehr mit ihr reden und mehr Erinnerungen dazu wieder hervorholen müssen. Aber wenn sie keine Anhängerin dieses Plans war, könnte sie mir und Soma vielleicht helfen zu entkommen. Auch wenn ich berechtigten Zweifel daran hegte, dass Erling das einfach so zuließ. Außerdem wusste Erling vermutlich auch, dass eine Nacht nicht ausreichte, um unseren Willen zu brechen. Uns so früh rauszulassen musste Teile eines Plans sein, den ich noch nicht durchschauen konnte, aber ich war nicht gewillt, ihn so einfach gewinnen zu lassen. Früher mochte ich mich vor ihm gefürchtet haben, bereit, alles zu tun, was er wollte, damit er keinen Grund fand, wütend zu werden. Doch heute war ich jemand ganz anderes, ich war Frea, die Kommandantin der Ersten Einheit von Fenrirs Fernost-Abteilung. Ich hatte eine Apokalypse der Verschlingung verhindert, das gelang mir sicher noch mit einer weiteren, und ich würde keinesfalls vor einem verblendeten Mythen-Fan zurückschrecken. Noch dazu war ich nicht allein in dieser Situation. Gemeinsam mit Soma würde mir nichts passieren, daran glaubte ich in diesem Moment noch felsenfest.[/LEFT] [LEFT]Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es nur einige Tage dauern würde, bis meine Entschlossenheit ins Wanken geraten sollte.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] Kapitel 13: Jeder God Eater hat so einen ---------------------------------------- [LEFT]Um unsere Flucht zu planen, streifte ich am nächsten Tag durch das Gängesystem des Bunkers, soweit Erling es zuließ. Meine Erinnerung weigerte sich nach wie vor, mir den richtigen Weg zu weisen. Fast war es als ob mein Unterbewusstsein mich vor etwas bewahrte, was ich immer hatte vergessen wollen. Vielleicht sollte ich ihm dafür dankbar sein.[/LEFT] [LEFT]Die Wachen nickten mir stets zu, manche grüßten mich sogar mit »Hey Kara«, viele von ihnen schienen nichts davon zu ahnen, dass ich so anders wiedergekommen war – oder sie glaubten nicht daran. Bei zweien von ihnen hörte ich heraus, dass man glaubte, Erling habe mich wieder aus der Zelle entlassen, weil ich eben doch loyal war. Ein absolut abwegiger Gedanke, aber sie kannten mich eben nicht gut genug und glaubten wirklich an ein Schauspiel. Wie diese junge Frau, die ich während meines Streifzugs in einem Speisesaal traf und die mich zu sich an einen Metalltisch winkte, wo sie mit zwei Männern gerade am Essen war.[/LEFT] [LEFT]»Deine Idee war halt echt genial«, beteuerte sie. »Vorzugeben, ein treuer God Eater zu sein, um Soma Schicksal dazu zu bringen, dich hierher zu begleiten ... wow!«[/LEFT] [LEFT]Ihre braunen Augen leuchteten voller Begeisterung, in mir regte sich dabei Widerwillen.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe nichts vorgegeben«, sagte ich genervt. »Ich bin eine Mitarbeiterin von Fenrir.«[/LEFT] [LEFT]Sie lachte. »Du spielst deine Rolle echt gut. Aber hier bist du doch wieder unter Freunden, da musst du nicht mehr so tun. Wir alle können die Verschlingung kaum erwarten!«[/LEFT] [LEFT]Ich konnte das nicht nachvollziehen, erinnerte mich auch noch nicht wirklich, woher meine Begeisterung dafür gekommen war. Mein Verdacht war ohnehin, dass ich nur Erling hatte gefallen wollen. Inzwischen war mir der Gedanke vollkommen fremd.[/LEFT] [LEFT]Die beiden Männer (die sich unfassbar ähnlich sahen) nickten und murmelten, dass ich den Scherz langsam zu weit triebe. Das brachte mich auf den Gedanken, dass es vielleicht helfen könnte, wenn ich einfach mitspielte.[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte. »Tut mir leid, ich dachte, es wäre vielleicht lustig, wenn ich das weiter durchziehe. Aber ihr habt recht, das ist hier ja unnötig.«[/LEFT] [LEFT]Die Frau bedeutete mir, mich neben sie zu setzen, was ich auch tat.[/LEFT] [LEFT]»Also«, fragte sie, »wie ist es so bei Fenrir?«[/LEFT] [LEFT]Nach allem, was ich bislang hier gesehen hatte, wäre die Sicherheit und der Luxus, den wir bei Fenrir besaßen, viel zu viel für diese Leute. Deswegen setzte ich ein abwertendes Schmunzeln auf. »Ach, die sind alle total verwöhnt. Vor allem die God Eater. Einfach nur furchtbar, wie man sich da für ein paar Credits gegenseitig an die Gurgel geht.«[/LEFT] [LEFT]So schlimm war Karel auch wieder nicht, aber das musste man hier ja nicht wissen.[/LEFT] [LEFT]Der linke Mann schnaubte. »Als wäre Gier nicht schon immer ein Problem gewesen, kein Wunder, dass die Götter uns die Aragami geschickt haben.«[/LEFT] [LEFT]»Die Menschen innerhalb der Mauern«, sagte der andere, »sind bestimmt total faul.«[/LEFT] [LEFT]»Absolut«, bestätigte ich. »Immerhin bekommen sie ihr Essen ja auch von Fenrir geliefert, also warum sollten sie sich noch anstrengen?«[/LEFT] [LEFT]Dass die Rationen sehr gering waren und man besonders in den Äußeren Bereichen mit Armut kämpfte, ließ ich außen vor. Das hätte hier ohnehin niemanden interessiert.[/LEFT] [LEFT]Die Frau lachte. »Wir könnten uns diese Faulheit nicht erlauben. Aber ich bin froh, dass Baldur jetzt diese Flöte hat, das macht es ein bisschen einfacher, draußen Vorräte zu sammeln.«[/LEFT] [LEFT]»Und Aragami-Teile zusammenzukriegen«, fügte einer der Männer hinzu.[/LEFT] [LEFT]Der rechte Mann nickte. »Früher war das ein reines Selbstmordkommando. Aber wen wundert das? Immerhin ist es ein Sakrileg, diese Gottesboten auch nur anzugreifen.«[/LEFT] [LEFT]Alle drei nickten verständig. Dann sahen sie mich an. »Es muss echt schwer sein für dich, zu wissen, dass du wahrscheinlich keinen Platz in der neuen Welt haben wirst, weil du ja auch Hand an die Aragami gelegt hast. Auch wenn es für einen höheren Zweck war.«[/LEFT] [LEFT]So sah man das hier also. God Eater waren nicht nur die Feinde, sie waren auch gottlose Verräter, denen die Welt nach der Apokalypse verschlossen war. Ganz im Gegensatz zu Johannes' Plan, der immerhin vorgesehen hatte, dass jeder God Eater und seine Familie standardmäßig ein Ticket zur Rettung erhalten hatte.[/LEFT] [LEFT]»Oh, täuscht euch mal nicht«, erwiderte ich. »Ich besitze ein Ass im Ärmel ... oder besser am Ärmel.«[/LEFT] [LEFT]Damit deutete ich auf den roten Reif an meinem rechten Handgelenk. »Jeder God Eater hat so einen. Und irgendwann wird er mich auch in ein Aragami verwandeln.«[/LEFT] [LEFT]Ich bemühte mich, möglichst stolz zu klingen, obwohl mir der Gedanke nach wie vor Angst machte. Dabei hoffte ich außerdem, dass sie genauso reagieren würden wie Kei – und ich wurde nicht enttäuscht: Mit ehrfürchtig großen Augen betrachteten sie den Reif.[/LEFT] [LEFT]»Das ist es also, was die God Eater zu halben Aragami macht«, stellte die Frau fest. »Damit seid ihr Gott näher als den Menschen.«[/LEFT] [LEFT]»Richtig~. Und irgendwann wird es Zeit, diese menschliche Hülle abzustreifen und ein Aragami zu werden. Was ich mir dann auch verdient hätte, nachdem ich genug von ihnen verschlungen habe.«[/LEFT] [LEFT]Der linke Mann zog nachdenklich die Brauen zusammen. »In dem Moment sind dann bestimmt alle Sünden vergessen, sobald du eines von ihnen bist.«[/LEFT] [LEFT]Wirklich ausprobieren wollte ich das weiterhin nicht. Ich war froh, dass keiner von ihnen auch nur im Mindesten zu hinterfragen schien, ob ich das alles ernst meinte. Bevor sie doch noch auf die Idee kämen, mich genauer zu studieren und zu merken, dass ich log, änderte ich das Thema, indem ich etwas von vorhin wieder aufgriff: »Was für eine Flöte hat Baldur eigentlich?«[/LEFT] [LEFT]Die Frau tippte sich gegen die Stirn. »Stimmt, das ist während deiner Abwesenheit passiert. Baldur ist es gelungen, eine Flöte zu konstruieren, mit deren Hilfe er mit den Aragami kommunizieren kann. Deswegen helfen sie uns jetzt, weil sie wissen, dass wir auf ihrer Seite sind.«[/LEFT] [LEFT]Das hatte er ihnen vermutlich erzählt, aber in Wahrheit musste es ihm nur gelungen sein, eine Frequenz zu finden, mit der er Orakelzellen beeinflussen kann. Sakaki wäre vermutlich ganz aus dem Häuschen, wenn wir ihm diese Flöte besorgen könnten. Aber noch war ich mir ja nicht mal sicher, wie wir hier überhaupt herauskommen sollten, da war es unsinnig, schon darüber nachzudenken, noch mehr mit uns zu schleppen. Ganz zu schweigen davon, dass wir bestimmt nicht einfach in den Besitz dieser Flöte kämen.[/LEFT] [LEFT]Der rechte Mann nickte. »Seit Baldur diese Flöte hat, ist auch keiner mehr gefressen worden.«[/LEFT] [LEFT]»Außer Yoshi«, meinte der Linke. »Hab gehört, das Vieh hat nichts von ihm übriggelassen.«[/LEFT] [LEFT]»Der war selbst schuld. Wir haben ihm gesagt, er soll nicht dauernd rauchen gehen. Ernsthaft, nur weil er am Hinterausgang Wache geschoben hat, gibt ihm das keine Narrenfreiheit.«[/LEFT] [LEFT]»Wenigstens hat Erling jetzt eingesehen, dass wir da keinen mehr abstellen müssen. Wir sind so kurz vor dem Ziel, da wäre es doch idiotisch, hier jetzt noch wegzuwollen.«[/LEFT] [LEFT]Die Frau nickte zustimmend darauf.[/LEFT] [LEFT]Es gab also einen unbewachten Hinterausgang. Zu gern hätte ich die drei gefragt, wo genau ich danach suchen müsste, aber daraufhin wären sie wahrscheinlich wirklich nur misstrauisch geworden – und das konnte ich mir nicht leisten.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich hob die Frau die Hand und winkte jemandem zu. »Sieh mal, wer sich auch hierher verirrt hat, Kara!«[/LEFT] [LEFT]Ich sah zur Tür und entdeckte Soma. Genau wie ich musste er sich beim Versuch, sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden, hier in den Speisesaal verirrt haben. Seine Schultern waren angespannt, seine Hände zu Fäusten geballt, während sein Blick über die wenigen Anwesenden wanderte. So erinnerte er mich wieder an damals, wann immer er mit verschränkten Armen in der Lobby auf eine neue Mission gewartet hatte. An vielen Tagen hatte ich ihn dabei beobachtet und mich gefragt, warum er sich so unnahbar gab, wenn er doch scheinbar keine Probleme damit hatte, dass Kanon sich direkt neben ihm gerade wieder so wortreich bei Brandon entschuldigte, und Tatsumi wieder einmal versuchte, Hibari auf ein Date einzuladen. Inmitten dieser Lebhaftigkeit hatte er mit seinen verschränkten Armen stets wie ein falsches Puzzleteil gewirkt, das sein eigenes Motiv verloren hatte. Und genau wie damals wollte ich ihn auch an diesem Tag einfach nur umarmen.[/LEFT] [LEFT]Er bemerkte das Winken der Frau neben mir endlich und sah zu uns herüber. Als er mich entdeckte, verhärtete sich sein Blick. Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen, aber ich wollte meine Tarnung erst einmal noch bewahren. Hoffentlich verstand er das, als er sich schließlich umdrehte und wieder hinausging.[/LEFT] [LEFT]Seufzend senkte die Frau ihre Hand wieder. »Er ist ganz schön unhöflich. Wie hast du ihn nur dazu gebracht, mit dir herzukommen?«[/LEFT] [LEFT]»Ich habe es ihm befohlen, natürlich. Immerhin bin ich sein Captain.«[/LEFT] [LEFT]Die bewundernden Blicke der drei fühlten sich absolut falsch an. Zum Glück musste ich mich damit nicht lange auseinandersetzen, da einem der Männer plötzlich auffiel, dass ich mir nicht einmal etwas zu essen geholt hatte. Dafür wurde der Frau die Schuld gegeben (»Sonia, du hast sie gerufen, bevor sie sich was holen konnte, also wirklich!«), worauf sie aufsprang, um mir etwas zu beschaffen. Ich blieb mit den beiden Männern zurück, die mich seltsam neugierig musterten.[/LEFT] [LEFT]»Weißt du«, sagte der Linke, als ich sie fragte, was los sei, »du wirkst ganz anders als letztes Jahr.«[/LEFT] [LEFT]»Ja, als Erling entschied, dich loszuschicken, dachten wir alle, er spinnt. Aber jetzt bist du so selbstbewusst, man könnte fast meinen, du wärst eine andere Person.«[/LEFT] [LEFT]Ich winkte direkt ab, bevor sie auf blöde Gedanken kamen. »Das macht nur das Wissen, dass ich mich bewiesen habe. Immerhin habe ich die Mission ja erfolgreich beendet, oder?«[/LEFT] [LEFT]Die beiden nickten, was mich zufrieden stimmte. Je mehr Leute glaubten, ich sei immer noch Kara, desto weniger Widerstand bekäme ich bei meiner Suche nach einem Ausgang – und nach diesem Gespräch plante ich, das auch voll auszunutzen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Das Essen hatte aus den Rationen bestanden, die wir bei Fenrir bekommen hatten, entsprechend geschmacklos war es also gewesen. Doch gleichzeitig hatte es Heimweh in mir geweckt. Ich wollte unbedingt wieder mit allen anderen essen, am liebsten früher als später.[/LEFT] [LEFT]Nach der Mahlzeit hatten Sonia und die Männer sich von mir verabschiedet und waren an ihre Arbeit gegangen. Ich wiederum verfolgte meinen eigenen Weg zurück in die Wohnung. Inzwischen wusste ich, dass die Tür immer offen war und Kei rein aus Höflichkeit geklopft hatte, deswegen hielt ich mich nicht daran auf, sondern ging direkt hinein.[/LEFT] [LEFT]Das Wohnzimmer war leer, aber aus der Küche hörte ich das Klappern von Geschirr. Ich nutzte die Gelegenheit und trat an das Bücherregal. Meine Erinnerung mochte nicht vollständig sein, aber ich wusste genau, dass zwischen all den Büchern auch etwas war, was mir helfen könnte. Schließlich stieß ich ein zufriedenes Schnauben aus, als ich eine Karte dieses Bunkers hervorzog. Wenn ich sie ausgiebig studierte, wüsste ich vielleicht, wo der Hinterausgang war und wie man dort hinkam. Vielleicht könnte ich dann sogar ableiten, wie man draußen schnellstens von hier verschwand.[/LEFT] [LEFT]Auf dem Weg in mein Zimmer erhaschte ich einen kurzen Blick in die Küche, wo ich Honoka beim Spülen entdeckte. Für einen kurzen Moment suchte mich der Gedanke heim, dass ich ihr helfen wollte, doch dann siegte mein Fluchtverlangen.[/LEFT] [LEFT]In meinem Zimmer faltete ich die Karte auseinander und breitete sie auf dem Boden aus. Schon auf den ersten Blick fiel mir auf, dass der Komplex noch größer war als ich gedacht hätte. Ich kniete mich hin, um alles besser in Augenschein nehmen zu können, aber ich war schon nach kurzer Zeit überfordert. Da der Bunker ursprünglich eine militärische Einrichtung gewesen war, hatten die Räume Bezeichnungen, die mir absolut unbekannt waren. Teilweise wurden vor allem Kanji genutzt, die ich nicht im Mindesten nachvollziehen konnte, weil ich sie noch nie gesehen hatte. So fand ich nicht einmal den Raum, in dem sich diese Wohnung befand.[/LEFT] [LEFT]Während ich, ausgehend vom Haupteingang, weitersuchte, öffnete sich die Tür hinter mir. Noch bevor ich hoffen konnte, dass es sich dabei um Soma handelte, hörte ich an den Schritten, dass es nicht er sein konnte. Als ich den Kopf drehte, entdeckte ich einen lächelnden Kei.[/LEFT] [LEFT]»Na, Kara?«, grüßte er mich. »Versuchst du immer noch auszubrechen?«[/LEFT] [LEFT]Seinem hintergründigen Tonfall entnahm ich, dass er mit Sonia gesprochen hatte. Vermutlich hatte sie ihm brühwarm erzählt, dass ich mich an alles erinnerte.[/LEFT] [LEFT]Ohne meine Antwort abzuwarten kniete er sich neben mich. Dann deutete er auf einen bestimmten Raum, der sich in mehrere kleinere unterteilte. »Hier sind wir gerade. Aber das weißt du ja sicher.«[/LEFT] [LEFT]Ich tadelte mich innerlich selbst, als ich sah, dass er auf der Karte sogar mit Kommandoposten betitelt war. Natürlich würde Erling diesen Ort als seine Wohnung wählen. Warum hatte ich nicht daran gedacht?[/LEFT] [LEFT]Kei konzentrierte sich auf mich. »Wann wolltest du mir sagen, dass du dich doch erinnerst?«[/LEFT] [LEFT]Ich konnte ihm nicht erklären, dass ich das nur behauptet hatte, um Sonia und die beiden Männer dazu zu bringen, mir Informationen zu geben. Also zuckte ich mit den Schultern. »Ich habe immer noch vor, wieder zu verschwinden, also sah ich keinen Grund, dir davon zu erzählen.«[/LEFT] [LEFT]»Warum bist du denn zurückgekommen, wenn du doch eh nur wieder wegwillst?«[/LEFT] [LEFT]»Das geht dich nichts an.«[/LEFT] [LEFT]Außerdem fiel mir keine Ausrede ein.[/LEFT] [LEFT]Offenbar missfiel Kei die Tatsache, dass ich weiterhin die Karte anstarrte und vom Kommandoposten einen Weg zum Hinterausgang – den ich immer noch nicht gefunden hatte – suchte. Er griff nach meinem linken Arm, ich wandte ihm den Blick zu. Seine Stirn war gerunzelt, auch darüber hinaus sah er wütend aus. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals so gesehen zu haben.[/LEFT] [LEFT]»Ist es wegen diesem Soma?«, knurrte er.[/LEFT] [LEFT]»Wovon redest du?«[/LEFT] [LEFT]»Früher warst du genauso erpicht auf die Verschlingung wie wir alle. Aber dann kommst du nach einem Jahr wieder mit Soma Schicksal zurück und tust so, als wäre allein die Vorstellung dieser Verschlingung etwas ganz Furchtbares für dich. Was hat dieser Soma mit dir getan?«[/LEFT] [LEFT]»Er hat gar nichts mit mir getan!« Ich versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien, doch ähnlich wie ein Schraubstock schien er nur stärker zu werden.[/LEFT] [LEFT]»Und du wolltest ohne ihn nicht aus dem Kerker raus«, fuhr Kei fort, ohne mir wirklich zuzuhören. »Was läuft da zwischen euch beiden?!«[/LEFT] [LEFT]»Gar nichts!« Obwohl es mir anders lieber gewesen wäre, aber das musste Kei nicht wissen. »Ich bin nur sein Captain, ich trage Verantwortung für ihn!«[/LEFT] [LEFT]»Erzähl keinen Scheiß!« Speicheltropfen flogen mir entgegen. »Er beobachtet dich wie ein Adler und hat mich sogar angewiesen dir diese dämlichen Spritzen zu bringen! Der Nerv von diesem Kerl, mir Anweisungen zu geben!«[/LEFT] [LEFT]Ich hatte Kei noch nie so wütend erlebt, nicht einmal in einer Szene, die mir mein Gedächtnis vorenthielt, davon war ich überzeugt. Das jetzt zu überleben ließ Furcht in mir aufsteigen. Und gleichzeitig Wut darüber, wie abfällig er von Soma sprach und wie er mit mir redete.[/LEFT] [LEFT]»Lass mich los!« Ich riss meinen rechten Arm hoch.[/LEFT] [LEFT]Der Reif traf ihn an der Schläfe und riss ihm dort die Haut auf. Blut spritzte auf meine Hand. Im selben Moment tat es mir schon wieder leid – schon allein weil das seine Wut nur anzufachen schien. Er packte noch mein rechtes Handgelenk und nutzte meine Überraschung, um mich zu Boden zu drücken, sich auf mich zu setzen und sich über mich zu beugen. Blut tropfte von seiner Verletzung auf mein Gesicht, aber ich war gerade nicht in der Lage, mich von ihm zu lösen. Zu sehr war ich über seine wuterfüllte Fratze erschrocken, mit der er mich anstarrte.[/LEFT] [LEFT]»Was ist das mit dir und diesem Kerl, Kara?! Verrat mir einfach, was ihn so viel besser macht als mich!«[/LEFT] [LEFT]Langsam zweifelte ich daran, dass irgendjemand in diesem Bunker noch bei klarem Verstand war. Selbst Kei, der in meinen wenigen Erinnerungen immer vernünftig gewirkt hatte, drehte hier vor meinen Augen durch, und das noch dazu ohne jeden Grund.[/LEFT] [LEFT]Ich sagte nichts, sondern bereute nur erneut, Soma in diese Sache hineingezogen zu haben. Ich hätte all das ohne ihn machen sollen, egal, was er gewollt hatte. Vielleicht wäre Kei dann jetzt auch nicht derart wütend und ich hätte ihn nicht verletzt. Aus den Tiefen meines Unterbewusstseins tauchte tatsächlich Kara wieder auf, die sich nur zusammenrollen und in Selbstvorwürfen ertränken wollte.[/LEFT] [LEFT]»Antworte mir endlich!«, knurrte Kei. »Oder bist du vielleicht gar nicht Kara?!«[/LEFT] [LEFT]Seine Augen weiteten sich, weil ich nichts sagte. »Du bist wirklich nicht Kara! Du hast nur ihr Aussehen angenommen! Was bist du für eine Hexe?!«[/LEFT] [LEFT]Bevor ich darauf reagieren konnte, flog die Tür auf. Im nächsten Moment wurde Kei von mir fortgerissen und gegen die Wand geworfen. Einen kurzen Augenblick lang war ich mir nicht sicher, was passiert war, ich glaubte sogar, dass ein Aragami selbst hereingestürmt war, um Kei zu fressen. Doch dann hörte ich ihn Flüche und Verwünschungen gegen jemanden ausstoßen, also lebte er noch.[/LEFT] [LEFT]Ich setzte mich aufrecht hin.[/LEFT] [LEFT]Soma drückte Kei mühelos mit einem Arm gegen die Wand und ignorierte dessen Flüche. Stattdessen sah er über die Schulter zu mir. »Alles okay? Hat er dich verletzt?«[/LEFT] [LEFT]Im Gegensatz zu vorhin war sein Blick zwar immer noch verhärtet, aber gleichzeitig sah ich deutliche Besorgnis in seinen Augen, wie zuletzt, als ich von La Llorona schwer verletzt worden war. Wenigstens galt die Wut diesmal nicht mir.[/LEFT] [LEFT]»Das ist nicht mein Blut«, sagte ich rasch. »Er hat mir nichts getan.«[/LEFT] [LEFT]Im Grunde hatte er mich nur erschrocken, aber das war für mich gerade nicht weiter schlimm.[/LEFT] [LEFT]»Ihr spinnt doch beide!« Kei versuchte sich aus Somas Griff zu lösen. »Wir hätten euch hier nie hereinlassen sollen! Du siehst vielleicht aus wie Kara, aber du bist nur eine verdammte Hexe!«[/LEFT] [LEFT]»Halt endlich die Klappe!«, erwiderte Soma. »Keinen interessiert, was du denkst!«[/LEFT] [LEFT]Ich befürchtete schon, dass es zu einem Kampf zwischen den beiden käme, doch da erschien jemand in der offenen Tür, der sogar Kei zum Schweigen brachte.[/LEFT] [LEFT]Erlings Blick wanderte von mir zu Soma, bis hin zu Kei. »Was ist hier los, Seki?«[/LEFT] [LEFT]»Sir, ich habe Grund zur Annahme, dass diese God Eater nur hier sind, um unsere Pläne zu behindern!«[/LEFT] [LEFT]Erling runzelte die Stirn. »Behauptest du etwa, meine eigene Tochter würde sich gegen mich stellen?«[/LEFT] [LEFT]»Diese Frau ist nicht Kara! Sie sieht nur aus wie sie!«[/LEFT] [LEFT]»Und deswegen hast du sie angegriffen?«[/LEFT] [LEFT]Keis Miene wandelte sich plötzlich und löste sich in Verwirrung auf. »Nun, ich ...«[/LEFT] [LEFT]Erling gab Soma zu verstehen, dass er Kei loslassen sollte, was dieser sofort tat. Soma ging einige Schritte zurück, bis er zwischen mir und den anderen beiden stand.[/LEFT] [LEFT]»Seki, wir haben hier Regeln, nicht wahr?« Erlings Stimme war düster, und hatte Auswirkungen auf Kei, der tatsächlich blass wurde. »Und du kennst diese Regeln.«[/LEFT] [LEFT]»I-ich habe sie doch gar nicht angegriffen! Ich wollte nur, dass sie mir sagt, wer sie ist.« Kei deutete an seine Schläfe. »Sie hat außerdem mich angegriffen!«[/LEFT] [LEFT]Erling sah zu mir und musterte vor allem meine rechte Hand, die immer noch blutig war. Ich zuckte zusammen, gab sonst aber nicht zu verstehen, dass ich das als unangenehm empfand.[/LEFT] [LEFT]»Warum hast du das getan?«[/LEFT] [LEFT]Ich deutete auf meinen linken Arm. »Er hat mich festgehalten, ich wollte, dass er mich loslässt. Dass ich ihn verletzt habe, war nur ein Unfall.«[/LEFT] [LEFT]Offenbar war er damit zufrieden, denn er wandte sich wieder Kei zu. »Komm mit mir in mein Büro, Seki. Wir müssen über dein Vergehen reden.«[/LEFT] [LEFT]»A-aber, Sir ...«[/LEFT] [LEFT]»Keine Widerrede!« Er erhob seine Stimme nicht, aber die pure Authorität dröhnte in seinen Worten, deswegen verstummte Kei und ging mit gesenktem Kopf hinaus.[/LEFT] [LEFT]Als er an mir vorbeikam, funkelten mich seine Augen unter seinen Haaren hervor an. Glaubte er wirklich, dass ich eine Art Hexe war?[/LEFT] [LEFT]Erling griff nach der Türklinke, sah mich aber noch einmal an. »Nachher möchte ich auch noch mit dir reden. Geh also nicht zu weit weg.«[/LEFT] [LEFT]Er warf einen vielsagenden Blick zur Karte auf dem Boden, dann verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.[/LEFT] [LEFT]Mein Herz beruhigte sich sofort, als ich mit Soma zurückblieb. Die Anspannung fiel von ihm ab, so dass er sich mir nun weniger finster zuwandte. »Du bist wirklich nicht verletzt?«[/LEFT] [LEFT]Ich sah auf meine blutbefleckte Hand hinab und nickte. »Ja, alles gut. Das ist nur Keis Blut.«[/LEFT] [LEFT]»Was ist los mit dem Kerl?« Soma schnaubte.[/LEFT] [LEFT]»Ich glaube ... er ist nur eifersüchtig.«[/LEFT] [LEFT]Er hob eine Augenbraue. Ich winkte lächelnd ab. »Schon gut, vergiss es.«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht war ihm ganz recht, dass ich nicht darüber reden wollte, denn er wendete sich nun auch der Karte zu. »Warst du erfolgreicher als ich?«[/LEFT] [LEFT]»Ein bisschen, nehme ich an.«[/LEFT] [LEFT]Während wir uns auf den Boden knieten, erzählte ich ihm von dem, was ich beim Mittagessen erfahren hatte. Er lauschte mir aufmerksam und nickte verständig.[/LEFT] [LEFT]»Und hast du den Hinterausgang schon gefunden?«[/LEFT] [LEFT]»Nein. Ich werde nicht so ganz schlau aus dieser Karte.«[/LEFT] [LEFT]Und nun war sie auch noch mit Blut von Kei befleckt, das würde es nicht einfacher machen. Doch als ich mir ansah, wo der größte Teil der Flüssigkeit gelandet war, weiteten sich meine Augen.[/LEFT] [LEFT]»Soma!« Ich zupfte aufgeregt an seinem Ärmel. »Siehst du das auch? Da, wo der große Fleck ist?«[/LEFT] [LEFT]Ich deutete darauf, damit er mir folgen konnte.[/LEFT] [LEFT]»Huh ...«, kam es von ihm. »Anscheinend war dieser Kerl doch zu etwas nütze.«[/LEFT] [LEFT]»Ja!« Ich nickte aufgeregt. »Jetzt müssen wir nur den Weg dorthin zurückverfolgen – und unsere God Arcs zurückbekommen.«[/LEFT] [LEFT]Dann hatten wir eine realistische Chance, von hier zu fliehen, bevor Soma geopfert werden sollte. Falls Erling mir da nicht auch noch einen großen Strich durch die Rechnung machen würde. Was auch immer er mit mir besprechen wollte, ich hoffte wirklich, dass es keine schlechten Nachrichten mit sich brächte – denn noch mehr könnte ich heute wirklich nicht mehr brauchen.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)