Die Wette von Mithril-chan ================================================================================ Kapitel 1: Zu viel Butterbier ----------------------------- Es war Frühling und ich befand mich in meinem sechsten Jahr in Hogwarts. Noch war das Wetter recht kühl, aber die ersten Blumen hatten bereits angefangen zu blühen. Dieses Wochenende hatten wir die Erlaubnis Hogsmeade zu besuchen. Ich hatte mich samstags mit Ron und ein paar anderen Gryffindors auf den Weg gemacht. Hermine hatte mit mahnendem Gesichtsausdruck ein Mitkommen abgelehnt und darauf hingewiesen, dass es bis zu den Abschlussprüfungen des Schuljahres nicht mehr viel Zeit wäre. Ich selbst wollte gerade deshalb noch etwas freie Zeit genießen, bevor Hermine uns über Wochen mit in die Bibliothek schleifen würde. Die meisten Schüler aus Hogwarts schienen das ganz ähnlich zu sehen. Und so war es recht voll in Hogsmeade. Es war ein kalter, aber klarer Tag. Nicht eine Wolke war am Himmel zu sehen. Ron, Dean Thomas, Seamus Finnigan und ich saßen abends zusammen an einem Tisch im „drei Besen“. Wir unterhielten uns bei unserem vierten Butterbier über Mädchen und Quidditch. Der Wirt hatte uns schon schräg angeschaut, als wir die vierte Runde bestellten. Wahrscheinlich würde er uns keine weitere Runde servieren. Ich hatte das Gefühl, meine Gedankengänge verliefen mittlerweile recht schleppend. Irgendwie wurden wir immer alberner. „Dieses Jahr werden wir die Slytherins wieder beim Quidditch platt machen.“, sagte Dean mit langsamer Ausdrucksweise. „Harry, du bist unser bester Mann!“ prostete mir Seamus zu, „Ich habe übrigens von meiner Mutter heute Morgen einen „geölten Blitz“ bekommen.“ Er holte etwas aus seiner Jackentasche, die über seinem Stuhl hing, das aussah, wie eine Mädchen Haarspange in Form eines Blitzes. „Woah“, staunte Ron, „Ich hatte mich schon gefragt, was in dem Päckchen war, das du bekommen hast.“ „Was ist das denn?“, fragte ich. Ich wunderte mich. Nach all den Jahren, in denen ich jetzt schon Teil der Zaubererwelt war, gab es immer noch Neues zu entdecken. „Das ist ganz neu. Man befestigt ihn an den Reisigzweigen am Besen. Dadurch gewinnt der Besen zusätzliche 20% an Speed.“, erklärte Ron. Er seufzte: „Ich hätte furchtbar gerne einen davon.“ „Wo bekommt man das her?“, fragte ich interessiert. In Gedanken trieb ich meinen Besen zu immer größerer Geschwindigkeit an und flog den Suchern der anderen Hausmannschaften meilenweit davon. „Irre teuer das Ding und außerdem überall ausverkauft.“, sagte Seamus. Enttäuscht lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück. „Ich habe eine Idee.“, meinte Seamus mit einem plötzlichen Grinsen im Gesicht, „Lass uns doch eine Wette abschließen. Deine wunderschöne Schneeeule gegen meinen „geölten Blitz“. Um zu gewinnen musst du nur … hm, mal überlegen … die nächste Person flach legen, die aus unserem Jahrgang zur Tür hereinkommt.“ Unter normalen Umständen hätte ich mich auf so eine Wette nie eingelassen. Hedwig hatte eine ganz besondere Bedeutung für mich. Nie wäre mir in den Sinn gekommen, sie aufs Spiel zu setzten. Im Nachhinein kann ich nicht mehr genau sagen, woran es lag. Vielleicht an dem Alkoholeinfluss. So oft kamen wir in Hogwarts nicht in Kontakt mit Alkohol und waren deshalb auch absolut nichts gewöhnt. Oder daran, dass mein Selbstbewusstsein mit jedem Jahr in der Zaubererwelt wuchs. Wann immer es um etwas ging, war ich mittendrin. Und meine Freunde und ich waren es auch, die das Ruder herumrissen und alles zum Guten wendeten. Ich erfreute mich überaus großer Beliebtheit. Insbesondere auch wenn es darum ging, sich einen Partner auszusuchen. Bei beiden Geschlechtern konnte ich mir quasi aussuchen, wer mir gefiel. Im letzten Jahr hatte ich einige Erfahrungen gesammelt und war ein wenig Spaß im Allgemeinen nicht abgeneigt. Oder vielleicht lag es auch an Beidem. Jedenfalls kam es mir das wie eine außerordentlich gute Idee vor. Das würde einfach werden, dachte ich mir. Was sollte da schief gehen. Bald würde jeder von mir nur noch eine Staubwolke am Himmel sehen. „Einverstanden!“ Wir lachten und nahmen noch einen Schluck von unserem Butterbier. Lange mussten wir nicht warten, als die Tür zu den „drei Besen“ das nächste Mal aufgestoßen wurde. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als ich sah, wer da eingetreten war. Ron verschluckte sich so heftig an seinem Butterbier, dass er Probleme hatte, es bei sich zu behalten. Seamus und Dean fingen lauthals an zu lachen. Abgesehen von Voldemort vielleicht, gab es auf dieser Welt nur eine einzige Person, die ich noch weniger leiden konnte als meinen Cousin Dudley. Und diese Person war gerade hoch erhobenen Kopfes zur Tür hereinstolziert. Ich stöhnte entnervt auf und fasste mir mit der Hand an die Stirn. Kopfschmerzen … Was hatte ich nur getan … Ron hatte noch nicht aufgehört zu husten. Sein Gesicht wurde immer blasser und er schien kaum noch Luft zu bekommen. Dean, der links neben ihm saß, klopfte ihm auf den Rücken. Das Objekt unserer Wette schritt mit seinem Gefolge an uns vorbei. „Unsere Wette bezog sich doch sicherlich nur auf Frauen, oder?“, versuchte ich schwach. Ich kannte die Antwort bereits. In der Zaubererwelt waren gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen absolut anerkannt und damit weit mehr als die Beziehung zu Muggeln. Ich wusste, immerhin teilten wir den gleichen Schlafsaal, dass Seamus und Dean selbst auch ab und an das Bett teilten. Seit Neuestem sah ich auch öfter, dass Ginny mit Hannah Abbott, einem süßen blonden Mädchen aus meinem Jahrgang in Hufflepuff, an der Hand verschwand. Es war also in der Zaubererwelt eine völlig normale Sache eine Liebesbeziehung mit einer Person des eigenen Geschlechts anzufangen und es gab absolut keinen Grund die Wette nur auf Frauen zu beschränken. Genau das konnte ich auch in dem Blick von Seamus sehen, als dieser meinem begegnete. „Dafür, dass es eine wirklich große Herausforderung wird, gebe ich dir ein Jahr Zeit dafür.“, meinte er großspurig. Ron hatte mittlerweile endlich mit dem Husten aufgehört und schüttelte nur ungläubig den Kopf. Ich blickte mich nach Draco Malfoy um, der gerade im Begriff war, sich mit Grabbe, Goyle und Pansy Parkinson an einen Tisch am Fenster des Wirtshauses zu setzen. Mein schlimmster Albtraum war wahr geworden. Und dabei hatte ich noch nicht einmal gewusst, dass ich so einen Traum hegte. Nahezu jeden aus Hogwarts hätte ich haben können. Ich wusste sogar von einigen Slytherins, dass sie mir nicht abgeneigt waren. Warum nur musste es ausgerechnet Malfoy sein. Der Eine, der seit unseres ersten Schuljahres immer wieder versucht hatte mir und meinen Freunden zu schaden. Der Eine, mit dem ich die größte Feindschaft pflegte. Der vielleicht Einzige, mal abgesehen von Snape, der mich hasste wie die Pest. Selbst wenn ich also über meinen Schatten springen könnte etwas mit Malfoy zu haben, wie sollte ich ihn dazu bringen das auch zu tun? Wieso sollte er so etwas mit mir wollen? Er war ja auch eindeutig der Letzte mit dem ich es wollen würde. Ich hatte also lediglich noch ein Jahr mit meiner geliebten Schneeeule Hedwig zusammen… *************************************************************** Als ich mit Pansy, Grabbe und Goyle in die „drei Besen“ hereinkam, kam ich nicht umhin zu bemerken, dass sich Potter und seine Freunde noch merkwürdiger verhielten als sonst. Thomas und Finnigan lachten wie irre und schlugen mit ihren Fäusten auf den Tisch. Der Wirt schaute schon ganz zornig zu ihnen hinüber. Ich zog eine Augenbraue hoch. Potter starrte mich mit großen Augen an und das Wiesel war scheinbar gerade dabei zu ersticken…. Naja, er würde nicht fehlen. Die Weasleys hatten auch so noch genug Kinder übrig. Vielleicht könnte sich dann jetzt jeder ein ganzes Stück Brot zum Frühstück leisten. Mein Mund verzog sich zu einem Grinsen. Ich wollte schon zu einem derartigen Kommentar ansetzten, als ich sah, dass die Gryffindor Jungs allesamt mit geröteten Wangen dasaßen und leicht auf ihren Stühlen hin und herschwankten. Die hatten wohl schon zu tief ins Glas geschaut. Das war nun wirklich äußerst unter meinem Niveau. Außerdem hatte ich die Befürchtung, dass mich das Wiesel in seinem Hustenanfall mit seinem Butterbier bespucken würde, wenn ich dem Tisch zu nahe kommen würde. Naja…vielleicht würde ich Potter auf dem Rückweg nach draußen einen Schups versetzen. So wie er gerade betrunken auf seinem Stuhl hin und her wackelte, hatte ich möglicherweise das Glück, dass er herunterfiel. Angeekelt und mit gerümpfter Nase schritt ich mit großem Abstand an ihrem Tisch vorbei und lies mich an einem Tisch am Fenster nieder, der am Weitesten von den idiotischen Gryffindors entfernt lag. „Dummheit muss ansteckend sein.“, ich rollte mit den Augen. Meine Freunde pflichteten mir bei. Ich wusste schon, warum ich mit Gryffindors absolut nichts zu tun haben wollte. Wieso nur gab es in Hogsmeade keine, einem Malfoy angemessene, Alternative zu den „drei Besen“ in denen Slytherins ohne Belästigungen anderer Häuser Hogwarts einen netten Abend verbringen konnten. *************************************************************** Am nächsten Morgen war der Himmel in der großen Halle an der Decke mit Wolken bedeckt. Ron und ich saßen beim Frühstück. Wir hatten beide einen Kater. Ich hatte gerade mal einen Bissen von meinem Honigbrötchen genommen. Mehr brachte ich einfach nicht herunter. Auch mein Glas Kürbissaft stand unangetastet daneben. Ich sollte mir besser ein Glas Wasser einschenken, beschloss ich. Gestern hatte ich, nachdem ich gesehen hatte, wer da zur Tür hereingekommen war, den Rest meines Bieres in einem Zug geleert. Ron hatte mich nur mitleidig angesehen, während Seamus und Dean sich vor Lachen krümmten. Später auf dem Weg zurück ins Schloss konnte keiner von uns mehr geradlinig laufen. Seamus und Dean hatten sich in den Armen gelegen und die Schulhymne gegrölt. Die Slytherins hatten uns mit unverhohlener Schadenfreude auf den Gesichtern überholten. Im Vorbeigehen hatte Malfoy mich dann angerempelt, dass ich zur Seite wegkippte und auf dem Hintern landete. Ich hatte ihn wütend angeblickt. Er aber hatte nur böse gelächelt und seine sturmgrauen Augen hatten dabei mit den Sternen über ihm um die Wette gefunkelt. Ich war geknickt. So ein Schlammassel … Hermine, die mir gegenüber saß, schaute mich besorgt an, „Ist alles in Ordnung, Harry?“ Leider war es das ganz und gar nicht. Ich wollte gerade dazu übergehen Hermine widerwillig von der Wette zu erzählen, als Draco Malfoy mit seinem Gefolge die große Halle betrat. Ich hielt inne. Er schritt auf den Slytherintisch zu. Wo lernte man so zu gehen? Ob er in den Ferien in Malfoy Manor mit einem Buch auf dem Kopf und einem Hindernisparkour seine Haltung übte? Vielleicht hatte sein Vater jemanden engagiert, der ihn trainierte? Dracos Gefolge bestand aus Grabbe, Goyle, Pansy und Blaise Zabini. Grabbe und Goyle frankierten Draco zumeist und sahen, mit ihrem groben und muskulösen Körperbau, aus als seien sie Dracos Leibgarde. Draco, Pansy und Blaise hatten fein geschnittene Gesichter. Von Pansy wusste ich, dass diese, ähnlich wie Hermine, nur in viel umfangreicherer Hinsicht, diesbezüglich mit ein paar Zaubersprüchen nachgeholfen hatte. Ihre nachtschwarzen Haare trug sie zu einer Bob Frisur. Sie war etwa so groß wie Hermine, also einen halben Kopf kleiner als ich selbst. Die Gesichter von Draco und Blaise waren demgegenüber von Natur aus so fein geschnitten. Blaise hatte kinnlanges, braunes gewelltes Haar. Er war groß gewachsen und überragte mich um einen halben Kopf. Alle Drei hatten eine aristokratische Blässe gemein. Sie hatten filigrane Hände und Finger. Ihr Haar war fein und glänzend. Sie gingen stets aufrecht, mit der Nase ein klein wenig in die Luft erhoben. Besonders Draco und Pansy sahen toll zusammen aus. Als wären sie König und Königin, die gerade eben einer alten Sage entsprungen waren. Nur Grabbe und Goyle störten mit ihrem groben Äußeren, das auf seine eigene Art harmonische Bild. Draco ließ sich am Slytherintisch auf einen Platz rechts gleiten, sodass ich ihm über den Tisch der Ravenclaws hinweg ins Gesicht schauen konnte. Grabbe und Goyle hatten sich links und rechts von Malfoy niedergelassen, während Pansy Parkinson den Platz gegenüber und Blaise Zabini den Platz schräg gegenüber einnahmen. Ich schaute mir Draco zum ersten Mal bewusst genauer an. Ich wusste, dass ich im letzten Jahr wieder um einiges gewachsen war, sodass ich ihn jetzt um einige Zentimeter überragen dürfte. Er war etwas schmaler gebaut als ich. Er wirkte mit seinem Körper und seiner ganzen Art eher elegant und filigran. Ein paar weißblonde Strähnen fielen ihm ins Gesicht, während er nach der Marmelade griff. Mit einer grazilen Handbewegung strich er sie sich mit der anderen Hand zurück. Er ist einfach schön, ging es mir durch den Kopf … Was hatte ich da gerade gedacht? Das war immerhin noch Malfoy. Ich schaute nochmal genauer hin. Aber das Bild, das sich mir bot blieb das gleiche … und ebenso mein Fazit. Malfoy war wirklich schön. Das Problem dabei war, mal abgesehen davon, dass es sich um Malfoy handelte, er wusste auch genau, dass er gut aussah. Seine Ausstrahlung bestand fast nur aus Arroganz und Überheblichkeit. Wenn es allein ums Äußere gegangen wäre, hätte ich wohl rein gar nichts dagegen gehabt, die Wette in die Tat umzusetzen, überlegte ich jetzt. Aber da gab es ja noch Dracos Charakter … und der war leider alles andere als schön. Trotzdem wollte ich Hedwig natürlich gerne behalten. Ich hing sehr an ihr. Ich konnte doch nicht einfach tatenlos zusehen, wie mir meine geliebte Schneeeule weggenommen wurde. Ich musste es zumindest versuchen. Plötzlich begegnete Draco meinem Blick. Seine grauen Augen blickten mich verwirrt an. Scheinbar wusste er die Situation nicht einzuordnen. Harry Potter starrte ihn schließlich nicht jeden Tag während des Essens an. Meistens suchte er meine Aufmerksamkeit, überlegte ich. Aufmerksamkeit im negativen Sinne zwar. Er hatte mich zu seinem persönlichen Hassobjekt Nummer 1 auserkoren. Draco kniff skeptisch die Augen zusammen und eine seiner Augenbrauen glitt in die Höhe. Seine Lippen formten sich zu einem schmalen Strich zusammen, aber er löste den Blickkontakt nicht. Ich zögerte … Für dich Hedwig …, dachte ich, während ich den Klos in meinem Hals herunterschluckte. Ich versuchte mein charmantestes Lächeln aufzusetzen. Währenddessen stellte ich mir vor, dass es nicht Draco Malfoy war, dem ich dieses Lächeln schenkte, sondern ein hübsches Mädchen. Hermine drehte sich aufgrund meines Lächelns auf dem Stuhl herum, um zu sehen, wen ich damit bedachte. Ich konnte erkennen, dass Draco angesichts meines Lächelns auf seinem Stuhl erschrocken zurückwich. Kurz schien er wie erstarrt. Dann funkelte er mich wütend an. Er drehte seinen Kopf zur Seite, sodass unser Blickkontakt abbrach, erhob sich und verließ schnellen Schrittes die große Halle. Mein Lächeln schwand. So ein Reinfall, dachte ich. Natürlich, ich war wie ein rotes Tuch für Malfoy. Wie sollte ich ihn da bloß rumkriegen. Das war doch unmöglich. Hermine drehte sich mit großen Augen zu mir zurück, „Was ist hier eigentlich los?“. Ich lies meinen Kopf erschöpft auf meine Arme sinken. Ron hatte von alledem nichts mitbekommen, er war zu sehr mit seinem Kater und dem angebissenen Brötchen vor sich beschäftigt. Seine Gesichtsfarbe hatte von blass zu einem leichten grün gewechselt. Ich erzählte Hermine schließlich zerknirscht von der Wette. „Das ist nicht dein Ernst!“, sagte sie entrüstet, „Wie könnt ihr nur so eine Wette abschließen! Und dann noch Hedwig als Wetteinsatz! Wie konntest du nur.“ Ich wusste es selbst. Das hatte ich jetzt von meiner Überheblichkeit. Aber wie kam es auch, dass ich auf einmal so ein Pech hatte. Wenn nicht gerade Malfoy durch die Tür stolziert wäre, wäre jetzt alles immer noch gut. Ich kriegte doch immer die Kurve, egal was mir auch passierte. Wie also hatte es bloß dazu kommen können … Und wie kam ich da nur mit Hedwig an meiner Seite wieder raus. Als Rons Gesichtsfarbe immer grüner wurde, schnappten Hermine und ich ihn uns. Wir beeilten uns mit ihm den Gryffindorgemeinschaftsraum zu erreichen. *************************************************************** Ein merkwürdiges Gefühl überkam mich, als ich Sonntag morgens die große Halle betrat. Ich wusste nicht woher es kam, aber es war mir unangenehm und so versuchte ich es abzuschütteln. Ich begab mich mit meinen Freunden zum Slytherintisch. Pansy hatte sich mir gegenüber niedergelassen und schwärmte von einem Slytherin aus der 7., den sie gestern in Hogsmeade aufgerissen hatte. Pansy war im Laufe des letzten Jahres zu meiner engsten Vertrauten und Freundin geworden. Ihre Männergeschichten interessierten mich demgegenüber nicht im Geringsten. Sie war immer ach so schnell von Jemandem begeistert. Diese Begeisterung hielt aber nicht lange an. Und so hatte sie alle paar Wochen wieder einen Neuen am Start. Als ich nach der Marmelade griff, um mein Brötchen damit zu beschmieren, fielen mir einige Haarsträhnen ins Gesicht, die ich zurückstrich. Irgendwie nahm dieses merkwürdige Gefühl einfach nicht ab. Ich fühlte mich beobachtet. Klar folgten mir oft die Blicke anderer Schüler. Ich war mir meiner Wirkung auf Andere durchaus bewusst. Aber diesmal war etwas aus irgendeinem Grund anders. Ich hob meinen Blick und begegnete dem Blick von Harry Potter, der mich offensichtlich musterte. Ron Weasley saß links neben ihm, während Hermine Granger ihm gegenüber saß. Ron war, ebenso wie Blaise Zabini groß gewachsen. Er hatte feuerrote Haare, strahlend blaue Augen, Sommersprossen und eine etwas breitere Nase. Durch das Quidditch Training war sein Kreuz breiter geworden und er wirkte nicht mehr so schlaksig wie in der Zeit, in der ich ihn kennengelernt hatte. Hermine war etwa so groß wie Pansy. Sie hatte kluge braune Augen und eindrucksvolle, lange, braune Locken. Und Harry Potter selbst war im letzten Jahr wieder gewachsen. Er war jetzt ein paar Zentimeter größer als ich. Durch den häufigen Aufenthalt an der frischen Luft während des Quidditch Trainings, war seine Haut gebräunt. Seine schwarzen Haare waren immer durcheinander, als wäre er gerade erst aufgestanden, was seinem Auftreten etwas verwegenes verlieh. Seine hellgrünen Augen leuchteten stets vor Lebensfreude und ein gewinnendes Lächeln umspielte die meiste Zeit seine Lippen. Zumindest solange nicht ich es war, mit dem er eine Unterhaltung führte. Ich war irritiert. Weshalb starrte Potter mich gerade so penetrant an? … Während ich fieberhaft überlegte, was für einen Grund das merkwürdige Verhalten von Potter seit dem gestrigen Abend haben könnte, fixierte ich Potter meinerseits. Als er merkte, dass ich seinen Blick erwiderte, lächelte er mich plötzlich an. Bei Merlins Barte, was sollte das … war Potter jetzt endgültig verrückt geworden? Hatte er einen Fluch zu viel abbekommen? Ich wich erschrocken zurück. Dann überkam mich auf einmal die blanke Wut. Ich hatte dieses Lächeln schon des Öfteren bei Potter gesehen. Meist, wenn er sich mit einem Mädchen unterhielt. Ich funkelte ihn an. Das würde noch ein Nachspiel haben, Potter... Keiner machte sich über einen Malfoy lustig. Keiner! Auch kein Junge, der was weiß ich wie viele Angriffe von du weißt schon wem überlebt hatte. Mal sehen, wie er damit zurechtkam, wenn ein Malfoy richtig sauer wurde. Das würde er noch bereuen … Mir war der Appetit deutlich vergangen. Ohne ein Wort zu sagen, erhob ich mich von meinem Platz und verließ schnellen Schrittes und hoch erhobenen Hauptes die große Halle. Obwohl ich seinen Blick in meinem Nacken spürte, blickte ich kein einziges Mal zurück. Als die Tür zur großen Halle hinter mir zufiel, verlangsamte ich meine Schritte. Ich atmete auf. An einer Treppe, die in den Kerker führte, lehnte ich mich an das Geländer. Ich griff mir an die Brust. Mein Herz schlug heftig dagegen. Ich sollte mich beruhigen … Er konnte es doch nicht bemerkt haben? Ich benahm mich doch wie immer… Niemand durfte jemals davon erfahren … Kapitel 2: Die Malfoy Mission ----------------------------- In den nächsten Tagen versuchte ich Seamus davon zu überzeugen, die Wette rückgängig zu machen oder wenigstens den Wetteinsatz zu ändern. Leider bestand er weiterhin auf unserer Abmachung. Währenddessen schien Malfoy es sich zu seiner persönlichen Lebensaufgabe gemacht zu haben, mir das Leben zur Hölle zu machen. Wenn er mir begegnete, drückte er mir einen beleidigenden Spruch nach dem Anderen, versuchte mich ins Lächerliche zu ziehen und stellte mir Fallen. In Zaubertränke fiel ihm das ganz besonders leicht. Es war als hätte sich eine böse Allianz aus Malfoy und Snape gegen mich verschworen. Andauernd verlor ich Punkte für Gryffindor... weit mehr noch als sonst in Zaubertränke. Snape konnte mich noch nie leiden. Meine Hauskameraden schauten mich bereits missmutig an. Lavender Brown hatte mich gefragt, wieso ich gerade Snape so dermaßen gegen mich aufbrachte. Gryffindor wolle doch gerne wieder den Hauspokal gewinnen. Wieso erkannte niemand außer meinen Freunden, dass Malfoy dahintersteckte. Und ich verstand nicht, was ich getan hatte, dass er noch unausstehlicher geworden war. Ich hatte ihn doch bloß angelächelt. Irgendwie hatte ich doch einen Anlauf starten müssen, ihm etwas näherzukommen. Während des heutigen Zaubertrankunterrichts stand Malfoy von seinem Platz in der ersten Reihe auf und murmelte, er brauche noch Wermut für seinen Trank. Um an das hintere Regal zu gelangen, kam er auch an meinem Platz vorbei. Sein Umhang umwehte geschmeidig seinen Körper. Jeder Schritt und jede Handbewegung war mit Bedacht gewählt. Als er an meinem Platz vorbeikam, wischte er mit dem Handgelenk in einer, wie zufällig wirkenden, Bewegung nach rechts die Phiole meines fertig gebrauten Trankes von meinem Tisch. Die Phiole zerbrach zischend und ergoss sich auf dem Steinboden. Geschockt schaute ich auf den Boden. Das war die Arbeit von zwei vollen Stunden Zaubertränke gewesen. Das hieß ich musste heute und die nächste Stunde länger bleiben und noch mehr Zeit mit Snape verbringen. „Ach herrje. Potter, wie ungeschickt von dir.“, sagte Malfoy in einer Säuselstimme. „Beinahe hättest du mich sogar noch damit getroffen. Du solltest wirklich sorgfältiger mit Schuleigentum umgehen und mehr Acht auf deine Mitschüler geben.“ Ja, das sollte ich wohl… Wütend blickte ich ihn an. Alle Schüler beobachteten uns. Snape kam den Gang nach hinten stolziert und betrachtete die, am Boden zerbrochene, Phiole und den ausgelaufenen Trank. „Da muss ich Mister Malfoy Recht geben.“, meinte er mit schneidender Stimme. „Wischen Sie das auf. Sie werden den Trank im Anschluss an die Stunde erneut brauen.“ Er lief wieder nach vorne. „Fünf Punkte Abzug für Gryffindor.“ Malfoy grinste und begab sich nach Hinten um sich das Wermut zu holen. Am Liebsten wäre ich aufgestanden, zu seinem Platz nach vorne gegangen und hätte seine Phiole ebenfalls auf den Boden fallen lassen. Innerlich kochte ich vor Wut. Ron links neben mir hielt mich am Arm: „Du willst doch nicht noch mehr Punkte verlieren.“ Ron und ich versuchten uns dieses Schuljahr möglichst unauffällig in Zaubertränke zu verhalten. Aber das war nicht so einfach, wenn Malfoy mich am dauernd schickanierte und in Schwierigkeiten brachte. Hermine saß eine Reihe vor mir und hinter dem Platz von Malfoy. Mitleidig blickte sie mich an. Zwei Tage vergingen, in denen ich ein Stoßgebet zum Himmel schickte, Malfoy nicht zu begegnen und wir überaus glücklicherweise keinen Unterricht mit den Slytherins hatten. Donnerstags hatten wir dann allerdings wieder Kräuterkunde bei Professor Sprout zusammen. Mürrisch machte ich mich mit Ron und Hermine auf den Weg zu den Gewächshäusern hinter dem Schloss. Dort angekommen waren die Slytherins schon da. Aber ich atmete auf, als Malfoy mich ignorierte. Das war momentan die deutlich bessere Variante zu der, von ihm beachtet zu werden. Wegen Hedwig musste ich mir später etwas einfallen lassen … immerhin hatte ich ein Jahr Zeit dazu. „Bevor wir das Gewächshaus betreten, nimmt sich jeder ein paar der Handschuhe, die ich dort hingelegt habe.“, rief Professor Sprout. „Diese Handschuhe sind aus einem besonderen Material gefertigt, das Giftstoffe abhält. Wir behandeln heute eine ganz besondere Pflanze. Sie heißt Tentarosera. Wer kann mir etwas dazu sagen?“, frage die kleine Hexe. Hermines Hand schnellte in die Höhe. „Ja.“, forderte Professor Sprout Hermine auf, zu antworten. „Hierbei handelt es sich um eine Rankenpflanze.“, fing Hermine in belehrendem Tonfall an zu erläutern, „An ihr befinden sich giftige Dornen, die einen bei Hautkontakt in einen hundertjährigen Schlaf fallen lassen. Deshalb wird sie von Muggelstämmigen auch gerne Dornröschenranke genannt… bei sorgfältigem Umgang und richtiger Bepflanzung soll sie aber in den Wintermonaten ungefährlich sein und die Stacheln sollen zu wunderschönen, rosenartigen Blüten werden.“ Da sie das Atmen während ihres Monologs vernachlässigt hatte, musste Hermine erst einmal tief Luft holen. „Sehr richtig. Zwei Punkte für Gryffindor.“, sagte Professor Sprout. „Sie sehen, dass es sich hierbei um eine sehr gefährliche Pflanze handelt. Wir werden die Tentarosera heute umtopfen, solange sie noch so winzig sind, in Behältnisse, in denen sie dann bleiben können. Aufgrund ihrer momentanen Größe ist die Gefahr gering, sich an den Dornen zu verletzen. Die Handschuhe gehen den Arm hoch genug, als dass jeder Hautkontakt vermieden werden sollte. Wie Miss Granger schon sagte, werden wir uns für den Winter die schönsten Rosen züchten, die Sie sich vorstellen können.“ „Nichtsdestotrotz ist angesichts der Gefährlichkeit der Pflanze weiter Vorsicht geboten.“, dabei sah sie insbesondere Neville an. Hermine, Ron und ich nahmen uns jeweils ein paar Handschuhe und betraten hinter Pansy Parkinsson das Gewächshaus. Für Jeden stand ein kleiner Blumentopf mit einer kleinen Pflanze darin, bereit. Die Pflanze rankte nach oben und war Indigo blau, während die Dornen in einem hellen Kiwi hervorstachen. Um uns herum waren in größeren Behältnissen Beete angelegt, in denen wir die Tentarosera einpflanzen sollten. Hermine griff beherzt zu. Man konnte die Tentarosera in einem Rutsch auf die Hände laden, so klein waren sie noch. Die tentakelartigen Ranken streckten sich aus und suchten an Hermines Händen und Handgelenken nach einem unbedeckten Flecken Haut, in den sie einstechen konnten. Ich holte meine Pflanze ebenfalls aus dem Blumentopf heraus und lud sie mir auf die Hände. Professor Sprout hatte sich zu Neville begeben, um diesem beim Umtopfen über die Schulter zu schauen. Mit ihm war es dieses Schuljahr bereits wieder mehrmals zu Unfällen gekommen. Sie stand mit dem Rücken zu mir und den Anderen. Ich hatte das Gefühl, dass sich ein Blick in meinen Rücken bohrte. Als ich mich umdrehte, erkannte ich Malfoy, der ein paar Schritte von mir entfernt stand. Direkt schwante mir übles. „Engorgio“, murmelte Malfoy und zeigte mit seinem Zauberstab auf meine Pflanze. Erschrocken lies ich die Pflanze fallen, die anfing immer größer zu werden. Ich wich zurück und stieß dabei gegen Ron, der mit großen Augen auf meine Pflanze starrte, die immer noch größer wurde. Ihre Ranken wuchsen immer weiter in die Höhe und schossen plötzlich, als hätten sie Augen und wüssten genau wohin sie mussten, auf mein Gesicht zu. Manche Schüler waren wie erstarrt, andere schrien in Panik auf. „Reducio!“, rief Professor Sprout. Augenblicklich stoppte die Pflanze und wurde wieder kleiner, bis sie in ihrer ursprünglichen Größe auf dem Boden ihre Ranken nach allen Seiten ausstreckte. „Wer war das?“, fragte Professor Sprout zornig. Pansy lächelte böse. Von den Gryffindors hatte außer mir keiner mitbekommen, dass Malfoy den Zauberspruch gemurmelt hatte. Seine Augen blitzten vor Vergnügen. Meine Hände zitterten vor Zorn. Wenn ich nicht direkt gemerkt hätte, dass Malfoy hexte, wäre ich sicherlich gestochen worden. Es fiel mir ungeheuer schwer den Mund zu halten. Ich biss mir auf die Lippen. Verpetzen konnte ich ihn nicht, wenn ich die Wette noch gewinnen wollte. Und das wollte ich… Als sich keiner meldete beendete Professor Sprout den Unterricht vorzeitig und lief mit hochrotem Gesicht voraus zum Schloss. Beim Mittagessen erzählte ich meinen Freunden, dass es Malfoy gewesen war. „Ich hatte es befürchtet“, sagte Hermine. „Er wird immer unangenehmer… So schlimm war er seit dem 3. Schuljahr nicht mehr.“ „Vielleicht solltest du ihm mal wieder eine verpassen.“, schlug Ron Hermine vor. Hermine und ich lachten. „Könnte er von der Wette wissen? Sowas macht ja eigentlich immer schnell die Runde.“, fragte Hermine. Ich schüttelte den Kopf, „Wenn die Slytherins davon wüssten, hätten wir das mitbekommen.“ Ich war davon überzeugt, dass die Wette in Slytherin nicht bekannt war. Auch sonst war ich noch von niemandem auf die Wette angesprochen worden. Seamus und Dean hielten wohl dicht. Und ich wusste nicht, wie es kam, dass ich scheinbar jeden Tag ein Stückchen mehr in Draco Malfoys Hass wuchs. *************************************************************** Meine heftige Reaktion auf das Lächeln Potters während des Frühstücks überraschte mich selbst. Natürlich war ich keins von Harry Potters kleinen Fangirls, die ihn anschmachteten, wann immer er ihnen auch nur einen Blick oder ein Lächeln zuwarf. Wieso also hatte er mich dann wie eines davon angelächelt? Und wieso verstimmte mich das so? Seitdem triezte ich ihn, wann immer sich mir die Gelegenheit bot. Und langsam fand ich Gefallen an dieser neuen Situation. Ja, ein paar meiner Streiche waren eventuell auch etwas kindischer. Aber Harry Potter ärgerte sich … und wie er sich ärgerte. Und Gryffindor verlor haufenweise Punkte. Das kam auch noch hinzu. Ich grinste. Mich wunderte nur, dass er sich momentan so gar nicht wehrte. Potter und das Wiesel waren doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Sie bekamen einen hochroten Kopf, zitterten vor Wut, aber es kam kein Ton über ihre Lippen. Es störte mich nicht im Geringsten auf einmal eine solche Macht über Harry Potter zu haben. Was mich aber störte war, dass ich nicht wusste worin diese Macht bestand. Wenn ich es doch nur wüsste… dann könnte ich sie noch viel besser gegen ihn einsetzen. Heute in Kräuterkunde hatte ich eigentlich vor, Potter in Ruhe zu lassen. Ich musste nämlich zu meinem Entsetzen feststellen, dass mir meine Streiche zwar Genugtuung verschafften, aber auch einen großen Nachteil mit sich brachten. Ich beschäftigte mich mittlerweile nur noch mit zwei Dingen. Den Schularbeiten bzw. dem Lernen für die Prüfungen auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit Harry Potter. Meine Gedanken kreisten fast ausschließlich um ihn… und das war etwas, was ich unbedingt vermeiden wollte. Ich wollte ihm eigentlich keinen einzigen Gedanken mehr widmen als es unbedingt nötig war. Als Professor Sprout dann erzählte, wie gefährlich die Tentarosera waren, juckte es mich aber bereits in den Fingern. Ich betrat vor Pansy das Gewächshaus und betrachtete meine Pflanze genau. Was für ein schönes Blau, dachte ich … und was für spitze Dornen … Meine Mundwinkel hoben sich. Wie einfach es doch wäre Potter damit zu vergiften. Wenn er erst einmal hundert Jahre schlief, konnte er mich so schnell nichtmehr mit einem seiner Fangirls verwechseln. … der Junge, der auf ewig schlief … das hatte doch was. Ich beobachtete Potter, während er seine Pflanze vorsichtig in die Hände nahm. „Was hast du vor, Draco? Ich kenne diesen Blick.“, fragte Pansy neugierig. „Das wirst du gleich sehen…“, ich löste meinen Blick keine Sekunde von der Gestalt Harry Potters. Als hätte er gemerkt, dass ich ihn anschaute, drehte er sich in meine Richtung. In diesem Moment murmelte ich „Engorgio“ und richtete meinen Zauberstab auf Potters Tentarosera. Augenblicklich wurde diese immer größer. Erschrocken darüber, lies Potter die Pflanze fallen. Aber es war bereits zu spät. Sie wuchs immer weiter und ihre Ranken schossen in die Höhe und tasteten nach Potters Gesicht. In wenigen Sekunden würde ich von uns Beiden der Letzte sein, der lachte. … Zu meinem Bedauern musste ich aber feststellen, dass Professor Sprout doch noch rechtzeitig den Gegenzauber sprach. Wie konnte Potter nur immer wieder so ein unverschämtes Glück haben. Keiner kam so oft mit einem blauen Auge davon wie er. Professor Sprout fragte dann nach dem Schuldigen, aber keiner antwortete ihr. Pansy hatte es gesehen, würde mir aber niemals in den Rücken fallen. Und Potter hatte es gesehen. Aber er behielt es, wie so oft in letzter Zeit, für sich. Ich sah, wie er mich fassungslos anstarrte und sich dann auf die Lippen biss. Ich selbst genoss meine neue Macht über den Jungen, der von Glück sagen konnte, dass er jetzt nicht hundert Jahre schlief. *************************************************************** Es war Sonntag Abend der gleichen Woche. Ich saß mit meinen Freunden beim Abendessen. Ron und ich frohlockten, als das Essen in der großen Halle erschien. Es gab Spaghetti mit einer Kürbis-Ingwer Soße. Das gehörte momentan zu meinen absoluten Lieblingsgerichten. Ich schob mir genüsslich die erste Gabel in den Mund, während Hermine uns ungefragt die Hausaufgaben für Verteidigung gegen die dunklen Künste erklärte. Verteidigung gegen die dunklen Künste fand dieses Jahr wieder bei Professor Remus Lupin statt. Dumbledore hatte sich für ihn eingesetzt, sodass er zurückgekehrt war. Aber angesichts der Umstände tat er uns auch etwas leid. Er stand praktisch unter ständiger Beobachtung durch Snape, der wohl wieder die Aufgabe hatte, den Werwolf in ihm im Zaun zu halten. Mal abgesehen von Malfoy, gab es kaum jemanden, den Snape augenscheinlich mochte. Aber dass er jemanden so wenig leiden konnte wie mich, war eher selten. Lupin aber gehörte auch zu diesem auserkorenen Kreis. Dementsprechend hatte ich Mitleid mit ihm. Die Kürbis-Ingwer Soße war köstlich. Ich wollte gerade anfangen zu kauen, als ich zufällig zum Slytherintisch schaute. Malfoy schaute mich an. Und er grinste schon wieder böse. Mir schwante übles. Ich stieß Ron in der Befürchtung, vielleicht gleich Hilfe brauchen zu können, in die Seite. Er murrte unwillig und schaute mich fragend an. Während ich in Richtung Slytherintisch deutete, fingen Malfoys Lippen an, sich zu bewegen. Er hob den rechten Arm und deutete diese Woche zum wiederholten Mal mit dem Zauberstab auf mich. Nichts passierte. Ich atmete auf. Hermine deutete auf einmal mit aufgerissenen Augen auf meinen Teller. Ihrem Blick folgend starrte ich auf die Kürbis-Ingwer Soße und das, was Spaghetti hätten sein sollen. Stattdessen wanden sich dort jetzt bräunliche Flubberwürmer in meiner Soße. Ron und ich wichen angesichts der Würmer überrascht zurück. Malfoy machte seine Freunde am Slytherintisch auf meine Situation aufmerksam. Die Slytherins lachten. Allen voran Draco Malfoy. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass sich auch in meinem Mund etwas bewegte. Ich hatte ja bereits eine Gabel des Essens genommen. Angewidert spie ich die Tiere auf den Teller vor mir „Bäh, igitt!“. Hermine reichte mir ein Glas Wasser. Ich beeilte mich zu trinken, um den Geschmack des Schleims loszuwerden. „So eine Sauerei!“, schimpfte Ron. Hermine schüttelte nur den Kopf. Die anderen Gryffindors sahen verwundert zu uns herüber. Wut und Ekel machten sich in mir breit. Wenn Malfoy gerade neben mir gestanden hätte, wäre das schlecht für ihn ausgegangen. Am Liebsten hätte ich ihn geschlagen. Ich suchte mit meinen vor Wut funkelnden Augen meinen Peiniger am Slytherintisch. Augenblicklich hielt ich inne. Ich sah, dass Draco Malfoy immer noch lachte. Er krümmte sich vor Lachen über den Tisch. Tränen sammelten sich bereits in seinen Augen. Aber es war nicht das, für ihn typische, gehässige und herablassende Lachen. Ich sah ihn in diesem Moment vielleicht das erste Mal aus vollem Herzen ausgiebig über etwas lachen, was er wirklich lustig fand. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Malfoy auch einfach ehrlich lachen konnte. Und zu meinem Erstaunen sah dieses Lachen wunderschön aus. Ich hätte nie gedacht, dass ein echtes Lachen in dieses Gesicht passen konnte. Aber das tat es. Um ganz ehrlich zu sein, es war das schönste Lachen, das ich je gesehen hatte. Eigentlich sollte ich wütend auf ihn sein, dachte ich. Aber ich konnte ihn nur fasziniert anschauen. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. *************************************************************** Heute hatte ich mir für Potter etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Ich wusste aus sicherer Quelle, dass es zum Abendessen Spaghetti geben würde. Es gab da ein langweiliges, ekliges Tier. Ganz passend zu Potter. Und diese Tiere sahen Spaghetti nicht unähnlich… Ich saß beim Abendessen mit meinen Freunden am Slytherintisch. Pansy schwärmte immer noch über den Slytherin vom Hogsmeade Wochenende. Kurioserweise hatte er sich wohl seitdem nicht mehr gemeldet. Und das machte ihn wohl in Pansys Augen interessant. Bisher hatte es keinen gegeben, der Pansy derart fallen gelassen hatte. Pansy war sehr hübsch. In Hogwarts gab es kaum einen Jungen, der sie abweisen würde. Mittlerweile war ich deshalb recht neugierig geworden, von wem sie sprach. Aber Pansy verriet seinen Namen nicht. Sie meinte, das würde ihr kleines, süßes Geheimnis bleiben. Das sollte sie ruhig noch ein wenig glauben. Ich war mir sicher, dass ich es bald herausbekommen würde. Ewig konnte sie es sicher nicht für sich behalten. Obwohl ich anerkennen musste, dass sie sich gerade alle Mühe gab. Die Spaghetti erschienen auf den Tischen und meine Augen fingen voller Vorfreude an zu leuchten. Ich schaute zu den Griffindors hinüber. Potter und das Wiesel schienen sich wirklich über dieses Essen zu freuen. Umso interessanter würde es jetzt gleich werden. Er bemerkte meinen Blick. Ich freute mich, dass Potter seit Neuestem direkt unsicher wurde, sobald ich ihm meine Aufmerksamkeit schenkte. Zu recht! Ich würde dafür sorgen, dass ihm das heutige Essen in Erinnerung blieb. Oh nein, Potter. Das Wiesel wird dir da auch nicht helfen können, dachte ich. Ich richtete meine Zauberstab auf sein Essen und murmelte den Zauberspruch. Erst bemerkte Potter die Verwandlung gar nicht. Zu meinem Vergnügen wichen Potter und das Wiesel dann aber schlagartig vor dem Teller mit den Flubberwürmern zurück. Und dann hatte Potter sogar bereits eine Gabel davon im Mund! Ohne aufhören zu können, lachte und lachte ich. Tränen sammelten sich bereits in meinen Augenwinkeln. Das Bild welches sich mir bot war einfach unbezahlbar. So herzhaft hatte ich lange nicht gelacht. Potter war also irgendwie doch zu irgendetwas gut. Ich schaute ihn an, um mich auch noch über seine Wut zu amüsieren … aber da war nichts. Keine Wut, kein Hass, nichts davon. Nicht einmal mehr Ekel. Trotzdem schaute er mich unentwegt an. Und da war etwas in seinem Blick. Ich hätte nicht sagen können, was es war, aber es machte mich unruhig. Ich blinzelte. Das hatte ich mir eindeutig anders vorgestellt. Bereits am nächsten Tag hatte ich meine nächste Chance Potter eine reinzuwürgen. Ich sah ihn und seine Freunde eine Treppe aus dem zweiten Stock herunterlaufen. Eine Stufe in der Mitte der Treppe verschwand manchmal. Deshalb musste man sie überspringen. Um nicht bemerkt zu werden, stellte ich mich in den Schatten einer Statue am Fuß der Treppe. Potter unterhielt sich, wie immer, angeregt mit dem Schlammblut und dem Wiesel. Als ob die Beiden Interessantes zu erzählen hätten. Die Weasleys hatten zu wenig Geld um sich etwas leisten zu können und das Schlammblut kam ja nicht einmal aus einer Zaubererfamilie. Ich hätte mich zu Tode gelangweilt. Das Wiesel und das Schlammblut liefen zwei Schritte vor Potter. Potter schien sich suchend nach allen Seiten umzublicken. Ob er mich bemerkt hatte? Potter kam an der Stufe an, die manchmal, wie auch gerade jetzt, verschwand. Als er sie gerade überspringen wollte, sagte ich „Evanesco.“ Ich deutete mit meinem Zauberstab auf die darauffolgende Treppenstufe. Diese verschwand ebenfalls. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, als Potter das Fehlen der nächsten Stufe bemerkte. Er ruderte wie wild mit den Armen und kämpfte um sein Gleichgewicht. Lächerlich sah er aus in seinem irrwitzigen Tanz. Seine Augen weiteten sich, als er bemerkte, dass er sein Gleichgewicht nicht länger halten konnte und vornüber die Treppe fünf Meter nach unten fiel. Dabei riss er das Schlammblut und das Wiesel mit sich. Während sich die anderen Beiden abfangen konnten, flog Potter immer weiter nach unten. Komisch, so hoch hatte ich diese Treppe gar nicht in Erinnerung … mir wurde etwas mulmig zumute. Er versuchte sich schließlich am Fuß der Treppe abzurollen, aber es gelang ihm nur halbwegs. Seine Arme hatte er schützend über seinen Kopf erhoben, als er schließlich mit dem rechten Unterarm gegen den Sockel einer Statue stieß und zum Liegen kam. Er stöhnte vor Schmerz auf. „Harry, ist dir was passiert?“, fragte Granger. Sie und das Wiesel stürzten auf Potter zu. Als sie seinen Arm sah, seufzte sie. „Der dürfte gebrochen sein.“ „Wieso bist du gefallen?“, fragte Weasley. Er half Potter aufzustehen. Dieser hielt sich den Arm, hatte das Gesicht schmerzhaft verzogen und biss die Zähne zusammen. „Du warst das!“, hörte ich plötzlich Granger rufen. Sie hatte mich entdeckt. Ich kam aus meinem Versteck hervor und versuchte sie anzugrinsen. Dabei wurde ich allerdings das Gefühl nicht los, dass mir das nicht so recht gelang. „Was denkst du dir eigentlich.“ sagte sie. „Harry hätte sich das Knick brechen können! Das ist kein Spaß mehr.“ Das Wiesel stützte Potter. Er sah aus, als ob allein Potter, der sich auf ihn stützte, davon abhalten würden auf mich loszugehen. Granger funkelte mich wütend an. Potter schaute mich aus, vor Schmerzen verschleierten Augen, hinweg an und klammerte sich mit seinem gesunden Arm an Weasley. Er sah fassungslos aus. Wieso nur regten sich alle jetzt so auf. Das war doch nicht meine erste Aktion in dieser Richtung. Obwohl ich zugeben musste, natürlich nur vor mir selbst, dass die Treppe wirklich viel höher und steiler war, als in meiner Erinnerung. Vermutlich konnte Potter froh sein, dass es nur seinen Arm erwischt hatte. Er hätte sich wirklich ernsthaft verletzen können. Mit einem verächtlichen Schauben wendete ich mich ab und lies die Drei stehen. Warum sollte es mir etwas ausmachen, wenn Potter sich verletzte. Je schlimmer die Verletzungen desto besser. Verdient hatte er das. Ein schaler Nachgeschmack blieb. War ich zu weit gegangen? Wollte ich wirklich, dass Potter sich so schwer verletzte, dass er außer Gefecht war oder gar sterben würde? Dass Potter Schaden nahm, klar. Dass Potter Punkte für Gryffindor verlor, klar. Dass Potter der Schule verwiesen wurde, klar. Aber dass er sich schwer verletzte? … Nein. Wissen durfte das niemand. Insgeheim legte ich meine Hoffnungen auf Potter. Ich wollte weiterhin ein normales Leben führen können. Ich wollte, dass er die Zaubererwelt beschützte. Meine Sorge galt vor allem meinen Eltern. Und auch ich wollte kein Todesser werden müssen. Ich wollte, dass er mich schützte. Nur, warum sollte er? Von allen, mal abgesehen von Voldemort vielleicht, war ich Derjenige, den er am wenigsten leiden konnte. Also blieb mir nur zu hoffen, dass er alle retten würde. Und in seiner großen Güte … bei dem Gedanken wurde mir leicht schlecht … auch meine Eltern und mich schützen würde. *************************************************************** Ungläubig schaute ich zu dem weißblonden Jungen, der hinter einer Statue erschien. Ich konnte vor Schmerzen kaum einen klaren Gedanken fassen. Meine Verletzung trieb mir die Tränen in die Augen. Aber ich wollte mir vor ihm jetzt nicht noch mehr die Blöße geben. Keine Träne würde meine Augen verlassen. Dieses Biest. Er schreckte wohl vor gar nichts zurück. Wenn das so weiter ging, würde Malfoy Voldemort seine Arbeit abnehmen. Und dazu musste Voldemort ihn nicht mal bringen. Malfoy machte das freiwillig. Und besser als so mancher Knecht Voldemorts in den vergangenen Jahren. Die Wette konnte ich vergessen. Wahrscheinich konnte ich froh sein, wenn ich dieses Schuljahr mit Malfoy als Schulkameraden überlebte. Ich blickte ihn aus einem Schleier aus Schmerzen heraus an. Meine Sinne waren vernebelt und ich halluzinierte. Anders konnte ich mir nicht erklären, dass Malfoy noch blasser wirkte als sonst und mich … besorgt ansah. Ich sollte besser schnell auf die Krankenstation. Mein Kopf hatte wohl mehr abbekommen, als ich zuerst angenommen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)