Der Ritt in die Berge von Onlyknow3 (Winnetou) ================================================================================ Kapitel 3: Winnetous Traum -------------------------- Winnetous Traum Scharlih war getroffen worden! Sofort sprang ich hinab, riss seinen Stutzen hoch und schoss auf alles, was sich im Eingang sehen ließ. Jetzt da die Unseren immer mehr wurden, konnte ich mich um Scharlih kümmern. Ich schnitt seinen Jagdrock auf und sah mir die Wunde an. Nein, sie war nicht tief, und so versuchte ich, die Kugel zu entfernen und es gelang mir auch. Bald hatte ich die Blutung gestoppt. Niemand sprach ein Wort. Inzwischen war der Tag angebrochen, und die Krieger hatten eine Trage hergestellt, mit der wir nun Scharlih von hier wegbrachten, denn es war nicht sicher, ob nicht noch mehr Sioux hierher kamen. Die Befreiten hatten sich unter den Pferden der Sioux die Ihren wieder herausgesucht, und dann brachen wir auf. Erst zu unserem Lagerplatz, und von dort ging es weiter ins Dorf von Roter Büffel, das am nächsten lag und wo wir sicherer waren als hier draußen in der Wildnis. Außerdem konnten wir Scharlih dort leichter versorgen, mit frischen Verbänden, Tees und anderen Kräutern, die dort vorrätig waren. Das war jetzt drei Tage her, und ich wich nicht einen Moment von seiner Seite. Auch heute saß ich schon seit Stunden neben Scharlih. Gerade betrat der Rote Büffel das Zelt, das man uns gegeben hatte. „Winnetou mag die Störung verzeihen! Der weiße Mann, der sich als der Bruder von Old Shatterhand ausgibt, möchte mit dem Häuptling sprechen.“ „Mein weißer Bruder mag eintreten. Er hat das Recht, seinen Bruder zu sehen, auch wenn dieser immer noch bewusstlos ist!“ Dann trat der Mann, der meinem Scharlih doch so ähnlich sah, ein, ich hatte mich erhoben und reichte dem Mann die Hand. „Winnetou weiß, dass mein weißer Bruder der Bruder von Old Shatterhand ist. Als Old Shatterhand die Nachricht von mir erhielt, was geschehen ist, hat ihn nichts mehr aufgehalten und er ist geeilt, euch, seine Familie, zu befreien. Er wusste, dass es sein Tod sein könnte, aber Winnetou hofft, das er ihn euch erhalten kann!“ „Winnetou mag sich keine Sorgen machen, wir wissen, wie sehr Karl ihm am Herzen liegt, man konnte es sehen, so wie Winnetou sich um ihn bemüht. Winnetou ist bei uns immer willkommen, egal wie das hier ausgeht! Mein Name ist Mark Bachmann, der Bärenjäger!“ „Winnetou kennt den Namen des Bärenjägers, Scharlih hat ihn während einer Rast genannt, als wir auf dem Weg waren, um euch zu retten. Der Bärenjäger möge sich setzen. Roter Büffel hat meinen Dank, dass er den Weißen Jäger zu uns gebracht hat!“ „Roter Büffel tut, was er kann. Auch er möchte, dass Old Shatterhand bald wieder aufwacht und gesund wird. Nagi Tanka fragt, ob Winnetou noch mehr Kräuter zur Wundheilung benötigt?“ Ich sann einen Moment nach, dann schüttelte ich den Kopf. „Für die Wundheilung hat Winnetou genug, doch sollte Old Shatterhand Wundfieber bekommen, wäre es gut, einen Vorrat zu haben.“ „Roter Büffel wird es Nagi Tanka mitteilen. Wird sonst noch etwas benötigt?“ „Nein, sonst fällt Winnetou nichts mehr ein. Aber danke, dass Roter Büffel fragt!“ Damit verließ der Häuptling das Zelt wieder. „Wie hat Winnetou meinen Bruder kennengelernt? Er hat es mir nie erzählt, dass er euch kennt.“ „Er war vor drei Sommern unter den Bahnarbeitern, die eine Bahnlinie vermessen sollten. Zu Beginn sah ich ihn als Feind, doch er war gekommen, um den unrechtmäßigen Bau durch unsere Jagdgründe rückgängig zu machen. Dann überschlugen sich die Ereignisse, und er wurde durch mich schwer verletzt. Auch damals kämpften wir einige Tage lang um sein Leben. Dass er diesen Stich durch die Zunge überlebte, grenzte damals wirklich an ein Wunder. Winnetou wünscht sich nichts mehr, als dass Old Shatterhand am Leben bleibt und wir zusammen ins Pueblo zurückkehren.“ Und dass er für immer bei uns bleibt... Doch das dachte ich nur, ich konnte es nicht aussprechen, es würde nur zu viel von meinen wahren Gefühlen für Scharlih verraten. Später wurde uns Essen gebracht. Für Scharlih gab es Tee und eine Brühe mit Pemmikan, damit er bei Kräften blieb. Beides trank er selbständig, ich musste ihn nur stützen. Als beides zur Hälfte geleert war, drehte er den Kopf weg, seine erste Reaktion, seit ihn vor nun schon acht Tagen diese Kugel getroffen hatte. Mark kam jeden Tag und blieb bis zur Dunkelheit bei Scharlih, so konnte ich mich dann auch etwas hinlegen und schlafen. Wir hatten inzwischen schon gehofft, Scharlih würde erwachen, doch es war keine weitere Reaktion mehr von ihm gekommen. Auch während der Nacht rührte sich Scharlih nicht mehr, doch am Morgen, als die Sonne sich gerade über die Ausläufer der Rocky Mountains schob, sah ich in offene und klare blaue Augen. Verwirrung spiegelte sich darin, warum? Ich konnte es mir denken, doch ehe er zum Sprechen ansetzte, reichte ich ihm Tee und seine Brühe, das er beides trank. Wundfieber hatte er nicht bekommen, das war mehr als gut. „Winnetou, was ist passiert, wo sind wir hier? Das letzte, woran ich mich erinnere, ist die Hölle des Hancock Berges, ein Schuss, der mich in die Brust traf, und dann war alles bis eben dunkel.“ „Winnetou war schnell bei dir, und er konnte die Kugel entfernen. Wir befinden uns im Dorf von Roter Büffel. Auch deine Familie und dein Bruder Mark sind hier, es geht ihnen gut. Sie hatten nur ein paar Kratzer und blaue Flecken von den Fesseln. Mark war die letzten fünf Tage jeden Tag hier bei dir und Winnetou.“ „Darf ich eintreten? Ich habe Old Shatterhand sprechen hören!“ „Der Rote Büffel mag hereinkommen, ebenso Mark mit seiner Familie!“ Ich hatte mich so gesetzt, dass Scharlih sich an mich lehnen konnte. Nun konnte er jeden erkennen und sehen, der vor ihm stand. „Wie geht es euch? Habt ihr alles gut überstanden?“ „Karl, wir sind dank euch allen mit dem Schrecken davongekommen, es geht uns gut. Jetzt solltest du nur noch an dich denken und gesund werden! Winnetou ist ein wirklich besserer Arzt als unsere Quacksalber in Deutschland, und bei denen bezahlst du obendrein noch einen Batzen Geld. Winnetou wollte nicht einmal meinen Dank dafür, dass er dein Leben gerettet hat.“ Ich sah Scharlih lächeln, denn er hatte damit gerechnet, und sein Blick traf mich, bevor er meine Hand drückte. „Das ist Winnetou, so reagiert er bei jedem, nehmt es ihm nicht übel, er meint es nicht böse. Aber es freut mich auch, dass ihr euch so gut miteinander versteht. Denn eins muss euch klar sein! Jetzt wo wir euch aus der Hand der Ogelallah befreit haben, gibt es kein Zurück in eure Hütte am Mountain Fall. Sie würden euch wieder verschleppen und euch vielleicht gleich töten!“ Der Rote Büffel nickte bestätigend: „Old Shatterhand hat recht mit dem, was er seinem Bruder sagt! Gerade die Ogelallah sind dafür bekannt, dass sie sich keine Beute nehmen lassen. Auch wir, die wir hier leben, müssen nun achtgeben, dass wir nicht angegriffen werden!“ Mark aber schüttelte den Kopf: „Karl, unsere Hütte kennen sie nicht, wir waren auf dem Heimweg vom Einkauf in der Siedlung, die zwei Tage von hier entfernt ist und die in der Nähe von Fort Utah liegt!“ Scharlih gab dazu zu bedenken: „Man sollte dem Kommandanten eine Warnung zukommen lassen, damit er die Wachen verstärkt!“ Ich nickte erst einmal nur zu Marks Bitte, das würden wir tun. Scharlih war mit dem Gehörten nicht zufrieden und sagte eindringlich:„Mark, lass dir eins gesagt sein, die haben dich schon länger beobachtet, ohne das du es wusstest. Ich glaube nicht, dass deine Hütte noch steht, die werden sie wohl schon niedergebrannt haben.“ Ich sah, wie sehr Scharlih diese Angelegenheit aufregte und schaltete mich nun ein: „Das reicht fürs Erste. Old Shatterhand braucht jetzt Ruhe, damit er sich erholt.“ Es war der Medizinmann, der alle hinaus schickte, während ich Scharlih wieder in die Kissen bettete. Scharlih hielt meine Hand fest, er wollte, dass ich bei ihm blieb. Dann schloss er die Augen und schlief auch kurz darauf ein. Als der Druck seiner Hand sich lockerte, trat ich nach Tagen das erste Mal wieder nach draußen, holte tief Luft. Das tat gut. Wenig später trat Til Lata zu mir und sah mich fragend an. „Old Shatterhand ist erwacht, er hat sich sehr gut erholt. Doch wird es noch einige Tage dauern, bis er reiten kann. Wie geht es Hatatitla? Hat er sich beruhigt? Er wollte sich zunächst nicht von seinem Herrn trennen lassen!“ „Winnetou sei unbesorgt, dem Hengst geht es gut. Er hat sich gut ablenken lassen.“ „Hat Roter Büffel den Boten zum Fort Utah geschickt?“ „Denkt Winnetou, dass es nötig wäre, so wie Old Shatterhand sagt?“ „Wenn Old Shatterhand das für nötig hält, dann hat er meist eine Vorahnung!“ „Dann möge mein Häuptling mir erlauben, zum Fort zu reiten und die Nachricht zu überbringen, die er aufschreiben möge.“   „Til Lata möge sein Pferd satteln und noch zwei Krieger mitnehmen. Lass dir genug Proviant für euch geben.“ So trat ich ins Zelt, holte etwas zum Schreiben, und als ich zum Lager von Scharlih sah, blickten mich seine strahlenden Augen an. Kurz nickte ich und setzte mich an den Eingang, dann schrieb ich dem Kommandanten meine Nachricht und setzte meinen Namen darunter. Schon kamen Til Lata, Kleiner Biber und Schneller Hirsch. Ich reichte Til Lata das Schreiben, das er sich in den Gürtel steckte. „Einer von euch sollte es bis ins Fort schaffen. Seid aber vorsichtig! Winnetou wünscht euch viel Erfolg!“ Sie nickten, gaben ihren Pferden die Fersen zu spüren und jagten im Galopp davon. Ich schätzte, dass sie vier Tage brauchen würden. Bis dahin müsste Scharlih wieder auf den Beinen sein. Jetzt rief er nach mir. Ich betrat das Zelt erneut und sagte: „Winnetou hat gerade einen Boten zum Fort entsandt, um dem Kommandanten die Warnung zukommen zu lassen, wie Scharlih vorhin empfohlen hat. Wie fühlt sich mein Bruder? Kann Winnetou etwas für ihn tun?“ „Winnetou könnte mir helfen, mich zu erleichtern, denn mit aufstehen ist noch nichts.“ Nagi Tanka hatte mir dafür ein Gefäß bringen lassen. Damit er ungestört war, schloss ich den Eingang. Niemand sollte jetzt hereinplatzen. Danach setzte Scharlih sich auf, sah sich erst einmal um und sah dann wieder zu mir. „Danke, mein Freund, dass du mich nicht einfach hast gehen lassen! Ich habe dich die ganze Zeit gespürt, auch deine Tränen. Das bleibt unser Geheimnis, Winnetou, versprochen. Ich liebe dich auch.“ Die letzten beide Sätze hatte er leise gesprochen. Selbst wenn jemand hier gewesen wäre, hätte es keiner gehört. Dann öffnete ich den Eingang wieder, und sofort kam der Gehilfe von Nagi Tanka, er nahm mir das Gefäß ab, während er mir frisches Wasser brachte, damit ich Scharlih waschen konnte, wobei ich auch gleich den Verband wechselte. Wie sehr er sich danach freute, endlich in saubere Kleidung schlüpfen zu können! Dann wurde uns auch das Essen gereicht. Scharlih aß sein Fleisch schon allein, und kurz darauf legte er sich wieder hin und schlief. Der Schlaf würde die Wunden weiter heilen lassen und Scharlih wieder Kraft geben. Scharlih war kein Müßiggänger, er war immer aktiv, immer in Bewegung, doch heute wenigstens würde er noch liegenbleiben. Doch schon morgen würde es ein Kampf werden zwischen seiner Sturheit und meiner Hartnäckigkeit, ihn zum Liegenbleiben zu bewegen. Ja, manchmal prallten wir da aneinander, doch auch das hat unserer Freundschaft und Liebe nie geschadet, denn wir haben trotz aller Differenzen immer wieder den Weg zueinander gefunden. „Woran denkt Winnetou?“ Ich musste schmunzeln. „Darüber wie ich morgen Old Shatterhand dazu bringe, dass er noch einen weiteren Tag liegenbleibt!“ „Ist er also auch in dieser Hinsicht nicht erwachsen geworden?“, antwortete mir Mark, der gerade eben ins Zelt trat. „Dann war er schon immer so stur?“ „Das mag wohl an unserer Erziehung liegen, die sehr lieblos war, auch Karl hat es abbekommen, manchmal artete es so aus, dass er geflüchtet ist. Erst zu unserer Tante, später dann mit mir in die Wälder rund um Ernstthal. Dabei hat er seine Liebe zur Natur und zum Schreiben und Zeichnen entdeckt. Damals begann das mit dem Schreiben, da hat er sich jeden Groschen gespart, den er damit verdiente, und seine erste Reise war hierher in den Westen.“ Dass Scharlih uns zuhörte, wussten wir beide nicht, doch jetzt sprach Scharlih aus, was ihm am Herzen lag: „Mark hat recht mit dem, was er sagt. Es stimmt, ich wollte die ganze Welt bereisen. Vom Schreiben konnte ich bisher gut leben, es hat mir gereicht. Einiges habe ich noch gespart, wollte den Orient noch erkunden, doch ich glaube, inzwischen bin ich angekommen, ich habe meinen Hafen gefunden, Mark.“ Obwohl sein Blick auf mir lag, war ich doch verwirrt. Hatte Scharlih seine Wort wirklich ernst gemeint? Was mein Vater wohl dazu sagen würde, wenn er das hörte? Ich war mir noch nicht sicher, was daraus werden würde, doch ich konnte und wollte mich nicht mehr von Scharlih fernhalten. Das war mir inzwischen unmöglich, und ich hoffte, mein Vater würde es verstehen und mir erlauben, mit Scharlih zusammen zu sein. „Was wirst du nun machen, Karl?“, fragte Mark. „Erst mal wieder gesund werden! Dann werden wir nach deiner Hütte schauen und retten, was noch geht, bis dahin werden aber noch ein paar Tage vergehen. Ihr solltet es euch trotzdem überlegen und euch woanders etwas Neues aufbauen. Es gibt noch andere Ecken, wo es wesentlich sicherer ist.“ „Wo, denkst du, wäre es besser als hier? Was denkt Winnetou darüber? Ist er auch der Meinung, dass wir hier nicht mehr sicher sind?“ Ich überlegte kurz und antwortete: „Mark sollte seinem Bruder nicht zürnen, aber wenn er es schon für nötig hält, dass man das Fort warnt, dann bedeutet das, dass er eine Vorahnung hat. Und dass er euch auch aus diesem Teil der Rocky Mountains heraus haben möchte, hat denselben Grund. Old Shatterhand gibt solche Anweisung nicht zum Spaß! Doch Mark ist erwachsen, er braucht keinen Rat von Old Shatterhand anzunehmen. Er weiß selbst, was er zu tun hat! Das ist meine Antwort, die er haben wollte!“ Scharlih sah mir meine Verärgerung an und griff nach meiner Hand. Er drückte sie kurz und wandte sich dann seinem Bruder zu. „Winnetou ist zu recht wütend, Mark! Wenn ihr wirklich hier in eurer Hütte bleiben wollt, kein Problem. Doch dann hätte ich mir die Schusswunde sparen können und hätte einfach die Hände in den Schoss legen und nichts tun können. Außerdem hätte ich Hatatitla nicht dieser halsbrecherischen Jagd aussetzen müssen, um euch noch rechtzeitig zu retten. Jeder der Krieger, die Häuptlinge, Winnetou und ich hätten uns dann dieser Gefahr nicht auszusetzen brauchen. Ich möchte nicht wissen, was deine Frau und die Kinder sagen, wenn sie erfahren, wie gefährlich es ab jetzt dort für euch sein wird. Mark, geh jetzt bitte, ich möchte noch etwas schlafen.“ Mark war sofort nach Scharlihs Aufforderung gegangen. Als auch ich mich erhob, um ihn zu verlassen, griff er nach mir, und sein Blick sagte mir, dass er mich bei sich haben wollte. So rollte ich meine Decke wieder neben der seinen aus, denn heute Nacht konnte ich ja schlafen und musste nicht mehr wachen wie die letzten Tage. Als es draußen dunkelte, kam schon eine der Squaws und brachte uns Essen. Ihre Blicke lagen so schmeichelhaft auf Scharlih, dass sich in mir alles zusammenzog. Was war das bloß für ein Gefühl? Doch als ich in mich hinein horche, spürte ich, was es war. Es war dasselbe Gefühl, das ich habe, wenn Nscho tschi sich so an Scharlih hängt. Aber er schaute die Squaw gar nicht an, sondern sah nur auf sein Essen. Wie sollte ich mit dieser Eifersucht umgehen, wenn mein Vater mir nicht erlaubte, Scharlih zu lieben? Es tat jetzt schon weh. Wir mussten bald an den Pecos zurückkehren, damit ich diese Unklarheit endlich beseitigen konnte. „Winnetou, was plagt dich, du grübelst schon die ganze Zeit vor dich hin. Iss was und dann lass uns schlafen!“ Scharlih war durch den Ärger mit seinem Bruder immer noch verletzt. Er hatte ja recht mit dem, was er Mark gesagt hatte, wir hatten alle unser Leben riskiert. Und Scharlih hätte seines beinahe verloren. „Winnetou, iss jetzt bitte, du wirst deine Kraft auch noch brauchen.“ Da es jetzt draußen langsam ruhiger wurde, zog Scharlih mich in seine Arme. Mit dem, was er dann tat, hatte ich nicht gerechnet. Scharlih küsste mich, nicht auf mein Haar oder die Stirn, nein, er legte seine Lippen auf meine. „Winnetou, ich liebe dich, und das wird sich nie mehr ändern. Wenn dein Vater es verbietet, nehme ich dich mit und wir reisen zusammen um die Welt. Ich zeige dir neue Länder, neue Kulturen und nichts wird sich zwischen uns mehr ändern.“ Wenn doch alles so einfach wäre wie dieser Kuss, den ich nicht mehr missen wollte. Danach schliefen wir ein. Am nächsten Morgen stand die Sonne schon hoch, als Scharlih noch neben mir lag. Er war bereits wach und sah mich prüfend an: „Du hast wohl kaum geschlafen, wegen meiner Verletzung. Verzeih mir, dass ich nicht besser auf mich geachtet habe.“ „Scharlih trifft keine Schuld, wir wussten beide, dass es ein Risiko birgt, sich an einem Seil da hinunter zu hangeln. Der Schuss hätte auch jeden anderen treffen können.“ Scharlih nickte, und so setzten wir uns auf. Während ich Scharlih den Verband wechselte, begann er, sich mit dem frischen Wasser Gesicht und Hände zu waschen. Danach wurde uns Frühstück gebracht, und kurz darauf erschien Mark. Er entschuldigte sich bei mir und bei Scharlih, was dieser abwinkte. Sie hatten sich entschieden: Mark und seine Familie würden ein Stück mit uns kommen und sich dann weiter unten etwas Neues aufbauen. Da konnten wir nichts machen. Dennoch war Mark einverstanden, mit dem Ritt zur Hütte zu warten, bis Scharlih wieder reiten konnte. Scharlih blieb auch an diesem Tag noch liegen, was mich wunderte, doch vielleicht hatte ihm der Schuss klar gemacht, wie sehr sein Leben am seidenen Faden gehangen hatte und wie er selbst jetzt noch mit seinem Leben spielte, wenn er sich doch zu früh zu viel zumutete. Auch am nächsten Tag blieb er noch liegen, und gegen Abend kamen meine Krieger vom Fort zurück, und ich war gespannt, was der Kommandant gesagt hatte. Til Lata reichte mir einen Brief, der an Scharlih und mich adressiert war. Mr Shatterhand, Häuptling Winnetou Wie sehr es mich freut, Ihnen beiden mitteilen zu können, dass Eure Warnung noch zur rechten Zeit eintraf. Wir konnten das Fort noch sichern und haben eine größere Gruppe der Ogelallah gefangen nehmen können, sie werden dann wohl umgesiedelt werden. Gute Besserung an Old Shatterhand, auf dass er bald wieder gesund wird. Mit freundlichen Grüßen Kommandant Tom Wilkens Scharlih lächelte, nickte und bedankte sich bei meinen Kriegern für den Botengang zum Fort. Er wäre selbst geritten, wenn er gekonnt hätte. Als wir wieder allein waren, sah er mich erst an. „Winnetou, wie steht es mit der Wunde, wird sie halten bis zum Pueblo?“ „Die Wunde heilt, sie ist geschlossen und wird auch nicht mehr aufgehen. Warum fragt Scharlih?“ „Meinst du, wir können in zwei Tagen aufbrechen? Bis dahin haben sich Til Lata, Kleiner Biber und Schneller Hirsch ausgeruht!“ Das war es also, er wollte nicht länger liegenbleiben. „Wenn Scharlih aufstehen kann, ohne dass ihn die Wunde schmerzt. Doch Vorsicht, es könnte durch das lange Liegen zunächst Schwindel auftreten!“ So war es dann auch, und ich bat Scharlih, mich anzusehen, was er auch tat. Die ersten Schritte waren noch etwas wackelig, doch dann ging es. Nach dem Frühstück war sein erster Weg zu Hatatitla, und wie dieser sich auf ihn freute, berührte mich. Es war doch immer wieder schön, die beiden miteinander zu erleben. Wie sehr ich diesen Mann doch liebte, das wurde mir in dem Moment erst bewusst. „Ja, wir können in zwei Tagen aufbrechen.“ Auch ich war erleichtert, dass es ihm wieder so gut ging, dass er hier bei seinem Hengst herumlaufen konnte. Was wäre wohl aus Hatatitla ohne Scharlih geworden... Ich glaube, ich hätte das Tier erlösen müssen, weil es so oder so eingegangen wäre. Ohne Scharlih, das hätte Hatatitla nicht ertragen. Wir ritten erst zur Hütte, doch diese war ein Opfer der Flammen geworden, und da sie noch rauchte, mussten wir davon ausgehen, dass die Sioux möglicherweise noch in der Nähe waren. Mark, Scharlih und ich hatten uns im Wald versteckt gehalten. Wir durften uns nicht sehen lassen, das verstand inzwischen auch Mark. Zurück bei den anderen griffen wir die Zügel, nahmen den Weg durch den Wald und verließen diesen auf steinigem Gelände. Um keine Spuren zu hinterlassen, ritten wir hintereinander, bis wir die Prärie erreicht hatten. Während wir weiter nach Süden wollten, ritt Mark mit seiner Familie nach Westen zum Fort Utah. Dann gaben wir unseren Rappen die Fersen. Es tat gut, mit Scharlih und den Kriegern über die Prärie zu jagen. Die ersten Tage waren noch schön, doch umso näher wir dem Pueblo kamen, um so mehr verblasste Scharlih, als ob es ihn nicht gäbe. Hier endete der Traum jedes Mal, und ich wache schweißgebadet auf. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)