Adventskalender 2020 von tobiiieee (All I Want For Christmas ...) ================================================================================ Kapitel 21: Türchen 21: Please Come Home (Reprise) (Cloud) ---------------------------------------------------------- ~ You know that all I want for Christmas is you ~ „Noch ein Auftrag?“, fragte Cloud verdattert, verwundert darüber, dass Tifa ihn noch einmal fortschicken wollte. „Und wo wäre das?“ „Ziemlich weit im Norden, ein Stück hinter Bone Village.“ Es entstand eine Pause, in der Cloud überschlug, wie viele Stunden ihn dieser Auftrag kosten würde. „Die Dame klang etwas schrullig, aber sie hat gesagt, sie zahlt gut, weil die Lieferung unbedingt noch dieses Jahr erfolgen muss.“ „Und wohin?“ Tifa hielt kurz inne; vor Clouds innerem Auge zog sie ihre Notizen zu Rate. „Weiß ich nicht, das wirst du dann wohl dort erfahren. – Wo bist du eigentlich gerade?“ „Graslandregion“, sagte Cloud zähneknirschend. „Erst?“, fragte Tifa erstaunt. „Warum das?“ „Tifa“, sagte Cloud, während er ein zynisches Lachen unterdrückte, „du würdest es mir nicht glauben, wenn ich es dir erzählte. – Also, nur um das noch mal klarzustellen“, rekapitulierte er, während seine Finger am Handy langsam taub vor Kälte wurden, „du möchtest, dass ich jetzt nicht nach Hause komme, wie ich es seit Tagen versuche, sondern dass ich doch lieber noch mal nach Norden fahre, um für eine seltsame Alte irgendwas auszuliefern, eindeutig Gefahr laufend, dass sie senil ist und überhaupt nicht weiß, was ich dort will, wenn ich ankomme? Ich kenn die Gegend auch nicht, ich kann dir nicht garantieren, wie lange ich brauchen werde.“ „Das hat schon alles seine Richtigkeit, wir können das Geld brauchen, zwischen den Jahren kommen kaum Leute in die Bar, du machst ganz zu, die Kinder sind in schrecklichen Wachstumsphasen und die ganze Zeit nur am Futtern, jeder Gil ist willkommen“, ratterte Tifa hinunter; sie hatte offensichtlich mit seinem Widerstand gerechnet. „Und natürlich kennst du die Gegend nicht, das ist dieses Neubaugebiet kurz vor Modeoheim, wo sie jetzt Leute ansiedeln wollen, wo andere sonst Urlaub machen.“ „Ach, da“, machte Cloud, als ihm dämmerte, wo sein Ziel lag. Sie besprachen die genaue Abbiegung, die er würde nehmen müssen. „Und danach müsste es ausgeschildert sein“, schloss Tifa. Cloud seufzte tief. „Das ist alles schön und gut, aber ich will da eigentlich nicht hin, ich bin echt bedient von den letzten Tagen und total erschöpft, ich will nach Hause, Tifa, ein Wort von dir und ich fahre nicht.“ Tifa zögerte. „Ich will dich auch sehen, aber ...“ Cloud wartete mehrere Momente ab, allerdings schien Tifa ihre Meinung tatsächlich nicht zu ändern. „Dann soll es so sein“, gab er seufzend nach. „Ich mach so schnell, wie es nur irgend geht.“ Sie verabschiedeten sich. Cloud steckte das Handy mit einem unguten Gefühl weg. Er wusste, dass es finanziell klug war, zu fahren, aber es war nicht richtig. Allerdings hatte er jetzt schon zugestimmt. Alles, was ihm blieb, war, alles daran zu setzen, diesen letzten Auftrag so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und sofort auf dem schnellsten Weg nach Hause zurückzukehren. Ausgerüstet mit Handschuhen und einer Schutzjacke gegen die Kälte, machte er sich dann auf den direktesten Weg gen Norden. Er wählte eine Route, von der er wusste, dass sie ihn zwischen dem ehemaligen Midgar und Kalm hindurchführen würde; die Versuchung, in Richtung Edge abzubiegen, statt weiterzufahren, war so groß, dass er tatsächlich anhielt und mehrere Minuten in Richtung der alten Stadt blickte. Das Shin-Ra-Hauptquartier war immer noch zu sehen und löste in ihm sehr gemischte Gefühle aus; er hatte seinen Frieden geschlossen, aber seine Narben erinnerten ihn noch immer sehr genau an all die Opfer, die sie gebracht hatten. Waren es nicht genug gewesen? Tifa und die Kinder tauchten in seiner Vorstellung vor ihm auf; seine Sehnsucht war unbändig. Alles, was er wollte, war, es sich mit den dreien gemütlich zu machen und sich für den Rest des Jahres auszuruhen. Er wollte Marlene zuhören, wenn sie viel zu viel redete, und er wollte Denzel verstehend zunicken, wenn er nicht so viel sagte, wollte Tifa im Arm halten und sie einfach nur festhalten, festhalten für immer – oder zumindest so lange, bis das nächste Jahr anfing ... „Komm schon, sie hat dich um diese eine Sache gebeten“, redete er sich selbst zu. „Wenn du dich zusammenreißt, verlierst du nicht mal einen Tag, ihr könnt das immer noch alles machen.“ Und er richtete Fenrir gen Norden, ließ Midgar hinter sich, Kalm, fuhr zielgerichtet weiter, zuerst bis Bone Village, dann noch ein Stück weiter, kurz vor Modeoheim fuhr er von der großen Straße herunter und folgte Landstraßen durch die Gegend. Mittlerweile befand er sich in einer Schneelandschaft wie im Bilderbuch. Er wunderte sich selbst, wie gut er durchgekommen war. Zur Attraktivität des Neubaugebiets vor Modeoheim gehörte es wohl, dass man problemlos hinfahren konnte. Er fuhr an kleinen eingeschneiten Siedlungen vorbei, die ihm einen Vorgeschmack auf sein eigentliches Ziel gaben: Schnee auf den Dächern, Kaminrauch aus den Schornsteinen, helle Beleuchtung hinter den Fenstern und auch an den Fassaden. Der Gedanke an Tifa, die zu Hause ähnliche Beleuchtung abends alleine ausschalten musste, obwohl sie es nicht mochte, durch den dunklen Flur wandeln zu müssen, versetzte ihm einen Stich. Er legte ein wenig an Tempo zu, zumal auf den Straßen weit und breit niemand zu sehen war. Endlich kündigte ihm ein Schild an, dass er im richtigen Dorf angekommen war; mittlerweile hatte er fast einen halben Tag gebraucht; vielleicht könnte er es bis zum Abend noch bis nach Hause schaffen ... Er bremste ab, als er in die Gemeinde einfuhr, und sah sich interessiert um. Das Dorf sah aus wie im Märchen, die Dächer wie mit Zuckerguss überzogen, Kinder spielten in den Straßen, es gab einen Stand, an dem süßer Wein angeboten wurde, eine Bäckerei, eine kleine eingeschneite Kirche mit hübschen bunten Fenstern und so vieles mehr, er wusste gar nicht, wo er zuerst hinschauen sollte. Bevor er allerdings mehrmals um den Hauptplatz um Dorf herumfuhr, stellte er sein Motorrad kurz am Straßenrand ab, sah sich weiter um und rief noch einmal Tifa an, um nach einer genaueren Wegbeschreibung zu fragen. Als er wieder auflegte, spürte er, wie sein Herz vor Aufregung schnell zu schlagen begann: Nur noch diese eine Sache, dann konnte er nach Hause fahren. Blieb nur zu hoffen, dass die Alte ihn nicht ans andere Ende des Kontinents schicken würde ... Er fuhr ein Stück aus dem Märchendorf heraus auf eine ruhige Straße, an der vereinzelt Einfamilienhäuser verteilt waren, die er sich schöner in dieser verschneiten Jahreszeit nicht hätte vorstellen können. Am Ende der Straße stellte er Fenrir ab, er stellte den Motor aus und mit Herzklopfen lief er den Weg zum dortigen Haus zu: An der Tür hing ein Kranz aus Tannengrün, er sah an den Fenstern bunte Lichterketten, der gesamte Vorgarten war bis auf den Weg zur Tür voller Schnee, das Dach auch, hinten konnte er sogar einen Schneemann erkennen. Er dachte, dass die alte Dame vielleicht ihre Enkel zu Besuch hatte und war schon froh, dass er so, selbst wenn sie senil sein und ihn vergessen haben sollte, so wahrscheinlich einen Ansprechpartner haben würde, der ihm sagen könnte, was sein Auftrag war, als er auch schon an der Tür läutete. Eine schrullige Alte öffnete ihm allerdings nicht. Und, soweit er das sagen konnte, auch nicht ihre Enkelin. Cloud verstand für den Bruchteil einer Sekunde die Welt nicht, als sich die Tür öffnete. Dann, als sich Marlenchens Arme um ihn schlossen und er sie instinktiv auch in einen Arm nahm und mit der anderen Hand ihren Kopf tätschelte, der mittlerweile bis zu seiner Brust reichte, setzte sich das gesamte Bild zusammen. Durch die offene Tür hinter ihr sah er auch Tifa mit einer dampfenden Tasse an einem großen hölzernen Tisch sitzen. Sie warf ihm einen Blick zu und winkte unschuldig, als ob nichts Ungewöhnliches wäre. Cloud konnte ein erleichtertes Lachen nicht unterdrücken. Marlene löste sich von ihm und sah ihn etwas besorgt von unten an. „Ihr hättet ein Wort sagen können“, meinte er. „Alles Tifas Idee“, sagte Marlene schüchtern. Dann fing sie an, übers ganze Gesicht zu strahlen. „Daddy ist auch da!“ „Wunderbar“, sagte Cloud. Er legte Marlene einen Arm um die Schultern und bugsierte sie langsam in Richtung Haustür. „Lass uns besser reingehen, es ist kalt.“ Und mit einem befreienden Atemzug – den Duft von heißer Schokolade in der Nase, in dem Wissen, dass alle da waren, die ihm etwas bedeuteten, mit der Aussicht, endlich zur Ruhe zu kommen – schloss er die Tür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)