Adventskalender 2020 von tobiiieee (All I Want For Christmas ...) ================================================================================ Kapitel 14: Türchen 14: 12 Pains of Christmas (Seph) ---------------------------------------------------- „Es ist einfach – der komplette – Wahnsinn!“ Sephiroth, mit einem wohl verdienten, gut gefüllten Glas schweren Rotweins auf dem Sofa im Haus seiner Schwiegereltern, wollte sichergehen, dass er seinen Punkt auch wirklich deutlich machte. Ergin, der beim Tee geblieben war, und Angeal, der ein kaltes Bier bevorzugt hatte, stimmten ihm mit eindeutigen Blicken zu. „Allein – allein, schaut euch nur an, was alles verkauft wird, natürlich glauben die Leute, sie würden das alles brauchen. Winzige Sachen zu riesigen Preisen, versteht sich, ‚Verzaubern Sie Ihre Gäste mit diesen –‘ ... was weiß ich, Stoffservietten mit Metallring, kleine Schälchen für ohnehin gekaufte Saucen, warum lässt man die nicht einfach in der Packung, in der man sie gekauft hat, hm? Und was hat es mit diesen klitzekleinen Versionen von richtigen Sachen auf sich, was soll das? Wenn ich Fisch mache, will ich ein richtiges Stück, kein halbes Gramm, das sich in zehn Pfund Blätterteig versteckt ... Und ich schau mir diese ganzen Sachen an und – und, ich weiß nicht, was wird jetzt von mir erwartet? Es gibt das ganze Zeug, oder? Also, wie – wie seh ich jetzt aus, wenn ich das komplett ignoriere, hmmm?“ Er nahm einen weiteren großzügigen Schluck von dem Wein. „Ich kann euch sagen ...“ „Tu du doch bitte nicht so, als hättest du auch nur den Hauch einer Ahnung“, sagte Ergin, als von Sephiroth nichts mehr zu hören war. „Ich, mein Freund, mache das schon seit 15 Jahren, jedes Jahr bin ich zuständig für das Festessen, und ich sag dir, du machst dir ja keine Vorstellung. Es ist dein erstes Fest, du hast nur deine Schwiegereltern zu Gast, die dich sowieso vergöttern und wissen, dass du erst im Sommer angefangen hast, richtig zu kochen, und es reicht, wenn ihr euch mit einem Essen und ein bisschen Wein einen schönen Abend macht, weil ihr ja euch habt. Ich bin hier der Haushälter und in dieses Haus werden offizielle Gäste eingeladen, und die erwarten natürlich einen erlesenen Lichtschmuck, geschmackvolle Dekoration in jedem Raum, überall soll sie zu sehen sein, aber nur ganz dezent, sie wollen zwar das Gefühl haben, durch ein Winterwunderland zu wandern, aber bitte nicht zu aufdringlich, und jede Gabel hat richtig zu liegen, wie, du hast keine extra Gabel für den Salat, den Fisch und die Käseplatte? Mon dieu! Das geht so natürlich nicht! Und wehe, ein Glas steht zwei Sekunden lang leer, man kann doch von Gästen nicht erwarten, dass sie die Flasche nehmen, die vor ihnen steht, und sich selbst so viel Wein eingießen, wie sie wollen, und es geht auch nicht, dass ein Teller mal kurz steht, sie sagen dir sofort, dass du ihn abräumen sollst, obwohl sie sehen, dass du gerade dabei bist, jemand anders Wein nachzuschenken und du kommst nicht zu einem einzigen Atemzug ... Und über das Essen, das zu kochen mehrere Wochen dauert, haben wir noch nicht mal geredet!“ „Weißt du“, brachte sich nun Angeal ein, „deine Gäste wollen wenigstens essen, was du ihnen vorsetzt, und sie wollen wenigstens – mehr oder weniger – da sein. Ihr beide solltet froh sein“, sagte Angeal und beugte sich vor, „dass ihr keine Kinder habt, die, wenn sie klein sind, sagen, bäh, Papa, mag ich nicht. Und wenn sie größer sind, sagen sie nur ‚Alter Mann, nerv mich nicht!‘“ Angeal schwenkte das Bierglas leicht in der Hand, sein Blick ging in die Ferne. „Es war das erste Mal, dass wir das gemacht haben, da war Benni ... drei. Oder vier. Jedenfalls Kindergarten. So, und wir haben uns abgewechselt in Kinderbetreuung und Festvorbereitung, es war das perfekte Teamwork, und alle waren da, meine Mutter, meine Schwiegereltern, mein Schwager, die ganze Familie. Und ausgerechnet an dem Tag, vielleicht war er einfach aufgeregt, musste mein sonst so umgänglicher Sonnenschein von einem Sohn unfassbar gnietschig sein. Erst wollte er Oma und Opa nicht hallo sagen, dann wollte er lieber, dass sie wieder gehen, dann wollte er plötzlich das Essen nicht, stattdessen Nudeln aber auch nicht, er mochte die Gesellschaft nicht, sich in seinem Zimmer etwas beruhigen wollte er auch nicht, es war die reine Katastrophe. Ist auch nie wieder so passiert, wir haben ja auch draus gelernt und haben ihn vorher gefragt, was er möchte, und natürlich sagen Kinder dann, klar will ich Braten, klar will ich Kartoffeln, klar will ich dies und das – und dann setzt du es ihnen vor, und sie wollen es doch nicht mehr und tun so, als hätte ihnen so was noch nie geschmeckt. Und wenn sie dann älter sind und etwas berechenbarer darin, was sie essen, heißt es plötzlich, nein, ich hab jetzt keinen Hunger, nein, ich will dieses und jenes jetzt nicht, ich hab meinen eigenen Kopf, lass mich in Ruhe, zack, die Tür knallt zu ...“ „Ben ist jetzt ...?“ Sephiroth kniff in Konzentration die Augen zusammen. Ben war geboren, als Genesis fünfzehn gewesen war, jetzt war er zweiunddreißig, also ... „Ja, siebzehn, er ist schon sehr vernünftig geworden, keine Frage“, räumte Angeal ein, „aber die Zeit vom Kindergarten bis vor ein paar Jahren war ein reiner Spießrutenlauf.“ Ergin machte ein resigniertes Geräusch. „Ich bin immer noch der Meinung, dass ich es am härtesten hab, jedes Jahr dieselbe Herausforderung, für dich ist es wenigstens leichter geworden ...“ „Pff, ich mach das zum ersten Mal ganz allein“, argumentierte Sephiroth. „Nichts ist schlimmer als Kinder“, beharrte Angeal. Sephiroth wandte träge den Kopf, als er Schritte hörte. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand kam Genesis um die Ecke und setzte sich dazu. „Ist was?“, fragte er, als sich die Stille fortsetzte. „Eigentlich regen wir uns lustigerweise gerade über so Leute wie dich auf“, sagte Angeal diabolisch grinsend. Genesis blinzelte vor den Kopf gestoßen. „Was hab ich jetzt schon wieder getan?“ Angeal zuckte die Schultern. „Du existierst.“ „Päh.“ Genesis nahm seine Tasse und verließ die Runde. „Nein, bleib“, rief ihm Sephiroth schwach hinterher; er streckte halb den Arm in die ungefähre Richtung aus, in die Genesis verschwunden war, doch er stieß nur gegen die Sofalehne. Er versuchte sich aus seiner halb liegenden Position aufzusetzen, wobei ihm allerdings schwindelig wurde. „Gott“, stöhnte er. „Ich glaub, ich bin betrunken.“ Angeal und Ergin lachten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)