Adventskalender 2020 von tobiiieee (All I Want For Christmas ...) ================================================================================ Kapitel 1: Türchen 1: It's Beginning To Look A Lot Like Christmas (Seph) ------------------------------------------------------------------------ „Alles Grünschnäbel, alle inkompetent, wenn du mich fragst. Und dann liegt es wieder an mir, die Größenwahnsinnigen rauszuschmeißen, die denken, sie könnten irgendwas, und schon bin ich der Böse, weißt du?“ Clouds glasiger Blick strafte sein etwas verspätet einsetzendes, ironisch begeistertes Nicken Lügen. Sephiroth sah sich im Recht. Die ganze Welt hatte sich gegen ihn verschworen, von den Rekruten, die von Jahr zu Jahr frecher wurden, bis hinauf in die Chefetagen und sogar ins Himmelgewölbe, das sich seit Wochen nur noch grau und verhangen zeigte. Sephiroth verwies mit einer umfassenden Geste außerdem auf die Kantine, in der sie saßen. „Und das ganze fettige Essen, das es hier seit Neuestem nur noch gibt, macht es auch nicht gerade besser“, schloss er seinen Sermon. Zu seiner Überraschung lachte Cloud an dieser Stelle, aber nicht so, als ob Sephiroth einen Witz gemacht hätte, sondern vielmehr so, als hätte der eben jenen nicht verstanden. Auf seinen ratlosen Blick sagte Cloud: „Das ist kein ‚fettiges Essen‘, das ist comfort food.“ Sephiroth stand immer noch auf dem Schlauch. „Dir ist klar, dass es auf Dezember zugeht, oder?“ „Ach, verdammt, Genesis hat bald Geburtstag“, sagte Sephiroth daraufhin unvermittelt. Cloud schien etwas verdattert. „Das ist das erste, was dir einfällt, wenn ich sage, dass der Dezember vor der Tür steht?“ „Na ja, ja“, bekräftigte Sephiroth, „erst fängt der Dezember an, schon am nächsten Tag ist Sonnenwende und eine Sekunde später Neujahr, und da hat mein Mann nun mal Geburtstag, was soll ich sagen?“ „Entspann dich mal“, sagte Cloud nachdrücklich. „Hör mal“, erklärte Sephiroth dem begriffsstutzigen Cloud, indem er sich über den Tisch beugte, „es beginnt das Jahresende, also werden urplötzlich eine Millionen Menschen auf der Matte stehen, die jetzt sofort, am besten noch gestern, irgendwas Ultradringendes erledigt haben wollen, was noch vor Januar abgerechnet werden muss, und das konnte ihnen natürlich nicht einen Monat vorher einfallen und es kann absolut nicht die kleinste Sekunde warten –“ „Soweit ich informiert bin“, unterbrach Cloud seine Tirade, „verbringst du doch Dezember und Januar in Banora.“ „Ja, schon“, sagte Sephiroth matt. Clouds Bemerkung hatte ihm etwas den Wind aus den Segeln genommen. „Wie gesagt, Genesis hat bald Geburtstag, ich muss mir was überlegen.“ Cloud seufzte und schloss angestrengt die Augen, ehe er noch einmal ansetzte: „Ich glaube, was du tun musst, ist, dringend ein wenig runterzukommen.“ Er nahm sein Tablett und erhob sich. „Ich zum Beispiel, mein Freund, bin mit meiner Angebeteten verabredet, wir bringen die Kinder zum Schlittschuhlaufen und genehmigen uns ganz heimlich ein paar erwachsene Wintergetränke, wenn du verstehst. In der dunkeln Jahreszeit sollte man langsam machen und viel mit den Liebsten zusammensein – sonst dreht man nämlich durch“, fügte er mit einem vielsagenden Blick in Richtung Sephiroth hinzu, der ihn nur finster beäugte. „Grüß Tifa von mir“, sagte er dann doch noch, wenn auch vielleicht etwas bissig. Cloud verabschiedete sich. Er wirkte tatsächlich recht fröhlich, wie er die Kantine verließ, ohne sich noch einmal umzusehen. Hätte er es getan, hätten sie noch einmal einen freundlicheren Blick austauschen können. Sephiroth seufzte niedergeschlagen. Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass seine Pause noch nicht vorbei war. Er wollte es einmal mit Clouds Ratschlag probieren und nicht verfrüht an die sich anhäufende Arbeit zurückkehren. Er stand auf, brachte sein Tablett weg und kehrte mit einer sachte dampfenden Tasse Grüntee zurück, die er auf demselben Platz wie zuvor abstellte, damit der Tee abkühlen konnte. Er setzte sich seitlich auf den Stuhl, einen Arm auf den Tisch, den anderen über die Lehne gelegt, den Blick zurück in die Kantine gerichtet. Als er gerade dabei gewesen war, heißes Wasser in die Tasse mit dem Teebeutel laufen zu lassen, hatte er nämlich bemerkt, dass einige Mitarbeiterinnen im Raum der Essensausgabe ein wenig Schmuck für den Dezember verteilten: Sie hängten hübsch funkelnde Eiszapfen aus Glas auf, stellten kleine Figuren von Rentieren hinter das Salatbuffet und legten Haufen von unechten Nüssen und Orangen neben die Kaffeemaschinen. In der Ecke wartete noch falsches Tannengrün darauf, überall verteilt zu werden. Offensichtlich wollte man den Eindruck eines Winterwaldes erwecken. Sephiroth bemerkte, dass er selbst entspannt zu lächeln begonnen hatte. Im Wald wäre er jetzt auch ganz gerne: die Ruhe der Natur, nur umgeben von Kreaturen des Waldes, die man erspähen konnte, wenn man sich leise durchs Unterholz schlich ... Er hatte einen Entschluss gefasst. Einen Schluck aus der Teetasse nahm er noch, ehe er auch sie wegbrachte. Und statt nach oben, zurück an die Arbeit, ging er nach unten, strammen Schrittes durchs Foyer, vorbei am Empfang und hinaus zur Tür in eisige, frische Winterluft. Als er sie tief einatmete, bemerkte er all die Verspannungen, die sich durchs lange Sitzen gebildet hatten; und mit ihnen verschwanden auch all die angespannten Gedanken aus seinem Kopf. Die ganze Stadt stand ihm offen, wozu sich Sorgen machen? Er begab sich auf den Weg. Es war früh dunkel geworden; er wusste, die Büros waren noch nicht einmal zur Hälfte leer, aber die schon den ganzen Tag niedrigstehende Sonne war bereits untergegangen, es dämmerte nur noch ein wenig. Obwohl das Shin-Ra-Hauptgebäude im Stadtzentrum lag, war es vollständig dunkel, als er auf einer der belebtesten Chausseen ankam, die auf das Theater der Stadt zulief. Mit dem ungefähren Gedanken, sich vielleicht für Genesis‘ Geburtstag inspirieren zu lassen, begann er, die Straße entlangzuschlendern. Unter dem schwarzen Nachthimmel strahlte die an allen Ecken beleuchtete Straße umso mehr. Die Bäume waren mit angenehm hellgoldenen Lichterketten geschmückt worden, die den Eindruck erweckten, unter einem üppig funkelnden Sternenhimmel zu wandeln. Auch hier vor den Schaufenstern waren silbern glitzernde künstliche Eiszapfen aufgehängt, die das Licht brachen, das von allen Seiten durch sie hindurchfiel, und den bisher ausgebliebenen echten Schnee wettmachten. Blumenhandlungen verkauften echte immergrüne Zweige, Dekoläden die unechte Variante, die mit silbernem Staub besprüht war, um glitzernden Schnee nachzuahmen. Viele Geschäfte hatten zusätzliche Lichter installiert, golden, silbern, rot und grün, bunt blinkend, alles war vertreten, was die Dunkelheit durchbrach und die Nacht erhellte. Staunend nahm Sephiroth all dies in sich auf. Wie konnte er die Schönheit der Winterzeit in Midgar noch nie vorher bemerkt haben? Langsam, um ja nichts zu verpassen, ging er von Geschäftsauslage zu Auslage, doch sein Blick galt weniger den feilgebotenen Waren als den versilberten und vergoldeten Zweigen, Äpfeln, Nüssen, Kerzen, kleinen oder größeren Bäumen, Pinguinen, dem unechten Schnee, dem Rot, dem Grün, den Kaminszenen, die die winterlichen Schaufenster verzierten ... Er begutachtete gerade eine riesige glitzernde Schneekugel in der Auslage einer Buchhandlung, als ihm ein verboten süßer Geruch in die Nase stieg. Er wandte sich um: Weiter hinten in der Straße, fast vor dem Theater, standen ein paar Buden, die wie kleine Holzhütten aussahen; auf die Dächer war Schnee aufgemalt, am Dachvorsprung hingen lange Girlanden von Tannengrün, in die bunt blinkende Lichterketten verflochten waren. Der Geruch stammte von karamellisierten Nüssen und süßem Wein mit allen möglichen Gewürzen. Sephiroth rümpfte die Nase. Das waren also diese erwachsenen Wintergetränke ... Sephiroth dachte an das, was Cloud gesagt hatte. Ihm fiel tatsächlich jemand ein, dem warmer Alkohol mit Zimt sicherlich gefallen würde. Bei dem Gedanken musste Sephiroth unwillkürlich lächeln; in seinem Inneren breitete sich ein angenehmes Gefühl von wohliger Wärme aus, das nichts mit den auf der Straße verteilten Heizstrahlern zu tun hatte. Er mochte zwar nicht erledigt haben, wozu er hergekommen war, aber Sephiroth wusste in diesem Moment sehr genau, wo er zu sein hatte ... „Was machst du hier? – Hast du keinen Schlüssel?“ Sephiroth unterdrückte ein Seufzen. Keine liebevollere Begrüßung hatte er von Genesis erwartet, als er zu ihrer gemeinsamen Wohnung gekommen war und an die Tür geklopft hatte. Sein Wohnungsschlüssel, von dem er nicht gedacht hatte, dass er ihn brauchen würde, lag tatsächlich noch in einer Schublade in seinem Büro. Ohne ein weiteres Wort trat er ein, schloss die Tür hinter sich und fasste Genesis liebevoll um die Taille; der Pullover, den er trug, fühlte sich wunderbar weich an; doch vielmehr noch wurde sich Sephiroth des Gefühls bewusst, alles, was ihm wichtig war und ihn in einer Sekunde glücklich machen konnte, mit nur zwei Händen fassen zu können. Er beugte sich leicht vor und legte seine Lippen zärtlich auf Genesis‘. Er spürte Genesis‘ kurze Überraschung, bevor er ihn zurückküsste. Dann allerdings zog er sich zurück. „Ich kenn das doch irgendwoher“, merkte er an. Sephiroth, Genesis noch näher an sich ziehend, lachte bei der Erinnerung. Einen Moment später breitete sich selbst auf Genesis‘ Gesicht ein liebevolles Lächeln aus. Er legte eine Hand an Sephiroths Brust, genau auf sein Herz, das für ihn schlug. „Ich freu mich einfach, hier zu sein“, sagte Sephiroth wahrheitsgemäß. „Das kann ich dir nicht verdenken“, erwiderte Genesis nicht ganz unironisch. Seine Hand fuhr langsam über seine Brust nach oben, über den Hals, schließlich zum Gesicht; mit sanften Fingern strich er über Sephiroths Wange. „Und dafür kommst du extra her, ja?“ Sephiroth nahm Genesis‘ Hand in seine. Ihre Blicke trafen sich; als würde die Zeit stillstehen und als würden nur noch sie beide existieren, sahen sie sich tief in die Augen. „Wenn nicht hierfür, wofür dann?“ ~ Soon the bells will start And the thing that’ll make them ring Is the carol that you‘ll sing Right within your heart ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)