Between the Lines - Chapter 2 von Karo_del_Green (It's more than just words) ================================================================================ Kapitel 4: Das kleine Einmaleins des Updatings ---------------------------------------------- Kapitel 4 Das kleine Einmaleins des Updatings Ich brauche nicht lange, um Kain zu finden, denn er sitzt wie immer an derselben Stelle. Seine langen Beine sind unter dem Tisch voll ausgestreckt und er stützt sein Kinn gedankenverloren in seiner Handfläche ab. Obwohl die andere Hand über der Laptoptastatur schwebt, tippt er nicht. Er sieht nicht mal auf den Bildschirm, sondern aus einem der Fenster. Sein Fuß klopft einen stillen Takt in die billigen dunkelgrauen Teppichfliesen und verursacht ein prägnantes Geräusch in der sonst stillen Bibliothek. Er ist nicht bei der Sache und ich weiß, dass es meine Schuld ist. „Hey“, versuche ich mein Glück und laufe langsam auf seinen Arbeitsplatz zu. Kain sieht auf. Für einen Moment erkenne ein Flickern in den vertrauten braunen Augen. Erstaunen. Danach Verwunderung. Auch eine leichte Spannung in seinen Schultern ist zu erkennen, die jedoch abfällt, je länger er mein ruhiges Gesicht mustert. Er hat nicht erwartet, dass ich auf ihn zukomme. „Hast du noch viel zu tun?“, frage ich, ehe Kain reagieren kann und bleibe neben seinem Arbeitsplatz stehen. Er sieht auf seine Aufzeichnungen, scheint zu kalkulieren und danach einzuschätzen, dass er sowieso nicht vorankommt. Nicht mit dem Elefanten im Raum, der gerade wieder meine Form angenommen hat. Er schüttelt sachte den Kopf, fährt sich durch die Haare und lehnt sich zurück. „Bin im Grunde fertig. Warum?“, fragt er und schließt seinen Laptop. Er ist noch sauer, das zeigt mir die Zurückhaltung. Er will es mir nicht allzu leicht machen und ich kann es verstehen. „Ich dachte, wir könnten ein Eis essen gehen“, schlage ich unbeirrt vor. Sicherer, als ich mich wirklich fühle. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er einfach Nein sagt und dann müsste ich eine direkte Entschuldigung bringen. Keine meiner Stärken. „Eis? Im November?“, hakt er skeptisch nach und mustert mich kritisch. Ich nicke nur und spare mir meine normalerweise in dieser Situation übliche Erklärungsparade. Kälte. Zuträglich. Aggregatzustand. Und so weiter und so fort. Abgesehen davon ist der November dieses Jahr erstaunlich mild und meine Argumente dementsprechend schwach. „Es gibt auch Tee und guten Kaffee, hab ich mir sagen lassen und dieses typische Kaffeegebäckzeug und...“, fahre ich fort. Ich mache eine Handbewegung, die in meinem Universum Kekse symbolisiert und erkenne die Verwunderung in Kains Gesicht, aber auch wie er sich entspannt. „Okay“, unterbricht er meine Aufzählung und richtet sich direkt auf. Ich bin überrascht und erleichtert, sodass ich stillschweigend dabei zusehe, wie er seinen Laptop und seine Unterlagen einpackt, während das Echo meines Herzschlags wie Blitzgewitter durch meinen Körper fegt. Die Ruhe der Bibliothek verstärkt mein inneres Gefühlschaos und macht es lauter als mir lieb ist. Als er mit allem fertig ist, lächelt er und ich kämpfe gegen den inneren Breakdown. Wieso bin ich eigentlich nervös? Das ist nur Kain. Ich nicke dümmlich als er mich erwartungsvoll ansieht, deute Richtung Ausgang und drehe mich direkt um. Wir durchwandern die Gänge mit der vorgeschriebenen Schweigsamkeit und ich nutze die Zeit, um mich selbst etwas besser zu sortieren. Als wir das Hauptgebäude verlassen, liegt mein Puls noch immer weit über der Norm, trotzdem fühle ich mich gefestigter. Unbeirrt steuere ich das Café di Santos an und ignoriere Kains fragende Blicke. Wie gewohnt betrete ich das Café, ohne Kain groß irgendwelche Erklärungen zu geben. Doch statt wie immer direkt zum Tresen zu gehen, suche ich uns einen Tisch am Fenster und lasse mich auf den Stuhl mit dem Blick zu Luci fallen. Eine ihrer Augenbrauen hebt sich in die Höhe als sie mich bemerkt, doch sie kassiert ruhig den Kunden ab. Kain schaut sich ungeniert um, während er sich die Jacke von den breiten Schultern zieht und sie auf die Rückenlehne des Stuhls hängt. Er folgt meinem Blick, sieht zu Luci und danach zurück zu mir. Luci füllt gerade eine Waffel mit einer gigantischen Kugel Eis und ich könnte schwören, dass die Kugel größer ist als der Kopf des Kindes selbst. Ich bin neidisch. „Hübsch hier...“, teilt mir Kain mit und ich löse meinen Blick. Diesmal lasse ich mich nicht ködern. „Und lecker...“, erwidere ich ohne zu zucken. Wir sehen uns an, bis Kain lächelt und ich daraufhin meinen Blick abwende. Der Punkt geht an ihn. „Was kannst du empfehlen?“ „Eis“, sage ich schlicht. Ich esse selten etwas anderes hier. „Wow! Wären doch alle unserer Kunden so preisend, wie du... wir hätte schon ein Franchise...“, ertönt es trocken aber triefend sarkastisch neben uns. Luci hat sich angeschlichen und fixiert mich mit ihren schönen grünen Augen. Während ich ihr einen verständnislosen Blick schenke, schafft es Kain lediglich drei Sekunden lang, nicht zu lachen. „Wenn du mit all euren Kunden so umgehst, dann kriegst du niemals dein Franchise.“ „Tja, dann wirst du wohl dein Leben lang hier Eis essen müssen.“ „Apropos, langsam müsste ich Rabatt kriegen...“, bemängele ich. „Du kriegst ständig Proben...“ „Ja, deiner vermurksten Testkreationen...“ Wieder durchlebe ich mental das Gorgonzola-Eis-Desaster. Mein Magen dreht sich mehrmals im Kreis und ich lege zur Verdeutlichung meine Hand gegen den Bauch. „Ach, übertreib mal nicht und wenn du jetzt wieder mit dem Käse anfängst, dann garantiere ich dir, dass ich mir noch etwas Schlimmeres ausdenke und den ganzen Kübel an dich verfüttere“, schmettert sie mir kaltschnäuzig entgegen. Sie macht ihrem Spitznamen alle Ehre. „Pff...“, entgegne ich ebenso ungerührt, aber keinen Moment daran zweifelnd, dass sie das umsetzt. „Leberwurst und Kümmel“, kontert sie ruhig. Leberwurst-Eis? Meine Zehennägel kräuseln sich augenblicklich und ich verbiete meinem Gehirn, es sich weiter vorzustellen. Ich wende mich entsetzt von ihr ab und sehe zu Kain. „Ich nehme alles zurück. Das Eis ist nicht gut.“ Ich gestatte Luci, als Sieger aus unserem kleinen Gefecht hervorzugehen, sehe, wie sie sich zufrieden Kain zuwendet und ihn auffällig freundlich anblickt. Dieser schaut noch immer zwischen mir und der kleinen Italienerin hin und her und grinst. „Besser als Kino. Hi, ich möchte auf jeden Fall eine große Tasse Kaffee, schwarz... und ich frage nur ungern, aber habt ihr auch etwas weniger Kaltes?“, bestellt er und beginnt, in der Eiskarte zu blättern. „Klar. Wir haben warmen Apfelstrudel. Wahlweise mit Vanillesoße oder Vanilleeis. Oh! und Sahne.... und selbst gemachten Mandelkrokant...“, sprudelt es enthusiastisch aus ihr heraus. „Du hattest mich bei ´Warm`. Bitte mit Vanillesoße.“ Mich hatte sie bei Strudel. Interessiert nur niemanden. Kain schließt die Eiskarte und lehnt sich zurück. „Und du, Mister Eis-Petete“, stichelt sie und schiebt kokett ihre Hüfte vor, als sie sich mir zuwendet. Ich gestehe mir ein, dass sie heute wieder besonders hübsch aussieht und das Funkeln in ihrem Blick meisterliche Spannung erzeugt, dennoch lasse ich mich davon, nicht ablenken. „Ich nehme das Gleiche nur mit Eis, Miss Leberwurst. Und Tee bitte.“ Kurz fixiert sie mich mit einem kämpferischen Blick, lächelt dann aber und hüpft davon. Ich sehe ihr hinterher und danach zu dem Schwarzhaarigen, der mich auffällig mustert. „Was?“, frage ich, nachdem ich seinen Gesichtsausdruck nicht interpretiert bekomme. „Das hier ist also sowas wie dein Stammlokal, ja?“ Wieder schenkt er mir ein Lächeln. Ich spüre ein feines Kribbeln in meinem Bauch und wende meinen Blick ab. „Wenn du es so nennen willst.“ „Eis ist dein Ding, oder?“, fährt Kain fort und klingt dabei äußerst amüsiert. Ich sehe ihn nicht wieder an, sondern suche mir einen weit entfernten Punkt neben der Eisvitrine. Dort stapeln sich ein paar alte Holzkisten, die mit den Titeln italienischer Eiscafés beschriftet sind. Viele davon wird es sicher gar nicht mehr geben. „Hast du gewusst, dass das Speiseeis in der Form, wie wir es mehr oder weniger heute kennen, eigentlich in China erfunden wurde?“, sage ich dann. „Also im Prinzip wie bei der Nudel“, witzelt er zurück. „Über die Nudel wird noch gestritten“, merke ich an, „Aber beim Thema Eis weiß man, dass es Marco Polo war, der es nach Europa brachte und die Italiener haben es definitiv perfektioniert.“ „Ohne Frage! Woher weißt du sowas?“ „In Bologna gibt es ein wirklich interessantes Eismuseum.“ „Bologna? Du warst echt in Italien?“, fragt er überrascht, während er sich langsam die Pulloverärmel hochkrempelt. „Ja, nach dem Abi war ich ein paar Wochen dort unterwegs und habe mir einiges angesehen.“ „Allein?“ „Sí. Ich hatte eine Liste mit den besten, oder sagen wir eher, den damals besten Gelaterias Italiens und ich bin sie abgefahren. Rom. Florenz. Bologna. Salerno. Ich war auch in Siena. Schöne Stadt. Aber im Sommer ist es einfach viel zu warm.“ Und ich war in San Casciano in Val di Pesa, einer kleinen Gemeinde in der Toskana. Dort habe ich das beste Eis meines bisherigen Lebens gegessen. „Du warst aber nicht in Lucca“, ertönt Lucis Stimme, „Das ist nämlich unsere Heimatstadt und dort stellt mein Onkel das beste Schokoladeneis der Welt her.“ Sie kommt auf unseren Tisch zu, stellt die Tasse Kaffee vor Kain ab und vor mir den Tee. Es ist nicht das erste Mal, dass sie mir deswegen Vorwürfe macht und wird nicht das letzte Mal sein. „Lucca stand nun mal nicht auf meiner Liste und Schokoladeneis ist auch keines meiner Favoriten“ „Ich weiß. Du hast trotzdem etwas verpasst“, erwiderte sie amüsiert, „Eure Strudel kommen gleich.“ Sie umarmt das Tablett, drückt es an ihre Brust und wuselt davon. Diesmal sieht ihr Kain hinterher, doch ehe er etwas sagen kann, hören wir sein Telefon klingeln. Er zieht es hervor, wirft einen Blick auf das Display und seufzt. Er hält den Ausschalter so lange gedrückt, bis es wird schwarz und ohne nachhaken zu müssen, weiß ich, dass es mit Sicherheit die Rothaarige war. Ich suche erneut einen weitentfernten Punkt irgendwo im Raum, den ich anstarren kann, um zu verhindern, dass sich dieses unschöne Gefühl der Eifersucht erneut in mir aufstaut. Es ist zwecklos. Ich greife nach der Teetasse und drehe sie so, dass ich das Etikett ansehen kann. Weißer Tee mit Rosenblüten. Klingt interessant. Ich lasse Luci gern den Tee für mich auswählen, da sie oft neue tolle Sorten haben und sie so gut wie immer meinen Geschmack trifft. Auch diesmal. Der Geschmack des Tees ist sanft, aber dennoch vollmundig. Das Aroma der Rosenblüte öffnet sich beim Abgang. Es ist angenehm und lecker. „Erzähl mir mehr!“, fordert Kain mich nach einem kurzen Moment auf, so als würde er die beginnenden Tiraden hören, die sich nur in meinem Kopf abspielen. „Worüber?“, frage ich noch immer abgelenkt. „Von der Reise.“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es war irre warm und ich aß ständig Eis“, fasse ich meinen vier-wöchigen Trip zusammen. Mittlerweile bin ich ziemlich geübt darin, seitenlang Plot auf nur wenige Sätze zusammenzufassen. Exposé sei Dank wird das ständig von mir verlangt. Kain sieht mich unzufrieden an und zu meinem Glück treffen genau in diesem Moment Luci und die sanft dampfenden Teller ein. Es passiert nicht oft, dass man von einem Apfelstrudel gerettet wird. Sie stellt die mit Sahnehäubchen dekorierten Teller vor uns ab und ich versinke sogleich in den herrlich duftenden Nebel von sanft sauren Apfelaromen, Zimt und buttrigen Strudelteig. Stolz listet sie uns einige der kleinen Raffinessen, wie Muskatnuss und karamellisierter Walnuss auf. Tonkabohne und den speziell eingelegten Rosinen. Während sie uns einen guten Appetit wünscht, stupst sie mir sachte gegen die Schulter und ich merke mal wieder, dass ich im Lesen von Gesichtsausdrücken sondergleichen schlecht bin. Vielleicht bin ich auch nur zu sehr von den tollen Gerüchen abgelenkt und der Tatsache, dass mein Eis schmilzt. Ein Unding für mich. Fast eine Katastrophe. Luci rollt mit den Augen als sie begreift, dass ich es nicht begreife und verschwindet zurück hinter den Tresen. Den Löffel habe ich längst in der Hand, während Kain noch einmal das vorzügliche Aussehen preist. Davon lasse ich mich nicht ablenken und setze das Essbesteck an den sanft gebräunten Teig. Es knuspert leicht, als das Metall die einzelnen dünnen Schichten durchdringt. Feine Bäche von flüssigem Vanilleeis fluten den Bruch, benetzen meinen Löffel. Es rundet den Happen perfekt ab. Ich erahne die herrlichen Geschmacksexplosionen in meinem Mund und schließe die Augen. Ich behalte Recht. Das Aroma der gekühlten Vanille paart sich mit der leichten Säure des Apfels und tanzt mit der nachfolgenden Süße einen abgestimmten Walzer. Jeder Bissen ein neuer Takt. Neue Aromen, welche fließend einander begegnen. Wie Musik in meinem Mund. Der Zimtgeschmack flattert als letztes über meine Zunge und schmeichelt meinem Gaumen. Es ist traumhaft. Wenn ich könnte, würde ich mich nackt in dem Strudel wälzen und schnurren. Und es wäre mir nicht mal peinlich. Auch Kain bekundet sein Wohlgefallen und malt dabei ein weniger unanständiges Bild seiner Fantasien als die in meinem Kopf. Meins ist besser. Er erzählt mir davon, dass er auch schon in Wien welchen verköstigen durfte, der ebenfalls großartig schmeckte. Aber eben anders. Er hat keine Nüsse. Nicht mal Mandelsplitter. Meine Sympathie tendieren zu den Apfelstrudeln al a di Santos. Ich kenne nur noch den meiner Oma, der einen geradewegs in einen Rauschzustand versetzt, weil darin nicht nur die Rosinen beschwipst sind. Lange hatte ich nicht verstanden, wieso Mama mir und Lena jedes Mal ein Eis in die Hand drückte, wenn Oma mit Apfelstrudel zu Besuch kam. Mit 15 Jahren lernte ich es auf die harte Art. Kain macht nach etwas mehr als der Hälfte schlapp. Er greift nach seinem Kaffee und lehnt sich zurück, während ich bereits die letzten verräterischen Vanillespuren von meinem Teller kratze. Der Anblick macht mich traurig. „Wirklich gut, aber ein saftiges Steak mit Folienkartoffel ist mir lieber.“ „Dem möchte ich widersprechen...“, sage ich schlicht und ziehe mir Kains Dessertteller heran. Widerstandslos wohlgemerkt. Mein Löffel wandert ohne zu zögern in die buttrig apfelige Süßigkeit und ich sorge dafür, dass der geklaute Happen umfassend mit der Vanillesoße benetzt ist. „Natürlich möchtest du das“, erwidert Kain neckisch, trinkt den letzten Schluck seines Kaffees und steht auf, „Ich brauche noch einen. Möchtest du auch noch etwas?“ Ehe ich verneine, stecke ich mir den vollen Löffel in den Mund und schüttele dadurch auch nur den Kopf. Ich versinke erneut in der Herrlichkeit des Strudels und mir ist völlig egal, dass er mich in diabetische Abgründe zieht. Mit einem weiteren Happen sehe ich zu Kain, der bei Luci am Tresen steht und mit ihr darüber philosophiert, was den perfekten Kaffee ausmacht. Das Attribut `Italienisch` ist ein Teil davon. Jedenfalls wenn es nach der italienischen Schönheit geht. Kain ist scheinbar anderer Meinung und ich schaue den beiden einen Moment lang dabei zu, wie sie enthusiastisch ihr Wortgefecht führen. So lange, bis das Handy in meiner Hosentasche klingelt. Ich pfriemele es hervor und erkenne die Nummer meines Elternhauses auf dem Display. Es kann nur meine Mutter sein und ich zögere ein weiteres Klingeln lang damit, ranzugehen. „Hey“, sage ich schlicht, als ich den Anruf bestätige, mich zurücklehne und die Beine übereinanderschlage, damit ich mit meinem Fuß wackeln kann. „Mein Sohn“, begrüßt sie mich überschwänglich, „Mein Geburtstagskind, wie schön, dass ich dich heute doch erreiche.“ „Entschuldige, aber aus irgendeinem, mir vollkommen unerfindlichen Grund mögen es die Dozenten nicht, wenn wir in der Vorlesung telefonieren“, kontere ich wie gewohnt und bekomme wie immer einen liebgemeinten Rüffel. Sie muss nicht wissen, dass ich mich zur Vorlesung gar nicht aufraffen konnte. Danach ruft sie leise Lenas Namen und ich höre ein verdächtiges Rumpeln und wenig später die vertraute tiefe Stimme meiner Schwester. Unwillkürlich wandert mein Blick zum Verkaufstresen und Kain, der gerade eine schraubende Geste mit der Hand macht und energisch irgendwelche Erklärung darbietet. Lucis Blick ist freudig unbeeindruckt. Am anderen Ende der Leitung vernehme ich ein Raunen. „Nicht singen“, entflieht mir noch verzweifelt, doch ich kann es nichts mehr verhindern. Ich höre den beiden dabei zu, wie sie mir beschwingt ein Ständchen bringen und presse das Telefon dichter an mein Ohr in der fadenscheinigen Hoffnung, dass das Gesinge dadurch weniger nach außen dringt. Mit einem zurückhaltenden Blick sehe ich erneut zu Kain. Diesmal schaut er zu mir, lächelt und winkt neckend. Mein gut gefüllter Magen wird flau und das sonst so ruhige Ding in meiner Brust nimmt weiter an Fahrt auf. Ich werde ihm gegenüber immer schwächer und ich kann nichts gegen diese Abwärtsspirale tun. Am heutigen Tag bin ich sowieso machtlos. Jedes Jahr aufs Neue und mit stets unterschiedlichen Ausprägungen. Manchmal will ich nicht mal aufstehen, denn ich kann die gut gemeinten Freudensprünge von Außenstehenden einfach nicht ertragen. Am anderen Ende der Leitung folgen Glückwünsche und sanfte Sticheleien, die mich daran erinnern sollen, wie sehr sie mich lieben. Das dumpfe Gefühl in meiner Brust verweilt, denn ich weiß, dass jedes Wort in Gedanken auch für René gedacht ist und ich wünschte, er könnte sie selbst hören. Ich bedanke mich brav bei den beiden verrückten Frauen und versichere ihnen, dass ich mir Mühe gebe, einen schönen Tag zu haben. Danach lege ich auf. Genau im richtigen Moment. „Die Kleine ist echt tough“, flüstert Kain und setzt sich mit einer winzigen Tasse in der Hand zurück auf seinen Platz, während ich mein Handy zurück in die Hosentasche schiebe. „Das muss sie auch sein. Um Eis zu verkaufen, brauchst du eigentlich einen Waffenschein. Und sag nicht Kleine, sie verarbeitet dich ohne zu zucken zu Sorbet." „Glaube ich ungesehen.“ Kain grinst, führt sich den Kaffee an die Lippen und nippt. Genaugenommen ist es ein Espresso und ich sehe mit hochgezogener Augenbraue dabei zu, wie er den bitteren Minikaffee in seinem Rachen verschwinden lässt. „Dein Wievielter ist das?“ „Espresso? Der Erste. Kaffee...mhhm...“ Kain tippt mit dem Zeigefinger der rechten Hand gegen den kleinen Finger der anderen und danach noch ein paar Finger weiter. Dabei brummt er wohlig. Diese Kaffeeenthusiasten. „Du willst heute nicht mehr schlafen, oder?“, frage ich, bevor er mit Zählen fertig ist. „Schlaf wird überbewertet. Außerdem schlafe ich trotzdem wie ein Baby...“ Kain setzt ein weiteres Mal die Tasse an, um die letzten Tropfen raus zu kitzeln. „Du Glücklicher.“ Ich habe noch niemals wie ein Baby geschlafen. Außer als Baby. „Der Trick ist regelmäßige Bewegung.“ „Erspar mir das“, erwidere ich ungerührt. Ich bewege mich regemäßig zur Toilette. Das reicht vollkommen. Kain grinst wissend, leckt sich über die Lippen und wirkt zufrieden. „Wer war das am Telefon?“, erkundigt er sich. „Meine Mutter“, antworte ich wahrheitsgetreu, nachdem ich andere, eher dümmliche Kommentare aus Ernüchterung heraus ausschließe. Mir ist nicht nach Spielchen und wir hatte heute bereits eine Auseinandersetzung. Ich will keine weitere, denn mein Karma ist mies genug. „Mitten am Tag? Na, meiner würde ich ja was erzählen.“ „Besser als ein Anruf sieben Uhr morgens. Das schafft meine Mutter sonst immer.“ Ich schüttele verständnislos den Kopf, weil ich mich an eine Zeit erinnere, in der sie es regelmäßig fertig gebracht hat, mich um diese Uhrzeiten anzurufen. Um sich zu versichern, dass ich lebe. Lebe! Ich weiß bis heute nicht, wie sie darauf kommt, den Zustand vor zehn Uhr morgens bei Studenten lebendig zu nennen. „Und was wollte sie? Wissen, ob du genug Vitamine zu dir nimmst? Das kann ich nämlich mit Keinesfalls beantworten.“ „Haha. Witzbold, als ob du wesentlich gesünder lebst. Aber das nächste Mal darfst du gerne das Gespräch übernehmen. Dir glaubt sie wahrscheinlich sowieso mehr als mir. Und nein, es war nur das Übliche. Sowas wie wann bin ich Weihnachten zu Hause? Was will ich essen? Wieso habe ich darauf noch keine Antwort, obwohl es noch Wochen hin ist?“, echoe ich die letzten Minuten des Telefonats nach. „Sträflich. Ganz klar, gebeizter Lachs mit Fächerkartoffeln und Sahnemeerrettich.“ „Dekadent. Wir essen Kartoffelsalat. Jedes Jahr wohl gemerkt. Demnach ist die Frage nach den Essenswünschen obsolet.“ „Tja, irgendwas Gutes müssen Familienfeiern ja haben“, erwidert Kain seltsam sarkastisch und obwohl er es ohne Zurückhaltung sagt, kann ich das Unbehagen in seinen Augen erkennen. „Apropos, wie geht es deiner Schwester?“ Eine geschmeidige Überleitung ist anders, aber dafür ist mein Interesse ehrlich. „Wie geht es deiner?“, kontert er, statt zu antworten. „Ich nehme an, satt und zufrieden. Lena hat noch Ferien“, gebe ich salopp von mir und reagiere damit kaum auf die kleine Provokation. Kain schnauft heiter auf und ich fühle mich erleichtert. Ich erzähle ihm davon, dass meine Schwester nur zwei Zustände kennt. Hunger oder schlecht. Wobei ersteres den Hauptanteil ausmacht. Nach zwei weiteren Anekdoten wiederhole ich meine vorige Frage. „Also, wie geht es deiner Schwester?“ Diesmal weicht er mir nicht aus. „Ich weiß es nicht genau. Ich konnte schon eine Weile nicht mit ihr sprechen. Sie haben ihre Medikation umgestellt und das... das ist immer schwierig. Es ist ein ewiges Auf und Ab.“ Kain greift erneut zu der kleinen Tasse, die in seinen Händen seltsam verloren aussieht. Sie wandert von links nach rechts, bis er sie komplett umfasst. Für einen Moment wirkt es, als würde er die Luft anhalten und danach langsam und bedeutsam wieder ausstoßen. Er lächelt. Ein Lächeln voller Verletzlichkeit. „Ich hoffe, dass sie sich bis Weihnachten so weit gefangen hat, dass ich sie besuchen kann. Ihr Geschenk habe ich schon.“, fährt er enthusiastisch fort und das Lächeln erreicht endlich auch seine Augen. Nachdem auch Kains Apfelstrudel in meinem Magen gewandert ist, bleibt nur noch der mittlerweile kalte Tee, den ich trinke, während Kain sich kurz verabschiedet. Ich beobachte Luci dabei, wie sie tüchtig eine kleine Schlange an Kunden abarbeitet und lächelnd dieses grandiose Eis verteilt. Für eine Kugel Zitronensorbet hätte ich noch Platz. Als Kain zurückkommt, verschwinde auch ich noch mal zur Toilette und bezahle danach bei der kleinen Italienern, während der Schwarzhaarige draußen auf mich wartet. „Du hast noch nie jemanden mitgebracht, außer Karamell-Macchiato mit extra Sahne“, sagt Luci und lächelt verschwörerisch, während sie zu Kain nach draußen schaut. Sie meint Brigitta mit ihrem Standard-Diabetes-Getränk. Sie ist mittlerweile ebenfalls Stammgast, denn sie kommt immer her, wenn sie in der Stadt ist. Auch ohne mich. Das hat mir Luci irgendwann einmal verraten. „Und extra Karamell, nicht vergessen!“ „Wie könnte ich! Also Kain, ja?“, hakt sie nach und ich bin mir noch nicht sicher, worauf ihre Frage abzielt. „Was soll ich sagen? Ich denke ´Kaffee schwarz´ entspricht mehr meinem Image“, erwidere ich im Sinne des Getränkevergleichs und kann nicht verhindern, dass meine Mundwinkel verräterisch zucken. „Kaffee schwarz also, ist auf jeden Fall ebenso bitter“, erwidert sie mit einem seltsamen Unterton, den ich nicht deuten kann, „Oh, warte... du musst noch etwas kosten.“ „Ich bin mir nicht sicher, ob ich nach dem vorigen Gespräch noch irgendwas kosten will“, rufe ich ihr nach, als sie in die Küche verschwindet und weiß zu hundert Prozent, dass sie meisterlich die Augen verdreht. Ich lehne mich auf den Tresen, während ich darüber philosophiere, was genau sie eben meinte. Bitterkeit im Sinne meiner präferierten Stimmung? Oder ist die Tatsache, dass ich Kain mit hierher gebracht habe, zu offensichtlich? Aber wie sollte sie auf derartige Schlüsse kommen? Oder hat sie noch immer Gefühle für mich? Nein, Luci ist zu schlau, als dass sie diesem Wahnsinn nachhängt. Noch dazu sind Jugendliche viel zu wankelmütig. Mein Gedankenwirrwarr endet, als zwei Holzstäbchen in meinem Blickfeld auftauchen, welche beide mit einer cremigen, weißen Eismasse garniert sind. Eines hat kleine schwarze Punkte. Neugierig greife ich nach dem Stäbchen und schnuppere, ehe ich ihn mir in den Mund stecke. Meine Zungenspitze kitzelt, als sich feine Säure darauf ausbreitet. Sie mündet im sanft milchigen Aroma und entfaltet einen Hauch von nussigem Kokos, der die Seitenstränge meiner Zunge wärmt. Es ist fantastisch und wird noch besser, als sich beim Abgang am Gaumen das Bukett von Sesam entfaltet. Griechischer Joghurt, Kokos und schwarzem Sesam. Raffiniert. Jede Nuance stimmt. Luci schaut mir gespannt zu und es fällt mir fast schwer, mein Pokerface aufrecht zu erhalten. Das andere ist schlichtes Joghurteis, was ich schon durchs Riechen erkenne. Sie denkt wirklich, sie kann mich reinlegen. Letztendlich leckt sie das Eis selbst vom Spatel und streckt mir die Zunge raus. Wir lachen beide. Ich lobe die Kreation ausgiebig und ich mache mich danach auf den Weg zu Kain, der brav draußen wartet. Als ich die Tür öffne, schaut er mir mit einem unlesbaren Gesichtsausdruck entgegen und ich stoppe in meiner Vorwärtsbewegung. „Was ist?", frage ich von seinem Blick irritiert. Kain braucht einen Moment, um sich aus seinen Gedanken zu winden und schüttelt grinsend seinen Kopf. „Nichts... Ich bin einfach immer wieder überrascht." „Wovon?" „Von dir“, entgegnet er schlicht, schiebt seine Hände in die Taschen seiner Jacke und läuft los. In diesem Moment weiß ich nicht, ob es gut oder schlecht ist und die Tatsache, dass er keine weitere Erklärung beifügt, hinterlässt ein eigenartiges Gefühl in meiner Brust. Erst nach ein paar Metern bemerkt er, dass ich ihm nicht folge und bleibt stehen. Er dreht sich um, lächelt und macht eine auffordernde Geste in meine Richtung, der ich folge. Ich hake nicht sofort nach, sondern genieße die leicht kühle Brise auf meiner Haut und ertappe auch Kain mehrere Male dabei, wie er die Augen schließt und summt. Den Weg vom Café zum Campus könnte ich im Schlaf gehen und normalerweise interessiert mich die Umgebung herzlich wenig. Doch diesmal bleibe ich unwillkürlich stehen, als ich auf einer der vielen Rasenflächen, die die Uni umgeben, mehrere kleine Laubhaufen entdecke. Es zwingt mich förmlich dazu. Es ist so trivial und doch; der Schmerz in meiner Brust ist messerscharf. Ein Moment. Ein Stich. Erst als ich das feine Knirschen des Kieses unter Kains Füße neben mir höre, lässt mich das Gefühl so weit los, dass ich es schaffe, mich zu konzentrieren. „Hm?“ Ich weiß nicht mal, ob er etwas gesagt hat oder nicht. „Es ist kalt geworden. Alles okay?“, äußert Kain salopp, scheint den ersten Teil sogar wiederholt zu haben. Er reibt auffällig seine Hände aneinander und pustet sich effekthascherisch in die Handflächen. Dann zwinkert er. Dieser Clown. Es sind 18 Grad und das ist mitnichten kalt. „Oh ja, arktisch“, erwidere ich sarkastisch. Seine Frage nach meinen inneren Wohlbefinden lasse ich unbeantwortet und gehe stattdessen weiter. Er folgt mir ins Wohnheim und das, obwohl er gar nicht weiß, dass Jeff heute nicht zurückkommt. Es lässt diese feinen, tiefgehenden Vibrationen in meinem Inneren entstehen. Sie bringen Vorfreude, Erregung und Zufriedenheit mit sich. Es fühlt sich gut an und in diesen Momenten rückt die schwelende Trauer sogar ein wenig in den Hintergrund. Mit Kain fühle ich mich wohl und das weiß ich nicht erst seit heute. Im Zimmer angekommen ziehe ich mir die Jacke aus, werfe sie auf meinen Schreibtischstuhl und streife mir mit den Füßen die Schuhe ab. Sie bleiben unaufgeräumt liegen, wie sie sind. Ich schnaufe leicht auf. Mittlerweile hat auch mein Sättigungsgefühl eingesetzt und ich streichele mir mit der Hand den Bauch. Erst über, dann unter dem Pullover und schließe die Augen. Ich öffne sie erst wieder, als ich Kain hinter mir spüre und er seine Hand zu meiner legt. „Wirklich alles okay?“, erkundigt er sich leise. Nur seine Fingerspitzen bewegen sich über meine Haut. „Was genau meintest du eigentlich vorhin?“, frage ich retour, statt selbst zu antworten. Kain sieht mich erstaunt an. „Grübelst du darüber die ganze Zeit?“, stichelt er und knufft mir sanft in die Seite. „Obwohl... wenn ich so drüber nachdenke, bist du schon seit du in die Bibliothek gekommen bist ungewöhnlich ruhig und zahm.“ „Zahm? Ich bin doch kein wildes Tier“, fechte ich prompt an und mache einen Schritt nach vorn, doch Kain zieht mich direkt wieder zurück. Er kichert tief und das lässt meinen Bauch ungewöhnlich intensiv kitzeln. „Doch ein Wildspatz.“, witzelt er angespornt. Wieder gebe ich nur einen abschätzigen Laut von mir. „Man könnte meinen, du gewöhnst dich langsam an mich.“ „Vielleicht“, erwidere ich ruhig und durch die Hand an meinem Bauch seltsam gebändigt. Die Wärme, die sie ausstrahlt, dringt tief in mich ein und das mag mein Magen. „Vielleicht“, wiederholt Kain hoffnungsvoll, „Im Robin Tempo.“ Eine weitere kleine Provokation, die mehr oder weniger dank seines liebevollen Tons gänzlich verpufft. Ich drehe mich zu ihm und schenke ihm einen deutlichen Blick, der ihn jedoch wenig beindruckt. Er neckt mich weiter und sein Ideenreichtum scheint schier unbegrenzt. Ich sehe dabei zu, wie seine Lippen die Worte formen. Jedes einzelne. Doch ich höre sie nicht. Nicht wirklich. Ich will seine Lippen berühren, ihr zartes, vertrautes Aroma schmecken und allein der Gedanke daran lässt meine Lenden aufgeregt kitzeln. „Ich kann auch anders“, flüstere ich. Meine Hand legt sich an seine Brust, aber nicht, um ihn zu stoppen. Ich lasse sie wandern, streiche über das dünne T-Shirt zu seinen Schultern und wieder tiefer zu seinem wohldefinierten Bauch und höre, wie sein Redefluss langsam versiegt. „Ach wirklich?“, erwidert Kain neugierig, „Zeig´s mir...“ Mit einer schnellen wissenden Bewegung öffne ich seinen Hosenknopf und sehe ihn direkt an. Wir waren nie subtil, wenn es um Sex ging und ich fange sicher nicht damit an. Das ist immerhin das Einzige, worin ich mir wirklich sicher bin. Der Sex mit ihm ist fantastisch und mein Körper längst süchtig. Ohne Zweifel. Meine Fingerspitzen treffen auf die Hitze seines Körpers. Ich entspanne mich mehr und mehr bei der vielversprechenden Vorstellung, jeden Millimeter dieser wohltuenden Wärme erkunden zu können. Sie kosten zu können und zu schmecken. Es wird nie langweilig. Nicht in der Realität und nicht in der Fantasie. Ich lasse meine Hand über seinen Unterbauch wandern, während Kain die unausgesprochene Einladung nutzt und mich noch etwas näher zieht. Ich male neckend kleine Kreise um seinen Bauchnabel, kraule die Härchen unterhalb und spüre, wie er wegen des Kitzels sachte die Luft anhält. Manchmal finde auch ich Spielereien gar nicht so schlecht. Kains Hände gleiten meinen Rücken hinab und stoppen an meinen Hintern. Er packt zu und ein animierendes Keuchen perlt über meine Lippen. Sein Mund trifft die Stelle unterhalb meines Ohres. Ein weiterer Kuss liebkost die empfindliche Beuge zu meiner Schulter. Sie ist weich und willig. Er weiß es zu nutzen. Erst sind es nur tausende flatternde Küsse, dann ein sanfter Biss gefolgt von gekostetem Saugen. Ich lasse es geschehen und meine Nervenenden vibrieren sogleich im Einklang mit der entflammten Erregung. Ich keuche auf, um ihm zu zeigen, wie sehr es mich antörnt. Dann küsst er meine Wange, in der Nähe meines Mundwinkels, nippt an meinen Lippen, als schmecke er die letzten Reste der herrlichen, warmen Süßigkeit, die wie zuvor genossen haben. Es ist zu sanft. Zu verspielt. Zu liebevoll. Ich will mehr und ich will es schneller. Ich schnappe energischer nach seiner Unterlippe als er zu einem weiteren Kitzelkuss ansetzt und erhalte die erhoffte Reaktion. Kain packt mich fester, drückt seine starken Finger tief in das feste Fleisch meines Pos. Ich raune meine deutliche Zustimmung und der nächste Kuss ist wild und leidenschaftlich. Mein Becken presse ich gegen seines, spüre die Härte seines Schwanzes deutlich durch den Stoff der Hose hindurch. Es erregt mich nur noch mehr. Schauer für Schauer wächst das Verlangen in mir und mit jeder vergehenden Sekunde verabschiedet sich mein Verstand weiter in diese lustvollen Tiefen. Wieder drücke ich meine Lende gegen seine. Rhythmisch. Verlangend. Er keucht auf und löst den Kuss. Diesmal macht Kain einen Schritt zurück und zieht mich sogleich mit. Wir nehmen die Richtung, die ich will und die ich ersehne. Kurz bevor wir bei meinem Bett ankommen, nimmt er erneut meinen Mund in Besitz und ich erwidere den Kuss ebenso enthusiastisch. Seine Zunge ist forsch und hitzig und der Kuss damit eher unordentlich. Es ist mir egal. Ich giere nach dem Geschmack seiner Lust und lasse meine Hände diesmal hinten in seine offene Hose gleiten. Genießerische packe ich die festen, perfekten Rundungen seiner Kehrseite und grinse verschmitzt in den Kuss. Kain löst sich von mir und starrt zunächst auf meine leicht geröteten Lippen, ehe sich seine Augenbraue hebt. „Seite 234“, raune ich zur Erklärung. Es dauert einen Moment, doch dann begreift er, welche Stelle im Buch ich meine. Es ist nur in einem Flackern in seinem Blick, eine kurze Verunsicherung, die mir vollkommen reicht. Es war nur eine Neckerei. Für die Seite 234 ist er nicht bereit und das ist vollkommen okay für mich. Noch hadert er mit einer verbalisierten Antwort und leckt sich über die Unterlippe. Als gespielte Reaktion darauf schubse ich ihn vorsichtig aber deutlich zurück, sodass er mit einem Schritt zurück bereits den Bettrahmen berührt. Als er diesen spürt, lässt er sich prompt fallen und positioniert sich aufreizend mit weit geöffneten Beinen auf dem Bett. Der geöffnete Hosenschlitz zieht sich dabei nur noch weiter auseinander und offenbart seine bereits deutliche Härte, die sich gierig durch den dünnen Stoff seiner Shorts hervordrückt. Ich schließe schnell zu ihm auf, bleibe zwischen seinen Beinen stehen und grinse lustvoll auf ihn hinab. Seine Hände packen meine Hüfte, suchen ihren Weg unter mein Oberteil und legen blanke, willige Haut frei. Ich lasse mich auf seinem Schoss nieder, ohne den Kuss zu unterbrechen und drücke Kain forsch in die Laken. „Autsch...“, entflieht es ihm gegen meine Lippen und er drückt uns wieder hoch. Kain greift hinter sich und zieht das von Jeff platzierte Präsent hervor. Boden öffne dich. Das habe ich komplett vergessen. Er beäugt es verwirrt und ich beiße mir verräterisch auf die Unterlippe. Wenn mich Jeffs Quatschgeschenk nun den Sex kostet, dann gibt es Tote. „Sollte ich etwas wissen?“ Seine Frage zielt vor allem auf die Kondome ab, die wir schon lange nicht mehr benutzen und weniger auf das Gesamtpaket. „Nur dass Jeff ein verdammter Scherzkeks ist“, sage ich lediglich, nehme ihm schnell die Utensilien aus der Hand. Mit einem kurzen Blick lasse ich das Gleitgel neben uns fallen und werfe die Kondome achtlos Richtung Nachttisch. „Das reicht. Wie wäre es mit weniger Reden und mehr Ausziehen“, fahre ich ungeduldig fort, setze mich auf und zerre an seiner Jeans. Kain umfasst meine Handgelenke, stoppt damit mein Tun und zieht mich zu sich herunter. Ein kurzer, neckender Kuss trifft meine Lippen. Er brummt sanft und zu meinem Glück nicht weniger angeheizt als zuvor. „Ich stehe drauf, wenn du so wild aufs Ficken bis“, sagt er unverblümt und grinst selbstbewusst, „Bleibst du in der Position?" „War der Plan. Was dagegen?", raune ich provokativ zurück. „Absolut nicht." Im selben Atemzug ziehe ich ihm das Shirt über den Kopf. Es bleibt zunächst an seiner Nase hängen. Giggelnd zerre ich an dem Stoff und küsse sie daraufhin entschuldigend, als sie endlich samt Restkain auftaucht. Er blinzelt irritiert und zieht einen Flunsch, der ebenso schnell weggeküsst ist. Danach lasse ich meine Augen über die festen Muskeln seines Bauches wandern, studiere jede Senke, jede Erhebung. Jede noch so winzige Beschaffenheit seines guttrainierten Körpers. Da er es nicht mehr so zum Training schafft, sind seine Muskeln nicht mehr so messerscharf, wie im Sommer, aber es stört mich nicht. So finde ich es sogar schöner. Kain unterbricht meine Inspektion, indem er sich aufsetzt. „Weniger gucken, mehr anfassen“, flüstert er. Es soll mich necken, doch es klingt säuselnd und damit eher flehend. Er selbst giert nach der Berührung, will sie geben und entgegennehmen. Ich weiß schon länger, dass er nicht der Typ fürs reine Ficken ist und obwohl ich immer glaubte, genau das Gegenteil zu wollen, genieße ich jedes Bisschen seiner Berührungen. Ich ziehe mir ohne zu zögern den Pullover über den Kopf und spüre sogleich Kains Hände auf meiner Haut. Sie sind warm, wissend und die raue Beschaffenheit seiner Handflächen lässt wie jedes Mal einen Schauer der Vorfreude durch meinen Körper peitschen. Ich setze mich mehr auf, sodass ich mich auch der Hose entledigen kann und bemerke mit Genugtuung, dass der andere Mann bereits an meinem Hosenknopf zu pfriemeln beginnt. Er beugte sich vor und seine Lippen treffen eine kitzelige Stelle meines linken Rippenbogens. Er küsst sie erneut und erfreut sich sichtlich an der Gänsehaut, die sich über meine Brust zieht. Danach lässt er zu, dass ich meine Hose ausziehe und sie achtlos vom Bett schubse. Ich warte bis auch Kain den letzten nervigen Rest seiner Kleidung losgeworden ist und kehre auf seinen Schoss zurück. Ich greife nach der ungeöffneten Tube Gleitmittel und drücke sie Kain in die Hand. Er lässt ohne zu zögern etwas der geligen Substanz auf seine Hand tropfen und zerreibt sie zwischen Daumen und Fingern. Es wirkt fast frivol, als er dabei über seine Lippen leckt und danach über seine Unterlippen schabt. Ich wünschte, ich konnte seine Gedanken lesen und dasselbe Bild vor Augen haben, wie er in diesem Moment. Ob es so intensiv ist, wie es meine immer sind? Vielleicht sind sie noch besser. Kains Daumen streicht hauchzart die Unterseite meiner Erregung entlang und lockt mich zurück in die wahrgewordene Fantasie. Die gesamte Länge erkundet er und als er an meiner Eichel ankommt, zucke ich ihm gierig entgegen. Ich will keine Spielereien und sehe auf. Fast sofort vergesse ich jeden Protest. Kain sieht mich direkt dabei an, beobachtet jede winzige Regung in meinem Gesicht und allein dieses Wissen lässt eine Welle der Erregung durch meinen Körper rollen. Sein Blick ist so intensiv, so tief und ich spüre ein berauschendes Kitzeln. Er saugt jeden Laut, den ich mache, gierig in sich ein. Ich erschaudere erneut, als sein Daumen über den empfindlichen Spalt der feuchten Spitze reibt. Es ist ihm ein absoluter Spaß und ich würde Lügen, wenn ich verneine, es zu mögen. Es fühlt sich gut an. „Hast du Spaß?“, frage ich und erzittere leicht vor Erregung, als er erneut federleicht das zarte Fleisch berührt. Kain sieht auf und grinst. „Hab ich...“, antwortet er verschmitzt, „Sehr viel.“ Damit umfasst er mich komplett und ich stöhne sogleich auf. Seine Hand um meinen Schwanz fühlt sich grandios an. Noch besser wären seine Lippen, keine Frage, aber auch das ist schon unglaublich berauschend. Kain hat schnell das perfekte Tempo entdeckt, um mich wahnsinnig zu machen, aber nie zu quälen, während mich die Finger der anderen Hand an anderer Stelle bespaßen. Mittlerweile empfinde ich auch bei der Vorbereitung genügend Freude, sodass seine Ablenkungen kaum noch nötig sind. Aber wieso sollte ich diese herrliche, warme und perfekte Hand ablehnen, die so wunderbar meine Eichel stimuliert? Kain keucht leise und stetig mit. Es ist berauschend und sinnlich. Hin und wieder entflieht ihm ein wohliges Raunen, welches sich auf meinen Körper legt, wie ein prickelndes Tuch der Erregung. Ich will mehr. Ich will alles. Aber vor allem will ich ihn spüren. Ich lasse meinen Hintern provokativ über ihm kreisen, streife mehrmals seine Härte und merke, wie er mich automatisch in Position zieht. Kain küsst die Mitte meiner Brust, trifft das untere Ende meines Sternums und greift ein letztes Mal nach dem Gleitgel. Ich positioniere mich bereits dicht über ihm, necke und nippe. Es wäre so leicht, mich einfach nieder zu lassen. Das mittlerweile warme Gel landet vor Ungeduld überall zwischen uns, aber das ist uns egal. Unser Stöhnen erfüllt den Raum und ich gönne mir nicht so viel Zeit wie sonst, um mich an seine Größe zu gewöhnen. Ich will ihn einfach spüren und senke mich schnell auf seinen Schoß. Kain keucht meinen Namen und ich stoppe jeden Protest mit einem hitzigen Kuss. Kurz lecke ich neckend über seine Lippen und lehne mich dann zurück, sodass ich mich mit einer Hand auf seine Oberschenkel abstütze. Schon dabei beginnt mein Becken zu rotieren. Erst sanfte, tiefe Kreise. Doch sie werden stetig schneller. Ich genieße das Gefühl. Die Reibung. Die Momente, wenn er tief in mir diesen gewissen Punkt trifft. Der Winkel ist nicht perfekt, doch schnellstmöglich zu kommen, ist und war nie mein Hauptanliegen. Mit Kain wollte ich beim Sex immer mehr. Er keucht wohlig auf und ich ertappe ihn dabei, wie hin und wieder sein Becken hochzuckt und er damit meinen Rhythmus durcheinander bringt. Nach einem Moment setzt er sich auf, drückt mich fest in seinen Schoss und lässt seine Hände über meinen Rücken gleiten. Seine streichelnden Spielereien stoppen an meiner Kehrseite. Er greift fest und massierend zu, zieht meine Pobacken auseinander, um sich noch etwas tiefer in mich hinein zu senken. Kains genießerisches Stöhnen entflammt meine Begierde nur noch mehr. Die Position haltend, presst er mich an sich und stößt ruhig und tief zu. „Mehr...“, flüstere ich atemlos, denn das ruhige Tempo macht mich wahnsinnig. Mehr bringe ich jedoch nicht zu Stande. Es ist zu intensiv, zu heiß. Alles in mir brennt, kribbelt und giert. Kain sieht auf und unwillkürlich öffne ich meine Augen, um ihm entgegen zu blicken. Fordernd fasse ich zwischen uns und beginne mich selbst zu pumpen. Der Druck in meinen Lenden nimmt stetig zu. Ich spüre die Reibung, die Hitze, die Erregung und schließe erneut meine Augen. Es dauert einen Moment bis ich merke, dass die stoßenden Bewegungen nachlassen, so sehr bin ich mit der ansteigenden Spannung meines eigenen Körpers beschäftigt. Keuchend sehe ich zu Kain. Wie gebannt starrt er auf meine flinke Hand. Der feste Ring meiner Finger reibt über das heiße Fleisch meines Schwanzes. Mein Daumen streicht stimulierend über die feuchtglänzende Eichel. Das leichte Kreisen macht es noch intensiver. Ich genieße die Berührungen, weiß genau, wie ich meinen Körper bespielen muss. Ich neige meinen Kopf in den Nacken und gebe ein tiefes Stöhnen von mir, welches über meine Lippen perlt, wie befriedigender, köstlicher Nektar. Kain beobachtet mich. Ich spüre seinen Blick in mich eindringen. Er scheint jeden Ton in sich aufzusaugen, jeden noch so kleinen Laut, als würde ihn das bereits befriedigen. Ich brauche nicht lange, um mich selbst zum Höhepunkt zu treiben, doch als ich spüre, wie ich kurz davor bin, hindere ich mich am Kommen. Kain sieht genau dabei zu, wie sich meine Finger fest unterhalb meiner Eichel zusammendrücken. Sein verklärter Blick lässt meinen Körper zusätzlich pulsieren und stößt mich fast doch noch über diese unsichtbare Grenze. Erst als der übermäßige Druck nachlässt, entferne ich meine Hand und beginne mein Becken neckisch und auffordernd zu kreisen. Sein wohliges Stöhnen ist pure Genugtuung. „Das gefällt mir...“, keucht mir Kain entgegen, als er mit seinen Händen meine Seite entlang fährt und mich an der Hüfte packt. Sein fester, bestimmter Griff lässt mich erschaudern. Er zieht mich in einen Kuss und beginnt im selben Moment mit einem neuen, schnelleren und intensiven Rhythmus, der es unmöglich macht, den Kuss fortzusetzen. Haut auf Haut. Wir keuchen und stöhnen. Erfüllen den Raum mit allerhand lüsterner Geräusche. Ich stütze mich über ihm ab, sodass er genügend Freiraum für seine befriedigenden Stöße hat und bringe mich dann selbst zum Höhepunkt, der Kain fast zum selben Zeitpunkt mitreißt. Er versenkt sich noch tiefer in mir, als er kommt, presst seine Fingerkuppen in eine weiche Stelle meines Pos. Mein Kopf kippt auf seine Schulter und meine Arme beginnen vor Anstrengung zu zittern. Mein Körper ist im Rausch, singt und strahlt. Noch merke ich die kraftraubenden Strapazen nicht. Doch das geht schnell. Kains Atmung, eben noch hektisch und unkontrolliert, stabilisiert sich erstaunlich schnell. Die Regenerationszeit eines Sportlers. Ein echter Vorteil. Meine Arme bibbern nun bedenklich und ich gebe einfach nach. Mit einem leisen Uff lasse ich mich ein wenig unkoordiniert fallen, aber merke sofort, wie mich Kains starke Arme davor bewahren, vom Bett zu kullern. Ich richte mich auf, als sich wieder mehr sauerstoffreiches Blut in meinem Gehirn sammelt und das Kribbeln und Prickeln in meinen Gliedern nachlässt. „Wenn das keine Ambitionen für eine zweite Runde sind, bleib gefälligst liegen...“, murrt Kain ermattet, aber durchaus fordernd gegen das Kissen und schafft es nicht mal, seine Augen zu öffnen. Ich hebe ungesehen eine Augenbraue und betrachte das ruhige Profil des anderen Mannes. „Zweite Runde? Als ob...“, erwidere ich und knuffe das halbtote Fleisch unter mir. „Ich arbeite hart“, verteidigt er sich schwach. Er hat wirklich mehr gearbeitet als ich. In vielerlei Hinsicht. „Pff“, erwidere ich, „Okay, fünf Minuten.“ Ein Zugeständnis an meine eigene akute Bequemlichkeit. Damit lasse ich meinen Körper zurück auf Kains fallen, rolle aber kurz darauf von ihm runter, sodass ich auf dem Rücken liegend zwischen ihm und Wand verbleibe. Dann schließe ich ebenfalls die Augen. Aus den fünf Minuten werden mehrere Stunden, denn wir schlafen einfach ein. Als ich wieder aufwache, dämmert es draußen bereits. Kain hat uns zugedeckt und atmet ruhig in meinen Nacken. Es ist warm und kitzelt. Genauso, wie die Strähne seines schwarzen Haares, die meine Wange streift. Er scheint noch fest zu schlafen, atmet ruhig und tief. Ich höre eine Weile dabei zu, ohne mich viel zu bewegen, horche in meinen Körper hinein und hänge meinen Gedanken nach. Mein Becken pocht leicht und ich glaube, mein kleiner Finger ist eingeschlafen, doch ich spüre es nicht richtig. Es ist auch unglaublich nichtig. Einer meiner zutiefst gehassten Referate steht an, denn diesmal habe ich mich für eine andere Strategie entschieden. Statt es wie immer weit nach hinten zu schieben, habe ich eines der ersten genommen. Frei nach dem Motto weg ist weg. Das Unbehagen durchfährt mich trotzdem und ich schüttele mich leicht, um es zu vertreiben. Dann höre ich schon leises Rascheln und ein kurzes Schmatzen. „Bereit für eine zweite Runde?“, murmelt Kain und gähnt. Nicht sein Ernst. „Duschen.“ „Sex unter der Dusche ist auch okay.“ „Keine Chance. Ich glaube, das Laken ist an meinem Hintern festgetrocknet“, kommentiere ich und höre, wie er augenblicklich laut zu lachen beginnt. Ich lasse mein Hinterteil demonstrativ über das Laken reiben, bis Kain mich mit beiden Armen umfasst und noch immer lachend an sich drückt. Der tiefe, wohlige Klang lässt mein Inneres vibrieren und eine tiefgreifende Wärme durchschwemmt mich. Er lacht mit dem ganzen Körper und es fühlt sich sonderbar, aber schön an. Ich wehre mich minimal und gebe auf, als mich sein einnehmendes Lachen letztendlich doch ansteckt. Wir beruhigen uns nur langsam und ich setze mich auf. Kain bleibt auf der Seite liegen und sein Arm in meinem Schoss. Er machte keine Anstalten, ihn wegzunehmen. Ich versuche gar nicht weiter zu entkommen, streiche mir mit beiden Händen über das Gesicht und seufze leise. Ich weiß, dass sein Blick auf den tätowierten Worten auf meinem Rücken liegt. Bisher hat er mich nicht nach ihrer Bedeutung gefragt und ich wüsste auch nicht, was ich ihm antworten soll. Fragen hat er bestimmt. Doch ich keine Antworten. Es raschelt und er setzt sich nun ebenfalls auf. Ich schaue nach hinten und spüre ihm selben Moment, wie seine Lippen eine Stelle meines Rückens küssen. Er trifft einen Wirbel, sucht einen zweiten und steht auf. Ich frage mich, ob er sich bestimmte Worte ausgesucht hat. Mit dem Fuß schubst er meine Jeans in Richtung Bett, sodass ich auch im Sitzen an sie herankomme. Ich greife sie mir direkt, schwinge meine Beine über die Kante und ziehe sie über. Kain macht das Gleiche mit seiner eigenen, während ich den Rest meiner Sachen zusammensuche. Nur mit Hose bekleidet, greift Kain nach seinem Handy und schaltet es wieder ein. Es dauert nicht lange und es beginnt wild zu vibrieren und zu piepen. Ich weiß sofort von wem diese ganzen Nachrichten sind und Kains Gesichtsausdruck trägt nicht dazu bei, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Er wirkt zu seinem Glück jedoch ebenso wenig begeistert, wie ich. Seufzend streicht er sich durch die dunklen Haare und legt das Telefon zurück auf den Schreibtisch, bevor er nach seinem T-Shirt greift und es sich über den Kopf zieht. Danach lächelt er mich an, als wäre das gerade nicht geschehen. „Hast du zufällig noch eine Zahnbürste für mich übrig?“, fragt er, obwohl ich mir sicher bin, dass er meinen Blick genau verstanden hat. Ohne ihm zu antworten, gehe ich zu meinem Kleiderschrank. Ich krame eine verpackte Reservezahnbürste hervor, mache mir gedanklich eine Notiz, dass ich eine Neue brauche und reiche sie kommentarlos dem Schwarzhaarigen. Er hält mich an der Hand zurück als ich mich direkt wieder abwende. „Hey, solltest du nicht rundum zufrieden und voller tanzender, überschwänglicher Endorphine und kleinen lustigen Serotoninen sein?“ Kain macht die menschliche Biochemie zu einem absurden Comic, der sich prompt in meinem Kopf abspielt, wie damals die Sendung ´Es war einmal... das Leben`. Aber mit Fehlern. Das einzig Überschwängliche in diesem Raum ist Kains Vorstellungskraft. Ich sehe ihn zweifelnd an. Männer produzieren nach dem Orgasmus vor allem Prolaktin und Oxytocin und machen das Gegenteil von Tanzen und Lachen. Sie schlafen ein, was wir beide eindrucksvoll bewiesen haben. „Das weißt du doch besser, oder?“, kommentiere ich den Quatsch letztendlich, sehe Kain bestätigend mit den Schultern zucken, schüttele selbst den Kopf und verschwinde an ihm vorbei aus der Tür. Noch im Flur holt er mich ein, zupft spielerisch an meinem T-Shirt und folgt mir in den Waschraum. „Reden wir eigentlich noch darüber?“, fragt Kain als wir die ersten Phasen der Katzenwäsche hinter uns bringen. Er tupft sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und streicht sich die feucht gewordenen Haarsträhnen zurück. „Worüber?“, entgegne ich bewusst unbedarft. Mehr rhetorisch als alles andere. Er muss es nicht benennen, denn allein sein bohrender Blick reicht. Es ist nicht so, als hätte ich es vergessen. Ich wollte es bewusst verdrängen und habe wirklich gehofft, dass es nach unserem kulinarischen Ausflug auch für Kain gegessen ist. „Ich habe dich zu einem Apfelstrudel eingeladen“, erkläre ich mit der Hoffnung, dass das als zufriedenstellende Entschuldigung zählt. Keine Chance. „Ich weiß, dass das bei Jeff gut funktioniert, aber... ich bin da mehr der Typ fürs Reden...“ Nichts Neues. „Tja, ich hab´s aber nicht so mit reden“, pariere ich sogleich und streiche mir über die leicht stoppeligen Wangen. Ich wende mich wieder meinem Spiegelbild zu, schaue aber eigentlich nicht hin. „Und das... weiß ich. Aber du drückst dich nur. Wir beide tun es.“ Das mache ich wirklich. Ich bin gut darin. Vor allem weil mich dieses gefühlsduselige Zeug echt zu schaffen macht. „Was willst du von mir hören?“, frage ich nun doch und klinge dabei genauso widerwillig, wie ich mich fühle. Seufzend greift Kain nach der Zahnbürste, holt sie aus der Verpackung und hält den trockenen Kopf unter den Wasserhahn. „Ich möchte wissen, warum dich alles mit ihr jedes Mal auf hundertachtzig bringt.“ „Ach komm, muss ich das wirklich noch aussprechen?“ „Nein, aber erklär es mir.“ „Okay. Es ist mir einfach ein Rätsel, was dich trotz Beziehungsende so sehr an sie bindet“, entgegne ich und lasse mir eine Ladung Wasser ins Gesicht klatschen, damit ich ihn nicht ansehen muss. Das kühle Nass verfehlt ganz klar seine eigentlich beruhigende Wirkung. Ich hasse dieses Gefühl. Es ist destruktiv und in den meisten Fällen nutzlos. Leider ist es unaufhaltsam und schwer zu unterdrücken, noch dazu, scheint Kain es wahrhaftig nicht zu begreifen. Er befeuert es unbewusst, indem er versucht, es von mir fernzuhalten. Als ob es etwas bringt, wenn er mir sagt, dass es nicht so ist. „Eine Trennung heißt doch nicht, dass man die Person nicht wieder sieht oder nie mehr ein Wort mit ihr wechselt“, bekundet er. Für mich schon. Theoretisch. Ich taste nach dem kleinen Handtuch, welches auf dem Nachbarwaschbecken abgelegt ist und rubbele es schlampig über mein feuchtes Gesicht. „Und da das Gang und Gebe ist, hängst du ständig mit ihr rum und lässt dich ködern?“, stichele ich. „Herrje, ködern? Komm schon, natürlich sehen Merena und ich uns, denn wir besuchen dieselbe Uni, wohnen in derselben Stadt und haben einen gemeinsamen Bekanntenkreis. Aber ich hänge nicht mit ihr ab und lasse mich schon gar nicht ködern. Das weißt du auch!“ Mit dem letzten Wort schiebt er sich effektvoll die vorbereitetet Zahnbürste in den Mund und lässt sie ein paar Mal ruhig kreisen. „Weiß ich das?“, äußere ich. Langsam nerve ich mich selbst. Kain stoppt in seiner Bewegung und sieht mich an. Mit diesem ganz bestimmten Blick. Die Zahnbürste ragt aus seinem Mund heraus und ich kann quasi beobachten, wie sich Zahnpastaschaum in seinem Mundwinkel sammelt. Er räuspert sich und lässt den Inhalt seines Mundes ins Waschbecken verschwinden. Danach streicht er sich über die Lippen und sieht mich weiter an, während er mit verschränkten Armen und gehaltener Zahnbürste gegen das Porzellanbecken lehnt. Ein kleines bisschen Schaum verweilt in seinem Mundwinkel und ich spüre, wie sich ein leichter Schauer von meinem Nacken über meine Brust arbeitet. In meinem Kopf formuliert sich bereits der perfekte Moment, in dem sich meine Hand nach ihm ausstreckt. Ich meinen Blick nicht von seinen braunen Augen löse und dann mit dem Daumen die weißen, minzigen Reste wegstreiche. Ich bräuchte mehrere Anläufe bis sie verschwunden wären, würde das Gefühl genießen, ihn zu berühren und er würde lächeln. Doch das hat nichts mit der jetzigen Situation zu tun. „Okay“, sagt er und holt tief Luft, „Ich habe sie lediglich gebeten, in Erfahrung zu bringen, ob es für mich möglich wäre, ein Dienstwagen zu bekommen, damit ich nicht immer auf den Zug angewiesen bin. Meine Kollegen konnten mir dazu keine klare Auskunft geben. Der Chef ist auf Geschäftsreise und bis auf weiteres für das niedere Fußvolk nicht erreichbar. Aber für seine Tochter schon. Dachte ich jedenfalls. Ich wollte nicht bis nach Weihnachten warten müssen, weil es mir auf den Senkel geht, dauernd den Zug zu verpassen. Ich habe nichts gesagt, das war falsch, ... aber ich wollte keine Erwartungen wecken und schon gar keine Missverständnisse provozieren.“ Bevor er sich wieder dem Waschbecken zuwendet, deutet er mehrere Male mit der Zahnbürste in meine Richtung, so als würde diese mir die Dinge deutlich machen können, die er selbst nicht ausspricht. Du bist ein Idiot und ich weiß es genau, zum Beispiel. Die Zahnbürste ist wirklich brutal. Und sie hat Recht. „Hm.“ Mein äußerst intelligenter Kommentar dazu. Auch ich greife nach meiner eigenen Zahnbürste und fülle sie auffällig sorgsam mit Zahnpasta. Ein Dienstauto wäre wirklich praktisch. Damit wäre er wesentlich unabhängiger und freier. Aber es wäre auch anstrengender, wenn er die Strecke abends fahren müsste. Von der negativen Umweltbilanz mal ganz abgesehen. Dennoch hätte er es mir einfach sagen können. Erwartungen weckend oder nicht. Alles ist besser als dieses Geeiere. Einen Augenblick lang stehen wir schweigend nebeneinander und fuhrwerken in unseren Mündern herum, bis Kain erneut seine Zahnbürste senkt. „Wieso müsst ihr eigentlich immer eskalieren?“ „War nicht meine Schuld“, murmele ich undeutlich durch den Schaum hindurch, der sich in und vor meinem Mund gebildet hat. Diesmal hatte sie angefangen. Aber dass mich ihre deutlich steigende Unsicherheit freut, lasse ich mir lieber nicht anmerken. „Ich weiß. Aber ich will einfach kein böses Blut. Weder zwischen mir und Merena, noch dir und Merena.“ Kain, der heilige Samariter. Sein Leitmotiv. Wieder dient seine Zahnbürste zur Verdeutlichung seines Standpunktes und dieses Mal trifft mich etwas Schaum am Kinn und am Hals. Seine Lippen formen ein deutliches Oh, ohne dass er es ausspricht. Auch ich nehme meine Zahnbürste aus dem Mund, spucke etwas Schaum aus und sehe ihn unverwandt an. „Aber zwischen dir und mir ist es okay, ja?“, kontere ich stichelnd. Die Spritzattacke ignoriere ich. Kain seufzt und streicht mir mit dem Daumen die Schaumsprenkel vom Kinn. „Nein, natürlich nicht. Verdreh mir doch bitte nicht die Worte im Mund.“ „Ist nicht meine Absicht, aber warum sagst du es ihr nicht einfach, statt dauernd diesen Eiertanz aufzuführen und ihr Hoffnungen zu machen. Noch dazu kannst du es nicht immer jedem rechtmachen“, meckere ich und stecke die Zahnbürste zurück in meinen Mund. Kain redet die ganze Zeit von Ehrlichkeit, Direktheit und Klarheit und doch hält auch er sich lieber alle Möglichkeiten offen. Vor allem, wenn es um dieses penetrante rothaarige Miststück geht und das macht mich rasend. Etwas ruppig lasse ich die Zahnbürste in den Mund rotieren und malträtiere meine Zähne. Mein Zahnfleisch geht gleich auf die Barrikaden. „Und was genau hätte ich deiner Meinung nach sagen sollen?“ „Na, dass sie dich verdammt noch mal nicht ständig mit ihrem Mist behelligen soll, weil du längst einen anderen Blödmann hast, dem das nicht gefällt“, platzt es mit Schaum vor dem Mund aus mir heraus, da mich Kains naives Ausredenfischen echt anstinkt. Unfassbar, wie sehr mich diese rothaarige Zicke nervt und wie wenig ich dem entgegenzusetzen habe. Ich nerve mich gerade selbst und das ist viel schlimmer. „Ist das denn so?“, fragt er äußerst gefasst und stoppt meinen innerlichen Vulkanausbruch. Ich halte zusätzlich in meiner Bewegung inne und lasse meine Zahnbürste sinken. Es dauert einen Moment, bis mein Gehirn die vorangegangenen Worte rekapituliert und in ihrer gesamten Bandbreite erfasst. Und wäre das nicht schon schlimm genug, merke ich sofort, wie der letzte Rest blinder Feigheit das Ruder übernimmt und die dargebotene Chance umschifft, wie die Titanic es niemals mit dem Eisberg gekonnt hätte. „Du weißt, wie ich das meine“, stammle ich ausweichend und stelle das Wasser an. Ich säubere meine Zahnbürste und spüre gleichzeitig, wie eine Welle der Nervosität mein System flutet. Was meine ich eigentlich? „Nein, ich weiß nicht, wie du es meinst, erklär es mir bitte. Was ist das mit uns genau? Kommilitonen mit Vorzügen? Freundschaft plus? Sex-Workout? Erotisches Teilzeityoga? Sag es mir. Was davon ist es, denn so wie ich es beim letzten Mal verstanden habe, willst du keine Beziehung mit mir...“ „Hab ich nie gesagt“, murmele ich kleinlaut, während er seine aberwitzigen Thesen offeriert. Oder eher doziert. Wahrscheinlich hat er mich nicht mal gehört, denn er fährt unbeirrt fort. „... verstehe mich nicht falsch, aber... was? Wiederhol das“, fordert mich Kain auf, nachdem meine Worte bei ihm angekommen sind. Verdammt. Den Teufel werde ich tun. Ich sehe ihn stur an und schweige. Auch, wenn das nachfolgende Augenbrauenschauspiel von Kain beeindruckend ist, kriegt er mich nicht klein und seufzt. „Red endlich Tacheles und lasse mich bitte nicht so stehen.“ Kain greift mir ans Kinn, führt meinen Kopf dadurch leicht nach oben, sodass ich ihn ansehen muss und drückt damit einen Knopf, den ich ihm am liebsten niemals gezeigt hätte. Direkt, ehrlich und ohne weglaufen. Keine Spielchen. Das war unsere Abmachung. In der letzten Zeit sind wir dem nicht immer nachgekommen. Ich halte seinem Blick stand und spüre, wie Kains Finger von meinem Kinn zum Hals gleitet. Seinen Daumen schmiegt sich über die Haut meines Kiefers, streichelt meine Wange. Es ist so liebevoll und zärtlich, dass sich alles in meinem Kopf dreht. Genaugenommen habe ich ihn damals nur darauf hingewiesen, wie lächerlich der Gedanke ist, mit mir eine Beziehung führen zu wollen. Dates zu haben. Auch nur zu denken, dass ich es kann und der annähernd Richtige dafür bin, ist einfach lächerlich. Das glaube ich auch immer noch, daran hat sich nichts geändert. „Du weißt, was ich will und zwischendurch habe ich auch immer wieder das Gefühl, dass es gar nicht so abwegig ist, was ich mir wünsche. Aber ich brauche mehr als mein Gefühl... Ich möchte...“, entgegnet er. „Klarheit?“, setze ich fort, nicht ohne es strapaziert klingen zu lassen und weiche nun doch seinem Blick aus. Diese warmen braunen Augen machen mich fertig. „Ja oder nein. Was willst du?“ Schon wieder dieser Frage. „Ich will, dass du aufhörst mich das zu fragen... und dass du die doofe Kuh für immer ins Niemandsland schickst...“, offenbare ich energisch mein wichtigstes Anliegen, suche Kains Blick und spreche ruhig weiter, „Weil ich längst dieser Blödmann... bin, dem das nicht gefällt! ... Zufrieden?“ Kains Hand gleitet in meinen Nacken, ehe ich mich abwenden kann. Er schnauft amüsiert und berührt mit dem Mund sachte meine Wange. „Kannst du nicht einfach Ja sagen?“ „Sehe ich aus, wie ein Ja-Sager?“ Kain brummt kichernd und schüttelt seinen Kopf. Er flüstert mir `sehr zufrieden` zu und grinst. „Wie ist das jetzt, müssen wir neue Treiber installieren, damit du in den Beziehungsmodus wechselst? Immerhin ist es ein massives Update.“ Ich raune genervt auf. Jedes seiner Worte strotzt nur so vor Schelm. Wer sagt, dass ich so einen Modus besitze? Ich habe ihn jedenfalls noch nicht gefunden. Vielleicht eine versteckte Datei und passwortgeschützt. Verdammt! Jetzt fange ich auch schon damit an. „Weißt du überhaupt, wovon du da redest? Das ergibt gar keinen Sinn.“ „Nicht wirklich, aber du ja zum Glück auch nicht“, scherzkekst er weiter, „Vielleicht sollten wir Jake fragen oder wir finden deine Betriebsanleitung.“ „Genug jetzt, sonst bleibt’s beim Betatest“, drohe ich. Kain grinst unbeeindruckt, krault meinen Nacken und sieht wirklich sehr zufrieden aus. Überaus zufrieden. Er festigt seinen Griff und legt seinen Mund auf meinen. Der Kuss ist unkoordiniert, feucht und schmeckt wie ein Pfefferminzplätzchen. Seine Lippen auf meinen zu spüren, fühlt sich noch etwas aufregender und intensiver an als sonst. Aber vielleicht ist es auch nur meinem hektisch schlagenden Herz geschuldet, dass es mich fast atemlos macht. Wer weiß. Erst als wir draußen Stimmen hören, lösen wir uns voneinander. Ich nehme schnell Reißaus, während Kain noch zur Toilette verschwindet und kehre ins Zimmer zurück. Dort angekommen, ist das schlagende Echo in meiner Brust nicht mehr zu ignorieren. Es ist fast schon furchterregend. Es pulsiert in meinen Fingerspitzen und Zehen. Es ist lauter als sonst, deutlicher als sonst. Unnachgiebiger. Vielleicht bilde ich es mir nur ein. Nein. Etwas in meinem Kopf läuft gerade panisch im Kreis und ich bin mir noch nicht sicher, ob es mein Verstand, mein Mut oder der Wahnsinn ist. Als Kain ins Zimmer kommt, streicht seine Hand beim Vorrübergehen durch mein Haar und er fragt nicht mal, warum ich wie ein Tropf in der Gegend rumstehe. Sein Handballen kitzelt dabei mein Ohr und mein Bauch wird zur Ameisenfarm. Doch auch das hindert meine Gedanken nicht daran, ohne sichtbares Ziel weiter zu rasen. Kain öffnet das Fenster und langsam lichtet sich der Sexnebel, der deutlich spürbar durch das Zimmer wabbert. Mittlerweile habe ich mich meinem Schreibtisch zu gewandt und spüre ein heiteres Kitzeln in meinen Fingerspitzen. Ich habe das Bedürfnis, meinen momentanen Zustand in Worte zu fassen. Außerhalb meines Kopfes. Vielleicht würde mir die Möglichkeit, es nachzulesen, es verständlicher machen? Greifbarer? Kain schüttelt die Bettdecke auf, schlägt sie zur Seite auf und lässt sich mit einem leichten Schnaufen auf die Matratze fallen. Er fragt mich etwas, doch ich antworte lediglich mit einem Brummen, ohne wirklich zu begreifen, was es ist. Im nächsten Moment höre ich, wie Jeffs kleiner Fernseher angeht und ich sehe zu dem Schwarzhaarigen, der energisch mein Kissen verhaut und versucht, eine bequeme Position zu finden. Eine Beziehung. Ich bin mir nicht sicher, ob ich weiß, was es bedeutet eine zu haben und was man von mir erwartet. Die einzigen wirklichen Referenzen, die ich besitze, sind Jeff und Abel. Was unweigerlich zu einem Eisbergereignis führt, wenn ich mich daran orientiere. Kain weiß das auch. Er weiß, dass ich bei diesem Thema ein leeres Blatt Papier bin und doch scheint er sich sicher zu sein. Ich weiß nicht, ob das, was ich aufs Papier bringen kann, seinen Erwartungen entspricht und das macht mir Angst. Ich sehe dabei zu, wie die Lichteffekte des Films über Kains Gesichtszüge tanzen und bin mir sicher, dass ich ihn früher oder später enttäuschen werde. Auch das macht mir Angst. Ich entscheide mich dagegen, den PC noch einmal anzumachen, greife stattdessen nach meinem Handy und setze mich zu Kain aufs Bett. Den Rest des Abends verbringen wir mit einem Leonardo DiCaprio Film über einen Kreisel und etwa zehn verschiedenen Traumebenen. Ich habe irgendwann den Faden verloren. Kain scheint ganz angetan, denn er folgt aufmerksam den verwirrenden Szenen, während ich bei jeder Erwähnung der Worte Schlaf, Traum und Unterbewusstsein weiter in meine eigene Bewusstseinsblase abdrifte und ein paar meiner losen Gedanken ins Handy tippe. Wenn das die Wirkung des Films sein soll, dann trifft er ins Schwarze. Kain ist bereits weg, als ich am nächsten Morgen mühsam meine Augen öffne. Draußen ist es ungewöhnlich hell und ein Blick aufs Handy sagt mir, dass das mitten am Tag durchaus normal ist. Während ich mich ungelenk auf die Arme stütze, bemerke ich einen Notizzettel, der auf meinen Nachttisch klebt. Es ist ein einfacher gelber Post-It auf den drei Kästchen gemalt sind, unter denen die Worte Ja, Nein und Vielleicht stehen sowie Kains Name. Er selbst hat das Ja gekreuzt. Ich greife danach und drehe den Zettel unwillkürlich um. Auf der Rückseite steht wirklich noch etwas. -Wehe, du versuchst dich rauszureden! Melde dich- Mit einem lauten, undefinierten Geräusch lasse ich mich zurück ins Kissen fallen. Mit dem Gesicht voran, sodass es meine Schreie dämpft. Danach stehe ich auf, entscheide mich für eine dringend notwendige Dusche, da ich so intensiv nach Kain rieche, dass mir schwindelig wird und verabrede mich danach mit Jeff in der Mensa fürs Mittagessen. Jeff fragt nicht nach meinem Abend und kommentiert nicht. Stattdessen berichtet er mir von einem weiteren Zusammentreffen mit Abel, der scheinbar noch immer der Überzeugung ist, ihn zurückgewinnen zu können. Meinen Jugendfreund in allen Ehren, aber ich begreife einfach nicht wieso. Jeff war wirklich deutlich gewesen und hat kein gutes Haar an der Beziehung gelassen. Wieso also sollte Abel sie fortsetzen wollen? Einzig sein verletzter Stolz spricht hier deutliche Worte und ich bin mehr als froh, dass Jeff keine Anstalten macht, diesen Pfad erneut einzuschlagen. Ich bin mir auch sicher, dass die blonde Backpflaume schnell jemand neues finden würde. Immerhin hatte er es eine lange Zeit fertig gebracht, meinen durchaus intelligenzstarken Kumpel von sich zu überzeugen. Diesen hat heute das Filmfieber gepackt, denn jede Aussage würzt er mit irgendeinem Filmvergleich. Vielleicht war er gestern Abend mit jemanden im Kino, was ich jedoch nur vermute, weil ich den Beginn unserer Unterhaltung bereits wieder vergessen habe. Ich frage nicht noch mal nach, sondern lasse mich einfach weiterhin von Jeff berieseln, bis er bei den klassischen Horrorfilmen angelangt. Er macht aus Abel einen Jack Torrence aus Shining und ich frage mich, ob der Film dann nicht eher ins Genre Komödie platziert werden muss. Ich jedenfalls würde eher lachen, als mich vor dem blonden Schokoladenhohlkörper zu fürchten. „Hey.“ Kain lässt die Bestandteile auf seinem Tablett lautstark klappern, als er sich neben mir niederlässt. Danach arrangiert er seine Auswahl an Speisen in die richtige Reihenfolge und beginnt mit dem Nachtisch. Ich beobachte es belustigt und grinse nur, als er mich fragend ansieht. Rote Grütze mit Vanillesoße. Als könnte er meine Gedanken lesen, zuckt seine Augenbraue wissend nach oben. Er schiebt sich genüsslich den ersten Löffel in den Mund, kaut auf und setzt an. „Du hast...“ „Vielleicht“, feuere ich ab und schaue ihn offensiv an. Es wirkt. Kains Augenbraue wandert getroffen nach oben. Ich stecke mir meinerseits eine Portion Mittag in den Mund. „Ich werde aus euch beiden nicht schlau", bekundet Jeff plötzlich und zieht damit unsere Aufmerksamkeit auf ihn, „Ich meine, ich weiß dass ihr gestern Sex hattet und ich bin mir auch zu 85% sicher, dass es miteinander war... aber... ihr zwei seid einfach..." Er bricht seine Offenbarung ab, da er scheinbar keine passende Beschreibung findet. Ich verschlucke mich heftig an einer Erbse und überlebe nur dank meines eisernen Willens und eines funktionierenden Kehldeckels. Kains Hand legt sich sachte klopfend auf meinen Rücken ab, während ich bereits energisch huste und Jeff mir mit einem unbedarften Blick seine Flasche Wasser zu schiebt. „Werdet ihr euch eigentlich auch mal, wie ein richtiges Paar benehmen oder eiert ihr weiter umeinander rum, wie zwei Kartoffelköpfe? Ihr zwei seid wirklich... doof.“ Ein hochqualifizierter Kommentar a la Jeff. Trotz der unendlichen Fülle an herrlichen, außergewöhnlichen und wie geschaffen Adjektiven unserer Sprache, wählt er doof. Ich weiß nicht mal, wann ich das letzte Mal etwas als doof bezeichnet habe. Ich sehe direkt zu meinem Mitbewohner, der gerade ein zu lang geratenes Salatblatt in seinem Mund verschwinden lässt und mich ungeniert beim Wegmampfen anstarrt. Er hat Glück, dass ich mein Schnitzel essen möchte und es ihm nicht über den Kopf ziehe. „Ich glaube, Robin sucht noch nach der geeigneten Definition für das hier...“, berichtet Kain grinsend, fällt mir damit irgendwie in den Rücken. „Wie war das gestern? Teilzeityoga? Find ich langsam immer besser“, kontere ich bissig. Mir ist egal, dass Jeff keinen Plan haben wird. Kain sieht wieder auf und lässt seinen Löffel zurück in die Schale sinken. Er lehnt sich zurück, neigt sich zur Seite und stößt mit dem Knie gegen meines. Provokativ. Mehrere Male. „Haltlos und du hast das Erotisch vergessen, Spatz.“ „Hab ich nicht. Kein erotisch vorgesehen.“ Wir funkeln uns an, bis sich Kain dichter an mich heranbeugt. „Ich denke, ich würde es länger aushalten als du“, flüstert er mir ins Ohr, sodass Jeff es nicht hören kann und ohne mich wirklich zu berühren. Ich senke unwillkürlich meinen Blick. „Sicher?“ „Beim Sexteil auf jeden Fall.“, kontert er grinsend und streichelt mir unter dem Tisch über den Oberschenkel. „Hm“, entgegne ich schlicht. Es ist keine Zustimmung. Ich frage mich allerdings wirklich, wer von uns beiden in so einem Fall die Oberhand hätte. Meiner Meinung nach ist Kain zu kuschelig, als dass er es lange ohne Körperkontakt aushält. Allerdings würde ihm Kuscheln, Umarmen und Küssen auch erstmal reichen, was mich wiederum fuchsig macht. Schon die Vorstellung. Vielleicht hat er doch recht. Ein weiterer Punkt auf der Liste der potenziellen Eisbergereignisse. Mir fehlt plötzlich der Appetit, um weiter zu Essen. „Ihr seid richtig doof“, lässt Jeff einen weiteren erste Sahne Kommentar vom Stapel, als Kain und ich unseren spielerischen Disput beenden und greift seinerseits zu seinem Nachtisch. Grüner Wackelpudding mit Dosenfrüchten. Er lässt ihn schmollend wackeln. „Das tangiert mich peripher“, entgegne ich in typische Manier, „Und es geht dich auch überhaupt nichts an.“ „Ich bin mit euch beiden befreundet! Natürlich geht es mich etwas an und du kannst mich mal peripher. Immerhin kriege ich es ab, wenn´s knallt. Und es wird ganz sicher knallen. Weißt du auch wirklich, worauf du dich da einlässt?“, fragt Jeff den letzten Teil an Kain gerichtet und schaut ihn zweifelnd an. „Das wird wie Kuscheln mit einem Kaktus.“ Ein weiterer Vergleich, der es in sich hat. „Fuck you, Jeff.“ „Ach komm, so ist es nicht gemeint…“, rudert mein Jugendfreund zurück und sieht hilfesuchend zu Kain. Gerade Jeff sollte am besten wissen, dass ich meistens nur schrecklich abgestumpft rüberkomme und es im Grunde gar nicht immer bin. „Natürlich nicht…“, erwidere ich angepisst und stehe geräuschvoll auf. Ich greife nach meinem Tablett und ignoriere Kains zurückhaltenden Versuch, mich zu beschwichtigen. Ich hasse es, so empfindlich zu sein. Aber noch mehr hasse ich es, mich andauernd rechtfertigen zu müssen. Vor allem vor Leuten, die mich längst besser kennen sollten. Jeff ist einer der wenigen, der es besser wissen muss. Viel schlimmer ist allerdings, dass ich mir meiner beziehungstechnischen Defizite vollends bewusst bin und sie auch von allen anderen so aufs Brot geschmiert zubekommen, indirekt oder direkt, ist wenig erbauend. Es ist, als würden Kain und ich von vornherein ein Ablaufdatum bekommen und das verunsichert mich nur weiter. Ich laufe ausgerechnet Kains bestem Freund in die Arme, als ich das Foyer durchschreite und schaffe es leider nicht mehr auszuweichen, ehe er mich bemerkt. Auch, wenn ich einen ungelenken Versuch starte. Ich drehe mich abrupt um und sehe von der anderen Seite Kain auf mich zu kommen. Die Reflexe eines Superhelden habe ich definitiv nicht. Auch, wenn ich gerade alles dafür geben würde, um Unsichtbarkeit zu besitzen. Mir reicht auch dieses eine Mal. Hauptsache weg. „Ich wollte gerade Fragen, ob du Kain gesehen hast...“, äußert Marvin hinter mir, ohne, dass er sich mit den üblichen Floskeln abmüht. Er weiß, dass sie bei mir sowieso verschwendet sind. Mittlerweile steht er neben mir, winkt Kain zu und verströmt ungehindert diesen penetranten, maskulinen Klosteingeruch. Er sollte dringend das Aftershave wechseln. Unwillkürlich mache ich einen Schritt zur Seite und atme schwer aus. „Da ist er. Euer Muskeldate kann starten, auf Wiedersehen...“, sage ich, als Kain zu uns aufschließt und drehe mich weg. Ich schaffe es gerade so, den Fuß zu heben, dann werde ich schon mit einem kräftigen Zug an meiner Jacke zurückgehalten und rücklings gegen den Schwarzhaarigen gezogen. „Schön hier geblieben, Spatz und lass diese blasierten Kommentare.“ „Was heißt hier blasiert? Muskel plus Muskel ist zu viel Masse. Eine mathematische Tatsache.“ „Alles klar, Einstein.“ „Spatz?“, fragt Marvin mit einem skeptischen Gesichtsausdruck und ablehnenden Ton. „Was dagegen?“, gifte ich ad hoc, ohne erkennen zu lassen, dass normalerweise ich es bin, der sich gegen diesen Kosenamen ausspricht. Mir wird bewusst, dass ich noch immer keine Ahnung habe, wie auskunftsfreudig Kain gegenüber seinem besten Freund eigentlich ist. Ob er von unseren erotischen Teilzeityoga weiß? Der eindeutig ablehnende Blick, den er mir zu wirft, lässt darauf schließen oder bekundet einfach seine grundsätzliche Beanstandung meinerseits. Beides möglich. Beides nicht überraschend. Marvin ist einer der wenigen, der sich mir gegenüber nie zurückgehalten hat. Er kann mich nicht ausstehen und ich bin mir sicher, dass ich der allerletzte bin, den er sich für seinen Freund wünscht. „Seid ihr jetzt offiziell?“ Okay, er weiß es definitiv. Ich sehe zu Kain, der es vermeidet, mich anzusehen. Wieder setze ich mit einer pampigen Antwort an, doch ich komme nicht weit. „Wenn du ein Problem hast, dann kläre es erst mit mir“, grätscht Kain dazwischen. „Aber mit dir habe ich das Problem nicht, sondern mit ihm.“ „Du kennst mich überhaupt nicht.“ „Gut, genug. Ich habe Augen und Ohren.“ „Ja, am Arsch...“ „Alter!“ „Alter, was?“ „Hört auf! Muss das wirklich sein?“ Kain seufzt und fährt sich mit der Hand verzweifelt übers Gesicht. „Muss er wirklich sein?“, haut Marvin direkt dazwischen. „Ja, muss er!“, kontert Kain laut und direkt. Marvin lässt als Reaktion darauf nur ein Pff hören und beißt die Zähne zusammen. Ich sehe zu Kain und merke, wie meine Wut zu gleich brodelt und abflaut. Er deutet Marvin an, dass er etwas weggehen soll, was dieser anstandslos macht und sieht zu mir. „Tut mir leid. Ich rede mit ihm.“ „Ja, wenn nicht, ist`s mir auch egal.“, erwidere ich leise und versuche zu verbergen, dass es mir nicht so egal ist, wie es sein müsste, „Er kann mich mal“, ergänze ich laut. Ich werfe einen letzten stierenden Blick zu dem blonden Volldeppen, der sich Kains bester Freund schimpft und gehe. „Ist das dein Ernst? Er?“, sagt Marvin direkt, obwohl ich noch in Hörweite bin. Es kostet mich wirklich jeglichen Rest meiner Beherrschung, mich nicht noch mal umzudrehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)