Nachhilfe von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Die nächsten Tage verliefen einigermaßen ruhig. Caleb war nicht schweigsamer als sonst und er und Nicky hatten zumindest den Anstand nicht offen vor mir herumzuknutschen. Das änderte zwar an meinem Gefühlsleben nichts, denn das war gelinde gesagt noch immer beschissen und ich auch verwirrt, wenn ich ehrlich sein sollte, aber gut. Das war ein Kampf den ich wohl verloren hatte. Ich grübelte zwar stundenlang, wie ich Nicky doch noch auf meine Seite ziehen konnte, aber mir fiel ehrlich gesagt nichts ein. Nicht, dass ich aufgeben wollte, das hatte ich auch nicht im Sinn, doch alles wirkte so aussichtslos. Meine Freizeitaktivitäten beschränkten sich auf ausreiten, spielen mit Leo und Klein Nicky sowie Hausaufgaben. Schule war sowieso so ein Thema: Ich hatte mir früher nie Gedanken gemacht und mischte im Mittelfeld mit, aber jetzt, abgelenkt wie ich war, litten auch meine Noten darunter. Das wiederum gefiel Caleb nicht. Er enthielt sich aber jeglichen Kommentars – wahrscheinlich fühlte er sich schuldig. Dann fühlte ich mich wieder schuldig und der Teufelskreis begann von neuem. Dazu bekam ich nichts von ihm bezüglich Magnus heraus. Ich bohrte auch nicht nach, denn das hätte ihn wütend gemacht und zu unnötigem zusätzlichen Zoff geführt. Er hielt sich einfach verschlossen. Das war Calebs Art, wenn Probleme entstanden: Er musste sie totschweigen und dann selbst lösen. Anstrengend. Es war drei Uhr und ich saß über meinen Hausaufgaben als Leo meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er war besser und verlässlicher als jede Türklingel. Laut bellend konnte ich ihn aus dem Stall hetzen sehen, direkt auf einen gelben Porsche zu. Connor stieg aus und begrüßte seinen tierischen Fan mit einer Streicheleinheit. Dieses Mal war er so intelligent gewesen dunkle Sachen, bestehend aus einem schwarzen Langarmshirt, schwarzen Jogginghosen und schwarz-graue Sneakers, zu tragen. Leos Pfotenabdrücke waren zwar noch immer zu erkennen aber nicht mal halb so schlimm wie beim letzten Mal. Ich wartete irgendwie darauf, dass noch jemand aussteigen würde, aber Fehlanzeige. Er war alleine. Das konnte nun gut oder schlecht sein. Ich hoffte noch immer, dass Caleb und Magnus zusammenkamen und Nicky dann freiwerden würde. Es war gar nicht nötig aufzustehen, denn Connor kam in Begleitung von Leo zur Tür herein und klopfte anständigerweise gegen den Rahmen. „Hi, Danny. Ich hoffe ich bin nicht zu dreist gewesen direkt reinzukommen, aber irgendwie habe ich die Türklingel nicht gefunden, vor allem mit Leo im Anhang.“ Er lächelte entschuldigend und rieb sich den Nacken. „Hey! Schon okay, bei uns klingelt sowieso niemand, höchstens der Postbote, und der weiß mittlerweile auch, dass er die Päckchen einfach abstellen soll.“ Ich lächelte breit und bedeutete ihm, dass er sich zu mir an den Küchentisch setzen sollte. Wenn er so dastand und Wurzeln schlug, machte es das auch nicht besser, zumal Leo ihn wirklich in Beschlag genommen hatte und wild um ihn herumtänzelte. „Leo, aus! Mach Sitz!“ Der dachte aber gar nicht daran zu folgen. Hechelnd schlabberte er Connor über die Hand, dann mir. „Aus“, sagte ich erneut, diesmal mit strengerer Stimme. Das zeigte die gewünschte Wirkung. Ja, ich konnte auch anders! Zumindest legte er sich neben mich hin und rieb seine Schnauze an meinem Bein. „Ich will nicht stören, aber ist dein Bruder da?“ Connor schnappte sich den angebotenen Stuhl, drehte ihn herum und packte seine Arme auf die Lehne. „Ähm, nein, der ist irgendwas erledigen. Keine Ahnung wann er zurückkommt. Was brauchst du denn von ihm?“ Das interessierte mich brennend. Caleb mochte ihn nicht, das wusste ich jetzt schon. Er hatte ihm beim letzten Mal kurz widersprochen – ein böser Fehler. „Ach, ich warte einfach. Was machst du da? Hausaufgaben?“ Neugierig rückte er mit dem Stuhl näher heran. „Ja, irgendein Mist in Englisch. Keine Ahnung. Wir müssen was ausfüllen und ich kapiere das nicht“, gab ich frustriert zu. Sprachen waren nicht meine Stärke, vor allem keine Fremdsprachen. „Ach, das sind ja Lückentexte. Ist ganz einfach, schau. Das, das und das ist falsch. Streich dir doch die Lösungen, die du eingesetzt hast, durch. Erleichtert die Arbeit ungemein. Habe ich in deinem Alter zwar auch nicht gemacht, aber später, in den höheren Schulstufen, war das eine große Hilfe. Die drei gehören der Reihe nach eingesetzt.“ Ich blinzelte kurz und folgte Connors Zeigefinger. Mein eigentlicher Lernpartner, Nicky, ging mir schließlich aus dem Weg und war jetzt auch nicht gerade die große Hilfe. Von Fleiß und Schuleifer fehlte jedes Spur – mein bester Freund teilte mein Los: Er war stinkfaul. „Und das stimmt wirklich?“, fragte ich zweifelnd. „Wofür hältst du mich? Klar stimmt das“, grinste er breit. „Ich war in Englisch immer gut. Genauso wie in allen anderen Sprachen. Hat man mir zumindest mal gesagt.“ „Echt? Das ist ja toll!“ Auf seinen fragenden Gesichtsausdruck hin senkte ich den Blick. „Also, freut mich für dich.“ Eigentlich hätte ich ihn ja auch fragen können, ob er mir noch hilft, ich musste nämlich etwas übersetzen, aber… „Ich für mich auch. Ist das alles was du machen musst?“, hakte er nach. „Ähm…“ Ich druckste ein wenig herum. „Gib schon her“, lächelte er mich an und ich jubelte. „Freu dich aber nicht zu früh. Du musst es trotzdem alleine machen.“ Das Jubeln erstarb sogleich auch wieder. Connor ließ mich das alles tatsächlich alleine übersetzen, der Schuft! Also so ganz alleine wäre auch gelogen, denn er half mir und ich musste auch viele Sachen (sehr zu meinem Leidwesen) komplett neu hinschreiben, aber in meinen Ohren klang das jetzt alles plausibel. Würde wohl mal eine gute Note werden. Nach getaner Arbeit räumte ich die Hefte weg und schaute auf die Uhr über der Tür. Es war vier Uhr und Caleb hatte sich noch immer nicht blicken lassen. „Magst du irgendwas? Eine Cola oder so? Kekse?“ „Hm, zu einem Glas Cola würde ich nicht nein sagen, aber nur, wenn es dir keine Umstände macht.“ „Doch, brutal. Darum habe ich dich auch gefragt“, kicherte ich und huschte in den Keller. Leo, der Verräter, hatte inzwischen Platz gewechselt und rieb sich an Connors Jogginghose, die bereits voller Haare war. „Leo, lass das. Du haarst ja alles voll!“, maulte ich und schnappte mir zwei Gläser aus dem Küchenregal. „Schon okay. Gibt echt schlimmere Sachen.“ Connor kraulte Leo wieder hinter dem Ohr. „Tut mir trotzdem leid.“ „Ach was. Die paar Haare werden mich schon nicht umbringen.“ Ich stellte die Cola auf den Tisch und schenkte ein. „Danke für die Hilfe.“ Damit schob ich ihm sein Glas hin. „Dafür nicht. Hast du denn in Englisch Schwierigkeiten?“ Ich nippte an meinem Glas und überlegte kurz. Eine Drei konnte man wohl kaum als Schwierigkeit bezeichnen, oder? „Mittelfeld, würde ich behaupten.“ „Ah, na dann.“ „Warum?“ „Weil ich mal Nachhilfe angeboten habe, mit 17 oder so?“ Nachdenklich kratzte er sich am Hals. „Keine Ahnung, um den Dreh herum jedenfalls. Wenn dein Bruder zustimmt, hätte ich dir mal ab und an ein wenig über die Schulter schauen können.“ „Wobei soll Caleb zustimmen?“, wollte ich neugierig wissen. „Na, ist ja egal. Kann ich auch mit dir besprechen, vorläufig zumindest. Meine kleine Schwester hat ein Pferd, einen Hengst, und irgendwie ist dessen Unterstellplatz beim letzten Regen abgesoffen. Jedenfalls sucht sie jetzt händeringend nach einem neuen Platz für ihn und ich wollte fragen, ob ihr noch eine Box frei hättet. Wir würden natürlich bezahlen und so weiter.“ Er griff nach seinem Glas und nippte daran. „Wir haben schon einen Platz frei, aber das kann ich alleine nicht entscheiden. Ich glaube aber nicht, dass Caleb etwas dagegen hat!“ Okay, das war eine Lüge. Er würde sicher was dagegen haben. Ein zusätzliches Pferd bedeutete zusätzliche Arbeit und auch zusätzliche Kosten. Letzteres schien in Anbetracht des Wagens draußen wohl kein Problem, aber trotzdem – der Stolz meines Bruders war ziemlich groß und er war angefressen. „Ich habe von so Sachen keine Ahnung. Wenn, dann müsste Olivia eh mal selbst herkommen und sich alles ansehen. Geht nur drum, zu fragen, ob ihr überhaupt vermieten würdet.“ „Und warum hast du nicht einfach angerufen?“ „Woher sollte ich denn bitte eure Nummer haben?“ „Von Magnus?“ Connor winkte mit der rechten Hand ab. „Der ist gerade ein wenig eingeschnappt. Außerdem mag ich die Ruhe hier. Wirkt so idyllisch.“ Leo bellte dazu passend. „Und Leo scheint mich auch vermisst zu haben“, fügte er grinsend an. Ich überlegte kurz wegen Magnus nachzubohren, entschied mich dann aber dagegen. Wenn Caleb davon Wind bekam würde wieder eisiges Schweigen herrschen. Das wollte ich tunlichst vermeiden. „Hm, also ich denke, das geht echt in Ordnung. Braucht deine Schwester denn noch Reitstunden?“ Auch das war wieder gelogen. Es würde nicht in Ordnung gehen. Warum machte ich Connor eigentlich falsche Hoffnungen? „Olivia? Denke nicht? Oder schon? Keine Ahnung. Über sowas reden wir nicht.“ „Nicht?“ Das war mir völlig unverständlich. Wie konnte man bitte nicht über Tiere reden? „Nein. Olivia hat andere Sachen im Kopf. Freundinnen, Partys – was halt so 16-jährige Mädchen interessiert. Meist beschränkt sich unser Kontakt darauf, dass ich sie und ihre Freundinnen irgendwo aufgabeln darf.“ Klang ja reizend, diese Olivia. Also das war nicht negativ gemeint! Ich meine, ich bin ja schließlich auch schon fast 16 und kannte mich dementsprechend mit den aufgezählten Interessen aus. Mehr oder weniger. Sie mochte Pferde, hatte sogar selbst eins. Das war gut. „Du hast doch in deinem Auto nur zwei Sitze? Was machst du dann mit Olivias Freundinnen?“, wollte ich wissen. „Die müssen dann halt laufen“, gluckste Connor und nippte wieder an seinem Glas. „Ist ja voll unpraktisch so ein Auto.“ Ich biss mir auf die Lippen. Da war mein Mundwerk schneller gewesen als mein Hirn. Zu Caleb so etwas zu sagen bedeutete einen grausamen Starrtod zu sterben. Wenn Connor ähnlich an seinem Auto hing hatte ich mir gerade einen Feind gemacht. „Ist es, aber ich fahre ja auch nicht mit dem die ganze Zeit. Hast du korrekt erkannt. Meine Eltern haben was Geräumigeres. Da passen mehr Leute rein.“ „Auch so einen teuren Sportwagen?“ „Nein. Die sind mehr funktional angehaucht. Spießig, würde ich sagen.“ Dabei grinste er wieder breit. „Und sie fahren auch nicht sonderlich gerne. Außerdem bedeutet es weniger Anschiss, wenn ich Olivia abhole und sie ins Bett schleichen kann, um ihren Suff auszuschlafen, als wenn es meine Eltern mitbekommen. Tun sie sowieso, aber es stimmt sie halt milder, sie nicht komplett hackedicht zu sehen.“ „Mh, Caleb mag es auch nicht gerne, wenn ich betrunken bin.“ „Ist auch nichts worauf man stolz sein muss.“ „Das heißt du trinkst nichts?“, fragte ich vorsichtig nach. Das mit dem Auto hätte schon ins Auge gehen können, ihn jetzt zu verärgern wollte ich auch nicht riskieren. „Doch, aber halt in Maßen. Ich schieße mich nicht komplett ab. Bringt eh nichts – der ganze nächste Tag ist gelaufen und du kotzt dir die Seele aus dem Leib. Da grinse ich lieber, mit einem Glas Limo in der Hand, auf dem Badewannenrand sitzend und sehe Olivia dabei zu, wie sie die Toilette missbraucht.“ „Das ist aber nicht nett!“, entrüstete ich mich. „Um drei Uhr morgens geweckt zu werden auch nicht“, stellte Connor nüchtern fest. „Okay, das stimmt.“ „Ist aber nicht mein Bier. Leidet ja sie und nicht ich.“ Die eisblauen Augen musterten mich kurz eingehend. „Wieso bist du eigentlich mit 15 schon betrunken gewesen?“ Ich wurde rot im Gesicht und biss mir auf die Unterlippe. Was sollte ich jetzt sagen? Die Entscheidung wurde mir durch Caleb abgenommen, der gerade in die Küche kam. Sein Blick fiel zuerst auf mich, dann auf Connor. Letzteren begrüßte er mit einem äußerst kalten „Hallo“ gefolgt von einem „Gibt es einen bestimmten Grund warum du bei uns in der Küche hockst?“. Dazu noch ein stoisch-zorniger Blick und sein abweisendes Verhalten war perfekt beschrieben. Jetzt würde es krachen, ganz sicher. „Mh, meine Schwester bräuchte einen Unterstellplatz für ihr Pferd. Ich wollte fragen ob ihr noch eine Box frei habt.“ Die schroffe Art meines Bruders überging Connor einfach. „Haben ja, vermieten…“, begann Caleb und ich fiel ihm einfach ins Wort. „Klar vermieten wir.“ Unter seinem zornigen Blick wurde ich ein wenig kleiner. Das würde ich später bitter bereuen. Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf unseren Gast und seufzte leise. „Das kommt drauf an.“ „Es geht nur um die grundsätzliche Frage des ob. Den Rest soll sie mit euch klären. Wegen der Bezahlung – ich habe keine Ahnung was das kostet. Der letzte Stellplatz war aber schon nicht billig, was ich von meinen Eltern mitbekommen habe. Ich glaube daher nicht, dass das ein Problem ist.“ Caleb wollte schon etwas erwidern als Connor die Hand hob. „Moment, ich bin noch nicht fertig. Sei so nett und lass mich ausreden, ja?“ Ein wütendes Schnauben war die stumme Antwort. „Ich würde außerdem Danny unentgeltlich ein bisschen Nachhilfe geben. Dir auch, falls notwendig.“ Der abwertende Blick seitens Connor war nicht zu übersehen. „Und welche Qualifikationen hast du?“ Caleb starrte genauso zurück. „Hm, ein exzellenter Notenschnitt, Erfahrungswerte als Nachhilfelehrer sowie die Tatsache, dass ich studiere. Hat dir Magnus doch sicher erzählt, oder?“ Es fehlte nicht mehr viel und mein Bruder würde Connor eine langen, davon war ich überzeugt. Das, oder ihn ordentlich anfahren. Ich sah die Chancen auf einen netten Nachhilfelehrer, den ich auch noch mochte, wie auch Leo, der sich unter dem Tisch breitgemacht hatte, dahinsterben. Auf eine Prügelei hatte ich keinen Bock, zumal Connor nicht viel kleiner als Caleb war. „Bitte, Caleb“, sagte ich und setzte dazu meinen besten Hundeblick auf. Man konnte meinem Bruder ansehen, dass er sich sträubte. Normalerweise reichte es aber aus, wenn ich ganz lieb fragte. Meistens. In diesem Fall fürchtete ich aber, war das zu wenig. „Von mir aus“, murrte Caleb zu meinem großen Erstaunen und gab sich geschlagen. „Hurra!“, rief ich und fiel meinem Bruder um den Hals. Auch wenn das zwangsläufig lernen bedeutete, so bekam ich auch etwas Gesellschaft. Nette Gesellschaft. Caleb indes tätschelte mir den Rücken und löste sich dann wieder gleich aus der unfreiwilligen Umarmung. „Sehr schön. Ich werde Olivia dann Bescheid geben. Kann ich eure Nummer haben? Damit sie anrufen kann?“ Ich griff eilig nach meinem Rucksack, zog meinen Block heraus, riss davon eine Ecke ab und kritzelte unsere Nummer drauf. Freudestrahlend hielt ich sie Connor entgegen, der sie in seine Hosentasche steckte. „War nett. Danke für die Cola. Ich muss jetzt los. Man sieht sich!“ Er hob die Hand zum Abschied und ging dann nach draußen. Der Motor dröhnte auf und einen Augenblick später war der gelbe Sportwagen verschwunden. „Ich mag ihn nicht“, stellte Caleb das Offensichtliche fest. „Warum eigentlich?“ „Weil er hochnäsig ist und glaubt was Besseres zu sein. Außerdem hat er keinen Anstand.“ „Das stimmt gar nicht! Er ist total lieb gewesen.“ „Das sagst du“, murrte mein großer Bruder. „Lässt du seine Schwester ihr Pferd unterstellen?“, versuchte ich das Gespräch in eine andere Bahn zu lenken. „Mal sehen. Wenn sie auch so drauf ist wie er, dann nein.“ Ich seufzte innerlich. Na das konnte ja heiter werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)