Einsamkeit von CyberneticNemesi ================================================================================ Kapitel 21: Vaterschaft ----------------------- Severus schlief diese Nacht ausgesprochen schlecht. Er wusste selbst, dass seine Reaktion auf Narzissas Enthüllung absolut emotional und womöglich auch unangebracht war. Ein erwachsener Mann sollte nicht von Kindheitserinnerungen um den Verstand gebracht werden, doch leider war es so. Seine Familie, allen voran sein Vater, waren ein verdrängtes Thema, dass in ihm immer alles hochkochen ließ, was er so sorgfältig in sich verborgen hatte. Deshalb besaß er auch keine Fotos oder dergleichen. Selbst seine Mutter, die ihn zweifellos geliebt hatte, brachte all das in ihm wieder zum Vorschein. Da war es besser lieber gar nicht an seine Eltern erinnert zu werden. Severus saß in seinem Arbeitszimmer und arbeitete eine Liste des Ministeriums mit potentiellen Kandidaten für die Lehrerpositionen durch. Er hatte sich zu früh gefreut als man ihm sagte ihm werde freie Hand bei der Wahl der Lehrer gelassen. Mindestens die Hälfte der Leute auf der Liste waren bekannte Todesser, wenn auch nicht aus dem engsten Kreis. Er hatte also die Wahl zwischen Pest und Cholera. Severus gab vor zu arbeiten, doch in seinem Kopf drehte sich alles um Narzissa und darum, dass sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger war. Wollte er ein Kind?, fragte er sich immer wieder selbst. Es war nicht die Verantwortung, die ihn ängstigte, sondern die Frage, ob er ein guter Vater sein konnte. Oder wäre er im Ernstfall wie sein alter Herr? Konnte er überhaupt ein Kind lieben, selbst wenn es seines war? Wie sollte das gehen? Severus strich gedankenverloren über seinen Bart. Narzissa glaubte er sei besser als das, was ihn seine ständigen Zweifel einflüsterten, doch er wusste nicht, was er tun sollte. Sie wollte das Kind, einen Neuanfang mit ihm als Vater. Severus hatte sich allerdings nie groß darum bemüht eine Familie zu gründen. Er dachte immer es hätte schon seine Gründe warum die Frauen ihn mieden. Und ehrlich gesagt, mied er sie ja auch. Die wenigen Beziehungen, die dann tatsächlich mal hatte waren nie bis in dieses Stadium gekommen. Gestern war er voller Schmerz und Selbsthass gewesen, jetzt hingegen erfüllte ihn Ratlosigkeit wie noch nie. Es klopfte an der Tür. „Mhmmm!“, brummte Severus laut. „Darf ich rein kommen?“, fragte Narzissa. Ohne auf seine Antwort zu warten trat sie ein und schloss die Tür hinter sich. Severus brauchte nicht zu fragen, was sie wollte. Er wusste, dass es um ihr Gespräch von gestern gehen würde. „Ich bin ratlos, Narzissa.“, sagte Severus. „Völlig ratlos.“ „Du hast Angst. Das verstehe ich.“, entgegnete sie. „Wenn es nur das wäre.“ Severus sah sie an. „Ich habe mich immer gehasst für denjenigen, der ich bin. Oft wollte ich einfach nur sterben. Mit dir habe ich das erste Mal gefühlt, dass ich vielleicht anders sein könnte, aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Wie soll ich ein Vater sein?“ „Niemand verlangt unmögliches von dir außer du selbst.“, sagte Narzissa. „Du brauchst nichts anderes zu tun als für mich da zu sein, Severus. Ich war schon einmal Mutter. Ich weiß wie das ist.“ „Bei dir klingt das so einfach.“, entgegnete Severus. „Es ist nicht schwer ein Kind zu bekommen. Viel schwerer ist es immer für es da zu sein, wenn es einen braucht. Ein Fehler, den ich nicht noch einmal begehen werde.“, sagte Narzissa. „Du warst immer für Draco da.“, entgegnete Severus, dem klar war, worauf sie anspielte. „Nein, war ich nicht, sonst würde er noch leben.“, sagte Narzissa. „Wir hätten lieber sterben sollen als zuzulassen, dass er ein Todesser wird. Ich wollte das nie, aber Lucius war starr vor Angst und willig dem Dunklen Lord für sein Versagen alles zu geben, was er wollte. Selbst seinen Sohn. Wir haben ihn verkauft, Severus. Wir haben unser einziges Kind verkauft, weil die Angst um unseren Status übermächtig wurde. Du kannst kaum ein schlechterer Vater werden als ich je eine Mutter war.“ Severus saß sprachlos da und sah sie an. Er wusste, dass Narzissa nie gewollt hatte, dass Draco das Dunkle Mal bekommt, doch ihm war nie bewusst gewesen, dass diese Geschichte so ablief. Severus hatte mit Narzissa damals einen Unbrechbaren Schwur geleistet. Sie hatte ihn angefleht Draco zu schützen. Er hatte gedacht es ging um den Mordauftrag, den Draco von Voldemort erhalten hatte. Jetzt wirkte es auf ihn als hätte Narzissa versucht ihren Fehler wieder gut zu machen. Und dafür hatte sie ihn aufgesucht. „Ich hoffe, du hast recht.“, sagte Severus leise. „Du warst immer gut zu mir. Mit dir habe ich mich zum ersten Mal wie ein echter Mensch gefühlt. Du weißt, dass du besser bist, Severus. Wir sind nicht nur unsere Vergangenheit. Selbst ich bin am Ende mehr als mein Blutstatus, meine Herkunft, mein Versagen bei Draco oder meine Trauer um ihn. Ich liebe dich, Severus, und ich werde jedes Kind lieben, was du mir schenkst.“ Severus stand auf. Er umarmte Narzissa und drückte sie an sich. Seine Angst war etwas gewichen. Er hatte noch nie eine Zukunft gehabt. Zwanzig Jahre lang hatte er in der Schuld Dumbledores gestanden und hatte für ein Ziel gearbeitet, dass sie nie erreichten. Jeden Augenblick stürzten seine Vergangenheit und seine Schuldgefühle auf ihn ein. Immer wenn er Harry sah oder wenn er für beide Seiten spionierte. Er hatte nie damit gerechnet diesen Konflikt zu überleben und irgendwann eine Zukunft zu haben. Mit Narzissa hatte er endlich eine. Das durfte er nicht vergessen. ----------------------------- Es dauerte einige Tage bis Severus' Angst und Ratlosigkeit wich und er Narzissa unter die Augen treten konnte, ohne das seine Zweifel ihn fast umbrachten. Er hatte über das nachgedacht, was sie zu ihm gesagt hatte. Wie immer hatte sie natürlich absolut recht. Er war einfach absolut langsam, wenn es um diese Dinge ging. Zwischenmenschliches machte ihm mehr Angst als alle Todesflüche dieser Welt. An Gefahr war er gewöhnt, an Liebe nicht. „Ich will das Kind.“, sagte Severus zu Narzissa als sie schon im Bett lagen. Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und kuschelte sich an ihn. „Schön, dass du zur Vernunft gekommen bist.“, sagte sie. „Ich hätte nur nie gedacht, dass mir das je passieren könnte.“, entgegnete Severus und strich ihr sanft durchs Haar. „Ihr Männer denkt das nie.“, sagte Narzissa belustigt. „Jetzt werd' nicht gemein.“, antwortete Severus, konnte sich allerdings ein Lächeln nicht verkneifen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)