Persona 3 -After the Years- von fubukiuchiha ================================================================================ Kapitel 42: XLII – Wahre Freunde -------------------------------- ~~~Montag 13. Juni 2016~~~   Wenn es etwas gab, was Aiden an der Schule mochte, dann waren es die Stunden, die die Klassenlehrer für ihre organisatorischen Dinge brauchten. Hier musste man lediglich dasitzen und zuhören und sich nicht großartig anstrengen. Seine Mitschüler sahen das wohl sehr ähnlich, denn sie wirkten deutlich entspannter als in all den anderen Stunden. Miss Toriumi ging einige Dinge für die Schüler durch, bevor sie zum letzten Punkt der Tagesordnung kam: „So, wie Ihr alle vielleicht noch wisst, ist diese Woche der Schulausflug und diesen werden wir dieses Mal mit den Parallelklassen und den Erstklässlern zusammen machen.“ Auf die Aussage wurde es etwas unruhig in der Klasse, denn anscheinend hatte keiner von ihnen Lust, viel Zeit mit den Jüngeren zu verbringen. Aiden sah darin eher eine Chance, denn vermutlich würde Setsuna in einer der Klassen sein, die mitfahren würden und so konnte er den Jungen etwas besser kennenlernen. Miyuki schien wohl denselben Gedanken gehabt zu haben, denn sie grinste ihn von der Seite an, als ihre Lehrerin sich Gehör verschaffte: „Ruhe jetzt, es ist bereits entschieden, als nehmt es hin und spart euch eure Widerworte. Der Ausflug startet am Donnerstag und wird bis Samstag andauern, also packt genug frische Kleider ein. Unser Reiseziel ist das Örtchen Yaso Inaba. Wir werden die dortigen Örtlichkeiten besuchen, dem Unterricht einer dortigen High School beiwohnen und, wenn die Zeit reicht, uns etwas amüsieren. Die Entscheidung wurde von den Vorsitzenden der Schule wegen unserer Kooperation mit der Jugôya High School getroffen, also achtet darauf, uns bestmöglich zu repräsentieren.“   Aiden verschränkte die Arme hinter dem Kopf, als sich seine Sitznachbarin fragend an ihn wandte: „Weißt du etwas über den Ort, Aiden-kun?“ „Hm… Nur bedingt. Ist eher ein Landkaff verglichen mit anderen Städten, aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Ich freu mich drauf, solche Orte haben oft einen besonderen Charme“, lachte der Braunhaarige und sah wieder nach vorne, wo seine Lehrerin jedem Schüler einen Programmzettel in die Hand drückte: „Hier könnt Ihr euch noch ein wenig informieren und wenn ein Elternteil sich als Aufsichtsperson zur Verfügung stellen möchte, ist dies gerne gesehen. So, das war es dann für heute. Packt eure Sachen und euch allen einen schönen Nachmittag.“ Kaum hatte die Frau das gesagt, ertönte auch bereits die Schulglocke, woraufhin die meisten Schüler sich erhoben und den Saal verließen. Aiden selbst hätte sich jetzt eigentlich auf den Weg zum Kendoclub gemacht, aber da er von diesem noch immer suspendiert war, musste er sich den Nachmittag anders vertreiben. Er packte seine Sachen zusammen und erhob sich, als Miyuki ihm sanft gegen die Schulter tippte: „Hast du schon was vor?“ „Eigentlich nicht. Wahrscheinlich geh ich einfach nach Hause und hau mich auf die Couch oder mach meine Hausaufgaben. Und du? Gehst du zum Bogenschießen?“, erkundigte sich der Braunhaarige, während er mit seiner Freundin den Raum verließ, doch schüttelte diese nur mit dem Kopf: „Nö, heute nicht. Ich dachte eher, dass wir wieder was zusammen unternehmen könnten.“ Mit einem skeptischen Blick sah der Braunhaarige die junge Frau an und hob eine Augenbraue in die Höhe: „Du willst mir nur wieder was von Waffeln und Hosenbund erzählen.“ „Erstens heißt es Waifus und Husbandos. Zweitens klingen Waffeln doch gar nicht schlecht. Was sagst du, holen wir uns eine?“, lächelte die Grünhaarige und wartete gar nicht auf eine Antwort, bevor sie den Braunhaarigen einfach mit sich zog.   Eigentlich hatte Aiden damit gerechnet, ins Café Chagall gezogen zu werden, doch stand er nun vor einem kleinen Imbisswagen, der sich ein Stück von der Mall entfernt positioniert hatte. Schon von weitem war ihm der verführerische Duft nach frischgebackenen Waffeln in die Nase gestiegen und er bereute nicht, mitgekommen zu sein. „Ganz schön lange Schlange“, merkte er an, als er die fast Dutzend Leute vor ihm betrachtete, die anscheinend allesamt etwas von den Leckereien abhaben wollten. Miyuki stellte sich auf die Zehenspitzen und sah an einigen Leuten vorbei, bevor sie sich über ihren Haarzopf strich: „Die sollen sehr gut sein und da ist es klar, dass so viele Leute was davon abhaben wollen. Gut Ding will Weile haben, oder wie heißt es? Hoffentlich ist es die Warterei wirklich wert.“ „Stimmt schon, aber der Geruch beim Warten ist echte Folter“, witzelte der Braunhaarige und entlockte auch seiner Mitbewohnerin ein Lachen, als sich die Schlange ein Stück bewegte. Nach und nach kamen sie voran, bis sie endlich selbst an der Reihe waren und ihre Bestellung aufgeben konnten. Hinter dem Tresen stand ein sehr kräftiger Mann mit strohblonden Haaren und lächelte sie warmherzig an, während hinter ihm ein Teenager mit Stirnband und hochgestylten Haaren den Teig zubereitete.   „Was darf es sein, ihr beiden? Was Süßes oder lieber doch herzhaft? Wir haben für jeden Geschmack etwas parat“, erkundigte sich der Verkäufer, woraufhin Aiden erst einmal die Karte mit den verschiedenen Variationen unter die Lupe nahm. Hier gab es wirklich für jeden etwas, doch genau das machte es ihm schwer, sich für eine Sorte zu entscheiden, wobei er sich schon darüber wunderte, dass eine ausländische Speise so schnell so eine Beliebtheit gewonnen hatte. Er musste beim Aussuchen wirklich verzweifelt aussehen, denn der Mann gluckste vergnügt und klatschte in die Hände: „Für Pärchen haben wir ein ganz besonderes Angebot, wenn ihr interessiert seid.“ Erschrocken zuckte der Braunhaarige zusammen und sah den Mann mit weit aufgerissenen Augen an, bevor sein Blick zu Miyuki huschte, die rot angelaufen war und ihr Gesicht in ihrer Kapuze versteckte. Was den Jungen noch mehr Erstaunte war, dass unter der Kapuze eine leise Bestätigung für das Special kam und der Mann sich sofort mit einem breiten Grinsen ans Werk machte. Während der Dicke sich um die Waffeln kümmerte, kam der Junge nach vorne, um das Geld zu kassieren, doch bemerkte Aiden dabei genau, wie der Junge ihn äußerst missbilligend, ja fast schon hasserfüllt anschaute. Etwas überfordert zahlte Aiden für die Bestellung, doch konnte er keinen Grund für den Blick des Jungen finden. Miyuki schien das Ganze nicht mitbekommen zu haben, denn sie spielte weiter an ihrer Kapuze herum, weshalb Aiden die Bestellung letzten Endes entgegennahm und sie mit einem Stups gegen die Schulter auf sich aufmerksam machte. Mit einer freundlichen Verneigung ihrerseits und einem lauten „Lasst es euch schmecken“ des Verkäufers suchten sich die beiden eine Bank, auf der sie sich niederlassen konnten.   Für einen Moment saßen die beiden nur nebeneinander, bevor Aiden sich unsicher an seine Freundin wandte: „W-warum hast du eigentlich diesem Pärchen-Special zugestimmt? Jetzt denkt der Typ doch, dass wir zusammen sind. Gott, so eine Situation hatte ich erst letztens mit Mirai… Habt ihr euch abgesprochen?“ „Ich habe ehrlich gesagt nicht darüber nachgedacht. Du konntest dich nicht entschieden, ich konnte es auch nicht, da erschien mir das als der einfachste Weg… Tut mir leid, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, Aiden-kun“, murmelte die Grünhaarige leise und zog sich dabei erneut die Kapuze über den Kopf, allerdings konnte Aiden ihr nicht böse sein, weshalb er einfach mit der Hand abwinkte: „Passt schon, wir können es ja auch einfach als Freunde genießen.“ „Da bin ich dafür, also schauen wir mal“, stimmte das Mädchen zu und öffnete die Box, die sie Aiden kurz zuvor aus der Hand genommen hatte. Eigentlich hatten beide mit Unmengen an Schokolade, Herzchen und etwaigen Liebesbekundungen gerechnet, doch waren die Waffeln durch Schokolade, Obst und Sahne eher schlicht verziert worden. Bei genauerer Betrachtung stellten die einzelnen Obststücke Personen da, die Händchen hielten, was Miyuki wieder rot anlaufen ließ: „W-wow, das ist wirklich gut geworden. Fast schon zu Schade, um es zu essen.“ Aiden spürte das Unwohlsein seiner Freundin, weshalb er das Thema wechselte und die Schachtel auf seinen Schoß zog: „Wenn du nichts willst, esse ich es alleine.“ „Das hättest du wohl gerne! Gib mir meinen Teil ab, aber sofort!“, forderte die Grünhaarige und stieß ihm den Ellenbogen in die Seite, bevor sie sich einen Bissen genehmigte.   Genüsslich kauend genossen sie ihr Dessert, wobei sie sich auch langsam wieder beruhigten, da Aiden das Thema auf etwas anderes lenkte: „Sag mal, ist dir aufgefallen, dass der Junge an dem Stand mich so böse angeschaut hat?“ „Hat er? Tut mir leid, ich habe nicht richtig hingesehen, aber warum sollte er dich böse angucken? Kennst du ihn denn?“, überlegte das Mädchen und nuckelte an ihrer Gabel herum, denn sie konnte sich beim besten Willen keinen Reim auf die Aktion machen. Auch dem Braunhaarigen kam die Sache etwas seltsam vor, denn er war sich ziemlich sicher, dass er die Person noch nie im Leben gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen hatte, doch wollte er sich nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen und lieber sein Essen genießen. Nach einer Weile ergriff Miyuki das Wort und schien dabei plötzlich extrem angespannt zu sein: „Kann ich dich was anderes Fragen? Als du im Krankenhaus warst, hast du doch bestimmt mit einer deiner beiden Ärztinnen gesprochen, oder?“ Der Themenwechsel erstaunte den Jungen sehr, weshalb er sich kurz an der Waffel verschluckte und nach Luft schnappte, bevor er antworten konnte: „Ja schon, ein bisschen, aber nichts Spezielles. Warum fragst du?“ „Ach, nur so“, murmelte die Künstlerin und sah auf ihren Schoß, wo sie ihre Gabel in ihrer Hand im Kreis schwenken ließ und immer wieder ein leises „Hm“ hören ließ. Eigentlich hatte sich Aiden vorgenommen, sich nicht in das Thema einzumischen, aber irgendwas schien seine Freundin zu bedrücken und wenn er ihr irgendwie helfen konnte, würde er diese Chance ergreifen: „Die jüngere Frau hat dir sehr ähnlich gesehen, weißt du? Vor allem die Haare.“   Auf die Frage breitete sich eine unangenehme Stille zwischen den beiden aus und Aiden fürchtete schon, dass er eine Grenze übertreten hätte, doch dann seufzte Miyuki und faltete die Hände zusammen: „Das liegt daran, dass deine Ärztinnen meine ältere Schwester Kohana und meine Mama gewesen sind.“ „Du hast also Ärzte in der Familie, ja? Das ist ein sehr schwieriger Beruf, besonders bei dem ganzen Kram, den man lernen und studieren muss“, warf der Junge beiläufig ein und behielt Miyuki genau im Blick, die nun ihr Kinn auf ihren Händen abstützte: „Nicht nur meine Schwester und meine Mutter, mein Vater ist Physiotherapeut und Chiropraktiker. Ich bin also sozusagen das schwarze Schaf in unserer Familie, weil ich kein Interesse daran habe, in einem Bereich mit Medizin zu arbeiten.“ „Dazu kann dich doch auch keiner zwingen, es ist schließlich deine Entscheidung“, nahm Aiden das Gespräch auf und sah die Grünhaarige besorgt an, bei der sich mittlerweile kleine Tränen in den Augenwinkeln gebildet hatten: „Sag das meinen Eltern. Für sie bin ich nur eine Enttäuschung, die ihre Zeit mit Kinderserien und Bildern vergeudet.“ „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das nicht so sehen, immerhin…“, setzet er an, doch wurde ihm barsch das Wort abgeschnitten: „Doch, sie sehen es genauso, das haben sie mir sehr deutlich klar gemacht. Ich muss mir immer wieder anhören, dass ich meine Zeit nicht mit diesem Kinderkram verschwenden und lieber etwas Anständiges lernen soll. Kohana hat sich so etwas noch nie anhören müssen.“ Langsam machte sich ein schlechtes Gewissen in Aiden breit, denn er hatte hier definitiv einen wunden Punkt erwischt und fühlte sich schlecht, dass er Miyuki emotional so aufwühlte. Da der Hahn jetzt allerdings offen war, sprudelte es nun einfach aus dem Mädchen heraus, denn sie erzählte weiter: „Meine Schwester war immer eine super Schülerin. In jedem wichtigen Fach hatte sie 100 Punkte, doch das, was ich gut konnte, war für meine Eltern nicht wichtig. Immer wieder haben sie mir gesagt, dass ich mich auf die falschen Sachen konzentriere und dass ich mich mehr anstrengen müsse.“   Das, was er hier hörte, ließ Aiden die Fäuste ballen und mit den Zähnen knirschen, denn er fand es einfach ungerecht, dass Miyukis Eltern sie so sehr kritisierten, obwohl ihre Stärken irgendwo ganz anders lagen. Erst nachdem er ein paar Mal durchgeatmet hatte, konnte er das Gespräch wieder aufnehmen und eine Frage stellen: „Was hat denn deine Schwester dazu gemeint? Hat die das einfach so hingenommen? Sie wirkte nicht so, als ob sie so etwas einfach geschehen lassen würde.“ „Kohana hat es nie für nötig gehalten, was zu sagen, wenn Mama und Papa an mir rumgenörgelt haben. Warum sollte sie auch? Sie war immer die gute Tochter, der Liebling der Lehrer und das Mädchen, mit dem jeder befreundet sein wollte. Hast du dich jemals gefragt, warum ich so gut wie keinen Kontakt zu den Leuten in der Schule habe?“, ging das Mädchen plötzlich in eine andere Richtung, doch war das tatsächlich etwas, was Aiden sich schon oft gefragt hatte. Anfangs hatte er geglaubt, dass es an der Tatsache lag, dass viele Leute Miyuki einfach übersahen, doch das war ja nicht immer der Fall. In der Klasse oder in ihrem Club gab es natürlich Leute, mit denen sie redete und interagierte, doch warum hatte sie unter diesen keine Freunde? Um das Mädchen nicht warten zu lassen, nickte er sanft, was die Grünhaarige nur kurz schnauben ließ: „Alle Leute, mit denen ich mich angefreundet hatte, haben mich nur ausgenutzt, um irgendwie in die Nähe von Kohana zu kommen. Jeder hat sich nur für sie interessiert und nicht für mich. Ich war nur ein Mittel zum Zweck.“   Schnell wischte sich Miyuki über die Augen, um die Tränen loszuwerden, bevor sie sich von der Bank erhob und sich wieder die Kapuze über den Kopf zog: „Tut mir leid, dass ich dich mit meinen Problemen vollheule. Ich weiß selbst nicht, was da plötzlich über mich gekommen ist.“ „Du musst dich für nichts entschuldigen, Miyuki. Ich kann dir aber versichern, dass ich um deinetwillen mit dir befreundet bin und nicht wegen deiner Schwester“, stellte der Junge klar und erhob sich ebenfalls, wobei er von dem Mädchen mit großen Augen angesehen wurde. Schnell zog sie sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und schluchzte heftig, bevor sie mit leiser, erstickter Stimme flüsterte: „Danke, Aiden-kun, du bist ein echter Freund.“ Das warme Gefühl, welches in Aidens Brust aufflammte war ihm im Moment völlig egal, denn er wollte einfach nur, dass es Miyuki gut ging, weshalb er ihr sanft eine Hand auf die Schulter legte: „Und du bist die beste Freundin, die ich mir hier hätte wünschen können. Was sagst du, wollen wir heim gehen?“ Mit einem etwas erstickten Glucksen wischte sich Miyuki wieder über die Augen, doch schüttelte sie mit dem Kopf: „Nein, ich geh lieber noch eine Runde spazieren. Bevor du fragst, ich wäre gern ein bisschen alleine, aber das war echt süß von dir.“ „Okay, wir sehen uns dann heute Abend im Wohnheim“, verabschiedete sich der Braunhaarige von seiner Freundin, die ihm kurz zuwinkte und dann in eine andere Richtung davonmarschierte.   Während er dastand und dem Mädchen nachschaute, machte sich Aiden seine Gedanken zu dem eben erfahrenen, denn eins war für ihn ganz klar: Miyuki war Kohana mit ziemlicher Sicherheit nicht egal, denn ansonsten hätte sich die junge Ärztin nicht nach seiner Beziehung zu der Künstlerin erkundigt. Auch ihre Aussage, dass sie sich freute, dass Miyuki einen solchen Freund gefunden hatte, bestärkten seinen Glauben, dass die Beziehung zwischen den beiden Schwestern nicht so schlecht war, wie Miyuki sie selbst wahrnahm. Ein letztes Mal seufzte der Braunhaarige auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, bevor er die Verpackung in den nächsten Mülleimer warf und dann den Weg nach Hause antrat.   Hosted by Animexx e.V. 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