The fragrant Flower von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 17: Lilie ----------------- [[BILD=8426087.png]] Anfangs war Milos größtes Problem gewesen, dass Fenin ein Dämon war. Mittlerweile hatte sich dies zu einer Nichtigkeit umgewandelt. Im Vergleich zu dem neuen Problem war es in den Hintergrund gerückt. Irgendetwas war zwischen ihnen, das war selbst dem Mann inzwischen bewusst. Auch nachdem er den Umhang des anderen abgelegt und stets darauf geachtet hatte, genügend Abstand zu halten, war er dennoch ungewohnt unruhig in dessen Gegenwart. Er wusste nur zu gut, dass es nichts mit dessen Wesen zu tun hatte. Zu seinem eigenen Erstaunen akzeptierte er Fenin in seiner Gegenwart. Nicht nur das, er durfte ihm sogar bei seiner Jagd nach Monstern helfen und tat dies auch. Fenin zeigte ihm immer wieder, dass er vertrauenswürdig war. Was Milo so verunsicherte war dieser verdammte Zwischenfall, dessen war er sich sicher. Während Fenin nach wie vor wie die Ruhe selbst wirkte, fragte sich der Mann jeden Tag aufs Neue, was genau damals in ihn gefahren war. Er hatte Angst dem anderen zu nah zu kommen, hatte Angst dass sein Geruch zu intensiv wurde und er fürchtete sich davor, erneut die Kontrolle zu verlieren. Gleichzeitig versuchte er zu verstehen, was es bedeuten würde, wenn Fenins Fähigkeit doch nichts damit zu tun hatte. Welche Konsequenzen daraus folgen würden. Trotzdem stellte er sich nicht auch nur einmal dem Szenario 'Was wäre wenn?'. Er wollte gar nicht erst daran denken, dass er tatsächlich auf eine Art und Weise an dem anderen interessiert war, die alles andere als normal war. „Sollen wir weiter?“ Fenins Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Sie hatten an einem kleinen, beinahe komplett gefrorenen Bach Rast gemacht, um etwas zu trinken und sich kurz auszuruhen. Während der andere Milo aufmerksam anschaute spürte der Mann, wie die Kälte bereits in seine Glieder geschlichen war. Er nahm einen letzten Schluck, rieb dann seine Hände aneinander und stand endlich aus der Hocke auf. „Ich wäre wirklich um eine warme Mahlzeit dankbar“, merkte Milo an, während er sich wieder in Bewegung setzte. Der erste Schnee war diese Nacht plötzlich und unerwartet gekommen. Der Herbst war nun endgültig vorbei. Während Milo es nicht wagte an die kommende Nacht zu denken, in der es noch schwieriger werden würde ein Feuer zu entfachen, vermaß er es sich zumindest an ein warmes Essen zu denken. Die letzten Tage hatten sie, oder besser Milo hauptsächlich von Nüssen, Pilzen und altem Obst gelebt. An diesem Punkt, an dem sich sein Magen wie ein schwarzes Loch anfühlte, beneidete er Fenin wirklich dafür, dass er mit deutlich weniger auskam. „Soll ich etwas jagen?“, fragte Fenin, nachdem sie bereits einige hundert Meter gegangen waren. Milo blieb stehen und warf ihm einen irritieren Blick zu. „Ob Tier oder Bestie macht für mich keinen Unterschied“, erklärte der Dämon. „Und das sagst du mir jetzt?“ Auf seinen vorwurfsvollen Ton zuckte der andere nur mit den Schultern. Wieso hatte er sich bis jetzt Zeit gelassen, mit diesem Fakt rauszurücken, wenn Milo bereits seit Tagen hungerte? „Ich dachte es wäre dir lieber, wenn ich mich möglichst normal verhalte. In dieser Form werde ich keinen Erfolg haben“, rückte er nach einigen auffordernden Blicken Milos schließlich mit der Sprache heraus. „Ist das dein Ernst? Denkst du das interessiert mich? Wenn wir Bestien jagen stört es dich doch auch nicht.“ Milo war gereizter, als er vermutlich sein sollte. Doch zu seinem Hunger gesellte sich zudem noch die Kälte und die Unruhe, die zur Zeit sein ständiger Begleiter war. Fenin wandte seinen Blick ab, was ihm einerseits leid tat. Andererseits fragte sich Milo nicht zum ersten Mal, ob er wirklich ein Dämon sein konnte mit dieser demütigen Art. „Kannst du noch mehr nützliche Dinge, die du bis jetzt für dich behalten hast?“ Er hatte sich wieder beruhigt, fragte sicherheitshalber aber doch nach. „Die Frage ist, ob wir die selben Sachen als nützlich empfinden. Lass uns heute Abend darüber sprechen.“ Milo hob eine Augenbraue. Das klang beinahe so, als wäre da tatsächlich noch mehr. Fürs Erste beließ er es dabei, war er sich schließlich sicher, dass Fenin daran denken würde. Schweigend setzte er sich wieder in Bewegung und stapfte durch den frischen Schnee. Das Knirschen hinter ihm versicherte dem Mann, dass Fenin ihm folgte, während sich seine Gedanken um den Abend zu drehen begannen. Würde er tatsächlich eine ordentliche Mahlzeit bekommen? Fenin kam nicht mehr dazu, etwas zu jagen. Am späten Nachmittag entdeckten sie Rauch am Himmel zwischen den kahlen Baumkronen. Eindeutig ein Zeichen von Menschen, möglicherweise von einer Siedlung. Während sich Milo darüber freute, nach langer Zeit mal wieder andere Menschen zu sehen, hatte sich Fenin nicht dazu geäußert. Milo konnte verstehen, warum der Dämon von solcher Gesellschaft nicht viel hielt, doch gerade Momentan glaubte der Mann, dass er diesen Kontakt brauchte, um seinen Geisteszustand zu wahren. Es dauerte nicht lange, ehe sie tatsächlich eine kleine Siedlung erreichten. Wie selbstverständlich blieben sie kurz vor dem kleinen Holzwall zwischen den schützenden Bäumen stehen. Milo wandte sich zu seinem Begleiter um. „Mit etwas Glück bekommen wir hier etwas zu essen und einen warmen Unterschlupf für die Nacht.“ Etwas unsicher schaute er Fenin an, da er nicht wusste, ob dieser mitkommen wollte. Doch er nickte nur und schien bereit zu sein, ihm zu folgen. Milo musterte ihn einen Augenblick und versuchte zu verstehen, was in dem Kopf des anderen vor sich ging. Ob er wirklich vorhatte, ihm für den Rest seines Lebens zu folgen? Dieser Gedanke ließ ihn nicht nur unruhig werden, sondern auch einen farbenfrohen Schmetterling durch die eisige Luft flattern. „Was hat es damit auf sich?“, konnte er seine Frage nicht mehr zurückhalten, während er zu dem Insekt nickte. Er rechnete damit, dass es jeden Augenblick gefroren zu Boden fiel. Doch kaum blinzelte er, war es verschwunden. Schon vor einer Weile war Milo die Vermutung gekommen, dass diese Schmetterlinge nichts mit Monstern im Allgemeinen, sondern mit Fenin im Speziellen zu tun hatten. Als er damals den ersten Schmetterling gesehen hatte, war Fenin in der Nähe gewesen. Dabei war sich der Mann sicher, dass sein Vater davor öfter gegen Bestien gekämpft hatte, ohne dass ihm je etwas ungewöhnliches aufgefallen war. Außerdem müsste er dann doch ständig diese Insekten sehen, wenn er sich in Fenins Nähe befand. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass ich von Schmetterlingen umgeben bin. Ich ziehe sie wohl magisch an.“ Milo verzog über diese Antwort sein Gesicht. Selbst wenn es so war, sollte es zu dieser Jahreszeit keine Schmetterlinge geben. „Sollen wir gehen?“, lenkte Fenin seine Aufmerksamkeit schließlich wieder auf die Ortschaft vor ihnen. Die wenigen Häuser lagen still mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt vor ihnen. Lediglich der aufsteigende Rauch aus den Kaminen und die Spuren im Schnee zeugten davon, dass dieser Ort belebt war. Als sie den niedrigen Wall passierten, schaute Milo sich aufmerksam auf der Suche nach einem Menschen um. Doch anscheinend waren diese Leute bequem und bevorzugten es bei diesem Wetter in ihren warmen Hütten zu sitzen. Ein lautes Bellen zerriss plötzlich die herrschende Stille. Zwei wolfsgroße Hunde, die sich lediglich durch ihr Kläffen verrieten, kamen auf sie zugestürmt. Milo riss seinen Stab hoch, dazu bereit, sich zu verteidigen. Einen Moment war er sich unschlüssig, ob es wirklich nur Hunde waren, oder nicht doch Bestien, die diese Bewohner hier terrorisierten. Als sie aber ihn vollkommen ignorierten und stattdessen bellend und knurrend vor Fenin stehen blieben, war er sich sicher. Diese Hunde mussten nicht nur hier leben, sondern auch die Präsenz eines Dämons spüren können, gegen welchen sie nun ihr Territorium verteidigten. Möglichst unauffällig schaute sich der Mann um. Er war sich sicher, dass sie beobachtet wurden. Die Frage war nur, ob die Menschen hier das Verhalten dieser Tiere verstanden. Als sein Blick wieder zu Fenin wanderte, musste er feststellen, dass dieser nicht sonderlich beeindruckt aussah. Tatsächlich schaute er die aggressiven Tiere vor sich nur beiläufig an. Natürlich war er um ein Vielfaches stärker als sie, was diese ebenfalls zu wissen schienen, da sie nicht angriffen. Doch Milos Herz schlug ihm bis zum Hals, obwohl er nicht einmal beachtet wurde. Noch ehe Milo auf den lauten Knall reagieren konnte, riss Fenin seine Hand hoch und wehrte so in letzter Sekunde etwas ab, was ansonsten seinen Kopf getroffen hätte. Zu Boden fiel ein spitzer Bolzen. Der Mann drehte sich schnell in die Richtung, aus der das Geschoss gekommen war. Seinen Stab hielt er noch immer fest umklammert, bereit für den Kampf, auch wenn dieser Angriff ebenfalls nicht gegen ihn gerichtet gewesen war. Mit einigen Metern Abstand stand ein Mann mit kurzem braunem Haar vor ihnen. In der einen Hand hielt er eine Armbrust, auf der bereits der nächste Bolzen spannte, in der anderen ein Stück Papier. Kaum hatte Milo sich umgedreht, wandte sich der Fremde an ihn, ohne Fenin aus den Augen zu lassen. „Geht weg von ihm! Er ist nicht das, wofür er sich ausgibt!“ Milo stand einfach nur da. Er wusste weder, wie er darauf reagieren, noch was er davon halten sollte. Er verstand sofort, dass dieser Mensch ihn vor Fenin warnte, was bedeutete, dass er dessen Wesen erkannt hatte. Möglicherweise gehörten diese Hund zu ihm. Allem Anschein nach stand er einem anderen Monsterjäger gegenüber. Er kam zu keinem Entschluss, was er tun sollte, als er erneut nun mit eindringlicherer Stimme angeschrien wurde. „Beeilt Euch! Ich werd Euch nichts tun, aber wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen. Los!“ „Geh schon“, raunte Fenin ihm im selben Moment von hinten zu. Milo wusste nicht, was er vor hatte, aber er entschied sich dazu, ihm zu vertrauen. Er war sich sicher, dass dieser Fremde den Dämon weder ernsthaft verletzen noch töten konnte. Kaum hatte er ein paar Schritte auf den Mann zugemacht, hörte er das erneute Knallen der Armbrust noch ehe er den Schuss sah. Die Hunde begannen noch aufgebrachter zu bellen und schienen sich dann zu entfernen. Natürlich drehte sich Milo sofort um, nur um zu sehen, dass Fenin verschwunden war. Wie von selbst suchten seine Augen den weißen Schnee nach Blut ab und wurden zu seiner Erleichterung nicht fündig. „Verdammt!“, fluchte der Mann, von dem er nun nur noch wenige Schritte entfernt stand. „Risha! Vayu! Zurück!“ Das verstummende Bellen bestätigte Milos Vermutung, dass diese Hunde zu ihm gehörten. „Ihr seid -“ Milo biss sich auf die Zunge, um seine Frage zu unterbrechen. Um ein Haar hätte er die Frage, ob der andere ein Monsterjäger wäre, laut ausgesprochen und somit preisgegeben, dass er um Fenins wahres Wesen wusste. Fürs erste wäre es klüger den Unwissenden zu geben und die Situation einzuschätzen. Er wusste, dass Fenin weder weglaufen, noch da draußen verhungern oder erfrieren würde. Und er war sich ziemlich sicher, dass er es ihm nicht übel nehmen würde, wenn er sich hier etwas ausruhte. Außerdem war es selten, dass er solchen Menschen begegnete. Vielleicht könnte ein solches Treffen für ihn auch von Vorteil sein. Nachdem der Fremde seinen zurückgekehrten Hunden kurz über den Kopf gestrichen hatte, wandte er sich wieder Milo zu. Kurz musterte er ihn und ließ dann seine Armbrust sinken. „Tut mir leid für diesen Auftritt. Ich heiße Falamir und bin hier gerade auf durchreise. Ein Glück für Euch, dass Ihr heute hier vorbeigekommen seid. Morgen wäre ich schon nicht mehr hier gewesen.“ „Glück?“, fragte Milo als dieser Falamir eine Pause machte und zog eine Braue nach oben. „Euer... Begleiter von eben. Kennt ihr euch schon lange?“ Falamir musterte ihn genau, das wusste Milo. Er konnte nur hoffen, dass er ihm nichts anmerkte, als er mit den Schultern zuckte. „Es geht. Wir haben uns vor einer Weile getroffen. Er will in eine bestimmte Stadt und weil ich sowieso auf Reisen bin, hat er sich mir angeschlossen.“ „Er ist gefährlich“, platzte es aus dem anderen beinahe heraus. Im nächsten Augenblick räusperte er sich und sprach dann mit ruhiger Stimme weiter. „Es ist vielleicht schwer zu glauben, aber er ist kein Mensch, sondern ein Dämon. Ein überaus gefährlicher noch dazu.“ „Ein Dämon?“, fragte Milo sofort mit möglichst zweifelnder Stimme nach. „Diese beiden irren sich nie.“ Er deutete auf seine riesigen Hunde. „Wenn sie anschlagen, dann ist es zweifellos ein Dämon.“ „Und Ihr kennt Euch damit aus?“, fragte er nach kurzem Zögern nach. Da das alles kein Geheimnis für ihn war, fiel es Milo schwer, den ahnungslosen zu mimen. „Genau. Ich bin ein Magier. Vielleicht habt Ihr schon mal von ihnen gehört. Euer Stab verrät mir, dass Ihr zumindest schon einmal Kontakt mit Magie hattet.“ Dass Falamir ihn nun auf seine Waffe ansprach, jagte einen kleinen Schock durch Milo. Hatte er ihn möglicherweise doch schon durchschaut? „Ein Erbstück meines Vaters“, erklärte er knapp. Das folgende Interesse war nicht einmal gespielt. „Ein Magier also?“ Hosted by Animexx e.V. 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