You know me too well von QueenLuna ================================================================================ Kapitel 1: ----------- You know me too well - Du kennst mich zu gut, um zu merken, dass du mich verändert hast & dass ich jetzt ein Anderer bin. Vielleicht sind wir auch einfach beide blind. - Kapitel 1: Ende August Gebannt verfolgte er das Geschehen am nächtlichen Himmel. Wie eine unüberwindbare Mauer baute sich die riesige Gewitterwand über der nie schlafenden Stadt auf. Von Zeit zu Zeit zuckten grelle Blitze durch das dunkle Ungetüm, brachten es von innen heraus zum Leuchten. Dennoch war kein Donner zu hören. Als würde es nur seine Macht demonstrieren wollen, ohne Ernst zu machen, um dann zuzuschlagen, wenn keiner mehr damit rechnete. Seit einer gefühlten Ewigkeit stand er nun schon auf dem Balkon und konnte seine Augen nicht von dem immer wiederkehrenden Aufleuchten abwenden. Irgendwie war es wie beim Anschauen von Doku-Filmen. Die hatten meistens ebenso eine entspannende Wirkung auf ihn. Er nahm einen tiefen Atemzug und genoss, wie die Luft durch seine Lungen strömte, ehe er sich einen weiteren Zug seiner Zigarette genehmigte. Eine gute Mischung. Diese Pause tat gut, besonders da die letzten Stunden alles andere als ruhig gewesen waren. Ein versonnenes Lächeln huschte über sein Gesicht, als bestimmte Bilder in seinem Kopf auftauchten. Ja, aufregend und intensiv traf es eher. Nicht, dass er sich beschweren würde. Eine kühle Brise umspielte seine Haare. Inzwischen war es merklich frischer geworden, sogar eine leichte Gänsehaut überzog seine bloßen Arme. Von der Hitze des Tages war kaum mehr etwas zu spüren – sozusagen ein kurzes Durchatmen im sonst sehr unangenehmen Tokioter Sommer. Unwillkürlich wanderte ein amüsiertes Grinsen über Dies Lippen. Ganz kurz kam ihm wirklich der Wunsch, sich etwas überziehen zu wollen. So weit kam‘s noch, dass er im Hochsommer mit Pullover rumlief. Er war schließlich nicht Kaoru. Mit einem Ruck löste er sich von der Brüstung und drückte den fast aufgerauchten Glimmstängel im Aschenbecher aus. Sein Rücken knackte leicht, als er sich ausgiebig streckte. Ein Glück hatte das keiner gehört, sonst hätte er sich wieder blöde Sprüche über das Älterwerden anhören können. Plötzlich drang ein leises Murren an sein Ohr und riss ihn aus seinen Gedanken. Stirnrunzelnd lehnte er sich ein Stück zurück, um einen Blick durch die Tür ins Zimmer werfen zu können. War er etwa schon wieder aufgewacht? Nur weil Die nicht schlafen konnte, hieß das nicht, dass der andere seinem Beispiel folgen und ruhelos durch die Gegend geistern musste. Der schwarze Umriss des Bettes dominierte das Zimmer, die dünnen Laken lagen zerwühlt am Fußende, darauf ein Paar Füße. Mehr konnte er aus dieser Position nicht sehen. Die warf einen kurzen Blick auf die Gewitterfront, die sich bedrohlich näherte. Ein wenig Zeit blieb vermutlich noch, bis es losging. Darauf bedacht keinen Lärm zu machen, trat er ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich, sperrte somit die Geräusche der Stadt hinter sich aus. Jetzt war nur das leise Surren der Klimaanlage zu hören. Als sein Blick auf das Bett fiel, konnte er gerade noch rechtzeitig ein lautes Auflachen verhindern. Das Licht von draußen reichte zwar nur dazu aus, das Zimmer spärlich zu beleuchten, doch die Gestalt auf dem Bett war trotzdem deutlich zu erkennen. Toshiya. Das Bild, das der Bassist abgab, wie er dort auf dem Bauch lag, alle Gliedmaßen von sich gestreckt, wirkte herrlich friedlich und entspannt. Dies Mund wurde trocken, während er das Bild vor sich regelrecht aufsog – die helle Haut, die im schwachen Licht fast zu schimmern schien und dabei Toshiyas Rückenmuskulatur wunderbar in Szene setzte. Mühsam schluckte er den Kloß in seinem Hals herunter. Der Zwang den anderen berühren zu wollen, war mit einem Mal übermächtig. Langsam trat er näher, um sich vorsichtig auf der Bettkante niederzulassen, darauf bedacht den Schwarzhaarigen nicht zu wecken. Dieser hatte sich derart breit in dem Bett gemacht, dass kaum mehr Platz für eine weitere Person war. Ein Stechen durchfuhr Dies Herz und ließ den letzten Rest seines Lächelns zu einer Maske werden. Womöglich war das ein Zeichen: Es war nicht sein Bett. Er durfte nicht bleiben, sollte schon gar nicht mehr hier sein. Aber... wenigstens noch ein paar Minuten. Gedankenverloren betrachtete Die das ebenmäßige Gesicht des anderen, das halb von den langen, schwarzen Haaren verdeckt wurde. Ein leichtes Lächeln zierte die vollen Lippen. Ohne, dass Die es verhindern konnte – oder auch nur wollte – machten sich seine Finger selbstständig. Bedächtig folgten sie der sanften Linie von Toshiyas Wirbelsäule nach unten. Dies Fingerkuppen kribbelten, als sie mit der warmen Haut in Berührung kamen. Es fühlte sich so gut an – so echt. Sein Puls raste, auch ein wenig aus der Angst heraus, den Bassisten zu wecken. Dennoch konnte er nicht anders als weiter hauchzart über dessen Rücken zu streichen. Es war gleichzeitig aufregend wie beruhigend. Er konnte nicht genug davon bekommen. Bevor er sich gänzlich in seinem Tun verlor, zwang Die sich dazu, von dem anderen abzulassen, und stand auf. Er musste gehen, egal wie sehr es ihm widerstrebte. Es gab nun einmal diese unausgesprochene Abmachung zwischen ihnen: Keiner blieb über Nacht. An und für sich kein Problem und nichts Neues. Die nächste Nacht folgte garantiert. Lautlos schlich Die durch das Zimmer, auf der Suche nach seinen Sachen, was sich im Halbdunkeln etwas schwierig gestaltete. Ehe er das Zimmer verließ, warf er einen letzten Blick auf das Bett. Toshiya lag unverändert dort, schlafend. Vielleicht stand Die länger dort als beabsichtigt, gefangen im Moment, denn ein entferntes Grollen holte ihn aus seiner Starre. Verdammt. Er musste los. Leise fiel die Tür ins Schloss. ~*~ Müde rieb sich Die über die Augenlider und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Was würde er dafür geben, jetzt im Bett zu liegen und noch eine Runde zu schlafen und sich nicht auf einem der unbequemen Stühle den Hintern platt zu sitzen. Aber nein, das wäre ja auch zu schön. Dabei konnte er sich sowieso nicht richtig konzentrieren und was auch immer Kaoru und Tommy zu besprechen hatten, wehte einfach an ihm vorbei. Warum war er überhaupt pünktlich hier aufgetaucht? Seine anderen, liebenswerten Bandkollegen waren schließlich noch nicht da. Unruhig rutschte er auf dem Stuhl herum, versuchte eine angenehmere Position zu finden. Er hatte jetzt schon das Gefühl, dass es ein sehr, sehr langer Tag werden würde. Diesmal konnte er das wenig dezente Gähnen nicht verstecken. Sofort traf ihn Kaorus kritischer Blick und er zuckte nur grinsend mit den Schultern. Dass ihr Leader die Meetings aber auch jedes Mal derart früh ansetzen musste. „Lange Nacht gehabt?“, musterte ihn ihr Manager schmunzelnd. „Mhmm, das Gewitter hat mich wach gehalten.“ Oder so ähnlich. Kaoru sah aus, als hätte er zu dem Thema auch etwas beizusteuern, doch in diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und ein kurz geschorener Blondschopf kam herein, mit Shinya im Schlepptau. Während sich der Drummer zu einem höflichen „Guten Morgen“ hinreißen ließ, pflanzte sich Kyo schwungvoll neben Die und schlürfte erstmal geräuschvoll an seinem mitgebrachten Milchshake. Der Gitarrist lachte leise auf. Das war definitiv auch eine gute Variante, den Eindruck zu vermitteln, das Ganze schnell hinter sich bringen zu wollen. Kyo erntete von Kaoru nur eine zuckende Augenbraue, die dieser geflissentlich nieder starrte sodass sich der Leader nach dem kurzen Blickduell lieber wieder murrend in seine Unterlagen vertiefte. Mühsam erhob Die sich und schaute fragend in die Runde. „Ich hole mal Kaffee. Will noch jemand was?“ Ein einstimmig mehrstimmiges Murmeln antwortete ihm, dass er einfach als Zustimmung zu mehr koffeinhaltigen Heißgetränken deutete. Grinsend wandte er sich ab, um den Kaffeeautomaten ein bisschen quälen zu gehen. Als er wenige Minuten später zurückkam, das übervolle Tablett vor sich her balancierend, war inzwischen auch der Letzte eingetroffen. Dies Augen fanden ihn sofort und er hielt abrupt in der Bewegung inne. Sein Mund wurde trocken, während er nicht anders konnte, als den Schwarzhaarigen anzustarren, der lässig am Tisch lehnte, die Arme locker vor dem Oberkörper verschränkt. Gerade lachte er über etwas, das Tommy gesagt hatte. Dies Herz geriet aus dem Takt. Irgendwie war es unfair. Wie konnte Toshiya nur so energiegeladen wirken, obwohl sich seine Nacht ähnlich kurz gestaltet hatte wie Dies? Als wenn nichts gewesen wäre. „Danke für‘s Kaffee holen.“ Shinyas leise Stimme riss ihn aus seiner Starre. Dieser ließ sich von Dies Zusammenzucken nicht beirren und nahm umsichtig einen der Becher vom Tablett. Innerlich dankte Die Shinya dafür, dass er ihn auf seine ruhige Art wieder ins Hier und Jetzt zurückgeholt hatte, bevor seine kurze, gedankliche Abwesenheit noch jemandem aufgefallen wäre. Dafür hatte Toshiya sein Eintreten mittlerweile bemerkt. Die hatte das Gefühl, sein Magen würde mehrere Purzelbäume schlagen, so durchdringend lag der Blick des Jüngeren auf ihm. ‚Oh Mann, reiß dich zusammen!‘, rief er sich gedanklich zur Ordnung. Wenn er so weitermachte, würde es nur unnötig peinlich werden. Vorsichtig, um ja nichts zu verschütten, stellte er einen Becher vor Kyo auf dem Tisch ab, der bisher recht unbeweglich vor sich hin gestarrt hatte und nun wieder gänzlich zum Leben erwachte. Wenigstens etwas und die kleine, nötige Ablenkung, die seinen Puls allmählich zurück in normalere Gefilde brachte. Jetzt war Die auch wieder bereit, sich Toshiya in irgendeiner Art und Weise zu stellen. „Hey.“ Verdammt, warum klang seine Stimme so heiser? Er versuchte sich unauffällig zu räuspern. „Willst du auch?“ Vermutlich war dem anderen seine Reaktion von gerade eben nicht entgangen, jedenfalls wenn man den intensiven Blick, der auf ihm lag, richtig deutete. Toshiyas Mundwinkel zuckten verräterisch. „Hm, danke.“ Schon war das Tablett leichter. Die reichte so gelassen wie möglich die beiden verbliebenen Becher an Kaoru und ihren Manager weiter, versuchte sich dabei nicht weiter von Toshiyas Nähe aus dem Konzept bringen zu lassen. Was definitiv leichter gesagt als getan war. Gerade als er sich abwenden wollte, um auf seinen Platz zurückzukehren, drang die tiefe Stimme des Bassisten an sein Ohr. „Die, warte kurz.“ Die beobachtete mit klopfendem Herzen, wie Toshiya umständlich in seiner Hosentasche kramte. Was kam jetzt? Mit einem leisen, metallischen Geräusch landete etwas Silbernes auf dem Tablett und sein Herz rutschte ihm prompt in die Hose. Ein Ring. Er spürte, wie ihm unweigerlich Hitze in die Wangen stieg. Es war nicht irgendein Ring, sondern seiner. Der, den er heute Morgen nicht hatte finden können. Weil er anscheinend noch bei Toshiya im Schlafzimmer gelegen hatte. Mist. „Den hattest du gestern in meinem... Auto vergessen.“ Hoffentlich war den anderen das minimale Zögern in Toshiyas Stimme entgangen. Dass Die besagtes Auto schon seit Wochen nicht mehr von innen gesehen hatte, kam noch dazu. Die wusste vor Schreck gar nicht, was er außer einem hastigen „Danke“ antworten sollte. Außerdem… was sollte das Ganze? Wieso gab er ihm den Ring hier zurück, wo alle anderen es mitbekamen? Es durfte doch keiner erfahren, oder nicht? Auf der einen Seite war er dankbar, sein Schmuckstück zurückzuhaben, auf der anderen fasziniert, wie Toshiya, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, log. Doch ein noch größerer Teil in ihm verstand gerade gar nichts mehr. Wieso handelte der Bassist fast schon gedankenlos und fachte damit die Panik, entdeckt zu werden, sogar weiter an? Sie konnten froh sein, dass sich ihre Kollegen zumeist wenig für das Privatleben der jeweils anderen interessierten. Mit leicht zittrigen Fingern steckte Die den Ring zurück an seinen Platz und wandte sich ab, als wäre nichts passiert. Als hätte Toshiya nicht gerade eben vor den Augen aller das Zeichen ihres heimlichen Treffens an ihn zurückgegeben. Sein Herz wollte sich nicht beruhigen. Während Kaoru nun offiziell das Meeting eröffnete, blinzelte Die kurz in Toshiyas Richtung und zuckte leicht zusammen. Dunkle Augen fixierten ihn derart intensiv, dass er unwillkürlich eine Gänsehaut bekam. Als ob der Jüngere jede seiner Regungen in sich aufsaugte. Warum tat er das? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)