Taffer kleiner Orca von dasy ================================================================================ Kapitel 2: Shachi's Sicht ------------------------- Fünfzehn. Fünfzehn Meter senkrecht bis zur Straße. Weg ist halbe Beschleunigung mal Zeitquadrat. Also ist Zeit die Wurzel aus doppeltem Weg durch Beschleunigung. Fünfzehn – Dreißig – Drei – etwa Eins Komma Sieben Mit etwas Luftwiderstand Zwei. Dazu die Zeit, bis wahrscheinlich das nächste Auto kommt, macht das Zehn. Wenn ich jetzt loslasse, bin ich in spätestens zwölf Sekunden tot. Nicht mal eine viertel Minute. Die Brücke wackelt leicht. Würde ich nicht gerade auf dem Geländer stehen, mit einer Hand an die Laterne gestützt, würde ich das gar nicht bemerken. Ein Mann betritt die Überführung, stellt sich auf die andere Seite neben mich, schaut hinunter. Eins, Zwei, Drei… er zählt die Sekunden laut, die Autos in beide Fahrtrichtungen mit den Fingern. Achtundvierzig, Neunundvierzig… Für das sechste Auto der rechten Hand dreht er diese mit dem Handrücken nach oben. Die Hand ist tätowiert, genaueres kann ich nicht erkennen. Neunundneunzig, Einhundert. Er betrachtet seine Finger, als müsse er jetzt das Ergebnis seiner Studie ausrechnen und interpretieren. Er hatte zu langsam gezählt. Es waren zwei ganze Minuten, nicht nur hundert Sekunden. Ich weiß ganz genau, wie lang zwei Minuten sind. Zwei Minuten haben sie meinen Kopf in das Wasser gedrückt, exakt zwei Minuten. Die Uhr an der Wand hinter dem Eimer hatte einen Sekundenzeiger. Wenn ich es schaffte, diese zwei Minuten die Luft anzuhalten, schluckte ich kein Wasser. Wenn ich es schaffte, mich die zwei Minuten nicht zu wehren, bekam ich zwei Minuten Pause vor der nächsten... was auch immer ihnen einfiel, wenn nicht, kaum zwei Sekunden zum Luftholen. Einmal habe ich mit Absicht Wasser eingeatmet, dachte das wäre eine gute Gelegenheit sich per Selbstmord zu verabschieden, aber sie haben mich „gerettet“, mir das Wasser aus den Lungen geprügelt. Dass mir vorhin die Flucht gelungen ist, ist das reinste Wunder. Jetzt genieße ich die vielleicht dreißig Minuten Freiheit, bis sie mein Verschwinden bemerken. Ich werde das dann sicher mitbekommen, werde sie hören. Und kurz bevor sie mich erreichen, muss ich nur noch loslassen. Ich lehne mich etwas vor, spiele mit Balance und Körperbeherrschung. Ich stelle mir vor, ein Vogel zu sein, nur ein kleiner, vielleicht eine Blaumeise, aber einfach weg fliegen zu können, wenn ich etwas nicht will. „Lass das!“ Muss der mich so erschrecken? Immerhin habe ich noch zwanzig Minuten! Dann hält er mir einen Vortrag. Dabei weiß ich das doch alles, habe mir oft genug die Bücher „ausgeliehen“. Ich dachte, Wissen hilft bei der Flucht, aber ich bekam nur die Erkenntnis, dass der Tod das einzige Ziel ist, das ich erreichen kann. Und schon das war schwierig genug. „keine Lust mehr auf dein Leben“, dringt sein vorerst letzter Satz zu mir durch. Ich will protestieren. Ich will leben. Aber ich kann beim besten Willen mein Leben nicht Leben nennen. Unser Leben. Einer flieht, der andere stellt sich dumm, wird frech, sie erschlagen ihn. Wir hatten sogar einen Plan, falls sie es nicht ganz schaffen. Auf jeden Fall sind wir heute Abend beide tot und… und frei. Er erzählt etwas, dass ich nach diesem Sprung noch leben könnte. Nein. Neinneinnein! Dann wäre ich… wir… Nein! Kopf voran, gut dass er mich daran erinnert! Aber etwas Zeit habe ich noch. Wozu sich also die Füße in den Bauch stehen? Ich setze mich. So langsam werden sie bemerkt haben, dass etwas nicht stimmt. Sicher werden sie alles durchsuchen, ihn „verhören“ und nichtsahnend seine Flucht vorbereiten. Fast kann ich hören, wie sie ihn fragen, treten… wenn er es wirklich schafft, seine Selbstschutzinstinkte auszuschalten, bekommt er innere Verletzungen, an denen er noch heute stirbt. Und sie würden es in ihrer Wut noch nicht mal merken! Da unten in der Böschung raschelt etwas. Ein Tier kann ich nicht erkennen. Nur der Stein da, lag da nicht gerade noch Eichenlaub? Und wie bitteschön kommt jetzt die Katze in meinen Kopf? Ich wollte doch gerade noch eine Blaumeise sein! Husch, verschwinde! Und wehe, du bringst einen toten Vogel mit! „Sex“ Mann! Können wir nicht einfach schweigen? Diese Gedankensprünge überfordern mich. Außerdem ist das der Teil der Folter, den ich ihm gerade nicht wünsche. Warum muss er mich gerade daran erinnern? „Täter oder Opfer?“ Dumme Frage! „Wieso sollte ein Täter sich hinterher umbringen wollen?“ - „Man war sich eigentlich einig, dann hat er sich hinreisen lassen, die Kontrolle verloren und aus einem schönen Abend wurde eine Vergewaltigung, die er jetzt bereut.“ Kontrolle? Ja, um Kontrolle ging es fast immer. Aber nie haben sie sich selbst kontrolliert. Dafür sind ja wir da, zum Austoben, zum beherrscht Werden, zum Ausleben des Kontrollzwangs. „Ja, die Kontrolle über sich haben sie öfter verloren, aber bereut haben sie nie etwas...“, flüstere ich, inzwischen so tief in Erinnerungen, dass ich mich selbst wecken muss, sonst würde ich die Kraft loszulassen nicht aufbringen können. Das nächste Auto fährt derart unkontrolliert, dass es mich schon fast reizt es auszunutzen. Der kann bestimmt nicht rechtzeitig ausweichen oder bremsen. Aber plötzlich ist er weg und mit quietschenden Bremsen steht ein Kleinbus an seiner Stelle. Der Fahrer steigt aus, seine Beine zittern. Ich glaube, am liebsten würde er sich übergeben, aber selbst dafür ist sein Kopf noch zu verwirrt. Dann steigt da auch noch der Rest der Familie aus. Was auch immer hier gerade passiert ist, normalerweise hätte das ein mächtiges Blutbad sein müssen. Ich bin froh, dass es das nicht ist. Ich bin froh, dass die Kinder noch leben und auch ihre Eltern haben. Hoffentlich hat der andere Fahrer auch die Chance erhalten und nutzt sie, ab sofort vorsichtiger, umsichtiger zu sein. „Siehst du, es ist nie nur ein Mensch, der stirbt. Wäre ich heute nicht mehr am Leben, was wäre dann aus ihnen geworden?“ Er war das also! Er hat also Kräfte, die ich nicht in einem Physiklehrbuch finden kann. Ob er eventuell auch mir helfen könnte? „Aber ich gehe nicht zurück. Und da es keinen Ort gibt, wohin ich sonst gehen könnte… Noch zehn Minuten. Ich hoffe, bis dahin sind die Kinder außer Sichtweite.“ Er drückt mir einen Apfel in die Hand. Inzwischen wundere ich mich fast nicht mehr, sondern winke nur kurz der Familie zu und genieße den süßen Geschmack. Will er das wirklich, dass ich mitkomme? Das wäre der Ausweg. Nicht zurück, nicht tot. Es ist nur so, dass es genau diese Worte waren, mit denen sie uns damals von der Straße geholt hatten: „Kommt mit, wir helfen euch, ihr könnt uns helfen!“ Ihre Hilfe war zwar immerhin ein Dach und Essen, aber der Preis dafür, unsere „Hilfe“ ist einfach zu hoch, den will ich nicht mehr zahlen. Also werde ich wohl dankend ablehnen müssen: „Ich denke nicht, dass du mich dabeihaben willst, was auch immer du vorhast. Ich habe nie etwas gelernt, ich kann nichts und die ...“ Die haben es auch nicht geschafft, mir Verstand einzuprügeln. „keine Missverständnisse.“ Jetzt ist er also auch schon an dem Punkt angekommen, an dem seine Worte ihren Zusammenhang verlieren. Hat er wirklich genug Geduld, mir etwas beizubringen? Kann er wirklich so gut erklären, dass selbst ich es verstehe?Oder braucht er mich auch nur als Deko und Unterhaltung? „Was ist mit Sex?“ Einfach mal direkt fragen. Nur den ‚Herren‘ wechseln, macht jetzt nicht so viel Sinn, als dass ich meinen ursprünglichen Plan ändern würde. „Falls du willst, wann du willst und mit wem du willst, vorausgesetzt, der oder die andere will auch!“ Das klingt nach einer Lebensweisheit. Das klingt nach einer Welt, für die es sich lohnen würde zu überleben. Aber alles hat seinen Preis. „Und was willst du dann von mir?“ - „Dass du zuhörst, wenn ich etwas erkläre, dass du tust, was ich dir sage, dass du versuchst zu überleben!“ Überleben! Ich darf überleben und alles, was ich dafür tun muss, ist zu versuchen zu überleben. Ist das das eine Wort um das es hier die letzte halbe Stunde ging? Überleben? Ich schaue auf seine Hände. Die Tätowierung, die ich vorhin nicht lesen konnte lautet DEATH Tod Ein Buchstabe auf jedem Finger. Der Tod als Ermahnung zum Überleben? Ok, dann lasse ich mich mal auf dieses Abenteuer ein. Also: zurück mit den Füßen auf die Erde, zurück auf einen Weg, der mehr als zwölf Sekunden Zukunft hat! Ich höre ihre Stimmen. Durch meinen Schwung schaffe ich es nicht, mich festzukrallen, verliere den Halt, falle und lande auf der Brücke hinter dem Mann. Er zieht sein extrem langes Schwert. Er formt eine Wolke oder so etwas ähnliches mit der anderen Hand. Er nimmt Kampfhaltung ein und bevor sie ihn auch nur erreichen, liegen da tausende Körperteile verstreut auf der Brücke. Die Münder fluchen und schimpfen noch, die Beine versuchen zu treten, aber ohne den Rest des Körpers können sie nichts ausrichten. Es fehlt die Gegenkraft. Aktio gleich Reaktio. Ich stehe auf. Da liegt er. Dieser eine Finger, der mir drei Tage ohne Essen und Licht einbrachte, als ich ihn zerbissen habe. Jetzt ist er wehrlos, krümmt sich wütend, aber gerade war er seither eh nicht mehr. „Ich kenne diesen Finger, ich habe ihn gebrochen, als ich ihn gebissen habe. Warum ist er noch immer so krumm?“ Wenn er mir wirklich etwas erklären will, kann er ruhig jetzt anfangen, dann muss er nicht überlegen, wo er die Anschauungsobjekte herbekommt. Er teilt den Finger nochmals. Ein sauberer Schnitt, der die Knochen spaltet, so scharf, dass ich alle Strukturen erkennen kann. Jetzt packt mich die Neugierde: Was ist der Unterschied im Kehlkopf dieses Mannes, der immer so gekrächzt hat zu einem normalen? Wie sieht die Lunge des Rauchers wirklich aus? Ist das mit den O-Beinen auch so, wie mit dem krummen Finger? Was ist bei einem Hämatom passiert, wie tief reicht es in die Haut hinein? Was ist eine Quetschung, eine Stauchung, eine Prellung? Dann sehe ich einen angebrochenen Fuß und muss stoppen. Für diese Verletzung bin ich nicht verantwortlich. Das ist nicht entstanden, weil ich mich gewehrt habe, sondern er. Wie konnte ich ihn nur vergessen? Wie kann ich auf ein Weiterleben hoffen, wenn er darauf hofft, möglichst bald zu verbluten? „Da sind noch mehr, oder?“ Wird er ihm auch helfen? Und was passiert, wenn die anderen hier her kommen und dieses Gemetzel sehen, den Mann beschreiben können, weitersagen, dass ich noch lebe? Ich kann mich bei der Vorstellung kaum rühren, schaffe nur ein Nicken: „Beides“ Und schon rennt er los. Wieso wartet er nicht mal meine Bitte ab oder fragt, ob er helfen soll. Mit seinen langen Beinen ist er so schnell, dass ich ihn kaum einholen kann, aber er weiß ja nicht genau wohin, daher überwinde ich alle Angst und führe ihn. Kaum ist die Villa in Sichtweite, erzeugt er wieder diese Wolke und die Türsteher können für uns höchstens noch Stolperfallen darstellen. Irgendwie hat er den genauen Überblick, wen er ausschaltet und wen nicht. Ich kann keinen einzigen Fehler entdecken. Durch den Aufruhr, den ich doppelt verursacht habe , sind auch alle draußen. Mein Gehirn vermisst keinen, der mir je etwas getan hat. Also steuere ich meine Schritte auf das Haus. Ich muss ihn suchen. Er muss ihn retten. Noch während ich das Erdgeschoss abklappere, entdecke ich das taubstumme Mädchen in einer Ecke des nächsten Treppenabsatzes. Mit ihrer Hand zeigt sie mir eine vier, weshalb ich sofort hoch sprinte. Und da höre ich ihn auch schon jammern. Zum Weinen hat er bereits keine Kraft mehr, ich kann mich nicht rühren. Der Mann schiebt sich an mir vorbei und legt ihn auf den Tisch. „Saubere Handtücher, sauberes Wasser, möglichst reinen Alkohol, Nähzeug, Seife, eine Kerze, eine...“ Ich kann gar nicht reagieren, die Worte dringen kaum in meinen Kopf durch. Das taubstumme Mädchen greift meine Hand und führt mich in den Vorratsraum, wo sie mir alles auflädt, was der Mann bestellt hat. „Brauchen Sie uns oder können wir derweil die anderen suchen?“, fragt sie ihn flüsternd. Als sie mich wieder bei der Hand nimmt, arbeitet mein Kopf noch immer nicht richtig. Sie führt mich ins Büro, öffnet den Safe. „Ein taubstummes Mädchen beachtet fast keiner. Wenn er mich einmal hier… ich konnte ihm stundenlang zusehen, ohne dass er es bemerkt hätte. Sie nimmt alles Geld und ein paar Papiere und legt sie in den großen Aktenkoffer. Den Schlüssel steckt sie außen an die Tür. Jedem, den wir sehen, flüstert sie zu: „Wir treffen uns in der Küche“ Und dann kommen wir in ein Zimmer, in dem… Wie konnte ich gerade das Vergessen, gerade den, den ich nie geschafft hatte zu verletzen. Ich sehe auf den Wassereimer, auf die Uhr und bekomme einen Wutanfall. Bislang wusste ich nicht, dass ich so gut Karate kann. Letztendlich schleifen wir ihn ins Büro und sperren ihn dort ein. In der Küche sitzen wir alle schweigend bei einander. Mein Kopf braucht noch etwas, das alles zu verarbeiten und die meisten anderen wissen gar nicht, was heute geschehen ist. „Ist dir vorhin wirklich die Flucht gelungen?“, fragt mich ein ziemlich kleiner Junge, sein Arm steht in einem unnatürlichen Winkel ab, er ist blass und droht beinahe vom Stuhl zu fallen. „Wir werden alle abhauen!“, lautet meine Ansage. Mein Kopf ist zu einem Ergebnis gekommen. „Wer kann, durchsucht draußen ihre Taschen, wer noch etwas hier hat, holt es sich. Wir teilen das Geld unter uns auf, so kann jeder hier weg, zurück nach Hause oder sonst wohin. Noch bevor die Sonne untergeht, müssen wir hier weg sein. Die ersten Gäste dürfen uns nicht in die Finger bekommen. Der Mann, den ich mitgebracht habe, scheint Arzt zu sein, auf jeden Fall versucht er gerade...“ Und da ist er wieder, der Kloß in meinem Hals. Aber aussprechen muss ich das jetzt auch nicht, es weiß ja eh jeder. „Wer noch eine Behandlung braucht, kommt nachher mit hoch, alle anderen verschwinden so bald wie möglich, dann fallen wir auch nicht so auf, wenn wir nicht so viele sind.“ Ich wundere mich immer noch nicht darüber, dass das taubstumme Mädchen sprechen kann. Sie ist stark, erkenne ich jetzt. Sie hatte sich zwar nie gewehrt, nie geschrien und gebettelt, aber eben auch nie die Geräusche gemacht, die sie so gern hören wollten. Indem sie nichts gesagt hat, hat man sie auch oft übersehen. Und alles, was sie einstecken musste, hat sie für ihre Flucht, für den heutigen Tag gesammelt. Ihr Plan geht auf. Letztendlich hat jeder von uns ausreichend Geld, manche hatten noch nie so viel. Jeder hat eine kleine Tasche mit etwas Proviant und ein paar Klamotten, die ersten sind schon auf dem Weg, die Verletzten bringe ich hoch. „Kannst du sie auch behandeln? Die anderen habe ich schon weggeschickt. Wir haben Geld gefunden, damit können sie hier wegkommen, irgendwohin, zu ihren Familien oder...“ Mein Blick fällt auf ihn. Er scheint friedlich zu schlafen. Sein Körper ist voll bandagiert, der Boden mit blutigen Handtüchern bedeckt. Ich trete zu ihm an den Tisch und erzähle ihm leise von den letzten Stunden, dem Mann, der uns gerettet hat, der mich mitnehmen will, vielleicht auch ihn. Solange noch andere Patienten mit im Raum sind, drehe ich mich nicht um, will nicht, dass sie sich bei mir bedanken. Ich habe mit meinen kleinen Rebellionen oft genug dafür gesorgt, dass sie mehr abbekamen. Ich will auch gar nicht wissen, wohin sie gehen. Als sie alle weg sind, steht der große Aktenkoffer neben der Tür. Sie hat ihn für mich, für uns gepackt, das weiß ich auch ohne ihn zu öffnen. Und so schwer, wie der ist, hat sie auch die Bücher mit rein gepackt, für die ich so oft Extraschläge eingesteckt hatte. Eine kleine Weile bleiben wir noch in dem Raum. Der Mann sitzt an die Wand gelehnt mit geschlossenen Augen. Er schläft nicht, dafür ist seine Mimik zu unruhig. Ich stehe neben der Tür, jederzeit bereit, mich, uns zu verteidigen, denn Flucht kommt jetzt nicht mehr in Frage. Ich lausche auf die unruhige Atmung der beiden, auf die Stimmen der Köpfe, die wir mit ins Büro gesperrt haben, auf die Geräusche der Straße. Langsam wird es Abend, aber ich habe keine Angst mehr vor den Gästen. Als der Mann aufsteht und ihn vorsichtig auf die Arme nimmt, folge ich ihnen schweigend mit dem Aktenkoffer. Den Weg durch die Stadt, die Promenade entlang Richtung Hafen. Mein Gepäck wird langsam schwer, aber ich beklage mich nicht, zeigt er doch auch keine Müdigkeit über dem schlaffen Körper in seinen Händen. An der Reling eines gelben Metall- Irgendwas steht ein Eisbär. Ich will dem Mann folgen, will von ihm lernen, will ihm bei seinen Plänen helfen. So eine kleine Überraschung wie ein Eisbär kann mich von diesem Entschluss nicht abbringen. „Ab heute passen wir auf die beiden auf!“, sind die einzigen Worte, dann befinden wir uns auch schon an Board und die Leinen sind gelöst. Aus meinem Koffer hole ich drei Äpfel. Dabei finde ich einen Zettel: „Trafalger Law! Sei Dir gewiss, dass es ab heute mindestens eine Piratencrew gibt, die Dich im Auge behält. Ich bin mir sicher, Du hast bei denen etwas gut für meine Befreiung. Und ganz sicher hast Du noch keine Ahnung, was Du Dir gerade mit diesen beiden aufgehalst hast!“ Ich falte ihn und lege ihn in eines der Bücher. Ab heute werde ich jeden Tag einen Weg finden, meinem Kapitän meine Dankbarkeit zu zeigen, auch wenn ich selbst einsehen muss, dass das oft genug im Chaos enden wird. Aber ich muss ihn ja nicht vorwarnen… Kauend stehen wir wieder an der Reling und betrachten die kleiner werdende Stadt. „Warum tust du das für mich?“, will ich wissen. Auch wenn die Antwort nichts ändern würde, glaube ich doch fest daran, dass er mir meine Fragen wirklich beantworten will, hat er doch selbst als Bedingung aufgestellt, dass ich zuhören und lernen soll. Er schweigt eine Weile, dann kommt der Satz, der mir sagt, dass ich noch oft und viele Fragen stellen muss, um eines Tages meinen Kapitän zu verstehen: „Weil das jemand für mich getan hat und ich ihm anders nicht mehr danken kann.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)