Late-Night Tea von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 3: Chapter 1 - 3 ------------------------ „Ist alles in Ordnung?“ Jervis hatte die Worte ausgesprochen, ohne zuvor darüber nachzudenken. Was für eine dämliche Frage, ganz offensichtlich war nicht alles in Ordnung, wenn Crane – oder Scarecrow – nicht mehr in der Lage war sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen war absolut gar nichts mehr in Ordnung. So wie Jervis nun nicht mehr dazu fähig war, seine Besorgnis mit mehr oder weniger amüsanten Bemerkungen zu überspielen. Worin genau diese Besorgnis begründet lag vermochte er selbst nicht wirklich zu sagen. Crane und er waren keine Freunde. Sie hatten einige Male zusammengearbeitet, und anders als bei vielen anderen Kriminellen hatte Jervis bei diesen Gelegenheiten nicht ständig den Drang verspürt, ihn zu erschießen oder anderweitig zum Schweigen zu bringen. Crane war auch nicht so anstrengend wie ein Großteil der Insassen in Arkham, wenn sie beide zur gleichen Zeit dort waren spielten sie oft Schach gegeneinander oder sprachen über Bücher. Als Freundschaft aber konnte man diese Beziehung wohl kaum bezeichnen. Er kniete sich neben seinen Besucher, sah dabei wie dieser die Augen zusammenkniff, hörte ihn zischend ein- und ausatmen. Die Erste-Hilfe-Tasche lag wenige Zentimeter entfernt, und Jervis griff danach, öffnete den Reisverschluss, während er Crane weiterhin im Auge behielt. Der Brustkorb der dürren Gestalt hob und senkte sich hektisch, ein großer Teil des braunen Stoffes seines Outfits war durchtränkt mit Blut; dermaßen viel dass Jervis ernsthaft Sorge hatte dass dieser Zustand nicht bald ein lebensbedrohliches Level erreichen würde. Endlich ertastete er eine der in Plastik eingeschweißten Mullbindenrollen, gefolgt von einer verpackten Wundauflage. Er hatte noch immer nicht das gesamte Ausmaß von Cranes Verletzungen erfasst, doch die Wunde an seiner Seite sah definitiv so aus, als ob sie einer zeitnahen Versorgung bedurfte. „Okay, lass mich mal sehen…“, murmelte er, streckte langsam eine Hand aus um den Stoff von eben dieser Wunde zurückzuschieben… es dauerte kaum mehr als zwei Sekunden, die Crane anscheinend benötigt hatte und Jervis‘ Worte zu verarbeiten, bevor sein Oberkörper in einer schnellen Bewegung nach vorne zuckte, begleitet von eines weiteren unterdrückten Stöhnen, und er Jervis‘ Hand beiseite schlug. „Au!“, rief Jervis, eher aus Reflex als aus wirklichem Schmerz. Crane starrte ihn an, seine Augen funkelten hinter der Maske. Er klang eher wie eine aggressive Schlange als wie ein Mensch als er zischte: „He’ll go east, he’ll go west, he’ll go to the crow‘s nest!“ Unwillkürlich runzelte Jervis die Stirn. „Ähm… ja. Sicher.“ Er war sich nicht sicher, ob in in den Reimen, die Crane ab und an zitierte, insbesondere dann wenn sein Alter Ego die Kontrolle innezuhaben schien, irgendeine Logik oder ein Sinn zu finden war. Worüber er sich dafür umso deutlicher im Klaren war war die Tatsache, dass Crane nicht gewillt war, mehr Hilfe anzunehmen als unbedingt notwendig. Dass er zu stolz war um einzusehen, dass seine Verletzungen derart schwer waren dass es mehr als ein paar Verbände brauchen würde, um sie angemessen zu verarzten. Darüber zu diskutieren wäre sinnlos, das wusste Jervis bereits aus Erfahrung. Wortlos legte er Mullbinden und Wundauflagen auf den Boden, schob sie zu seinem Besucher herüber, der mit zitternden Händen danach griff. Dann stand er auf. „Dann kümmre dich alleine um deine Verletzungen. Aber lass mich dir doch trotzdem einen Tee anbieten.“ Nun musste er doch wieder grinsen, und dass Crane ihn zwar noch immer verärgert, doch nicht mehr aggressiv anblickte, ließ dieses Grinsen noch breiter werden. Schnell fügte er hinzu, um zu verhindern, dass sein Gegenüber ablehnte: „Ich habe da eine besondere Mischung, die sehr gut gegen Schmerzen hilft! Ich nehme doch an, das kommt dir sehr entgegen?“ Eine Antwort wartete er nicht ab, verließ stattdessen mit schnellen Schritten das Bad und begab sich hinter die winzige Kochzeile, die selbst für ihn mit seiner kleinen Gestalt reichlich beengt war. Den Tee bewahrte er in einer Schublade neben dem Herd auf, und wiederum eine Schublade daneben das, was er in diesen Tee hineinzumischen gedachte. Während das Wasser in dem uralten Wasserkocher vor sich hinbrodelte wandte er sich wieder in Richtung der noch immer geöffneten Badezimmertür. Crane hockte noch immer auf dem Boden, an der Stelle an der Jervis ihn zurückgelassen hatte, schien keinerlei Versuch unternommen zu haben sich aufzurichten. Selbst aus dieser Entfernung konnte Jervis sehen, dass er am ganzen Körper zitterte, vermutlich aus einer Mischung aus Anstrengung und Schmerz, während er mit ungelenken Bewegungen versuchte, die Verletzung unterhalb seiner Rippen zu versorgen. Ohne viel Erfolg, immer wieder fiel ihm die Verbandrolle aus der Hand. Ein weiteres Mal konnte Jervis nicht umhin, leicht zu grinsen. Nicht dass ihn Cranes offenkundige Schmerzen amüsiert hätten, nein. Doch dieser Starrsinn, auf keinen Fall Hilfe anzunehmen, war dermaßen typisch für ihn… Das Klicken des Wasserkochers lenkte Jervis‘ Aufmerksamkeit von seinem Besucher ab und zurück zu der Tasse, die er bereitgestellt und bereits mit einem Teebeutel und einigen Millilitern eben jener Flüssigkeit gefüllt hatte, die dafür sorgen würde dass Cranes Schmerzen vorerst verschwinden würden. Während er nun das Wasser in die Tasse füllte rief er über die Schulter: „Zucker oder Honig?“ Einige Sekunden Schweigen, dann, in einem Tonfall der erkennen ließ, dass das Hervorbringen dieses einen Wortes bereits große Anstrengung erforderte: „Nein“. „Gut, wie du meinst.“ Während das Wasser sich rot färbte, die Farbe immer kräftiger wurde, beobachtete Jervis weiterhin Cranes von wenig Erfolg gekürte Versuche, den Verband um seinen Brustkorb zu legen. Es war beeindruckend, mit was für einer stoischen Entschlossenheit er die Mullbinde immer wieder aufhob, bloß um sie kurz darauf wieder fallenzulassen – nur half ihm diese Entschlossenheit absolut nicht weiter. Es machte den Eindruck, als sei er kaum mehr wirklich bei Bewusstsein, als liefen seine Bewegungen lediglich mechanisch ab, und wenn Jervis sich die Menge an Blut ansah, die sich in den letzten Minuten auf den Fliesen des Badezimmers angesammelt hatte, so war dieser Zustand wohl auch nicht wirklich verwunderlich. Als der Tee endlich durchgezogen war warf Jervis den Beutel achtlos in die Spüle, griff die Tasse und stapfte mit schnellen Schritten zurück ins Bad. Kniete sich neben Crane und hielt ihm auffordernd die Tasse hin. „Da, Bitteschön.“ Zu seiner Überraschung kam keinerlei Widerspruch von seinem Gegenüber, offenbar war die Aussicht, den Schmerzen ein Ende bereiten und sich so besser auf das Verarzten konzentrieren zu können, äußerst verlockend. Mit einer weiterhin zitternden Hand griff Crane nach der Tasse, während er mit der anderen seine Maske gerade so weit nach oben zog, dass er in der Lage war zu trinken. Jervis betrachtete derweil das Gewirr aus Verbandszeug, das bei dem Versuch des Verbindens entstanden war und das eher aussah, als hätte ein Kleinkind Arzt gespielt. „Und, wie fühlst du dich?“, fragte er schließlich, nachdem Crane einige Schlucke des Tees zu sich genommen hatte, was ihm ebenfalls sichtlich schwer gefallen war. Wieder einmal schwieg er einige Sekunden, und als er dann schließlich sprach hatte seine Stimme wieder diesen seltsamen Unterton, der darauf schließen ließ, dass es nicht wirklich Jonathan war, der da sprach: „Needles and Pins, Needles and Pins. Jack fell down and broke his crown…“ „…ich vermute, das heißt, nicht gut.“ Erneut spürte Jervis das Bedürfnis in sich aufsteigen, zu Grinsen – es mochte verwirrend sein, aber dennoch fand er es recht erfreulich mit jemandem zu reden, der auf ähnliche Art in Reimen sprach wie er es oft tat – doch dieses Mal unterdrückte er es. Allgemein wollte er nichts tun, was Crane davon abhalten könnte seine Tasse zu leeren. Als Crane dies schließlich getan hatte, überraschend schnell wenn man bedachte, wie sehr ihm selbst das Trinken Schmerzen bereitet zu haben schien, stellte er die Tasse neben sich auf den Boden, machte Anstalten, wieder nach dem Gewirr aus Verbandszeug zu greifen… doch noch in der Bewegung, die träge und wie in Zeitlupe abgelaufen war, hielt er inne. Starrte einige Sekunden lang auf seine Hände, so als könne er nicht ganz verarbeiten, was er dort sah, bevor er den Blick schließlich Jervis zuwandte. Seine Augen funkelten, und es war klar, dass er trotz seines Zustandes genau begriffen hatte, was geschehen war. Bloß -leider, aus seiner Sicht, und zur Freude von Jervis – zu spät. „Du verdammter…“, begann er, mit einer Stimme die klang als wäre er grade aus einem Traum erwacht und noch immer im Halbschlaf. Und mehr Worte brachte er nicht mehr heraus, bevor er in sich zusammensackte, die Augen schloss, und das Schlafmittel, das Jervis in seinen Tee gemischt hatte, vollends seine Wirkung entfaltete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)