Metropolentänzer von lady_j ================================================================================ Kapitel 2: Denn du lebst ja nicht vom Moos allein ------------------------------------------------- „Morgen, Kai! Wie war der Urlaub?” Er machte sich gerade einen Kaffee, als Mariam, eine seiner Consultants, auf ihn zukam. „Morgen”, sagte er, „Erholsam. Hab schon gehört, dass hier auch alles ganz normal war. Was gibt’s bei dir?” Er nahm ungefragt eine weitere Tasse aus dem Schrank und reichte sie ihr. „Danke. Der Studi fängt heute an, erinnerst du dich?” Auch Mariam betätigte nun den Kaffeeautomaten. Sie hatten vor kurzem eine Werkstudierendenstelle ausgeschrieben, vornehmlich für niedere Aufgaben wie das Erstellen von Präsentationen oder die Pflege ihrer Social-Media-Profile. Es hatte erstaunlich viele Bewerbungen gegeben, sodass er die Aufgabe kurzerhand an seine Personalerin abgetreten hatte. Den glücklichen Auserwählten sah er heute also zum ersten Mal. „Wie hieß er noch gleich?” „Wyatt Smith”, antwortete Mariam. Kai warf ihr einen Blick zu. „Es ist echt der Brite geworden?” „Frag mich nicht, anscheinend hat er sich durchgesetzt. Ich bin fürs Einarbeiten zuständig. Hab ihm gesagt, er soll um zehn hier sein, und wir würden dann gegen elf mal zu dir reinkommen, passt das?” „Ja, kein Problem, ich bin heute Vormittag frei.” Sie liefen gemeinsam durch das kleine Büro, in dem Phoenix Consulting zurzeit residierte. Es lag in einem umfunktionierten Industriegebäude in Gesundbrunnen und war weitaus bescheidener als alles, was Kai kannte. Doch es erfüllte seinen Zweck und soweit er es einschätzen konnte, fühlten seine Mitarbeitenden sich hier wohl. Sie saßen alle zusammen im großen Hauptraum, nur sein eigenes Büro war abgetrennt (manchmal vergab er es an die anderen, wenn beispielsweise jemand in Ruhe telefonieren musste). In der Küche stand ein ziemlich luxuriöser Kaffeevollautomat, der im Vergleich aber kaum Müll produzierte. Sie waren sich einig, dass er der teuerste Gegenstand im ganzen Büro war und mit ihren Leben beschützt werden musste. „Du hattest gestern einen Ersttermin, oder? Wie lief’s?”, fragte er sie, als sie bei Mariams Platz angekommen waren. „Alles wunderbar”, sagte sie, „Ich habe die ganz normale Vorstellungsrunde gemacht und ein bisschen unser Portfolio präsentiert. Die scheinen ganz interessiert, ich erwarte eigentlich heute oder morgen eine Antwort.” „Okay, super. Sag mir Bescheid, wenn sich was tut.” „Alles klar.” Sie glitt mit einer eleganten Bewegung an ihren Platz, sah dann aber nochmal zu ihm auf. „Hör mal, ich weiß, dass du Grypholion allein machen willst”, sagte sie. „Solltest du trotzdem Unterstützung brauchen - ich habe Kapazität.” Er war etwas erstaunt, nickte aber. „Gut, ich merke es mir.” Wieder einmal lobte er sich im Stillen dafür, Mariam eingestellt zu haben. Sie war klug und in genau dem richtigen Maße ehrgeizig. Nicht umsonst hatte sie ihm ihre Hilfe angeboten, während niemand sonst in der Nähe war. Und er war geneigt, sie mit ins Boot zu holen, wenn es soweit war. Grypholion war ein Jürgens-McGregor-Unternehmen, eine Cyber-Security-Klitsche, die sich vor allem für nachhaltiges Datenmanagement interessierte. Kai wusste noch nicht, was er von diesem Auftrag hielt, denn er hatte das Gefühl, dass Ralf unmittelbar damit zu tun hatte, aber er würde sich die Sache zumindest einmal ansehen. Die nächsten Stunden verbrachte er damit, Verträge zu sichten und zu unterschreiben und sich Grypholions Portfolio anzusehen. Es half nichts, er würde jemanden brauchen, der sich mit IT auskannte. Auf diesem Gebiet war sein Team noch etwas dünn aufgestellt. Tatsächlich hatte er schon jemanden im Auge, doch wusste er nicht, ob sein Wunschkandidat mit ihm zusammenarbeiten wollen würde. Nun, wenn er es nicht bald klärte, würde es zu spät sein, also sollte er sich demnächst zu diesem schon seit einiger Zeit geplanten Telefonat durchringen. Er hatte den Gedanken noch nicht ganz beendet, als Mariam an die Tür klopfte und beinahe sofort eintrat. Kai war sich nicht sicher, ob sie die eigentliche Bedeutung eines Klopfens kannte und schrieb auch diese Eigenart ihrem Ehrgeiz zu. Jetzt allerdings war sie nicht allein, sondern in Begleitung eines jungen Mannes, der irgendwo zwischen höflicher Zurückhaltung und kaum zu kontrollierender Aufregung zu schweben schien. Kai fühlte sich sofort an seine Studientage zurückerinnert, denn sein neuer Studi sah exakt so aus wie alle anderen seiner Art: aalglatt und ein gut gemeinter, aber dennoch nicht perfekt sitzender Anzug - den er sich in den nächsten Tagen sowieso gleich wieder abgewöhnen konnte, denn sie putzten sich hier wirklich nur in Ausnahmefällen heraus. „Hey Kai”, sagte Mariam, „Ich wollte dir kurz unseren neuen Werkstudenten vorstellen - Wyatt Smith. Wyatt, das ist Kai Hiwatari, der Chef von dem Laden hier.” Kai kam um seinen Tisch herum, um Wyatts schweißige Hand zu schütteln. Der wirkte aber eher aufgeregt als nervös, wie ein Pony, das am liebsten sofort lospreschen wollte. „Sie kommen frisch aus England, nicht wahr?”, fragte er, um das Eis zu brechen. „Genau!” Wyatts Augen wurden rund. „Ich freue mich, hier sein zu dürfen, Mr. Hiwatari! Danke, dass Sie mich genommen haben!” „Oh, da bedanken Sie sich bei Layla, unserer HR-Spezialistin. Wo haben Sie studiert?” „Cambridge, Sir! Und ich bin noch nicht ganz fertig…” „Cambridge, schön. Und dann ausgerechnet nach Berlin?” „Ich habe für mein Auslandssemester gezielt nach Unternehmen recherchiert, die mich interessieren”, entgegnete Wyatt eifrig, „Mr. Hiwatari, ich bewundere Sie sehr!” „Hn.” So viel Ehrbekundung verwirrte ihn etwas. Er wechselte einen Blick mit Mariam, die sich köstlich zu amüsieren schien. Nun, ein etwas zu eifriger Werkstudent war allemal besser als jemand, der nicht aus dem Knick kam. „Nun gut, Mr. Smith”, sagte er schließlich, „Lassen Sie uns heute doch zusammen zum Lunch gehen, damit ich Sie ein bisschen besser kennenlernen kann.” Er sah auf die Uhr. „Um eins? Oder habt ihr was vor, Mariam?” Sie schüttelte den Kopf und Wyatt wirkte, als würde er gleich anfangen zu hyperventilieren. „Natürlich, Mr. Hiwatari, gerne!” Yuriy verließ am frühen Nachmittag das Studio, um zu Hause weiterzuarbeiten. Musik zu produzieren war noch einmal etwas völlig anderes als sie zu mixen, aber mit Kanes Hilfe stieg er langsam dahinter. Erstaunlicherweise war Kane sehr reflektiert, was sein Talent an den Turntables anging, und er gab offen zu, dass er ein besserer Produzent als Künstler war. Aber genauso gern gab er sein fundiertes Wissen auch weiter. Sowohl Yuriys als auch Mathildas EPs wären niemals so schnell entstanden, hätte er ihnen nicht unter die Arme gegriffen. Nun arbeiteten sie schon an neuen Tracks, was aber wesentlich länger dauerte, da sie inzwischen viel mehr unterwegs waren. Bevor er für heute Schluss machen konnte, musste Yuriy beispielsweise noch ein paar Telefonate führen, die seine nächsten Termine betrafen - zwei Nächte in einem Club in Leipzig, in den er gerade recht regelmäßig eingeladen wurde, und ein Set für ein kleines Festival in Warschau Ende des Monats. Seine Arbeitswoche begann inzwischen erst am Mittwoch, da er an den meisten Wochenenden arbeitete und dann Montag und Dienstag frei nahm (ganz am Anfang war alles durcheinander gegangen, bis er diesen Rhythmus für sich beschlossen und seitdem auch durchgezogen hatte). Zu seinem Erstaunen war Boris auch zu Hause. Inzwischen lief er nicht mehr halbnackt durch die Wohnung, dafür war es zu kalt; er stand in Shirt und Jogginghosen in der Küche, den Becher mit seinem Proteinshake in der Hand. Sie waren beide froh, sich zu sehen, und anstatt sich sofort wieder an den Schreibtisch zu setzen, machte Yuriy sich eine Tasse Kaffee und ließ sich von Boris auf den neuesten Stand bringen. „Übrigens”, sagte Boris, nachdem er sich eine Weile über seine Klienten ausgelassen hatte, „Wenn du Kai siehst, erinnere ihn bitte mal freundlich daran, dass wir seinen Trainingsplan erst zu einem Drittel durchgeackert haben. Er hat noch ein paar Wochen Programm bei mir.” „Kann ich machen.” Als Kais Name fiel, durchrieselte Yuriy etwas, er wusste nicht, was. Für einen Augenblick starrte er in seinen Kaffee. Wenn er nicht mit Boris darüber reden konnte, mit wem dann? „Sag mal”, fing er an und blickte wieder auf, „Wusstest du, dass Kai mit Miguel Schluss gemacht hat?” Boris hob die Augenbrauen. „Die waren zusammen?” „Nun, nein, nicht wirklich. Aber trotzdem, was auch immer es war, es ist vorbei.” „Das heißt, Kai ist Single”, schlussfolgerte Boris. Er wartete, doch Yuriy gab nur ein leises Brummen von sich, bevor er wieder schwieg. Er fand einen losen Faden an seinem Ärmel und begann, daran herumzunesteln. „Yura?”, hakte Boris nach. Mit einem Ächzen ließ Yuriy die Hände sinken. „Ich habe ein Problem”, sagte er. Nun war es Boris, der brummte. „Nun, ich könnte jetzt sagen, ich habe es schon immer gewusst”, meinte er. „Bist du verliebt?” „Keine Ahnung”, sagte Yuriy ehrlich, „Aber es ist auf jeden Fall mehr als… Als ich immer dachte, dass es ist.” Boris musterte ihn eine Weile; bei jeder anderen Person wäre Yuriy das unangenehm gewesen, aber Boris und er waren sich dafür viel zu vertraut. „Warum jetzt auf einmal?”, fragte Boris schließlich. „Das mit Miguel ging doch gar nicht so lange, das kann es doch nicht sein.” Nun war es Yuriy, der sich Zeit mit der Antwort ließ. Wenn er ehrlich zu sich war, dann waren seine Gefühle nicht einfach plötzlich aufgeflammt. Es hatte schon immer eine gewisse Anziehungskraft zwischen ihm und Kai gegeben. Er hatte das genossen, damit gespielt, aber nie mit einem Hintergedanken. Über die Zeit, die ganzen letzten drei Jahre, hatte sich das sehr langsam, aber unaufhaltsam geändert. „Vor einem Jahr”, erzählte er, „Hat Kai mir gesagt, dass er in Berlin bleiben möchte. Davor habe ich immer gedacht, er würde die Stadt bei der nächstbesten Gelegenheit verlassen. Aber dann fing er an, Pläne für Phoenix Consulting zu machen, und jetzt ist er immer noch hier und wird auch hier bleiben. Aber darüber konnte ich mir gar nicht so viele Gedanken machen, denn kurz darauf hat das mit Miguel angefangen.” „Und jetzt ist Kai nicht nur fest in Berlin, sondern auch Single”, meinte Boris, „Und du hast keinen Grund mehr, dir einzureden, dass du nichts von ihm willst.” „Er hat sich verändert, Boris.” „Jepp.” Sein Mitbewohner zählte auf: „Besserer Klamottengeschmack - check. Kein Stock mehr im Arsch - check. Hat das Kapital gelesen - check. Ein schön ausdefiniertes Set Muskeln - check. Gern geschehen, übrigens.” „Das hast du schön zusammengefasst”, sagte Yuriy schwach, während Boris ihn breit angrinste. „Inzwischen verdient ihr sogar ähnlich!”, fiel ihm noch ein, „Klar, Kai hat mehr Rücklagen, aber du kennst ja seine Bude - reich ist anders.” „Ich war es, der ihn davon überzeugt hat, weiter zu mieten statt zu kaufen, falls du dich erinnerst”, warf Yuriy ein. Boris und er mussten über so etwas nicht einmal nachdenken, denn außerhalb von Marzahn waren weite Sprünge für sie auch nicht möglich. So viel zu „gleich verdienen”. „Ja, Herrgott, okay, ich ziehe zurück.” Wieder schwiegen sie sich an. Yuriy hatte das Gefühl, dass sein bester Freund das Problem nicht verstand. „Eins habe ich nie kapiert”, sagte Boris in diesem Moment, „Was ist damals zwischen euch abgegangen, als wir ihn im Zentrum aufgegabelt haben? Ich dachte, du hast ihn dir abgeschleppt?” Yuriy winkte ab. „Nein. Also, doch, eigentlich war das der Plan. Ich glaube, sogar beidseitig. Aber irgendwie hat es nicht funktioniert. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Und dann hat er mir erzählt, wer er ist, wo er herkommt… und…” „...das konntest du nicht mit deinen Idealen vereinbaren”, beendete Boris, doch es klang ganz wertungsfrei, wofür Yuriy dankbar war. „Eventuell habe ich ihm ziemlich deutlich gesagt, dass ich nie mit ihm zusammen sein möchte”, murmelte Yuriy. Er erwartete einen lauten Ausruf von Boris, doch der hob nur die Schultern. „Aber das war vor drei Jahren, oder?” Er nickte. Und Boris nickte. Das Grinsen war schon wieder zurück im Gesicht seines Gegenübers. „Na also!”, sagte er laut, „Wo ist das Problem?” Yuriy erwiderte nichts. Stattdessen starrte er schon wieder missmutig in seine Tasse. Das Problem war: Kai und er waren Freunde. Vielleicht inzwischen sogar beste Freunde. Und auch wenn der andere ihn bereits sehr viele Nerven gekostet hatte, wollte er diese Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Er wusste ja nicht einmal, wie tiefgreifend seine Gefühle waren - vielleicht steigerte er sich da nur in etwas hinein. „Was ist mit Garland?”, fragte Boris auf einmal. „Was soll mit ihm sein?” Yuriy hatte gar nicht über ihn nachgedacht. Aber Boris hatte Recht; das mit Garland konnte schwer weitergehen, wenn er Kai wollte. Wie er seinen Bettgefährten kannte, würde der allerdings in etwa genauso überrascht reagieren wie sein Mitbewohner, wenn er das Thema anschnitt - also gar nicht. „Ich denke, Garland ist gerade mein kleinstes Problem”, murmelte er deswegen. Anstatt zu antworten stand Boris auf und ging um den Tisch herum. Yuriy hörte, wie er hinter ihm mit Geschirr hantierte. Dann fing er plötzlich an zu singen: „Geh zu ihm und lass deinen Drachen steigen, geh zu ihm, denn du lebst ja nicht vom Moos allein…” „Argh, Boris!” Yuriy wirbelte zu ihm herum, doch Boris wich ihm aus und trällerte lachend weiter: „Augen zu, dann siehst du nur diesen einen, halt ihn fest und lass deinen Drachen steigen!” Dabei duckte er sich von Yuriys halbherzigen Schlägen weg und floh schließlich in sein Zimmer. Yuriy blieb in der Küche zurück, ein ungläubiges Lächeln auf den Lippen. Oh Gott, er war zu alt für so was. Kai hatte ein gemeinsames Abendessen vorgeschlagen, um den ersten Vorstoß zu wagen. Er hatte nur angedeutet, was er wollte, damit aber scheinbar doch Interesse bei seinem Gegenüber wecken können. Garland kam pünktlich, ihre Begrüßung fiel sogar recht herzlich aus. Sie kamen gut miteinander aus, was vor allem an der alten Geschichte lag, die sich damals zwischen ihnen und Brooklyn ereignet hatte. Inzwischen wohnte er allein, zwar nicht im Prenzlberg, wie er es sich gewünscht hatte, sondern in Kreuzberg. Aber er schien glücklich dort. „Schön, dass es geklappt hat”, meinte Kai und ließ dem anderen den Vortritt, als sie das kleine Restaurant betraten. Es lag direkt am Landwehrkanal und war im Sommer schöner, gerade wegen der Terrasse, aber auch drinnen gab es gemütliche Ecken. Sie mussten sich ein wenig in ihre Nische zwängen, aber als sie einmal saßen, waren sie für sich. „Du hast mich neugierig gemacht, Kai”, sagte Garland, „Natürlich konnte ich da nicht nein sagen. Ist es was Geschäftliches?” „Allerdings. Also… Wein?” Während sie auf ihre Getränke warteten, hielten sie etwas Smalltalk. Dabei musterte Kai sein Gegenüber verstohlen. Garland war wesentlich entspannter geworden; manchmal fragte er sich, ob es am regelmäßigen Sex mit Yuriy lag. Kai wusste nicht, was er davon halten sollte. Er fühlte sich nicht in der Position, die beiden dafür zu verurteilen. Es war nur seltsam; vor allem, da er mit Yuriy durchaus schon über die pikanteren Details gesprochen hatte. Er verscheuchte die Bilder aus seinen Gedanken, denn sie waren jetzt absolut nicht angebracht. Zum Glück kamen in diesem Augenblick ihre Getränke. „Der Grund, warum wir uns heute treffen, ist eigentlich ganz einfach”, sagte Kai, nachdem sie den ersten Schluck genommen hatten. „Ich habe gerade einen recht großen Auftrag bekommen. Es geht um eine Cyber-Security-Firma und momentan sieht es ganz so aus, als könnte ich Unterstützung gebrauchen.” Garland sah ihn aufmerksam an. „Okay. Weiter.” „Du hast dich doch auch gerade selbstständig gemacht”, fuhr Kai fort. „Du hast Erfahrung mit IT, warst Scrum Master, und jetzt bist du sogar Agile Coach. Oh, und war da nicht was mit Data Analysis?” „Ganz am Anfang”, sagte Garland, „Ich musste es auffrischen, aber es gehört zu meinem Portfolio, ja.” „Sehr gut. Pass auf - Meine Firma ist gerade etwas dünn aufgestellt, was die ganze IT-Sparte angeht. Es reicht für die kleinen Dinge, aber wenn wir in so eine Technik-Klitsche reingehen, brauchen wir Profis. Ich suche jemanden, der sich mit Entwicklerteams, Big Data und dem ganzen Kram auskennt. Und da bist du mir eingefallen.” Garland nickte langsam. „Klingt interessant. Wann würde es denn losgehen? Ich habe noch Kapazitäten frei, aber nicht sofort.” „Ich schätze, in so einem Monat sind wir soweit.” „Klingt machbar.” Er legte den Kopf schief. „Kannst du mir schon verraten, um wen es geht?” „Oh.” Kai mimte das Grinsen des anderen. „Grypholion.” „Heilige Scheiße, Kai. Das ist groß. Gehören die nicht zu Jürgens-McGregor?” „Jepp.” Er drehte sein Glas auf der Tischplatte. „Auch deswegen wäre mir jemand, der schon einmal für ein Jürgens-McGregor-Unternehmen gearbeitet hat, lieber. Ich denke, es könnte ein Friedensangebot von Ralf sein. Das würde ich ungern in den Sand setzen.” „Verstehe”, murmelte Garland. Kai gab ihm ein paar Minuten, um sich noch einmal alles durch den Kopf gehen zu lassen. In der Zwischenzeit kam ihr Essen, und sie begannen schweigend darin herumzustochern. „Ich würde es gern machen”, sagte Garland irgendwann. „Schön”, entgegnete Kai. „Aber…” Er druckste ein wenig herum. „Was ist mit… Also. Die Sache mit Yuriy. Ist das okay für dich?” Kai sah erstaunt zu ihm auf. Dann legte er das Besteck weg. „Das ist was Privates”, sagte er, „Und hat mit unseren geschäftlichen Abmachungen nichts zu tun. Und außerdem - habe ich bisher irgendwas dagegen gesagt? Siehst du”, fügte er hinzu, als Garland den Kopf schüttelte. „Ich will aber auch nicht, dass es zwischen uns steht”, sagte er dann. Kai nickte nur und aß weiter. Als er dahinter gekommen war (natürlich hatte Yuriy ihm nicht freiwillig davon erzählt), hatte er sich geschworen, sich in diese Sache nicht einzumischen. Wieso auch, Yuriy konnte schlafen mit wem er wollte. „Lass uns morgen zu den Details telefonieren”, sagte er, „Oder willst du ins Büro kommen? Ist ja nicht so weit weg…” „Gern. Wie du willst.” Garland sah ihn sehr aufmerksam an, doch Kai ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er lehnte sich zurück und griff nach seinem Glas. „Was?” „Hast du Lust, über Privates zu sprechen?” Er trank langsam, um Zeit zu gewinnen. „Okay”, sagte er dann. Was soll’s. „Es geht um Yuriy”, sagte Garland und Kai hob überrascht die Augenbrauen. „Weißt du, ob er glücklich damit ist, Single zu sein?” Darauf wusste Kai keine Antwort. Wenn er ehrlich zu sich war, so sprachen sie kaum über das Thema Beziehungen. Klar, sie wussten, mit wem der jeweils andere ins Bett ging. Aber darüber hinaus endeten diese Konversationen eher in dummen Sprüchen als in einem ernsthaften Austausch. „Ich weiß nicht”, gab er schließlich zu. „Wieso fragst du? Läuft es bei euch nicht mehr?” „Doch, schon”, sagte Garland. „Es ist okay für uns beide. Aber in der ganzen Zeit, die das nun schon läuft, hatte ich nie das Gefühl, dass es jemand anderen gibt. Vielleicht hat er dir erzählt, dass ich es kurz beendet habe, weil ich Mystel kennengelernt habe.” Kai nickte. Im letzten Winter war Garland in so etwas wie eine Beziehung geraten, die sich nach ein paar Monaten im Sande verlaufen hatte. Yuriy hatte das überhaupt nicht gestört; dafür hatte er aber auch keinen Widerstand geleistet, als Garland wieder bei ihm auftauchte, nachdem Mystel weg war. „Ich finde das nicht ungewöhnlich”, sagte Kai, „Vor Miguel war bei mir auch jahrelang tote Hose. Und naja, das mit Miguel war auch nichts Ernstes.” „Weißt du”, unterbrach Garland und sah ihn mit einem Mal sehr fest an. „Ich glaube, Yuriy macht das nicht mit Absicht. Manchmal glaube ich, dass er auf jemanden wartet. Ich meine, ganz ehrlich, was für einen Grund gäbe es sonst? Er kann reden, ist attraktiv und gut im Bett. Wenn er wollte, könnte er sich nullkommanichts jemanden anlachen.” Kai brummte. Garland erschien ihm beinahe frustriert, so wie er die letzten Worte ausgesprochen hatte. Er wurde nicht ganz schlau aus dem anderen. Ob Yuriy und er sich gestritten hatten? Was auch immer es war, es war nicht seine Angelegenheit. „Ich bin genauso ratlos wie du, Garland”, sagte er und hob die Schultern. Er sorgte dafür, dass seine Worte so klangen, als wolle er einen Schlussstrich unter das Thema ziehen. So genau wollte er darüber auch gar nicht nachdenken. Yuriy, auf jemanden warten? Was sollte das? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)