Nichtschwimmer von Veexx ================================================================================ Kapitel 2: Ausfallende Umarmungen --------------------------------- Die Musik dröhnte im von Alkohol und Endorphinen benebeltem Kopf, der Bass mischte sich neben den Herzschlag und die Luft vibrierte in den Lungenflügeln, verbraucht und stickig gefüllt vom Geruch verschütteter Getränke, Schweiß und gebrochenen Versprechen. Die Gesichter um ihn lachten, die Körper tanzten bewegten sich zum Beat wie ein Ritual rieben sie sich hier und dort aneinander, hatten spaß. Min-ki hatte keinen Spaß. Und er wusste nicht, wann er aufgehört hatte dieses Gefühl wahr zu nehmen, diese Aufregung bevor sie los fuhren, wenn sie sich aufhypten, wenn sie ‚vorglühten', schon das brennen im Hals in sich aufnahmen wie einen Freund bevor sie sich auf den Weg machten, wann daraus Stress geworden war, das Gefühl sich vergraben zu wollen. Min-ki hatte es irgendwo dazwischen verloren, zwischen den Sorgen um seine Familie, dem Gefühl zu ersticken jedes mal, wenn er mit Lukas allein war und der Angst welche sich immer tiefer in seinen Nacken fest biss wenn der Koreaner sich in Menschenmengen wieder fand. Das Gefühl hatte, eingeengt zu werden, flüchten zu müssen, all die Geräusche überforderten. Die Arme auf dem Tisch verschränkt ruhte die schwitzige Stirn auf selbigen. Versuchte das drehen zu ignorieren welches sich in seinem Kopf aus breitete. Es half nicht mehr. Es hatte immer geholfen. Sich zu betrinken, bis er nicht mehr stehen konnte, um das Gefühl zu ertragen, Lukas nah sein zu wollen. Nicht körperlich. Nein, dieses emotionale nah sein, dieses Nah sein, aus ihrer Kindheit, dieses Vertrauen dieser selbstverständliche Umgang mit einander. Min vermisste es. Vermisste es als dieses Gefühl nichts war, mit dem er sich auseinander setzen musste, als das Gefühl für Lukas noch angenehm war, schön war und sich nicht von grund auf falsch anfühlte. Min-ki vermisste es, sich nicht zu schämen. Denn Schämen, das tat er so oft, das es beinahe viel mehr ein grund Zustand zu sein schien. Schämte sich, wenn seine Gedanken wieder abdrifteten, er Lukas wieder einen Moment zu lang an sah, wenn sie tanzten und so synchron waren, das ihre Bewegungen dem fließen eines Flusses glichen und er ihn berühren wollte. Schämte sich, wenn er nachts aus einem Traum erwachte, einer dieser vielen, mit Lukas, in denen Lukas und er mehr waren als nur Freunde. Nicht mehr nur in die Sterne sahen, wenn sie sich das Bett teilten. Doch schlimmer als die Scham, war das verstecken. Das sich selbst verstecken. Die Worte seiner Freunde über Menschen wie ihn. Das in sich tragen, für sich behalten. Nicht darüber reden können. Nicht einmal mit seinem besten Freund. Das drehen seiner Umgebung wurde schlimmer, verzerrte die eigenen Gedanken und einen Augenblick befürchtete Min er müsse sich übergeben. Er sollte wirklich weniger trinken. Jedes mal sagte er sich diese Worte, jedes mal nahm er sich vor weniger zu trinken. Und jedes mal wieder stolperte er betrunken die Treppe zu seinem Zimmer hoch und versuchte seine Eltern nicht zu wecken wenn er wieder die letzten Stufen übersah und fast fiel. Ein Zucken ging durch den trainierten Körper, bei dem beinahe das Glas vor ihm um stieß als der Kopf hoch schnellte. Zu rasch für den grad der Intoxikation und zu langsam waren die Reflexe um das Glas noch zu greifen, um welches Lukas nun die Hand legte, es weg schob während er sich in einer fließenden Bewegung neben Min setzte, ihn musterte. „Du hast glaub ich genug getrunken mh?" Leicht boxte die Hand gegen die Schulter Min's welcher wohl mehr nur ein Knurren als Antwort gab, unzufrieden und die Schultern hob. Dem Blick von Lukas kaum stand halten könnend welcher so deutlich auf ihm zu spüren war, das er befürchtete, es würde Spuren hinterlassen. „Was is los Minnie?" „Ich bin betrunken" „Das ist nicht zu übersehen. Aber das mein ich nich." Sacht zogen sich die Brauen des Koreaners zusammen, das erste mal den Blick seines besten Freundes erwiedernd, der seit kurzem erblondet war, während er selbst wieder dunkle Haare trug. Als hätten sie getauscht. Wie gern würde er mit ihm tauschen, diese Gefühle nicht haben, nur für einen Tag. „Ich hab' kein Plan was du willst Lukas" Fahrig wurde der Kopf auf der eigenen Hand abgestützt, den Arm angewinkelt auf dem Tisch platziert während die Musik ruhiger wurde. „Du weist genau was ich meine, du ziehst dich total zurück und wirkst wie n' getretener Hund. Und man selbst für deine Verhältnisse trinkst du echt verdammt viel im Moment" Besorgnis lag in Lukas Gesicht und der Koreaner hatte noch nie gewusst damit um zu gehen. „Keine ahnung. Meine Eltern stressen , vielleicht desswegen?" Wieder die angehobenen Schultern, eine Angewohnheit, ein Zeichen dafür das der dunkelhaarige doch eigentlich gar nicht mehr darüber reden wollte. „Sicher das da nichts anderes is? Man Minnie, du weist du kannst mit mir reden" Wieder die Gehobenen Schultern, wieder die doch so bekannte resignation im Gesicht des Blonden. Diese Resignation über die Tatsache das Min-ki einfach nicht reden wollte nicht konnte. Was würde Lukas sagen wüsste er es? Würde die Freundschaft das überstehen? „Ja sicher. Alles gut" Die feingliedrigen Finger Min's griffen wieder nach dem Glas, scheiterten jedoch an dem Griff seines besten Freundes. „Trink mal lieber ne Cola oder so" Die Musik dröhnte im Kopf, und sicher hatte Lukas recht, und doch wuchs wieder dieses Gefühl von Wut im Koreaner, der mit diesem Gefühl doch noch nie um zu gehen wusste. Ein Empfinden das auch nicht besser zu werden schien, ob der Stimme der Brünetten gegenüber, die seit einiger Zeit das schmückende Anhängsel Nicolas war. Er verstand nicht einmal genau was sie sprach, hörte nicht zu, stattdessen kämpfte er gegen das Gefühl des eigenen Kopfes welcher immer schwerer zu werden schien, drohte einfach nach vorn zu kippen. „Alter, ich brauch sicher niemanden der einen auf Aufsichtsperson macht" Die Flasche wurde los gelassen von welcher die freie Hand Min's das Etikett ab geknibbelt hatte und der Koreaner erhob sich, schwerfällig, fahrig und unsicher auf seinen Beinen. Würde er bleiben, er würde Streit anfangen. So wie er es immer tat wenn Lukas versuchte mit ihm zu reden, zu bohren begann, was diese Veränderung in dem Dunkelhaarigen ausgelöst hatte, seine Sorge zum Ausdruck brachte, nur um sich wenige Minuten später wieder mit Nicolas über irgend jemanden zu amüsieren, den sie für ‚zu schwul' erachteten. Zu weibisch. Zu feminin. Während Min-ki das Gefühl hatte der Draht um sein Herz würde ihn ersticken doch nicht den Mut hatte, etwas zu sagen. Wackelig waren die Schritte ins Freie, während die kühle Luft eine leichte Gänsehaut auf Min's glieder legte und der leichte Wind ihm wieder bewusst machte wie betrunken er war. Und wie dumm er war. Wie albern es war, wieder raus zu gehen, wieder eine Situation zwischen ihn und Lukas zu treiben wie einen Keil der ihn von ihm fern zu halten versuchte und doch scheiterte. So wie auch Min gescheitert war, in all den Versuchen eine Freundin zu finden, sich doch in eine Frau zu verlieben, all den Versuchen das zu sein was seine Eltern erwarteten, was alle anderen erwarteten. Er war es so leid. Die Augen wurden heiß und die Sicht verschwommen, während sich Min etwas von dem Club entfernte und auf den Borstein an der Straße setzte vor eines der Häuser die sich in der Dunkelheit aufbauten wie Obelisken. Er hatte sich fest gefahren. Min-ki hatte sich fest gefahren. In sich selbst. In der Scham. In dem verleugnen. Hatte sich fest gefahren und immer mehr verklebte der Teer seines Herzens seine Gedanken. Teer der es ihm so unendlich schwer machte, morgens aus dem Bett zu kommen, der ihn so oft so wütend machte das er so hässlich wurde, zu denen, die ihm nah standen. „Hey" Er ignorierte die Stimme Lukas, die Stirn auf seinen angewinkelten Knien abgelegt versuchte er stattdessen das Shniefen zu unterdrücken das die Tränen verraten würden, die Männer doch nicht weinten. Und die er doch so oft als Kind geweint hatte. Min fühlte der Bewegung nach, dem Körper der sich neben ihn setzte, die Hand die sich auf seinen Rücken legte, zaghaft. „Möchtest du wirklich nicht mit mir darüber reden Minki?" Der kleinere schüttelte den Kopf, kaum merklich. „Nein. Will ich nicht" „Aber da ist mehr als nur Stress mit deinen Eltern?" „Mhm" „Meinst du, du kannst drüber reden, ohne zu sagen was das problem ist?" Langsam hob sich der dunkle Schopf des Koreaners, sah mit verschleiertem Blick zu seinem besten Freund ehe er schnaubte. „Ich glaub nicht. Ich weiß nicht. Ich fühl mich nicht gut, und ich will mich verkriechen und irgendwie keine ahnung... alles is irgendwie eklig grau" Wahrheit, das war das höchste der Gefühle, der Wahrheit die Min sich zu teilen traute. „Hm" Ein kleines leises Hm war alles, von Lukas, alles was er sagen konnte, während er den Studenten musterte, mit dem er aufgewachsen war die eigene Hand von dessen Rücken hob, und stattdessen durch die dunklen Haare Min's schob, dessen Herz einen Moment einen schmerzhaften hüpfer machte. „Ich mach mir sorgen um dich" „Ich weiß" Nur einen Moment länger wollte er der Hand in seinen Haaren nach fühlen, die doch als Kind so normal war, so unbedacht. Welche diese Wärme in seinen Bauch schickte und die Schmetterlinge die einfach keine Ruhe geben wollten. Einen Moment den Lukas scheinbar nicht schenken zu wollen schien, zog stattdessen seine Hand wieder zurück und beinahe hätte der Koreaner sich weiter zu Lukas gelehnt, lehnte sich stattdessen etwas zurück. Beobachtete stattdessen den Blonden als dieser sich erhob und kurz streckte. „Komm, lass uns gehen" Ein erheben der braue folgte, während Minki den Kopf kaum sichtlich seitlich legte, die dunklen Iriden hinter hellen Kontaktlinsen folgten der Hand die ihm entgegen gehalten wurde, ihm aufhalf und stützte als er wackelig zum Stehen kam. „Meine Sachen sind noch drin" Es war viel mehr ein Murren als ein deutlich gesprochener Satz, und wie so oft mit dem Einfluss den Alkohol auf den Kopf des Koreaners hatte, wurde die Tatsache deutlich das Deutsch nicht seine Muttersprache war. „Ich weiß, ich hol unsere Sachen eben, und dann ruf ich uns n' Taxi zu mir. Du kommst so voll eh die Treppe zu dir allein nich hoch" Das fast schon schadenfrohe Lachen seines besten Freundes ließ auch Min kurz schnauben, nahm etwas schwere ab, von seinen Schultern. „Fuck you" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)