Soft Spot von WeißeWölfinLarka ================================================================================ Kapitel 2: Geduldig trägt dein Mütterlein für dich so manche Last ----------------------------------------------------------------- Der Abspann lief, sie waren gesättigt und zufrieden. Yuriy stand auf und brachte Besteck und Gläser zurück in die Küche. Bei der Gelegenheit checkte er auch gleich sein Handy. Boris rieb sich die Augen, stapelte die Pizzakartons ineinander und rollte sie zusammen. Dann nahm er die DVD heraus und verstaute sie an ihrem angestammten Platz. Er drehte sich zu seinem Bruder um und öffnete gerade den Mund, um ihn etwas zu fragen; schloss ihn aber bei der Gesichtskirmes, die dieser gerade durchlebte: Yuriy gaffte auf sein Handy. Eine Augenbraue wanderte skeptisch in die Höhe, seine Augen flackerten und er schien einen Text wahrzunehmen. Plötzlich verließ jegliche Farbe sein Gesicht, was den Kontrast seiner sowieso schon blassen Haut und seiner roten Löwenmähne noch deutlicher werden ließ. Boris machte sich schon Sorgen, da kehrte die Farbe in Yuriys Gesicht zurück und machte dessen Haaren beinahe Konkurrenz. Die Schamesröte ließ seine Ohren glühen und breitete sich auch über seinen Hals und Nacken aus. Boris grinste – dann war seine Hilfe also von Erfolg gekrönt! Aber da ruckte Yuriys Kopf nach oben und fixierte ihn mit einem rasiermesserscharfen Blick. Boris‘ Grinsen gefror ihm augenblicklich. Die Scham, die bis eben noch überdeutlich in Yuriys Haltung und Gesichtsfarbe sichtbar war, wich wütenden, hitzigen Flecken, und um Nase und Mundwinkeln ergraute seine Haut. Er wirkte fast krank, als sei ihm speiübel. Besorgt eilte Boris auf ihn zu, wollte wissen, was los war. „Noch einen Schritt und ich werfe dich vom Balkon.“ Yuriys Stimme war nur ein Wispern aus zusammengepressten Lippen. Boris stoppte sofort. Er hatte keinen Zweifel daran, dass Yuriy seine Drohung wahr machen würde. Immer noch starrte sein Bruder ihn an; furios, aber unentschlossen taxierte er ihn wie eine Kobra ihre Beute. Ein Hauch von Verachtung huschte über sein verärgertes Gesicht und es ließ Boris‘ Herz einen Moment aussetzen. Der Grauhaarige hob die Hand, wollte auf ihn zugehen – da machte Yuriy vor ihm auf dem Absatz kehrt und verschwand in seinem Zimmer. Nicht, ohne die Tür mit einem wuchtigen Knall zuzuschlagen. Jetzt trommelte Boris Herz umso schneller in seiner Brust. Er zwang sich, durch ruhiges Atmen seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Okay, Yuriy war sauer. Na gut, na fein. Er machte einen tiefen Atemzug. Vielleicht brauchte sein Bruder einfach einen Moment, um runterzukommen. Also ging Boris auf den Balkon, sammelte seine Wäsche ein, verstaute den Wäscheständer an Ort und Stelle und schloss die Balkontür und alle Fenster. Die Pizzapappe und die Wäschewanne stellte er vor die Wohnungstür. Letztlich drehte er sich um und fixierte die Tür, hinter der Yuriy verschwunden war. Es war fast zu still in der Wohnung. Von oben konnte er leise den Subwoofer von Ivan hören, der mal wieder eine ordentliche Runde Drum and Bass durchzog. Was genau er hörte, konnte Boris nicht sagen, dazu war es zu leise und zu elektronisch. Er biss sich auf die Zungenspitze. Zögernd ging er auf Yuriys Schlafzimmer zu. Er wollte nicht ohne eine Verabschiedung gehen. Leise klopfte er an. Als keine Antwort kam, klopfte er etwas lauter. „Yuriy?“ Vorsichtig öffnete er die Zimmertür einen Spalt. Yuriy saß an seinem Schreibtisch und sortierte seine Karteikarten. Sein Handy lag unbeachtet auf seinem Bett. Boris versuchte es auf die lustige Art. „Dann… hast du eine Antwort bekommen…?“ Yuriys Schultern zogen sich zusammen und er verspannte sich zusehends. Seine Hand krampfte um eine Karteikarte und zerdrückte sie, bis das Weiß seiner Fingerknöchel hervortrat. Boris schluckte, und kam sich seltsam vor. „Okay, ich… ich geh dann…?“ Immer noch erhielt er von Yuriy keine Antwort. Wortlos schloss Boris erst die Schlafzimmer-, dann die Wohnungstür hinter sich und kehrte geduckt wie ein geschlagener Hund in seine eigenen vier Wände zurück. Yuriy atmete heftig aus. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er die Luft angehalten hatte. Vorsichtig strich er die gekrumpelte Karteikarte wieder glatt. Das würde noch ein Nachspiel haben…     Zwei Tage später erhielt Boris einen Anruf. Er war gerade beim Training, hatte das Aufwärmen und das Sparring hinter sich und machte eine Pause, als er seinen Klingelton hörte. Mit dem Handtuch, dass über seinen Schultern lag, wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht und nahm erst einen großen Schluck Wasser, bevor er nachsah, wer dieser penetrante Anrufer war, der sich nicht durch Ignorieren abschrecken ließ. Er fummelte sein Handy aus der Seitentasche seines Seesacks. Genau da erstarb das Klingeln.   5 Anrufe in Abwesenheit. Mama. Mama. Mama. *unterdrückte Nummer* *unterdrückte Nummer*   Ungläubig starrte er auf die verpassten Anrufe – vielmehr auf die Anruferin. Sofort ertappte er sich bei einem kurz aufflackernden schlechten Gewissen, wie er es als Bub gehabt hatte, wenn er etwas angestellt hatte. Aber dem war ja nun nicht so, außerdem war er erwachsen – und er konnte sich nicht erinnern, Blödsinn angestellt zu haben. Vielleicht war aber auch das „nicht erinnern können“ das Problem? Nein, schalt er sich, es gab sicher einen anderen Grund, weshalb Galina ihn anrufen wollte. Just in dem Moment vibrierte sein Handy wieder melodisch in seiner Hand. Er griff es fest, und nahm dann den Anruf an. „Borya?“ „Ja, мамуля[1]?“ Sie lachte ein helles, herzliches Lachen, was tief in Boris Brust ein wohliges Gefühl auslöste. „So nennst du mich immer nur, wenn du etwas ausgefressen hast.“ „Du hast fünfmal versucht, mich zu erreichen. Ich hatte den Eindruck…“ Sie schmunzelte in den Hörer. „Nein, глупы́ш.[2] Geht es dir gut? Ich weiß doch, es ist die Zeit im Jahr.“ „Das klingt, als wär ich ein Werwolf oder sowas.“ Boris rieb sich mit dem Ende seines Handtuchs über seinen kurzgeschorenen Sidecut und seine Augenbrauen. Aber er wusste, was sie meinte. Heute war der Todestag seiner Mutter, und er war ins Gym gegangen, um nicht so viel nachdenken zu müssen. Als Galina weiterhin schwieg, seufzte er tonlos und wanderte mit seiner Wasserflasche nach draußen, um im Hinterhof etwas mehr Ruhe zum Telefonieren zu haben. „Ich komm klar“, meinte er, auch wenn ein brennender Klumpen in seinem Magen das Gegenteil behauptete. Dass Yuriy ihn seit drei Tagen mit Schweigen strafte, trug nicht dazu bei, dass er sich besser fühlte. Es gab keine Antworten auf Kurznachrichten, Anrufe drückte er weg – ja nicht mal eine Begrüßung im Treppenhaus saß drin! „Möchtest du vorbeikommen?“ Boris dachte über das Angebot nach. Die kalte Schulter, die sein Bruder ihm zeigte, schmerzte heute umso mehr und der heutige Tag war vielleicht in Gesellschaft besser zu ertragen. „Es ist ja nicht so, dass ich immer noch ‚in Trauer‘ bin…“, murmelte Boris leise in den Hörer. Was stellte er sich auch an. Dieser Tag war wie jeder andere, nur ein dummer Tag, an dem ein dummer Unfall sein Leben schlagartig verändert hatte. „Du darfst trotzdem traurig sein und sie vermissen.“ „Können wir das Thema wechseln? Ich bin beim Training und will gleich noch in den Ring.“ Galina seufzte mütterlich. Auch wenn sie selbst dafür gesorgt hatte, dass Boris sich mit dem Kickboxen die Aggression aus seinen Adern pusten konnte, konnte sie dem Sport nicht wirklich etwas abgewinnen. Schon gar nicht, wenn ihr Ziehsohn mit neuen Macken, blauen Flecken und Platzwunden zuhause aufgetaucht war. Sie schnalzte mit der Zunge. „In Ordnung. Apropos Ringkampf: ich hab gemerkt, Yura ist wütend, was ist denn da schon wieder los?“ Boris machte sich instinktiv klein. Und einfach aus Gewohnheit plärrte er heraus: "Ich hab nichts gemacht! Ich schwöre!“ Galinas Stimme war sanft, aber mit diesem untrüglichen Wissen, das Mütter eben haben, als sie antwortete: „Irgendwie hab ich das Gefühl, dass das nicht die ganze Wahrheit ist... bist du auch wirklich ehrlich mit mir?“ Boris trat gegen einen Mülleimer und biss in sein Handtuch. Das abwartende Schweigen am anderen Ende der Leitung zeugte von jahrelanger Erfahrung im Umgang mit Boris‘ Gefühlskaskaden. Schließlich gab er nach. „... Okay, VIELLEICHT hab ich ihm... ein Date verschafft. Aber ich verstehe nicht, was da so schlimm dran ist." „Bist du dir denn sicher, dass er das auch wollte?“ „Na ja, er schien interessiert-“ Galina unterbrach ihn: „Hat er dich darum gebeten?“ Boris holte Luft zum Argumentieren, starrte auf das Gebüsch vor sich, an dem die ersten zarten Knospen farbig hervorkrochen, und ließ den Kopf hängen. „Nein“, gab er kleinlaut zu. Galina machte ein geduldiges, seiner Ehrlichkeit entgegenkommendes Geräusch. Er hörte es rascheln, vermutlich strich sie sich die Haare zurück und setzte ihre verständnisvolle Miene auf, auch wenn er sie nicht sehen konnte. „Мишка[3]“, begann sie, und er zuckte bei dem Kosenamen zusammen, den er eigentlich liebte, weil nur sie so zu ihm sagte, „du solltest zu ihm gehen. Ich weiß, ihr seid schon groß, und hört nicht mehr auf eure alte Mutter. Aber ihr müsst doch zusammenhalten! Besonders, weil ich nicht in eurer Nähe bin und auf euch achten kann. Ihr seid doch Brüder!“ Sie seufzte bekümmert. „Ach, jetzt mach ich mir wieder die ganze Nacht Sorgen…“ Boris biss sich auf die Lippen und kaute eine Weile darauf herum. Schließlich brummte er ergeben. „Nein, Mama. Das brauchst du nicht. Wir kriegen das auf die Reihe.“ „Also muss ich nicht vorbeikommen und euch beiden die Ohren lang ziehen, bis ihr euch wieder vertragt? Du weißt doch, mein armes, altes Mutterherz erträgt es nicht, wenn ihr euch streitet.“ „Jetzt übertreib mal nicht“, brummte Boris und schlug mit der freien Hand sein Handtuch aus. Allein an der Art, wie sie einatmete, sah Boris ihre kleine Geste des Verdrusses vor sich, wie sie – vermutlich – erst ihre Nasenwurzel rieb und dann mit dem Zeigefinger gegen ihre linke Schläfe tippte. Er wurde kribbelig. In seiner Magengegend kniff es unangenehm. Er rollte mit den Schultern und atmete tief durch. Da riss ihn ihre Stimme aus seinen Gedanken „Ihr solltet das in Ordnung bringen. Wirklich. Versprichst du mir das?“ Als er zulange mit einer Antwort wartete, wurde sie nachdrücklicher: „Borya, versprichst du mir das?!“ Ein kaum verständliches Grummeln deutete sie als seine Zustimmung. „Ich verlasse mich auf dich. Und jetzt hab Spaß beim Training.“ Sie legte auf. Boris starrte sein Handy an. Gegen diese Ameisen unter seiner Haut und in seinem Magen musste er dringend etwas tun! Strammen Schrittes stapfte er zurück in die Trainingshalle und warf sein Telefon auf seine Tasche, griff nach seinen Handschuhen und sondierte den Raum. Sein Blick fiel auf Rick, den amerikanischen Austauschstudenten aus Wisconsin. Der Farmerjunge trug immer seinen Ghettoblaster mit sich herum und das kam Boris gerade gelegen. Mit einem Fingerzeig auf ihn und dann auf den Ring bedeutete er Rick, mit ihm zu sparren. Behände rutschte er dann zwischen den Seilen durch und hüpfte ein paar Mal auf und ab, gepaart mit ein paar schnellen Jabs. Er spürte den Boden leicht vibrieren, als Rick sich ihm gegenüber aufstellte, ein Blitzen in seinen Augen, und einem breiten Grinsen auf den Lippen. Aus den Boxen knatterte der Beat. Oh ja, das versprach ein interessanter Abend zu werden.     Boris brauchte einige Pausen auf dem Weg in den ersten Stock. Vor Rick hatte er es sich nicht anmerken lassen, aber der Landjunge hatte einige zielgenaue Treffer gelandet. Seine Sidekicks waren nicht zu unterschätzen, und es machte sich bemerkbar, dass sie in zwei unterschiedlichen Gewichtsklassen gemeldet waren. Boris rieb sich über seinen Kiefer. Da musste er gleich dringend einen Eisbeutel drauflegen. Als er um die Ecke des Treppenhauses bog, stutzte er. Auf seiner Fußmatte stand Yuriy, an den Türrahmen gelehnt, und rollte nach einem Blick auf seine Armbanduhr genervt mit den Augen. Für einen Moment freute Boris sich, aber dann wurde er verdrießlich, weil es ihn an ihren Streit erinnerte und er einfach nur ins Bett wollte. Yuriy sah auf, als Boris näher kam. Er stieß sich von der Tür ab und machte Platz, damit er gleich problemlos aufschließen konnte. „Wir müssen reden.“ Yuriys Stimme enthielt eine gewisse Schärfe. Boris sagte nichts darauf, und nahm einfach hin, dass Yuriy ihm in die Wohnung folgte. Er war nicht so gut im Reden, seine Fäuste sprachen meist für ihn. Er rieb sich über seine geröteten Fingerknöchel. „Was du gemacht hast, war nicht okay.“ Boris ließ seinen Seesack vor seinem Kühlschrank fallen, füllte zwei Gläser mit Wasser und deutete stumm auf seine Leseecke im Fenstersims. Yuriy bevorzugte das Stehen. Boris stellte das für ihn gedachte Glas auf dem Küchentisch ab und nahm auf den gemütlichen Kissen Platz. „Aber du hast eine positive Antwort bekommen, oder nicht?“, meinte er schließlich und drehte sein eigenes Glas in den Händen. „Darum geht es nicht!“ Frustriert fuchtelte Yuriy mit den Händen in der Gegend herum. Er gestikulierte sehr oft wild, wenn er aufgebracht war. „Kai war… ist neu! Er ist nett!“ Boris horchte auf. „Er?“ „Auch das ist nicht Thema dieser Diskussion!“ „Ich wollte nur helfen. Und er ist doch scheinbar drauf angesprungen… Ich verstehe das Problem nicht.“ „Wir haben Gedichte ausgetauscht! Poesie!“ „Ach, deshalb klang das so gestelzt…“ Yuriy hielt in seinem Lauf inne und funkelte ihn an. „Du hattest kein Recht, dich da einzumischen!“ „Willst du mir weismachen, dass dich diese gekünstelten Sätze angesprochen haben?!“ „Ich mochte die Reinheit, die in seinen Worten war! Er hat sich Mühe gegeben, für mich!“ „Ja, dass es bemüht war, hab ich gesehen…“ Yuriy hatte plötzlich keine Kontrolle mehr über sich. Er sprang auf Boris zu und attackierte ihn mit einem wütenden Aufschrei und fahrigen Hieben. Er schien selbst nicht genau zu wissen, wie er Boris angreifen wollte. Sie rauften sich so eine Weile, mit steigender Frustration auf Yuriys Seite, weil Boris seine Schläge mühelos abwehrte. Da traf Yuriy plötzlich einen schon malträtierten Fleck. Boris zog scharf die Luft ein und sein Zucken sorgte dafür, dass Yuriy gegen den Tisch in seinem Rücken taumelte. Boris erster Impuls war, sich für den Schmerz zu rächen, und ihre Hände kollidierten. Mit einem Poltern landeten sie beide auf dem Boden. Yuriy ächzte. Boris stöhnte und kniff die Augen zusammen. „Scheiße, Mann…“ Boris verfluchte die Tatsache, dass sein geliebter Eisbeutel noch im Gefrierfach lag. Hätte er ihn mal vorhin direkt mitgenommen! Er stieß Yuriy mit dem Ellbogen in die Seite. Die Situation erinnerte ihn an ihre erste Prügelei damals in Kirow. Yuriy rempelte zurück und veranlasste Boris zu einem schmerzerfüllten Zischen. Skeptisch richtete Yuriy sich auf und musterte seinen dusseligen Bruder genau. „Hast du es wieder übertrieben?“ „… Nein, du bist so stark geworden…“ „Ficker.“ Yuriy rappelte sich auf und ließ Boris am Boden liegen. Der Grauhaarige rieb sich seine linke Seite und atmete ein – und dreimal länger wieder auf. Das Pochen an seinen Rippen und auf Höhe seiner Nieren nahm langsam ab. Zeitgleich ließ Yuriy einen Beutel TK-Erdbeeren auf seinen Bauch fallen und hockte sich neben ihm, um den Eisbeutel an Boris‘ Kinn zu halten. „Hier. Bin ja kein Unmensch.“ „Du hast eine komische Definition von ‚Unmensch‘…“, murrte Boris gepresst und drückte sich das Obst an seine Flanke. Sie schwiegen eine gefühlte Ewigkeit. Nur das leise Knistern der Eiskristalle durchbrach die Stille. Sie hatten sich eine sehr, sehr lange Zeit nicht mehr geprügelt. Wenn man diese Rangelei überhaupt so nennen konnte. „Tut mir leid-“, begannen sie plötzlich beide, und mussten daraufhin wie irre kichern. „Es tut mir leid“, setzte Yuriy sich durch, „dass ich eskaliert bin. Aber… ich fand es schön, wie es war. Und du hast mit deiner Nachricht das alles kaputt gemacht.“ Boris drehte seinen Kopf und runzelte die Stirn: „Du hast aber so hilflos und verlegen gewirkt – ich dachte ein kleiner Schubs in die richtige Richtung…“ „Aber das entscheidest nicht du, was die richtige Richtung ist.“ Yuriy seufzte ernüchtert. Ja, die Nachrichten waren unglaublich schnulzig gewesen und wirkten teilweise sehr affektiert, aber es hatte ihm gefallen. Er hätte gern noch eine Weile länger in dieser unbeholfenen Texting-Phase verweilt. „Kai… ist ein Kommilitone von mir. Und er ist mir zu wichtig für einen belanglosen Flirt, verstehst du? Darum war deine Aktion einfach nicht ok.“ „Oh.“ Es dämmerte Boris langsam, was er angerichtet hatte. „Aber ihr schreibt euch noch?!“, wollte er hastig und schockiert wissen. Das entlockte Yuriy ein Lachen, das jetzt wieder so herzlich war, dass es Boris an Galina erinnerte. „Ja, dein Eingreifen hat an sich zu einem positiven Ergebnis geführt. Und mehr werde ich dazu nicht sagen.“ Er half Boris, sich wieder in eine sitzende Position aufzurichten. „Vertragen wir uns also wieder?“ „Ja, du Vollidiot.“ „Gut. Dann kann мамочка ja heute Nacht beruhigt schlafen.“ Yuriy nickte: „Oh ja, sie hat mir echt ein schlechtes Gewissen gemacht…“ „Dir auch?!“ „Ja“, knirschte der Rothaarige, „und dabei wollte ich dich bei ihr verpetzen, weil du so ein Trampel warst.“ Boris schnaubte und stand endlich vom Boden auf. Er feuerte die TK-Tüte mit den Erdbeeren auf seine Küchenanrichte und richtete die Anordnung seiner Stühle. „Bleibst du heute hier…?“, fragte er dann leise, mit dem Rücken zu Yuriy, der irgendwas an seinem Vorhang machte, der sein Bett vor Blicken aus dem Rest der Wohnung schützte. „Was denkst du denn…“ Boris drehte sich zu ihm um. Yuriy hatte sich schon auf sein Bett geworfen. Lächelnd löschte Boris das Licht.     22:29 Mama: Sonntag, 15 Uhr, obligatorisches Kuchenessen bei mir. Keine Widerrede.       Hosted by Animexx e.V. 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