Seelenheil von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 2: Komplikationen ------------------------- Zwei Haltestellen später stiegen wir aus und ich führte ihn zu meiner Arbeitsstelle. Natürlich wurde er dort erst Mal gründlich unter die Lupe genommen, doch er war ja zum Glück nicht auf den Mund gefallen und schlug sich prima. „Jule, darf ich dir jemanden vorstellen? Das ist Naoki…Naoki, das ist Jule…mein Lukas hier“, scherzte ich und die beiden begrüßten sich. „So so…und was ist mit Jayden?“, fragte Jule skeptisch nach. „Dem musste ich leider die Frau ausspannen…wenn du Jojos Lukas hier bist, heißt das denk ich, dass du auf sie aufpasst?“ „Richtig erkannt und ich nehme jeden Kerl genau unter die Lupe, den meine Kleine hier datet…“, erklärte Jule und ein bisschen kam sie mir wie eine große Schwester vor. „Das ehrt dich sehr“, gab er zurück und plötzlich hielt sich Jule erschrocken die Hand vor den Mund. „Jojo, aber deine Hochzeit? Oookay, was läuft hier? Setzen wir uns doch nach hinten, trinken einen Kaffee und du Fräulein klärst mich bitte auf.“ Julietta hatte wirklich was von Lukas seiner überfürsorglichen Art und jedes Mal, wenn sie so mit mir sprach, bekam ich auch ein bisschen Respekt vor ihr, dabei sorgte sie sich nur um mich. „Süße, ich bin kurz eine rauchen, da könnt ihr in Ruhe reden“, sagte Naoki und gab mir einen Kuss. Meine Ziehschwester zog mich mit sich. Empört stand sie da und zog die Schultern hoch. „Was zur Hölle ist los Jojo? Willst du jetzt alles wegwerfen, für diesen Kerl? Und…“ „Jule, stopp…lass es mich erklären. Naoki ist nicht irgendein Kerl, er ist Alice Vater.“ Ich erzählte ihr die ganze Geschichte und gespannt hörte sie zu, jedoch spiegelte sich noch immer diese Skepsis in ihren Augen. „Weißt du, all die Jahre dachte ich das mit Jay und mir war richtig…dabei war er nur der altbekannte Lückenfüller. Ich habe mich in seiner Gegenwart nie so geborgen gefühlt wie bei Naoki. Ich bin mir bewusst, dass das alles mega verrückt ist, aber er liebt mich und ich ihn. Außerdem möchte ich die Chance, dass Alice mit beiden Elternteilen aufwächst, nicht verpassen…er will mich heiraten Jule…es fühlt sich alles so perfekt an.“ Meine große Schwester nahm mich liebevoll in die Arme. „Na schön…ich werde ihn trotzdem mit Adleraugen beobachten.“ Ich lachte nur und in dem Moment kam mein Liebster zurück. Fragend schaute er uns an, dann wand sich Jule ihm zu. „Ich mochte Jayden sehr und weiß von Lukas genug über dich, was nicht gerade für dich spricht. Doch bin ich kein Arsch…also willkommen in der Familie.“ „Danke, das bedeutet mir viel Jule…ich verspreche hiermit, dass ich dieses wundervolle Mädchen hier auf Händen tragen werde“, gab er zurück und ich lief ein bisschen rot an. „Okay, jetzt weiß ich, wie er dich rum gekriegt hat Jojo…an Charme fehlt es ihm definitiv nicht.“ Ich seufzte verliebt. „Nein, tut es nicht. Aber du müsstest ihn Mal mit Alice zusammen sehen, einfach nur zuckersüß…“, schwärmte ich und amüsiert schüttelte Naoki mit dem Kopf. „Na gut ihr zwei Turteltäubchen, in 15 Minuten kommt mein Kunde. Vielleicht schau ich die Tage mit Basti vorbei.“ „Sehr gerne.“ Sie umarmte uns beide. Ich vereinbarte für morgen einen Termin mit meinem Fotografen und schon zogen wir zum Supermarkt weiter. „Wow, diese Jule hat echt was von deinem Bruder“, bemerkte er. „Tja, meine kleine Familie sorgt für mich.“ „Das ist auch gut so.“ Naoki holte einen Einkaufswagen, stellte sich auf die Metallstange unten, nahm mit dem Fuß Schwung und fuhr los. Lachend schüttelte ich den Kopf und rannte ihm nach. „Du spinnst. Bis der Wagen mit dir umkippt.“, lachte ich. „Na und.“ Als wir alles hatten, stellten wir uns an die Kasse. Naoki umarmte mich von hinten und hauchte zarte Küsse in meinen Nacken. Er bestand darauf den Einkauf zu bezahlen, da sagte ich mit Sicherheit nicht nein. Auch nahm er mir die Tragetasche ab und wir fuhren dieses Mal eine Station weiter, bis  zum Kindergarten. Händchenhaltend schlenderten wir zum Eingang. Uns blieben noch fünf Minuten Zeit. Helen winkte von weitem, musterte mich oder uns dann jedoch etwas argwöhnisch. Ich grinste nur. Auch Naoki entging dieses Schauspiel nicht und deshalb zog er mich provokant zu sich, um mich zu küssen. Ich kicherte nur. „Willst du etwa, dass man über dich redet?“ „Liebling, die Leute reden schon immer über mich…der böse, provokante Kerl, der jungen Mädchen den Kopf verdreht.“ Helen schaute immer wieder zu uns, dann kam sie schließlich näher und betrieb etwas Smalltalk. „Na, holst du Alice heute auch eher?“ „Ja, ich muss morgen erst wieder voll arbeiten. Und du? Hattest du frei heute?“ Sie verneinte meine Frage. „Nein, ich bin die Woche krank geschrieben. Erkältung. Aber geht schon wieder besser. Vielleicht lasse ich die Kleine die Tage auch daheim.“ „Manchmal ist das besser“, gab ich zurück und versuchte nicht ganz so desinteressiert zu klingen. Auch Naoki neben mir presste die Lippen aufeinander, um einen Lachanfall zu unterdrücken. Ich gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. Herausfordernd blinzelte er zu mir runter. „Jojo…warum tust du das immer wieder? Lern es endlich…ich hau zurück…“ Ich musste losprusten. „Übrigens super, wenn du das hier vor den anderen Eltern so raus posaunst“, flüsterte ich ihm noch immer kichernd zu. „Ich falle halt gerne auf.“ „Ist mir nicht entgangen.“ Da kam auch schon unsere kleine Tochter angerannt und sie versuchte uns beide gleichzeitig zu umarmen. „Mama…Papa…“ Plötzlich warfen mir die anderen Mütter irritierte Blicke zu, die ich gekonnt ignorierte. Da winkte mich Nici zu sich und ich folgte ihrem Ruf. „Hast du kurz einen Moment?“ „Klar, was gibt es?“ Sie druckste etwas herum und ich konnte mir schon fast denken, auf was sie hinaus wollte. „Ähm…falls du auf Naoki anspielst…ja wir sind wieder zusammen. Er wird jetzt sicher öfters hier aufschlagen. Bis dann!“, verabschiedete ich mich von ihr, weil das alles war, was sie wissen musste. Wir nahmen Alice in unsere Mitte. Da kam Helen auf einmal hinter uns her gerannt. Ich verdrehte die Augen. „Jojo, habt ihr Lust mit auf den Spielplatz zu kommen?“ Ich warf Naoki und Alice einen fragenden Blick zu, doch unüblicher weise schüttelte meine Tochter mit dem Kopf. Ich kniete mich vor sie hin und fühlte ihre Stirn. „Bist du krank mein Schatz?“ Sie schüttelte nur mit dem Kopf. „Papa hat gesagt, er hat zu Hause eine Überraschung für mich.“ „Oh also…ist das dein Freund? Und Jayden?“, erkundigte sich die andere, etwas zu neugierige Mutter. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, ergriff Alice das Wort. „Das ist kompliziert Helen. Weißt du, mein Papa wohnt eigentlich in Tokio, weil er ein berühmter tanzender Sänger ist. Aber er hat Mama ganz doll vermisst. Deshalb waren wir ihn besuchen und er hat sich wieder mit meiner Mama vertragen. Leider kann ich nur einen Papa haben, deshalb musste Jayden gehen. Er war eh nicht so cool wie du Papa.“ Etwas verlegen grinste ich Helen an und winkte schnell, bevor Alice noch mehr ausplauderte. „Eine Überraschung also?“, fragte ich mehr als neugierig nach, konnte mir einen gewissen sarkastischen Unterton jedoch nicht verkneifen. Naoki quittierte das mit einem selbstgefälligen Grinsen. „Ja hab ich, auch wenn du mir das nicht glaubst.“ Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her, dann wurde Alice ein bisschen ruhiger. Schon fast zu ruhig und das bereitete mir ein wenig Bauchschmerzen. Auch zu Hause erzählte sie nicht viel, sondern klammerte sich sehr an ihren Papa und die beiden schauten zusammen ein Buch an. Ich gesellte mich zu ihnen und streichelte meiner Tochter über den Arm. Sie sah von der Geschichte auf und lächelte. „Ist alles in Ordnung mein Schatz?“, fragte ich endlich und nun wurde Naoki ebenfalls hellhörig. Er Zog die Stirn in Falten und auch sein Blick wies eine gewisse Unsicherheit auf. Sie setzte sich zwischen uns, sodass sie uns beide sehen konnte. „Ich hab mich nur gefragt, ob ihr jetzt zusammen bleibt?“, antwortete sie jetzt und augenblicklich hätte ich mit heulen anfangen können, denn schmerzlich wurde mir bewusst, wie es für Alice sein musste, wenn ihre Eltern dauernd so ein hin und her veranstalteten. Naoki schaute mich an und ich nickte ihm lächelnd zu, weil auch ich ein bisschen gespannt war, wie er das unserer Tochter jetzt erklärte. Da ich anwesend war, sprach er auf Deutsch mit ihr. „Süße, es tut mir leid, dass ich nicht immer der Papa war, den du dir vielleicht gewünscht hast. Das hab ich mit Mama auch schon besprochen, aber weißt du, manchmal streiten sich erwachsene eben…über ganz dumme Sachen. Dabei bist du doch das wichtigste in unserem Leben und du stehst an erster Stelle. Und ja, wir bleiben jetzt zusammen…die Tage brauch ich auch deine Hilfe, weil wir für Mama einen Verlobungsring aussuchen müssen“, verschwörerisch flüsterte er Alice die letzten Worte zu, ließ mich dabei jedoch nicht aus den Augen. Ich konnte nicht anders, schlang meine Arme um meine kleine Familie und küsste erst Alice und dann Naoki. „Papa, was ist ein Verlobungsring?“ „Das ist ein Ring, der allen anderen Männern zeigt, dass deine Mama jetzt zu uns gehört. Ein Ring, der zeigt, dass sie bald heiraten wird.“ Die Augen unseres kleinen Mädchens begannen zu leuchten und erfreut hüpfte sie auf dem Sofa herum. „Juhuuuuu, ihr heiratet. War das die Überraschung?“ Lachend schüttelte Naoki mit dem Kopf und fing den kleinen Wirbelwind wieder ein. „Nein, die Überraschung kommt jetzt…du wolltest mich doch Mal tanzen sehen…und naja, ich muss auch üben, deshalb wollte ich dich fragen, ob du zuschauen willst?“ „Ja ja ja! Unbedingt…aber ihr wisst dann schon, dass ich auch ein Kleid brauche“, kündigte sie vollen Ernstes an und wir lachten nur, versprachen ihr jedoch, dass auch sie ein Kleid bekommen würde. Naoki schwang sich stilvoll über die Sofalehne und bewegte sich zur Stereoanlage. Scheinbar genügte ihm der Platz zwischen Sofa und Treppenaufgang. Er schloss sein Handy an und schien etwas zu suchen. Wenig später erfüllte basslastige Elektromusik den Raum und wenn ich nicht schon hoffnungslos in diesen wunderschönen Mann verliebt gewesen wäre, dann hätte ich mich spätestens jetzt in ihn verguckt. Seine nackten Füße schienen kaum den Boden zu berühren, so schwebte er übers Parkett. So grazil und jede Bewegung floss in die nächste über. Seine Körperspannung faszinierte mich fast noch mehr, denn all seine Schritten sahen so einfach aus. Als, er sich auf den Boden fallen ließ, federten ihn seine Hände ab, als befänden sich Sprungfedern darin. Auch Alice himmelte ihren Daddy an. Plötzlich landete er mit einem Satz vor mir, gab mir einen Kuss und wirbelte dann weiter. Er versank ganz in seinem Element und ich war das erste Mal stolz auf ihn. Denn ganz so verkorkst, wie er sich immer darstellte, war er bei weitem nicht. „Du bist so cool Papa“, applaudierte unser kleiner Liebling. Naoki verbeugte sich vor uns und schenkte sich Wasser in ein Glas, welches es in einem Zug leerte. „Ich hab auch überlegt, ob ich hier die Tanzschulen Mal anrufe, vielleicht wollen sie mich als Lehrer einstellen.“ Prinzipiell gefiel mir die Idee und hieß das, dass er jetzt hier blieb? „Und was ist mit deiner Musik?“, fragte ich dann nach, weil ich das Thema hier und jetzt aus der Welt haben wollte. Alice holte währenddessen ihre Malsachen und machte sich auf dem Fußboden breit. „Die gebe ich natürlich nicht auf, aber ich habe mit Lukas und Juka geschrieben…ein paar Aufnahmen kann ich hier im kleinen Heimstudio machen…da weiß ich, wie es funktioniert. Ich kann mir denken, worauf du hinauswillst…und ja, irgendwann muss ich zurück nach Tokio…aber nie für lange.“ „Aber wie soll das funktionieren Naoki? Du hast dein Leben dort und ich meins hier.“ Er seufzte tief und an der Art, wie er mich ansah, erkannte ich, dass er sich auch darüber schon Gedanken gemacht hatte. „Da hast du Recht und das bedeutet, dass jemand von uns beiden irgendwann einen Kompromiss eingehen muss…ich geh kurz raus, okay?“ Ich nickte und trotz der vielen Schmetterlinge in meinem Bauch hatte all das auf einmal einen bitteren Beigeschmack. Deshalb begann ich mit Kochen, um mich abzulenken. Ich schielte nach draußen und Naoki tigerte vor dem Fenster auf und ab. Das rauchen würde ich ihm wohl nie abgewöhnen, doch irgendwie störte es mich auch nicht mehr so sehr. Er schien mit irgendwem zu telefonieren. Da kam mir auf einmal die Hochzeit wieder in den Sinn und auch ich machte mir bewusst, dass ich noch den einen oder anderen Anruf tätigen sollte. Ich schob die fertige Lasagne in den Ofen und griff nach meinem Handy. Die Glastür, die zum Garten führte, schlug wieder zu und grinsend kam mein schöner Mann auf mich zu. Sein Parfum vermischte sich nun mit dem Geruch von Zigarettenrauch. „Rate Mal, wer sich morgen bei den Tanzschulen vorstellen wird?“ Ich erwiderte sein Lächeln. „Du?“ Er nickte nur und gab mir einen Kuss. „Naoki…ich hab ein bisschen Angst…wegen unserer Zukunft und so…“, gab ich ehrlich zu. Seine Arme umschlossen mich. „Süße, ich weiß…und es wird sicher nicht einfach, aber ich verspreche dir, dass wir das schaffen…wir überlegen uns zusammen, wie wir das machen können. Erst haben wir eine Hochzeit zu planen oder?“ „Das stimmt, sollen wir uns kurz einen groben Plan machen?“ Er nickte. Ich klaute mir ein Blatt von Alice und holte einen Kuli aus der Schublade in der Küche. „Willst du groß oder klein feiern?“, fragte mein Liebster. „Mh, von mir aus muss es nicht so groß sein…mein Bruder und Juka, Jule und Basti, Miyavie und Fabi, Nina…mh vielleicht Jukas Familie…?“, überlegte ich. „Was ist mit deinen Eltern?“ Schon begann es wieder in mir zu brodeln und Naoki schien zu merken, dass das ein heikles Thema war. „Ich weiß nicht recht…einladen vielleicht schon…aber ich mag sie nicht besonders. Ich hab dich absichtlich immer von ihnen fern gehalten.“ „So schlimm?“ Ich nickte und konnte die Tränen kaum zurückhalten, weil es mich noch immer traf, dass sie sich einen Dreck für Lukas oder mich interessierten. „Ab und an kreuzt meine Mum hier auf, um nach mir zu sehen und dann meldet sie sich ein halbes Jahr wieder nicht…es ist kompliziert…und mein Dad ist ein absoluter Arsch. Er hat Alice in der Zeit bisher immer nur Weihnachten gesehen…“ Naoki nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und küsste mich auf die Stirn. „Hey…jetzt sind wir unsere eigene kleine Familie…ich fürchte ich muss meine Eltern auch einladen, aber auch wir haben nicht das beste Verhältnis, wie du dich vielleicht noch erinnerst. Trotzdem sind es unsere Eltern. Einladen sollten wir sie…“ „Ja, ich denke auch…es ist so schön dich wieder zu haben Naoki…ich kann dir das nicht oft genug sagen…“ „Oh Jojo…mir tut alles so leid…ich verspreche wirklich, dass alles gut wird.“ „Ich glaube dir“, flüsterte ich gegen seine Halsbeuge und genoss seine Zärtlichkeit. Wie er mich streichelte, mich berührte und mir beteuerte, dass wir alles gemeinsam hinbekommen würden. „Wo willst du eigentlich heiraten? Ich meine vom Standesamt abgesehen…“ „Mh, Jayden und ich hatten eine süße Location am Fluss, aber ich weiß nicht, ob ich das noch will…“ „Was hältst du von hier? Genügend Platz haben wir…holen noch eine Hüpfburg und bestellen irgendwo essen, was geliefert wird“, schlug er vor und ich fand die Idee gar nicht so dumm. „Damit könnte ich mich anfreunden.“ „Sehr schön, dann wäre das auch geklärt“, sagte er und sprang auf, um nach der Lasagne zu schauen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)