Was bedeutet ein Kuss? von CharleyQueens ================================================================================ Kapitel 6: +1 ------------- Auf der Hinfahrt hatten Ken und Daisuke zusammen auf der Rückbank gesessen, ihre Seiten aneinandergepresst, während sie sich über alles Mögliche unterhalten hatten, was ihnen in den Sinn kam. Nun war es Abend, Daisukes Vater hatte sie wie vereinbart wieder abgeholt, doch dann war Ken auf den Beifahrersitz geklettert. „K-Ken?“ Verdutzt blickte Daisuke zu ihm, doch Ken hatte seinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung gedreht und vermied es, ihn anzusehen. „Daisuke, lass ihn.“ Hikari hielt ihn am Arm fest, gerade als er die Beifahrertür öffnen wollte, um Ken zu fragen, was das sollte. Er hatte den restlichen Nachmittag kein Wort zu Daisuke gesagt. Daisuke hatte ihn nicht vor den anderen ansprechen wollen, sondern darauf gehofft, dass sie später im Auto miteinander reden konnten. Hikari, Iori und Miyako wurden von Taichi abgeholt. Iori und Miyako hatten sich bereits von ihnen verabschiedet, nur Hikari stand noch bei ihnen. Sie hatte Ken zum Abschied umarmt und sagte nun auch Daisuke auf Wiedersehen. „Hikari-chan, weißt du vielleicht, wieso Ken sich so verhält?“ Daisuke sah sie verzweifelt an. Es tat weh, dass sein bester Freund nicht mehr mit ihm redete. Sie seufzte und warf dann einen Blick zu Ken, ehe sie Daisuke wieder ansah. „Natürlich weiß ich das. Aber Ken würde nicht wollen, dass ich es dir sage, tut mir leid, Daisuke“, erklärte sie ruhig. „Denk vielleicht einfach mal nach, was deine Handlungen für Ken bedeuten könnten“, fügte sie hinzu und ging dann zum Auto ihres Bruders. Daisuke blickte ihr verwundert hinterher, bis Taichis Auto nicht mehr zu sehen war. Erst dann stieg er selbst ein. Daisuke hatte sich hinter seinen Vater gesetzt und warf die ganze Fahrt über immer wieder besorgte Blicke zu seinem besten Freund. Doch Ken starrte weiter beharrlich aus dem Fenster. Daisuke wollte ihn so sehr fragen, was los war. Sie erreichten ohne große Umstände die Wohnung der Ichijoujis. Eigentlich war geplant gewesen, dass Ken seine Badesachen daließ und seine Schlafsachen holte, um dann den Rest des Wochenendes bei Daisuke zu verbringen. Ken machte zunächst keine Anstalten, aufzustehen. Erst als Herr Motomiya leicht räusperte, blickte er überrascht auf, so als hätte er gar nicht bemerkt, dass sie in Tamachi angekommen waren, und löste dann den Gurt. „Danke für die Heimfahrt, Herr Motomiya.“ Freundlich lächelte Ken ihn an und stieg dann aus dem Auto. Daisuke sah ihm ängstlich hinterher. Er hoffte darauf, dass Ken sich umdrehte und ihm zurief, dass er gleich wiederkommen würde. Aber Ken blickte kein einziges Mal nach hinten. „Daisuke?“ V-mon blickte ihn besorgt an. Das Digimon hatte mitbekommen, dass etwas zwischen ihm und Ken passiert war und machte sich nun Sorgen um seinen Partner. Auch wenn es nicht genau verstand, weshalb sich die beiden überhaupt gestritten hatten. Herr Motomiya seufzte und öffnete dann ebenfalls die Autotür. „Ich rauch gerade eine“, meinte er, während er eine Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche zog. „Nutz die Gelegenheit und hock nicht nur im Auto wie sieben Tage Regenwetter.“ Daisuke stürzte aus dem Auto und eilte zur Tür, die gerade dabei war, wieder zuzufallen. V-mon war ihm dicht auf den Fersen. In letzter Sekunde erreichte er diese und stieß sie auf. Ken stand am anderen Ende des Hausflurs vor dem Fahrstuhl. „Ken!“, rief er ihn und eilte auf ihn zu. Überrascht blickte Ken ihn an. Die Fahrstuhltüren öffneten sich und er machte einen Schritt nach vorne. „Ken, warte bitte.“ Daisuke erreichte den Fahrstuhl und stellte sich dann in den Türrahmen, sodass die Türen nicht wieder schließen konnten. Schwer atmend stütze Daisuke seine Hände auf seinen Knien ab und schnappte nach Luft. Er konnte Kens Blicke auf sich spüren, doch ansonsten machte dieser keine Mühen etwas zu sagen oder zu tun. „Was ist los mit dir, Ken?“, fragte Daisuke, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. Er trat auf Ken zu, der einen Schritt zurückwich. „Es ist alles in Ordnung“, behauptete Ken. „Ich bin einfach müde und will ins Bett.“ Daisuke schluckte. Keine Erwähnung davon, dass Ken eigentlich heute bei ihm übernachten sollte. „Ich weiß, dass du lügst“, entgegnete Daisuke. „Du bist schon die ganze Zeit so komisch drauf, seit ich dich geküsst habe.“ „Du bildest dir was ein“, meinte Ken kopfschüttelnd und mied es jedoch Daisuke anzusehen. „Ken-chan, du solltest wirklich mit Daisuke reden“, meldete sich Wormmon zu Wort. Das Digimon hatte bisher stumm in Kens Armen gesessen und keinen Ton von sich gegeben. Nun sprang es jedoch auf den Boden. „Wormmon?“ „Ich glaube, ihr solltet jetzt alleine sein“, meinte das Raupendigimon und krabbelte auf V-mon zu. „Komm schon“, forderte es seinen Jogresspartner an. V-mon sah verwundert zwischen den beiden Menschen hin und her, doch dann hatte es scheinbar verstanden, worauf Wormmon hinauswollte und gemeinsam gingen die beiden Digimon dann wieder den Flur entlang, um ihren Partnern die benötigte Privatsphäre zu geben. „Wormmon hat recht“, meinte Daisuke und trat noch einen Schritt auf Ken zu. Ken zuckte leicht zusammen, blieb dieses Mal jedoch stehen. Die Fahrstuhltüren schlossen sich hinter Daisuke mit einem leichten Pling. „Ken, sag mir bitte, warum du sauer auf mich bist. Ich habe dich doch nur geküsst, damit dieser Kerl aufhört, dich zu belästigen.“ „Geflirtet, Daisuke. Er hat mit mir geflirtet“, merkte Ken an. Daisuke seufzte laut. „Denkst du ernsthaft, ich hätte nicht gemerkt, dass du dich unwohl fühlst?“ „Und selbst wenn, das gibt dir noch lange nicht die Erlaubnis, mich einfach ungefragt zu küssen“, erwiderte Ken laut und blickte Daisuke wütend an. Daisuke zog seine Augenbrauen zusammen. Vielleicht hätte er anders agieren können, aber merkte Ken denn nicht, dass er es nicht böse gemeint hatte? „Entschuldige, dass ich mir Sorgen um dich gemacht habe“, platzte es aus ihm heraus. „Es war deutlich zu sehen, dass du den Typen nicht bei dir haben wolltest und mir fiel in dem Moment einfach nichts Besseres ein, als deinen festen Freund vorzuspielen.“ „Und du konntest das nicht tun, ohne mich küssen zu wollen? Du hättest ihm ja auch einfach sagen können, dass ich schon vergeben bin!“ Erschrocken trat Daisuke einen Schritt zurück. Eine kleine Stimme in seinem Unterbewusstsein meldete sich leise zu Wort und stimmte Kens Worten zu. Daisuke hätte anders handeln können. Er blickte auf zu Ken und erschrak, als er sah, dass dieser weinte. Eine einzelne Träne kullerte über Kens Gesicht und fiel dann zu Boden. Ken weinte. Ken weinte seinetwegen. Daisukes Herz zog sich krampfhaft zusammen, so sehr schmerzte es ihn, seinen besten Freund weinen zu sehen. „Gut, vielleicht hätte ich anders handeln können“, räumte Daisuke ein und ging auf Ken zu. „Aber ich wollte einfach sichergehen, dass er dich in Ruhe lässt. Und vielleicht war es auch falsch und unverschämt von mir dich ohne deine Erlaubnis zu küssen.“ „Vielleicht?“ „Okay, es war definitiv scheiße von mir“, beeilte sich Daisuke zu sagen. „Ich habe nicht nachgedacht, sondern einfach das Erstbeste getan, was mir in den Sinn kam. Außerdem haben wir uns auch schon vorher geküsst. Die anderen Male hat es schließlich auch nie etwas bedeutet.“ Ken sah ihn unter tränenreichen Augen an und sagte kein Wort. Etwas, was Daisuke unglaublich nervös machte. „Oder?“, fragte er unsicher. „Und was, wenn deine Küsse mir etwas bedeutet haben?“, fragte Ken leise. „Ich meine, ist dir nie aufgefallen, dass immer, wenn du mich küssen wolltest oder solltest, ich immer gleich damit einverstanden war?“ Angestrengt dachte Daisuke nach. Ken hatte definitiv recht, er hatte noch nie ein Problem damit gehabt, wenn Daisuke ihn küsste. „Ken, willst du damit etwa sagen, dass du…?“ Daisuke schluckte. Er konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Denn wenn er es aussprach, dann war es real und dann gab es kein Zurück mehr. „Dass ich was, Daisuke? Dass ich wahrscheinlich schon seit unserem ersten Kuss in dich verliebt bin, obwohl ich ganz genau weiß, dass diese Küsse ja absolut nichts für dich bedeuten?“, platzte es aus Ken heraus. „Das ich jedes Mal darauf hoffe, dass du mich aus welchem Grund auch immer wieder küsst, obwohl ich genau weiß, dass es dir nichts bedeutet oder zumindest nicht das Gleiche bedeutet wie mir? Und ich bin auch noch so dumm und lasse es jedes Mal zu. Ich hoffe jedes Mal darauf, dass du vielleicht endlich auch etwas für mich empfindest. Aber dann bestehst du immer darauf, dass es ja nichts bedeutet. Du fragst nicht einmal, was es mir bedeutet. Aber jetzt wo du es weißt, vielleicht überlegst du es dir dann beim nächsten Mal lieber zweimal, bevor du mich küsst.“ Ken war in ihn verliebt. Ken war seit Jahren in ihn verliebt und er Trottel hatte es nicht gemerkt. Kein Wunder, dass Hikari ihn so entsetzt angesehen hatte, vorhin am Strand. Wahrscheinlich hatte Ken sich ihr anvertraut. Daisuke war so dumm gewesen und hatte Ken immer wieder geküsst, ohne auf die Gefühle seines besten Freundes zu achten. „Warum hast du nie etwas gesagt?“, fragte er nun sanft und wischte die Tränen aus Kens Gesicht. „Damit du mir eine Abfuhr erteilst?“, entgegnete Ken verbittert. Seine Unterlippe zitterte leicht und Daisuke konnte seinen Blick nicht abwenden. Etwas nagte an ihm, während er über all die Küsse mit Ken nachdachte. Vielleicht zählte ihr erster Kuss nicht, Daisuke war damals immer noch in Hikari verknallt gewesen. Und ihr zweiter Kuss zählte definitiv nicht, immerhin war Daisuke über V-mon gestolpert und auf Ken drauf gefallen. Bei dem ‚Wahrheit oder Pflicht‘-Kuss hätte Daisuke genauso gut einfach aussetzen können. Aber eigentlich hatte er Ken küssen wollen. Er hatte Ken geküsst, weil er ihn hatte aufmuntern wollen. Dabei hätte es Ken doch auch gereicht, wenn er ihn einfach nur gehalten hätte. So wie sonst auch, wenn es ihm schlecht ging. Er hatte Ken geküsst, weil er es wollte. „Ken“, sprach Daisuke nun seinen Namen aus und schlang seine Arme um dessen Nacken. „Daisuke, bitte …“, flüsterte Ken und verstummte dann, als Daisuke ihn kopfschüttelnd ansah. „Was, wenn ich dir sage, dass ich von dir geküsst werden will?“, fragte Daisuke und blickte auffordernd in Kens violette Augen, die sich vor Überraschung weiteten. Dann zog er Daisuke zu sich hoch und drückte ihre Lippen aufeinander. Daisuke musste auf Zehenspitzen stehen, um Ken zu erreichen und dieser drückte ihn enger an sich, damit er das Gleichgewicht nicht verlor. Ein Stöhnen entwich Daisuke, während Ken beinahe schon ungeduldig mit seiner Zunge über Daisukes Lippen strich und Einlass forderte. Einlass, den Daisuke ihm nur allzu gerne gewährte. Kaum hatte er seinen Mund geöffnet, war Kens Zunge auch schon in ihm. Verdammt, fühlte es sich gut an. Kens Lippen, seine Zunge, alles an ihm war verlangend und überwältigend. Daisuke ließ sich nur allzu gerne mitreißen. Es fühlte sich beinahe so an, als wolle Ken ihm all die Gefühle übermitteln, die er sonst immer zurückgehalten hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ Ken ihn wieder los und für einige Sekunden starrten sie sich einfach nur an, versanken in den Augen des anderen. Schließlich bewegte Ken seine Hand zur Seite, um einen Knopf zu drücken und kurze Zeit später öffneten sich die Fahrstuhltüren wieder. „Wartest du hier solange, bis ich meine Sachen geholt habe?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)