Was bedeutet ein Kuss? von CharleyQueens ================================================================================ Kapitel 4: 4. ------------- „Seid ihr sicher, dass ihr schon gehen wollt?“ Taichi sah ihn fragend an. „Der Abend ist doch noch jung.“ Daisuke nickte, während er sich seine Jacke anzog. Oder genauer gesagt, er versuchte, sich seine Jacke anzuziehen. Seit wann war es so schwer, das Ärmelloch zu finden? Mit dem anderen Arm hatte er es doch auch geschafft. Vielleicht hätte er doch etwas weniger trinken sollen. Schließlich seufzte Daisuke frustriert und warf sich die Jacke einfach nur über die Schulter. Bis zu ihm nach Hause waren es nur knapp zwanzig Minuten, die würde er schon mit offener Jacke ertragen. Wie jedes Jahr feierten sie Weihnachten zusammen. Wenn Daisuke ehrlich war, dann hatte er eigentlich noch gar nicht gehen wollen. Er war gerade mal seit drei Stunden da. Der Grund für sein frühes Gehen lehnte mit geschlossenen Augen am Rahmen der offenstehenden Wohnungstür. Jacke und Straßenschuhe hatte er bereits wieder angezogen. Natürlich, ihm fiel diese Aufgabe gerade leichter. Ken hatte im Gegensatz zu Daisuke auch nichts getrunken. Dabei hatte Ken ihn nicht einmal gebeten, früher gehen zu können. Ein Blick war ausreichend und Daisuke bemerkte, dass es Ken nicht gut ging. Er war ruhiger als sonst, rieb sich immer wieder die Schläfen und hatte die meiste Zeit am gekippten Fenster verbracht. Daisuke wusste nicht, was los war. Aber er wollte nicht, dass Ken sich schlecht fühlte und wenn er dafür früher von der Weihnachtsfeier gehen musste, dann war das halt so. Er zog sich seine Schuhe an und umarmte Taichi dann zum Abschied. „Nächstes Mal bleiben wir länger“, versprach er ihm. Als er Ken angeboten hatte, dass sie früher gehen könnten, hatte dieser – freundlich wie er war – gemeint, dass Daisuke seinetwegen nicht auf seinen Spaß verzichten sollte. Dabei konnte Daisuke doch keinen Spaß haben, wenn es Ken schlecht ging. „Ken?“ Vorsichtig berührte er seinen besten Freund am Unterarm. „Komm, lass uns gehen.“ „Hm“, war alles, was von ihm kam. Daisuke verhakte seinen Arm mit Kens und zog ihn dann in Richtung Fahrstuhl. „Du hättest wegen mir nicht früher gehen müssen“, sagte Ken leise, als sich die Fahrstuhltüren hinter ihnen schlossen. Daisuke verkrampfte leicht. Er war noch nie ein großer Fan von Fahrstühlen gewesen und normalerweise nahm er immer die Treppe. Aber jetzt wollte er Ken so schnell wie nur möglich nach Hause bringen. Die paar Sekunden konnte er sich zusammenreißen. „Rede nicht … so einen Mist“, lallte Daisuke. „Wenn es dir schlecht geht, dann gehen wir nach Hause. Ernsthaft, es macht mir nichts aus.“ „Danke.“ Ken drückte kurz seinen Unterarm und lehnte seinen Kopf dann gegen Daisukes. Sie verließen den Fahrstuhl und gingen schweigend nach draußen. Es war kalt draußen und ein starker Wind wehte, der sie beide zum Frösteln brachte. Ken drückte sich enger an Daisuke. Seinen besten Freund so nah an sich gepresst zu fühlen, ließ ihn knallrot im Gesicht werden. Aber Ken machte keine Anstalten zurückzuweichen, also ließ er ihn gewähren. Wenn Daisuke ehrlich war, dann mochte er es, wie sich Ken an ihn klammerte, während sie beide nach Hause gingen. Oder in Kens Fall zur Wohnung der Motomiyas, wo sie Minomon und Chibimon zurückgelassen hatten. Taichis Wohnung war zu klein für all die Digimon und so hatten Daisuke und Ken die beiden zuhause bei Daisukes Eltern gelassen. Eigentlich sollte Ken Minomon abholen und dann wieder nach Hause fahren. „Schlaf mit mir“, bat Daisuke ihn. Ken blickte ihn verwundert an, doch es dauerte einige Minuten, bis Daisuke klar wurde, was seine Worte bedeuteten. „N-nicht so“, beeilte er sich zu sagen. „Übernachte bei mir?“ Ken seufzte. „Ich kann dich nicht nach Hause fahren lassen, wenn es dir so schlecht geht“, erklärte Daisuke langsam. „Ist okay.“ „Und sag mir nicht, dass es nur zwanzig Minuten Fahrt sind“ fuhr Daisuke fort. „Als dein bester Freund kann ich … Warte, was?“ „Ich bleibe die Nacht“, wiederholte Ken seine Aussage. „Lass mich nur meine Eltern anrufen und ihnen Bescheid geben. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen.“ Daisukes Mund breitete sich zu einem weiten Grinsen aus. „Oh, wie toll!“, rief er begeistert aus. Ken nickte einfach nur, ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht. Sie erreichten die Wohnung der Motomiyas. Vorsichtig schloss Daisuke die Tür auf und nachdem sie beide ihre Schuhe und Jacken ausgezogen hatten, gingen sie leise den Flur entlang. Ken blieb am Telefon stehen und wählte die Nummer seiner Eltern, während Daisuke ins Wohnzimmer ging. Seine Eltern saßen auf dem Sofa und unterhielten sich leise, während der Fernseher lief. „Daisuke?“ Seine Mutter blickte ihn fragend an, als sie ihn bemerkte. „Es ist doch erst halb acht. Was machst du denn hier?“ „Ken geht es nicht gut“, erklärte Daisuke ihnen. Im Hintergrund konnte er Ken mit seinen Eltern sprechen hören. „Okay. Im Badezimmerschrank dürften noch Aspirin sein“, meinte sein Vater. Daisuke nickte und ging dann wieder zu Ken, der gerade den Hörer aufgelegt hatte. Seine Eltern hatten glücklicherweise nicht bemerkt, dass er getrunken hatte. Oder aber es war ihnen egal. „Ich darf bleiben“, erklärte er und Daisuke seufzte erleichtert. „Dad meint, dass wir im Bad noch Aspirin haben“, erklärte er und zog seinen Kumpel ins Badezimmer, wo sie sich gemeinsam fertig machten. Daisuke lieh Ken seinen Schlafanzug, während er sich selbst bis auf seine Boxershorts auszog und dann so ins Bett krabbelte. Ihre beiden Digimon schliefen am Bettende. Minomon hatte nur einmal kurz aufgeblickt, als sie reingekommen waren, aber war dann gleich wieder zum Schlafen übergegangen. Ken legte sich neben ihn und drehte sich dann auf die Seite, mit dem Rücken zu Daisuke. Er selbst starrte nachdenklich an die Decke und lauschte auf Kens Atem. Zuerst war er gleichmäßig und Daisuke war kurz davor selbst einzuschlafen, als er ein leises Wimmern vernahm. „Ken?“ Er rutschte zu seinem besten Freund und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken. Durch das Fenster fiel Mondlicht und Daisuke konnte sehen, dass Ken weinte. „I-ist schon okay“, murmelte Ken und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Schlaf ruhig weiter.“ Daisuke schüttelte seinen Kopf. „Willst du mir nicht sagen, was los ist? Du bist schon die ganze Zeit so in dich gekehrt.“ „Wirklich, es ist nichts…“ murmelte Ken. Daisuke seufzte und verhakte ihre Finger miteinander, schob sein linkes Bein zwischen Kens Beine und rutschte mit dem Gesicht so nah an Ken heran, dass sich ihre Nasenspitzen berührten. Er sagte nichts, sondern lag einfach nur da und sah Ken abwartend an. Auch wenn Daisuke betrunken war, er wusste, dass Ken nicht bedrängt werden wollte. Also hielt er ihn einfach fest und wartete. „Ich weiß nicht einmal, warum ich traurig bin“, gestand Ken leise. „Es fühlt sich alles nur so schwer an.“ „Ist schon okay“, flüsterte Daisuke und ließ seine Hand los, um ihm durchs Haar streicheln zu können. „Wenn du traurig bist, dann bist du halt traurig. Ich bin für dich da, Ken-chan.“ Ein Gedanke kam Daisuke in den Sinn. Hätte er nicht getrunken, dann hätte er wahrscheinlich noch einmal nachgedacht, ob dieser Gedanke wirklich so gut war, wie in den Moment, als Daisuke ihn aussprach. Aber so rollten die Worte über seine Zunge, ehe er es sich noch einmal anders überlegen konnte. „Wenn ich dich küsse, würde dich das dann trösten?“ Ken blickte ihn überrascht an und Daisukes Hirn fing langsam an zu verarbeiten, was er da gerade gesagt hatte. Andererseits, es war nur ein Kuss. Ken würde einfach ablehnen und dann war alles gut. „Okay“, flüsterte er jedoch. Daisuke blinzelte kurz und streckte sich dann vor, um seine Lippen auf die von Ken zu drücken. Er wusste, wie Kens Lippen sich anfühlten. Trotzdem fühlte es sich so gut an, als Daisuke seine Lippen gegen die von Ken bewegte. Daisuke seufzte leicht und vergrub seine Hand in Kens Haar. Er öffnete seinen Mund und strich mit der Zunge über Kens Unterlippe, saugte an dieser und dann war Kens Mund ebenfalls offen. Daisuke dachte nicht nach – Denken fiel ihm im Moment generell zu schwer – sondern ließ seine Zunge in Kens Mund schlüpfen. Verdammt, fühlte sich das gut an. Trotz all seinen bisherigen Küssen mit Mädchen und dem ein oder anderen Jungen, nichts kam auch nur ansatzweise daran, wie fantastisch es sich anfühlte, Ken zu küssen. Als er Luft brauchte, löste er sich widerwillig von Ken und rutschte ein Stück zurück. Vorsichtig streichelte er ihm über die Wange. „Geht es dir besser?“, fragte Daisuke und schloss kurz seine Augen mit dem Vorhaben, sie gleich wieder zu öffnen. Aus dem Gleich wurden mehrere Stunden später. Als Daisuke am nächsten Morgen aufwachte, war bereits später Vormittag. Sein Kopf dröhnte, so als würde jemand Nägel durch seinen Schädel hämmern. Er und Ken hatten sich im Schlaf noch mehr miteinander verknotet. Während Daisuke ihn weiter beobachtete, kam die Erinnerung an letzte Nacht zurück. An den Kuss. Ob er Ken darauf ansprechen sollte? Daisuke entschied sich dagegen, immerhin war es doch nur ein Kuss gewesen. Gut, er hatte eigentlich nicht vorgehabt, seine Zunge in Kens Mund zu stecken, andererseits war er betrunken gewesen. Es hatte absolut nichts zu bedeuten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)