Bloody Tears von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Bloody Tears Traurig blickte Elza Grey ihr Gegenüber an. Nach Allem, was sie eben gehört hatte, saß ihr ein dicker Klos im Hals. Noch niemals hatte sie ihre beste Freundin derart verzweifelt erlebt. Sie kannte Haruka jetzt schon seit Ewigkeiten, aber immer hatte die androgyne Blondine den Eindruck eines unantastbaren Menschen auf sie und den Rest der Welt gemacht. Nichts hatte sie je aus der Bahn geworfen, niemals etwas es vermocht, ihre rauhe Schale zu durchbrechen oder gar irgendwelche Gefühle bei ihr vermuten lassen. Sie schien ein Fels in der Brandung zu sein und genau in diesem Moment wurde Elza klar, was das Sprichwort "steter Tropfen höhlt den Stein" wirklich bedeutete. Zu lange hatte Haruka die Unangreifbare gespielt, zu lange ihren Schmerz unterdrückt und in sich eingeschlossen, nie auch nur eine Träne vergossen. Zumindest nicht, wenn es jemand sah... Nun war ihre Fassade gebrochen. Die Maske der immer starken Blondine war gefallen und hatte das Leid eines ganzen Lebens freigegeben. Ein Leid, welches Elza ihrem schlimmsten Feind nicht gewünscht hätte. Ihr Blick schweifte erneut über Haruka's Arme. Die weißen Hemdärmel waren noch immer hochgekrempelt und gaben den Blick auf diese entsetzlichen Schnitte frei. Unzählige alte, halbwegs verheilte und so grausam viele Frische. Tiefe, frische Schnitte, deren Blut teilweise noch glänzte, teilweise bereits getrocknet war und einen dunklen Film über Haruka's helle Haut gelegt hatte. "Warum hasst du dich so sehr?", brachte Elza endlich krächzend hervor, "Wie kann man seinem eigenen Körper soetwas antun? Es war doch Alles nicht deine Schuld!" Haruka hob den Kopf. Ihr vom weinen geschwollenes Gesicht war ausdruckslos und ihre Stimme klang verbittert. "Nicht meine Schuld? Nicht meine Schuld, daß ich ein Bastard bin? Nicht meine Schuld, daß dieses Schwein sich jahrelang an mir vergriffen hat? Nicht meine Schuld, daß ich meiner Mutter egal bin oder nicht meine Schuld, daß aus mir so ein Arschloch geworden ist?" "Sag soetwas nicht", schimpfte Elza ein wenig, "Dein einziger Fehler war es, so lange zu schweigen. Du bist kein schlechter Mensch. SIE sind die schlechten Menschen." "Und warum werde ICH dann so bestraft?" schrie Haruka. Sie war aufgesprungen und schaute Elza mit so viel Hass in den Augen an, daß diese erschrak, denn nun wußte das rothaarige Mädchen, daß all die Wut und der Zorn welche in Haruka brodelten, sich ausschließlich gegen sie selbst richteten. "Ich finde nicht, daß Liebe eine Strafe ist", blieb Elza ruhig, "Du darfst nur nicht von vorn herein alles so pessimistisch sehen." Sie erhob sich und legte Haruka eine Hand auf die Schulter. "Glaube mir. Michiru ist ein so warmherziger und aufrichtiger Mensch. Sie ist..." "Ein Mädchen, verdammt", fiel Haruka ihr barsch ins Wort, "Und nicht nur irgendein Mädchen, sondern das begehrteste Mädchen des ganzen Viertels. Ein zarter Engel aus gutem Hause. Wie glaubst du wohl, würde sie reagieren, wenn so ein psychopatischer Freak wie ich, ihr gesteht, sie zu lieben. Ich! Ein MÄDCHEN! Ich sag dir, was sie tun würde. Sie würde sich angewiedert wegdrehen und nie wieder ein Wort mit mir sprechen-das würde sie tun." Haruka wand sich aus Elza's Berührung und schlug so fest wiederholt mit ihrer Faust gegen die Wand, daß ihre Knöchel sofort zu bluten begannen. Bei jedem Schlag zuckte Elza zusammen. Unendliche Verfleiflung machte sich in ihr breit. Sie wußte, daß Haruka kein schlechter Mensch war und sie hasste dieses Gefühl der Hilflosigkeit. "Haruka bitte...", schluchzte sie leise, "Du bist kein Freak und Michiru hat dich viel zu gern, um so zu reagieren." Haruka lachte verächtlich. "Sie hat mich gern?" Sie drehte sich zu Elza um und diese konnte dieses außerweltliche Funkeln in den dunklen Augen sehen. "Sie hat mich gern? Ich will nicht, daß sie mich gern hat! Ich will überhaupt nicht, daß mich jemand gern hat! Was glaubst du wohl, warum ich immer so abweisend zu den Menschen bin? Vielleicht, weil mir so viel an ihnen liegt?" Der Sarkasmus in Haruka's Worten machte Elza Angst. "Aber...du liebst sie doch", brachte sie leise hervor. "Ja", lachte Haruka ironisch, "ICH liebe SIE! Aber sie liebt mich nicht! Und sie wird mich auch nie lieben." Ihre Stimme wurde ruhiger und sie senkte den Blick. "Wie sollte sie auch?" "Du kannst das doch gar nicht wissen, bevor du nicht mit ihr gredet hast", sagte Elza tröstend, "Sprich mit ihr und wer weiß? Vielleicht sind deine Sorgen vollkommen unnötig." "Mit ihr sprechen?" Haruka's Stimme klang fast schon irrsinnig, "Und was soll ich ihr sagen? Sorry Michiru, aber deine Freundschaft reicht mir nicht? Ich bin eine abartige Lesbe und möchte, daß du dein Leben mit mir verbringst? Nein Elza, ich kann es ihr nicht sagen. Es hat Alles keinen Sinn." "Versuch es doch wenigstens", widersprach Elza. "Und wieder ins Gesicht gesagt bekommen, wie krank und pervers ich bin?" schrie Haruka, "Nein Elza! Ich kann das nicht mehr ertragen. Und ich will es nicht mehr! Es reicht mit den Schmerzen. Es wird nie wieder weitere geben!" So schnell, daß Elza gar nicht reagieren konnte, war Haruka ins Bad gelaufen und hatte die Tür zugeschmissen. Sofort folgte das rothaarige Mädchen ihr und mußte sehr schnell feststellen, daß die Tür verschlossen war. Aufgebracht klopfte sie und rief: "Haruka bitte! Mach die Tür auf. Es gibt immer einen Weg!" "Diesmal nicht", hörte sie Haruka tonlos sagen. Panik erfasste das Mädchen. Wie wild hämmerte sie mit den Fäusten gegen die Tür. "Verdammt Haruka, mach keinen Scheiß! Bitte mach die Tür auf. Haruka!!!" Sie rüttelte an der Klinke und versuchte mit aller Macht die Tür aufzustemmen, mußte jedoch einsehen, daß es wenig Sinn hatte. Dann hörte sie ein dumpfes Geräusch. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck und sie warf sich mit aller Gewalt gegen die Tür. Beim vierten Mal brach das Schloss aus dem Holzrahmen und Elza fiel fast ins Bad. Da lag Haruka auf dem Boden, in der rechten Hand eine Rasierklinge und um sie herum bildete sich auf den hellen Fliesen eine immer größer werdende, rote Lache. "Haruka", schrie Elza und fiel neben ihr auf die Knie. Mit zitternden Händen griff sie nach den Handgelenken der Blondine und versuchte, die tiefen Schnitte zuzuhalten. "Verdammt Haruka", schluchzte sie, "Du kannst dich doch nicht einfach so verpissen. Nichts ist es wert, dafür zu sterben!" Sie griff nach ein paar Handtüchern und wickelte sie um Haruka's durchtrennte Pulsadern. Aus gebrochenen Augen blickte Haruka sie an. Ein müdes Lächeln lag auf ihren Lippen und ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern. "Lass gut sein, Elza. Mein Schmerz hat endlich ein Ende." "Nein!" schrie Elza verzweifelt, "Ich lass dich nicht sterben. Auf uns warten noch so viele schöne Dinge. Was, wenn du dich irrst und der Schmerz jetzt erst wirklich beginnt? Und was, wenn Michiru dich doch liebt?" Einen Moment lang schien Haruka erschrocken. Einen kurzen Augenblick sah Elza Hoffnung in ihren dunklen Augen aufflammen. "Ich ruf einen Krankenwagen", presste sie schnell hervor und rannte ins Wohnzimmer. Als sie ins Bad zurückkam, hatte sie Angst, daß es bereits zu spät war. Doch Haruka's Augen waren noch geöffnet und sie atmete schwach. Sofort kniete Elza sich wieder neben sie und übte starken Druck auf die blutdurchtränkten Handtücher aus. "Es wird alles wieder gut", presste sie hervor, "Du kommst wieder in Ordnung und dann kannst du Michiru deine Liebe gestehen. Du wirst sehen-du bedeutest ihr auch sehr viel. Sie macht sich Sorgen." "...Sorgen?" brachte Haruka kaum noch hervor. Elza nickte: "Ja. Ich hab sie angerufen. Gleich nach dem Krankenwagen. Sie wird gleich hier sein." Erneut flammte dieser kleine Hoffnungschimmer in Haruka's Augen auf, doch er erlosch sogleich wieder. "Danke Elza", quälte Haruka hervor, "Danke für Alles!" "Was redest du da?" wurde die Rothaarige hysterisch, "Haruka! Es kommt Alles in Ordnung, hörst du? Der Arzt wird gleich hier sein und..." Sie verstummte, da die Blondine schwach den Kopf schüttelte. "Haruka...", schluchzte sie leise. "Danke", hauchte diese mit einem schwachen Lächeln und ihre Augen schlossen sich langsam. "Haruka nein!" Elza schüttelte sie, weinte, schrie sie an, bettelte und flehte und fühlte nur noch, wie sie von ihrer besten Freundin weggerissen wurde. Kräftige Arme hielten sie fest und durch einen Tränenschleier sah sie, wie jemand sich neben Haruka kniete und mit den Fingern am Hals nach einem Puls suchte. "Ihr Herz schlägt noch", hörte sie eine tiefe Stimme wie aus einer anderen Welt, dann verlor Elza das Bewußtsein. Michiru glaubte, gleich zu ersticken-so schnell war sie durch die Nacht gelaufen. Elza hatte so verängstigt geklungen, daß sie keine Minute gezögert hatte. Irgendetwas stimmte mit Haruka nicht. Als sie völlig außer Atem um die Ecke bog, sah sie den Krankenwagen vor dem Haus stehen. Etwas abseits der Haustür saß Elza in eine Decke gewickelt, während ein Sanitäter die ganze Zeit auf sie einredete. "Elza", rief Michiru ängstlich und rannte zu ihr. Das rothaarige Mädchen hob den Kopf und blickte Michiru mit tränennassen Augen an. "Michiru...", schluchzte sie und sofort versagte ihre Stimme. "Was ist passiert?", rief das andere Mädchen verzweifelt aus, "Wo ist Haruka?" Sie sah das viele Blut, welches Elza's Haut und ihre Kleider benetzte. "Elza..." In diesem Moment erst nahm Michiru den zweiten Körper wahr, welcher im Krankenwagen auf der Bahre lag. "Haruka", stieß sie entsetzt hervor und wollte zu ihr laufen, doch Elza hielt sie am Arm fest. Michiru's Blick verriet, daß sie es bereits ahnte, aber sie sah ihre Freundin so flehendlich an, daß diese hart schlucken mußte, bevor sie reden konnte. "Es...es tut mir leid, Michiru. Sie muß dich so sehr geliebt haben..." "Nein", wisperte Michiru und Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie starrte ungläubig auf den Krankenwagen und schüttelte fast unmerklich den Kopf. "Bitte nicht..." Zögerlich trat sie auf die weit geöffnete Fronttür zu und keiner der Pfleger wagte, sie aufzuhalten, nachdem er in ihre Augen gesehen hatte. Fast wie in Zeitlupe kletterte Michiru in den Krankenwagen und starrte abwesend auf den zugedeckten Körper. Das weiße Tuch war blutgetränkt und sie streckte ihre zitternden Finger nach dem Lacken aus. Langsam zog sie es zurück und ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie Haruka's lebloses Gesicht sah. Sie sah so blaß aus. So schrecklich blaß... Sanft strichen ihre Fingespitzen über die weiche Haut und zupften eine blonde Strähne beiseite. "Du bist so dumm...", flüsterte Michiru schmerzlich, "...so dumm..." Sie lehnte sich vor und küsste die farblosen Lippen der Freundin. "Ich liebe dich!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)