Umwege einer Liebe von Iwa-chaaan ================================================================================ Kapitel 35: Entschuldigung -------------------------- Donnerstag, 31.05. Selten war Iwaizumi in seinem Leben so nervös gewesen. Und wenn, dann hatte es nichts Frauen, Liebe oder etwas in der Richtung zu tun gehabt. Das letzte Mal musste es so schlimm gewesen sein, als er sein Abschlusszeugnis bekommen hatte. Doch das hier war mindestens hundert Mal schlimmer. Noten waren eine Sache, aber jetzt ging es darum, Kaori davon zu überzeugen, dass er sie nachwievor liebte, obwohl er sich nach dem Unfall nicht bei ihr gemeldet hatte. Hoffentlich würde sie ihm verzeihen, denn er wünschte sich nichts sehnlicher, als sich wieder mit ihr unterhalten zu können und kuschelnd auf dem Bett zu liegen. Die letzten Tage waren – was das anging – wirklich schlimm gewesen. Er hatte sich so an ihre Anwesenheit gewöhnt, dass es ihn schier madig gemacht hatte, dass sie nun nicht da war. Das Bett war plötzlich viel zu groß gewesen, der Raum viel zu karg und die Zeit zog sich wie Kaugummi. Jetzt stand er hier wie ein Trottel vor ihrer Wohnungstür und war viel zu nervös, um endlich zu klingeln. Wie lange er wohl schon da stand? Zwei Minuten? Fünf? Zehn? Er wusste es nicht und es war ihm auch ziemlich egal, denn was zählte war, dass er endlich diesen blöden Klingelknopf betätigte, damit Kaori wusste, dass hier jemand war. Zwar hatte Makki ihm ausdrücklich verboten, ihr Pralinen und Blumen zum Geburtstag zu schenken, doch als Entschuldigungsgeste sollte das durchgehen können. Er war, was sowas anging, einfach unerfahren und außerdem lag ihm diese ganze Sache nicht. Er würde über seine Gefühle reden müssen und das war nicht sein unbedingt seine Stärke. Sonntagabend mochte das noch ganz gut geklappt haben, weil er aus der Situation heraus gesprochen hatte, ohne groß nachzudenken, doch jetzt hatte er alle Zeit gehabt, um sich die Worte zu recht zu legen. Und alles – wirklich alles –, was er sich überlegt hatte, hatte sich scheiße abgedroschen in seinen Ohren angehört. Als es ihm zu blöd geworden war, hatte er sich angezogen und auf den Weg gemacht. Jetzt war er hier und starrte den Klingelknopf an. Großartig. „Hallo Hajime, was machst du denn hier?“, fragte eine bekannte Stimme freundlich und er drehte den Kopf. Auf der Treppe entdeckte er Mako, die gerade mit Einkaufstüten bepackt auf ihn zukam. „Ah hi Mako. Ich bin hier, weil ich nochmal mit Kaori reden möchte …“, erklärte er und sie nickte verständnisvoll. „Na dann komm rein, hm? Bevor du hier noch Wurzeln schlägst“, sagte sie leicht lächelnd und er nahm ihr die Taschen ab und trug beide mit einer Hand, da er in der anderen den eingepackten Blumenstrauß hielt. Sie kramte den Wohnungsschlüssel aus ihrer Tasche heraus und murmelte dabei leise vor sich hin, was er aber nicht verstand. Sie fummelte kurz herum, dann öffnete sie die Wohnungstür und er folgte ihr unsicher. „Bin wieder daha! Kaori, ich hab Besuch mitgebracht!“ „Besuch?“, fragte sie überrascht und steckte den Kopf aus ihrem Zimmer. „Oh … Hallo Hajime …“ „Hi ... Können wir reden?“, wollte er unsicher wissen und überreichte Mako die Tüten, als sie danach greifen wollte, ohne den Blick von seiner Freundin abzuwenden. „Ja, in Ordnung“, stimmte sie zu und verschwand wieder in ihrem Zimmer. Mako nickte ihm ermutigend zu und er straffte die Schultern. Mit zittrigen Knien legte er den kurzen Weg zu ihr zurück und schloss die Tür hinter sich. Kaori saß auf ihrem Schreibtischstuhl und beobachtete ihn misstrauisch. Immerhin hatte sie ihn nicht direkt rausgeschmissen, also gab es noch Hoffnung, oder? „Ich weiß, was für ein Arschloch ich am Wochenende zu dir war und dass dein Vertrauen zu mir darunter sehr gelitten hat. Auch heute kann ich dir nicht sagen, warum ich mich nicht bei dir gemeldet habe. Mein Kopf war wie leer gefegt und es fühlte sich alles so surreal an, dass nach dem Antrag noch so eine Scheiße passierte. Die letzten Tage …“ Er seufzte und strich sich nervös durch die Haare. Wie sollte er das sagen, damit sie es auch verstand? Welche Worte benutzte man in so einer Situation, um zu verdeutlichen, wie sehr er sie liebte und wie leid ihm das alles tat? Ruhig schaute sie zu ihm und wartete geduldig, dass er den Faden wieder aufnahm. Diese meerblauen Augen, die sein Herz höher schlagen ließen, wie es sonst noch keine geschafft hatten. Er musste das hier irgendwie hinkriegen! „Die letzten Tage“, setzte er erneut an und schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln und fuhr dann fort: „fühlten sich so leer an. Ich habe dein Lachen vermisst, deine motivierende Art, diese wunderschönen ozeanblauen Augen … Kannst du mir das verzeihen und eine zweite Chance geben? Ich bitte dich!“ Er überwand die paar Meter, die sie trennten, nach ein paar Sekunden und hielt ihr den Blumenstrauß und die eingepackten Pralinen etwas hilflos hin, da noch keine Reaktion gekommen war. Ihm war ja klar, dass das keine perfekte Entschuldigung war, aber was musste noch machen, damit sie das wurde? Kaori nahm zunächst den Blumenstrauß entgegen und packte ihn vorsichtig aus dem Papier und ihre Augen wurden größer. „Das sind glaube ich die Blumen, die auf deinem Kleid waren, als wir unser erstes Date hatten. Ich hoffe, sie gefallen dir“, erklärte er und sie nickte schweigend, während sie vorsichtig an den Blumen roch. „Das hier ist eine Anthurie. Sie steht für Stärke und Eleganz. Und die hier sind Fresien und symbolisieren Treue und Vertrauen und direkt neben der Anthurie ist noch eine Strelitzie, auch als Papageienblume bekannt. Da sie zu den exotischen Blumen gehört, bedeutet sie als Geschenk Einzigartigkeit.“ Sie wandte den Blick wieder zu ihm und ergänzte: „Die Strelitzie ist nicht auf meinem Kleid, da hat der Florist deinen Strauß noch etwas aufgewertet. Wer auch immer das war, verstand, dass es hier um eine Entschuldigung ging.“ Sie lächelte ihn so unwiderstehlich glücklich an und er war so froh, dass ihr die Blumen gefielen. Natürlich hatte er keine Ahnung, dass sie auch alle eine Bedeutung hatten. Rosen waren nur selbst ihm zu platt gewesen und mithilfe seiner Erklärungen des Blumenmusters hatte der Florist den Strauß zusammengestellt. Zu seinem Glück war er wohl ein Naturtalent und jetzt erschloss sich ihm auch, warum er die ganze Zeit so komisch gelächelt hatte. „Magst du kurz eine Vase holen? Wenn du wieder da bist, öffne ich das zweite Geschenk, ja?“ „Ja klar“, stimmte er zu und verließ den Raum, um nach einer Vase Ausschau zu halten. Bestimmt hatten sie sie in der Küche, also schritt er zielsicher dorthin, wo Mako noch damit beschäftigt war, einzuräumen. „Hey, wo habt ihr denn eure Vasen?“, fragte er und sie drehte sich zu ihm um. „Da drüben im Schrank, direkt auf Augenhöhe. Die ganz links ist Kaoris Lieblingsvase. Läuft also gut, ja?“, erkundigte sie sich leicht lächelnd und er seufzte, während er die Vase herausholte. „Ich glaube schon. Zumindest hat sie mich ausreden lassen und ihr gefällt der Blumenstrauß. Ist doch ein Anfang, oder?“ „Ja, ist es. Ich bin mir sicher, dass ihr wieder zueinander finden werdet. Sie braucht nur manchmal etwas, um sich darüber klar zu wenden. Also hopp hopp, zurück zu ihr, hm?“ Sie lächelte ihn verständnisvoll an, dann wandte sie sich wieder der Hausarbeit zu und er füllte die Vase mit lauwarmem Wasser. Seine Mutter hatte ihm einmal erklärt, dass ganz kaltes nicht gut für die Blumen war. Keine Ahnung ob das wirklich so stimmte, aber Mütter hatten immer recht, also hielt er sich daran. Außerdem nahm er noch ein Messer, das auf dem Küchentisch lag. Denn auch das hatte seine Mutter jedes Mal gebraucht, wenn Dad mit Blumen angekommen war. Wieder in Kaoris Zimmer nahm er den Strauß, schnitt die Blumen noch einmal schräg an und stellte ihn vorsichtig in die Vase. „Doch ein Fachmann?“, fragte sie lächelnd. „Nein, nur meine Mutter nachgeahmt, wenn Dad ihr Blumen mitgebracht hat“, gestand er ehrlich und sie nickte, schien aber nicht böse wegen der Antwort. Sie stellte die Blumen auf die Fensterbank und schaute sie einen Augenblick lang an, ehe sie sich wieder zum Schreibtisch begab, um das zweite Geschenk zu öffnen. „Pralinen?“, fragte sie leicht amüsiert und er spürte eine leichte Hitze auf den Wangen. „Ja, von einem Konditor gemacht. Mit Erdbeersahnefüllung …“ „Oh! Du hast sie extra machen lassen? Und dann auch noch mit Erdbeere?“ „Natürlich. Die Entschuldigung soll dir doch auch schmecken!“, verteidigte er sich und schob leicht die Unterlippe vor. Als würde er irgendwelche Billig Pralinen nehmen. So viel Anstand besaß er dann auch gerade noch. Elegant schritt sie auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen. Er musterte ihre blauen Augen, doch ihm war absolut nicht klar, was sie gerade dachte und ob sich die Mühe gelohnt hatte oder nicht. Seine Knie wurden weich und ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Seine Handinnenflächen waren schweißnass vor Aufregung und er betete still, dass sie ihm eine zweite Chance gab, die er unbedingt nutzen wollte, um ihr Vertrauen Stück für Stück wieder zurückzugewinnen. „Ich nehme die Entschuldigung an“, hauchte sie und bevor er sein Glück darüber kundtun konnte, küsste sie ihn sanft. Sie schlang ihre schlanken, aber trainierten Arme um seinen Nacken und er zog sie in eine enge Umarmung. Er versuchte all seine Liebe in diesen Kuss zu legen, um ihr zu zeigen, wie dankbar er war. Irgendwann – Iwa hatte das Zeitgefühl verloren – lösten sie sich wieder voneinander und er versank in diesen meerblauen Augen, als sie leise sprach: „Melde dich bitte das nächste Mal. Ich muss nicht die erste sein, die Bescheid weiß, aber ich möchte erfahren, wenn dir etwas passiert, okay?“ „Ich verspreche es. Auch wenn ich hoffe, dass das nicht noch einmal passiert …“ „Ja, das hoffe ich auch“, murmelte sie, brach den Blickkontakt ab, was er ein wenig bedauerte und kuschelte sich eng an ihn. Sanft strich er ihr über den Rücken und hielt sie im Arm. „Das letzte, was ich wollte, war, dir Sorgen zu machen …“, murmelte er gegen ihre Haare und gab ihr einen Kuss auf den Schopf. Der Streit war beigelegt und er war unendlich froh deswegen. Die letzten Tage war scheiße gewesen, auch wenn er das Volleyballspiel richtig genossen hatte, aber es wäre das i Tüpfelchen gewesen, wenn sie zugeschaut und sie angefeuert hätte, wie sie es sonst immer getan hatte. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Sie war wieder in seinen Armen und das war das einzig wichtige. Und Volleyballspiele würde es noch eine ganze Reihe geben. Sie hatten noch eine ganze Weile auf dem Bett gekuschelt, sich unterhalten und rumgeknutscht, bis es Abend geworden war und er sich auf den Heimweg machen musste. Da er nicht gewusst hatte, ob sie die Entschuldigung annehmen würde, hatte er keine Schlafsachen mitgenommen und vielleicht war es auch besser, wenn sie es ruhig angingen ließen. Morgen würden sie sich wieder in den Vorlesungen sehen und abends, um sie mit einer Geburtstagsfeier zu überraschen, weil sie alle gemeinsam mit ihr rein feiern würden. Mako und Yukie hatten alles geplant, also sehen würden sie sich noch genug die nächsten Tage. Zu Hause angekommen ließ er sich neben Oikawa aufs Sofa fallen und alle Drei schauten ihn erwartungsvoll an. „Und!? Hat es geklappt? Hat sie dir verziehen? Jetzt erzähl doch mal!“, forderte Toru neben ihm neugierig und Iwa konnte die Anspannung in der Luft geradezu greifen. „Ja, sie hat mir verziehen und gibt mir eine zweite Chance“, erklärte er mit einem Lächeln auf den Lippen und seine Freunde atmeten beruhigt aus. „Na zum Glück! Dann bist du jetzt wieder glücklich, Iwa-chan?“ „Ja, bin ich, Shittykawa!“ „Gut, das wollte ich hören“, erwiderte er zufrieden und zur Feier des Tages schauten sie sich Jurassic World 1 und 2 an. Das hieß zwar, dass sie erst Mitternacht ins Bett kamen, aber das war schon in Ordnung ausnahmsweise. Er liebte diese Filme und man musste die Feste schließlich feiern, wie sie fielen und er war so erleichtert, dass er es in Kauf nahm, morgen früh müde zu sein. Notfalls konnte er sich morgen Nachmittag noch hinlegen, um für die Party am späten Abend fit zu sein. Yukie und Mako hatten es sogar irgendwie geschafft, den Trainer davon zu überzeugen, das Training am Freitag ausfallen zu lassen, damit sich alle in Ruhe vorbereiten konnten. Wahrscheinlich war der Trainer so gnädig, weil sie bisher alle Spiele gewonnen hatten und auch im Training immer alles gaben. Auf seinem Bett liegend schrieb er noch kurz Kaori, die sich ebenfalls gerade ins Bett legte und wünschte ihr eine gute Nacht, als ihm auffiel, dass er im Laufe des Abends eine Email bekommen hatte. Neugierig öffnete er sie und stellte fest, dass Oikawas Mutter ihm geantwortet hatte. Mit Herzklopfen öffnete er sie und begann zu lesen: Hallo Hajime, wir sind ehrlich gesagt etwas irritiert über deine Email, denn Toru hatte uns kurz vor seinem Umzug sehr deutlich gemacht, dass er keinen Kontakt mehr zu uns haben wollte. Da er sehr aufgebracht und wütend war, haben wir seinen Wunsch respektiert und uns zurückgezogen, obwohl es uns beinahe das Herz zerbricht, dass er das so möchte. Jetzt zu erfahren, dass er wegen uns leidet, weil wir uns nicht melden, tut uns unendlich leid und natürlich suchen wir gern den Kontakt zu ihm, um das aus der Welt zu schaffen. Wir möchten ja für ihn da sein, aber wir wollten ihn auch nicht nerven oder noch schlimmeres, wenn er den Kontakt einfach so aufgibt. Weiß Toru von deiner Mail? Falls nicht, sprich doch bitte zuerst mit ihm, ja? Nicht, dass wir ihn überfallen und er alles abblockt. Wir würden uns sonst gern am Sonntag melden. Magst du uns kurz bestätigen, dass das in Ordnung ist? Und danke, dass du dich anscheinend all die Zeit um ihn gekümmert hast. Wir sind beruhigt, dass du bei ihm bist und ein Auge auf ihn hast. Wir warten sehnlichst auf deine Rückmeldung und liebe Grüße an Issei, Takahiro und natürlich Toru, Ran und Kanaye Irritiert las Hajime die Email noch zwei weitere Male. Der Setter sollte den Kontakt abgebrochen haben? Es hatte Streit vor dem Umzug gegeben? Wann genau sollte das gewesen sein? Sie waren alle gemeinsam umgezogen und hatten die Tage vorher Sachen gepackt und sich dabei gegenseitig geholfen. Am Morgen des Umzugs hatte sein Vater einen LKW gemietet – er war der einzige, der einen fahren durfte – und all ihre Sachen hatten hinein gepasst, da sie vieles erst in Tokyo noch gekauft hatten – insbesondere Möbel und Maschinen. Also wann sollte es da einen Streit gegeben haben? Das hätte er doch mitbekommen. Doch je länger er darüber nachdachte, war die Verabschiedung der Familie Oikawa ziemlich kühl ausgefallen. Vielleicht hatten sie sich am Abend zuvor gestritten? Das war der einzige Zeitpunkt gewesen, wo alle bei ihren Eltern waren, um den letzten Abend gemeinsam zu verbringen. Er musste auf jeden Fall mit Toru darüber reden. Egal, was vorgefallen war, mittlerweile war es zwei Jahre her und er sehnte sich mittlerweile trotz des angeblichen Streits nach seinen Eltern zurück. Also würde er der Sache nachgehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)