Kirschblüten im Sommerregen von Last_Tear ================================================================================ Kapitel 2: Blütenregen ---------------------- Drei Tage später fand sich Koichi am Bahnhof von Osaka wieder und strich sich seufzend eine rosa Haarsträhne aus der Stirn. Er hatte nicht hier her kommen wollen. Wirklich nicht. Aber verdammt noch mal er wollte eine Antwort was die Sache mit dem Kuss sollte! Und nein, er schaffte es nicht, zu warten. Dieses Mal war er zumindest auf das Konzert besser vorbereitet und während er seine Sonnenbrille richtete, nahm er sich vor, Ryoga nicht so leicht davon kommen zu lassen. Bandmitglied oder nicht. Er war weder ein Fangirl, noch ein Spielzeug, wenn das nur eine Masche war, wollte er damit nichts zu tun haben. Zwar konnte er Ryoga keine Vorschriften machen, wie dieser sein Leben verbrachte, aber wenn dann wollte er einen Partner der ihm treu war. Der nicht jede Nacht mit irgendwem anders flirtete oder ins Bett stieg. Vielleicht einer der Gründe, wieso er so lange schon allein war - er hatte einfach Angst davor, verletzt zu werden. Auf dem Weg zur Halle hatte er in einem kleinen Ramenrestaurant einen Zwischenstopp eingelegt, um etwas zu essen und danach überlegt Ryoga zu schreiben. Einerseits wollte er ihn überraschen, so war die Chance auch durchaus größer, dass er ihm nicht sofort entkommen konnte, andererseits war das heute der letzte Tag in Osaka für die Band und damit würde er so oder so kaum Zeit haben. Es war zum verrückt werden. Wenigstens war in Hallennähe sogar ein Seven/Eleven in dem er sich Melonsoda geholt und dann schmollend damit auf den Boden gesetzt hatte. Dass der dämliche Sänger es aber auch geschafft hatte, ihn in ein Gefühlschaos zu stürzen, war alles andere als nett. So früh wie er dran war, ließen sich nicht mal andere Fans sehen und seufzend ließ er den Kopf mehr in den Nacken sinken, bevor er sich müde durch die Haare fuhr. Seitdem Ryoga ihn geküsst hatte, hatte er Schwierigkeiten gehabt, einzuschlafen. Der Sänger kam vielleicht ungefähr ein Jahr bereits regelmäßig ins Café, aber bisher hatte dieser nie irgendwelche Anzeichen gezeigt, überhaupt an Männern interessiert zu sein. Verflucht, er wusste ja nicht mal den richtigen Namen dieses Idioten. Und warum machte er sich bitte überhaupt so viele Gedanken? Er war nur Barista, das hier war doch gar nicht seine Welt. Also für Spaß und Freizeit und so sicherlich, aber doch nicht für mehr. Man. Er hasste sich selbst dafür sich so verrückt zu machen, aber was konnte er denn sonst tun? Ein Blick auf sein Handy zeigte ihm, dass er das alles falsch getimt hatte und seufzend vergrub er das Gesicht in den Händen. Fuck. War er echt so müde, dass er jetzt schon vier Stunden vor dem Einlass hier war? Durfte nicht wahr sein. „Hey, Schönheit. Wartest du auf jemanden?“ Für einen Moment war er sich nicht sicher, ob er gemeint war, dann hatte er jedoch aufgesehen und war erstmal zurück gezuckt als ein schwarzhaariger Kerl schon halb über ihm kniete. Wo war der denn her gekommen und wieso hatte er ihn nicht gehört? „Ey was gehts dich denn an? Kommst du Leuten immer so nahe die nur ihre Ruhe haben wollen?!“ Ja gut, vielleicht war er ein kleines bisschen gereizt. Aber er hasste es, von fremden Menschen angesprochen zu werden und dann auch noch aus dem Nichts! Reichte, wenn ihm die Hostboys in Shinjuku nachriefen weil sie ihn für ein Mädchen hielten. Zu seinem großen Erstaunen jedoch hatte der andere Kerl angefangen zu lachen und sich ihm gegenüber auf den Boden gehockt. „Ganz ruhig, Pinkie! Ich hab dir nur ne Frage gestellt, kein Grund mir das Gesicht abzubeißen!“ Damit hatte der Schwarzhaarige sich eine Zigarette aus der Tasche gezogen und angezündet und Koichi hob beide Augenbrauen. „Bist du auch hier fürs Konzert?“ „Nein, ich warte auf meinen Freund.“ Irgendetwas an dieser Aussage ließ ihn die Stirn runzeln, aber er zog es vor, nicht weiter zu fragen. Der Kerl war eindeutig komisch. „Hey, lass uns nochmal anfangen, ja? Nenn mich Tsuzuku.“ „Koichi.“ Einige Sekunden lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann stand Tsuzuku wieder auf um sich zu strecken und Koichi fuhr sich müde durch die Haare. Vielleicht hätte er sich lieber Kaffee kaufen sollen. Aber konnte er an sich ja auch noch nachholen. Theoretisch. Er hätte echt mal besser die Zeiten nochmal überprüft, bevor er sich so verrückt gemacht gehabt hatte, den richtigen Bus nach Osaka zu erwischen! Wenigstens hatte er da schlafen können, aber dass er sich gerädert fühlte, würde sich so schnell wohl nicht ändern. Dafür schuldete ihm Ryoga definitiv was und wenn es ein Bier war! „Sag mal, wie kommst dass ich dich noch nie gesehen hab, hm? Wer hat dich angeschleppt? Ich wette es war Ryoga, huh?“ Statt zu antworten, sah er nur ertappt zu seinem Gegenüber auf, aber das schien Tsuzuku zu reichen, welcher lachend ein beinahe schon triumphales „Ich habs gewusst!“ Von sich gab und ihn dann unschuldig angrinste. „Sorry, Kleiner. Aber Ryoga schleppt gerne mal fremde Kerle an, nimms nicht persönlich, ja? Niedlich bist du ja.“ Bitte was? Koichi spürte wie sich ihm der Magen umdrehte bei diesen Worten und er wäre zu gerne aufgesprungen und hätte sein Gegenüber zur Rede gestellt, wenn nicht eine ihm nur zu bekannte Gestalt ums Eck gekommen wäre und ihm damit einen Strich durch die Rechnung machte. „Wenn man vom Teufel spricht…Hey, Ryo.“ So vertraut wie Tsuzuku sich dem Anderen näherte war es offensichtlich dass er ihn besser kannte und in Koichi krampfte sich alles zusammen. Waren die beiden ein Paar? Aber wieso hätte Ryoga ihn dann küssen sollen? Oder hatte er Recht gehabt und er bedeutete ihm nichts? Und die wichtigste Frage überhaupt - warum interessierte ihn das denn so sehr? War es nur weil Ryoga der erste Mann seit Jahren war der ihn von sich aus geküsst gehabt hatte? Oder machte der Schlafmangel ihn irre? Zumindest umarmten die Zwei sich nur. „Was machst du überhaupt schon hier draußen? Dachte Soundcheck läuft noch?“ Der Sänger zuckte müde mit den Schultern, fuhr sich durch die Haare und Koichi runzelte die Stirn. Soundcheck? Davon hatte er ja gar nichts mitbekommen. Erklärte aber, wieso Ryoga schon hier war und der Rest der Band ja offensichtlich auch. „Ach uns hats nen Verstärker zerstört. Ray kümmert sich da drum, K spielt moralische Unterstützung und Tomo versucht zu verhindern dass der Technik Staff graue Haare bekommt. Kifumi telefoniert mit den Musikläden in der Nähe ob sie eventuell einen passenden Verstärker auf Lager hätten und na ja. Da dachte ich, ich hol uns Kaffee und ein paar Bentos.“ Mittlerweile hatte sich auch Koichi erhoben und überlegte, ob er einfach gehen sollte. Immerhin die Zwei schienen sich gut zu verstehen, er wollte keinem Gespräch lauschen, das nicht für ihn bestimmt war und überhaupt…Kaffee klang gut. Jedoch kam er nicht mal dazu, sich umzudrehen, weil Ryoga da auch schon halb an ihm klebte und ihn eng umarmte. Wie unerwartet. „Sorry…Hätte nicht gedacht, dass du überhaupt kommst und war mir nicht sicher ob ich mir dich nur einbilde.“ Ryoga lachte leise und Koichi hob beide Augenbrauen. War der Sänger jetzt schon betrunken? Oder nahm der auf Tour irgendwelche Drogen? Im nächsten Moment schlang sich noch ein Arm um ihn und Koichi verzog das Gesicht. Das wurde ihm langsam zu viel Körpernähe. „Klingt als hättest du den Kaffee wirklich dringend nötig.“ Ryoga brummte als Antwort, ließ aber zum Glück wieder los und Koichi atmete auf. So gern er den Sänger auch hatte, Körperkontakt war ihm nach wie vor unangenehm in der Öffentlichkeit. Dass Tsuzuku die Gelegenheit nutzte, um die Arme um sie beide zu legen, ließ ihn seufzen, aber er schwieg, ging jedoch sofort auf Abstand, kaum dass sie den Seven/Eleven wieder betreten hatten und verschwand direkt in Richtung des Kaffeeregals. Er konnte Tsuzuku nicht einschätzen und vielleicht wäre es besser die Zeit vor dem Konzert allein zu verbringen. Allerdings schien er kein Glück zu haben, weil die Beiden ihm gefolgt waren und als sie wenig später auf dem Weg zur Kasse waren, war er sich mehr als sicher, dass es ein Fehler gewesen war, nach Osaka zu fahren. Vor dem Laden bestätigte sich dieser Gedanke erneut, als Kifumi sie abfing und er konnte nur noch tief seufzen. Das Gefühl, in eine Welt geraten zu sein die nichts für ihn war, wurde übermächtig, als er beobachtete wie Tsuzuku auch Kifumi umarmte und er öffnete stumm seinen Kaffee um einen großen Schluck zu trinken und verzog das Gesicht. Igitt. Hatte er wirklich eine Dose schwarzen Kaffees erwischt? „Hier.“ Koichi sah fragend auf, als ihm eine regenbogenfarbene Dose vor die Nase gehalten wurde und er starrte Ryoga mit großen Augen an, bevor es langsam Klick machte. Oh. „Aber…Das ist dein Kaffee. Ich kann doch nicht…“ „Schon gut, wir tauschen einfach, ja?“ Ryoga zwinkerte ihm zu und Koichi betete innerlich, dass der Erdboden ihn verschlucken möge. „Aber ich hab schon davon getrunken und…“ Bevor er weiter protestieren konnte, wurde ihm die Dose aus der Hand genommen, Ryoga hielt Blickkontakt, während er einen großen Schluck trank und Koichi erschauderte. Ja, er hatte eindeutig ein Problem. Allerdings wollte er auch nicht unhöflich sein, weswegen er die Dose öffnete, die Ryoga ihm in die Hand gedrückt gehabt hatte und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er einen Schluck getrunken hatte. Besser. Eindeutig besser. „Eigentlich darf ich dich nicht mit in die Halle nehmen, aber ich will dich auch nicht hier allein draußen lassen, während wir essen…“ Koichi legte fragend den Kopf schief, Ryoga zuckte mit den Schultern. Im nächsten Moment wurde ihm die Tüte mit den verschiedenen Bentos in die Hand gedrückt und er hob eine Augenbraue. „Also sagen wir einfach du hast unser Essen getragen und verhältst dich unauffällig, ja?“ Ein fragender Blick zu Kifumi und Tsuzuku zeigte nur, dass die Zwei in ein Gespräch vertieft waren und da wollte er auch nicht stören. Also folgte er Ryoga seufzend in das Gebäude und durch die verwinkelten Gänge, bis sie im Aufenthaltsraum der Band angekommen waren. Verdammt fühlte er sich hier fehl am Platz! Zumindest bis Tomo ihn grinsend fragte, wieso er sich so lang Zeit gelassen und ob er Angst vor ihnen gehabt hatte. „Pft…Vor euch nicht aber bei Ryoga kann man nie wissen.“ Grinsend streckte er dem Sänger die Zunge heraus und dieser verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee. „Ja…Ich hab dich auch vermisst, Koichi.“ Das Essen mit der Band und Tsuzuku verlief relativ ruhig, auch wenn es Koichi etwas seltsam vor kam, dass Tsuzuku auf Kifumis Schoß saß und sich füttern ließ. Waren die Zwei zusammen? Hatte Tsuzuku wirklich den Bassisten gemeint? Wie er die Beiden so beobachtete, entging ihm völlig, dass Ryoga aufgehört hatte zu essen und sein Bento mit einem gequälten Ausdruck in den Augen zur Seite geschoben hatte. Erst als der Sänger aufstand und sich entschuldigte, sah Koichi verwirrt auf - was hatte er denn jetzt verpasst? Und wollte er es wirklich wissen? Andererseits war das wohl kein normales Verhalten und der Rest der Band schien das zu ignorieren…Gerade als er aufgestanden war, traf ihn ein fragender Blick von K und er zuckte schwach mit den Schultern, murmelte etwas von „Klo“ und verließ den Raum, während er tief durchatmete. Jetzt blieb nur noch eine Frage zu klären - wohin war der Sänger geflüchtet? Lange dauerte es nicht, Ryoga zu finden, aber es gab hier auch keine andere Möglichkeit zu rauchen, als direkt hinter der Halle. Und nachdem er selbst immer rauchte, wenn er gestresst war…“Ryoga?“ Koichi biss sich auf die Unterlippe, als er sich dem Sänger näherte, er hätte schwören können, dass dessen Schultern zitterten, aber er wollte auch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Es war doch noch alles gut gewesen beim essen. „Geh weg.“ Koichi zuckte heftig zusammen, als er so angefaucht wurde, bevor er sich leise seufzend durch die Haare fuhr. „Nein. Ich bin nicht extra von Tokio nach Osaka gefahren und hab Tsuzuku ertragen, nur dass du mir sagen kannst ich soll wieder verschwinden! Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Ryoga, aber verdammt noch mal, du schuldest mir eh noch ne Erklärung wieso du mich in Tokio geküsst hast, dann kannst du auch gleich anfangen mir zu sagen, was jetzt mit dir los ist. Ich warte. Und im Gegensatz zu dir hab ich keinen Terminplan auf den ich achten muss.“ Murrend verschränkte er die Arme vor der Brust, dann hatte er sich selbst eine neu gekaufte Packung Zigaretten aus der Hosentasche gezogen, um sich einen Glimmstängel anzuzünden und Ryogas Hinterkopf düster anzustarren. Ja, er war schüchtern, zurück haltend und er hasste Konflikte, aber das hier wurde ihm einfach alles zu viel. Zumindest schien es auch zu wirken, denn Ryoga drehte sich um, aber als er den Ausdruck in dessen Augen sah, hätte Koichi am Liebsten die Zeit zurück gedreht. Da war so viel Einsamkeit und Traurigkeit, dass es ihm ins Herz schnitt und er verschluckte sich beinahe am Rauch seiner Zigarette. „Ryoga…“ „Ich hasse ihn.“ Keine Erklärung, kein Kontext, nur dieser eine Satz. Und im Moment machte es sogar Sinn. Sie rauchten wortlos weiter, Koichi unsicher, was er sagen sollte und Ryoga zu müde um sich zu erklären. Bevor der Sänger jedoch zurück gehen konnte, hatte Koichi ihn am Arm zurück gehalten und ihm ein schwaches Lächeln geschenkt. „Wenn du reden willst…Ich hör dir zu, ok?“ Immerhin, das war auch ein Teil seines Jobs. Auch wenn man es nicht glauben mochte und es nicht so häufig passierte wie in einer Bar. Aber auch Barista waren froh, wenn sie mit ihren Kunden reden konnten und in einem zeichnete er sich immer aus - Kunden zufrieden zu stellen. Und technisch gesehen war Ryoga immer noch das. Auch wenn sie praktisch wohl längst darüber hinaus gekommen waren. Der Sänger schenkte ihm ein schwaches Lächeln bevor er seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, dann schüttelte er den Kopf. „Schon gut. Mach dir keine Sorgen um mich, ja? Das ist nichts. Ich muss nur lernen dass es Leute gibt, denen es scheißegal ist, was ich fühle.“ Koichi ließ seine Zigarette ebenfalls im Aschenbecher sterben, dann atmete er tief durch. „Ok. Dann beantworte mir wenigstens wieso du mich geküsst hast.“ Kurz zögerte Ryoga, dann zog er Koichi erneut eng an sich heran und dieser hatte das Gefühl, dass sein Herz einen Schlag aussetzte. „Weil du viel zu gut für mich bist und ich wenigstens ein Mal wissen wollte, wie es sich anfühlt, geliebt zu werden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)